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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980404024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898040402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898040402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-04
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Suzeigeu.PreiS -K -gespaltene Petitzeile rn Ps^ Rerlame» unter demRedactionSstrich (4a» spalten) bO>C, vor d« FamiltrnoackrickiW («gespalten) 40 Gröbere Schrift« laut unsere« -reis' verzeichniß. Tabellarischer »nd Ztffernsatz uach höherem Tarif. ' 0 -L«»,h«rschluß fir Anzeigen: «brud-Ausgabe: vormitMg» 10 Uhr. Morgru-Audgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Vet d« Filialeu und Annahmestelle» j» »st» halb« Stund« früher. U»»et«e» st»d stet« «, di» GxpeUtt«« hu richt«». Druck nd -erlag vo» E. -olh i» Lelpzkch 17«. Montag den 4. April 1898. 82. Jahrgang. Politische Tagesschau. . * Leipzig, 4. April. Die Ernennung deS Reichstagsabgeordneten vr. v. Buchka »um Direktor der Colouialabtheilung des Auswärtigen Amtes hat zwar in allen politischen Kreisen überrascht, wird aber von dem größeren Theile der Presse deshalb als eine nicht unerfreuliche Thatsache hingenommen, weil Herr v. Buchka trotz seine« Parteistandpunctes sich stets ein objek tives Urtheil bewahrt hat. So schreibt die „National-Liberale Correspondenz": „Ts ist bereits osficiös hervorgehoben worden, daß unter seiner Lritung die coloniale Verwaltung in gutem Einvernehmen mit der Mehrheit de« Reichstags werde geführt werden. Und mit Rech t. Dieser Ueberzeugung geben sich Alle hin, welche di« Wirksamkeit de» neuen ColonialdirectorS seit seinem Eintritt in den Reichstag im Jahre 1893 verfolgt haben. Er hat unbeschadet seines Parteistandpunctes sich stet« al« objektiver Politiker bewiesen. Bor Allem war er an dem Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuches von seiner Fraction am meisten betheiligt; ihm ist eS znzuschreiben, daß der Widerstand von konservativer Seite bei der Erledigung de« Capitel» über dir bürgerliche Ehe nicht dem ganzen Gesetz gefährlich wurde. In der letzten Session hat er der 6. Commission präsidirt, welche die ganzen Justizgesetze zu behandeln hatte, die im Zusammen hang mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch am 1. Januar 1900 in Kraft treten sollen. Was insbesondere die freisinnigen Kritiken seiner Berufung anlangt, so möchten wir in dieser Hinsicht seine Rede auf dem Dresdener konservativen Parteitag in Erinnerung bringen. Mehrere Führer der sächsischen Conservativen hatten »Inen Antrag gestellt, bei Stichwahlen zwischen Frei sinn und Socialdemokratie unbedingte Stimmenthaltung zu proclamiren. vr. von Buchka erklärte diesem, wie er sagte, „höchst unpolitischen Vorschlag" gegenüber: „Wenn in einer Stichwahl die Entscheidung zwischen Freisinn und Socialdemokratie zn wessen ist, muß ich a «bedingt empfehlen, lUr d'-,»Eh. Di«stv mit ^.—-Gegendiensten belohnen. Wir meinen, ein solche- Entgegenkommen sollt« dem neuen Colonialdirector auch auf colonialgeguerischrr frei sinniger Seite einen Anspruch zum wenigsten auf objektive Brurtheilung seiner Persönlichkeit sichern." Herr Richter freilich scheint nicht geneigt »u sein, auch seinerseits zu einer objektiven Beurtheilung sich aufzuschwingen, denn er schreibt in seiner „Freis. Zig." über die Ernennung; „Danach wären wir also wirklich in Deutschland zu einer Paria- mentarischea Regierung gelangt. Man ernennt Abgeordnete zu Resjortchess auch ohne Rücksicht auf eine frühere amtliche Thätigkeit oder eia« besondere Qualifikation für da« betreffende Ressort in der Erwartung, daß sie dasselbe im Einklang mit der Mehrheit des Reichstages führen werden. So war e» mit Herrn v. Podbtelski, so Ist es jetzt mit Herrn v. Buchka. Nur seltsam, daß diese parlamentarische Regierung immer nur an conservative Ab- geordnete aoknüpft, obgleich die conservative Partei noch nicht ein Fünftel der Reichstagsmirglieder zählt. Näher würde e« doch liegen, die „parlamentarischen" Resjortchess der ausschlaggebenden CentrumSpartei zu entnehmen und beispielsweise den Abg. Prinzen Arenberg zum Colonialdirector zu machen." Allerdings kann die Ansicht, daß die Ernennung deS Prinzen Arenberg näher gelegen hätte, als die der über wiegenden Mehrheit der ReichstagSabgeordneten angesehen werden. Denn der Prinz, der längere Zeit dem Auswärtigen Amte als LegationSrath angehört hat, gilt, wie die „Köln. Ztg." mit Recht bervorhebt, als einer der tüchtigsten Kenner und wirksamsten Bahnbrecher unserer Colonialpolitik; er ist seit vielen Jahren einer der Vicepräsidenten der deutschen Colonialgesellschaft, und die Abtheilung Berlin-Charlotten burg dieser Gesellschaft, in der er seit ihrer Begründung den Vorsitz führt, erfreut sich unter seiner geschickten Leitung einer ungewöhnlichen Entwickelung und besonderen Ansehens. Der Prinz hat wesentlich dazu mitgewirkt, daß auf dem Gebiete des ColonialwesenS sich alle Parteien auf einem neutralen Boden Ausammenfinden und die politischen Parteigegensätze zurückdrangen, um mit vereinten Kräften für eine gedeihliche Entwickelung unserer Schutzgebiete zu wirken. Zweifellos ist auch der Versuch gemacht worden, ihn zur Uebernahme des Amte- zu bewegen; ist dieser Versuch aber aus noch un bekannten Grünven mißlungen, so war, da auch Bewerber aus den Kreisen der persönlichen Kenner unserer Colonialverhält nisse nicht vorhanden waren, die Wahl eines Mannes, dem jedenfalls die Empfehlung deS Regenten von Mecklenburg- Schwerin, Herzogs Johann Albrecht, zur Seite stand, die günstigste Losung der Frage Daß man an den Führer der Freisinnigen Volkspartei, der am liebsten die deutschen Colo nien verschenkte, mit einer Anfrage herantreten werde, hat Herr Richter doch wohl selbst nicht erwartet. Die für die Verwaltung des Kiautschou-ÄebieteS für die nächste Zeit getroffene kaiserliche Bestimmung wird nun auck im „Ri-Anz." veröffentlicht. Wir wiederholen kurz den Inhalt. Danach wird die gesammte Verwaltung deS dort an Deutschland überlassenen Gebietes dem Reichs- marine-Amt unter Verantwortung des Reichskanzlers übertragen. Ein Bataillon Marine-Infanterie und eine Compagnie Matrosen - Artillerie wird die Besatzungs truppe bilden unter dem Oberbefehl deS StaatSsecretcurS des Reichs-MarineamteS. Ein Seeosficier wird als Gouverneur das Haupt der dortigen Militair- und Civilverwaltung und oberster Befehlshaber der dortigen Truppe sein. Für das Kiautschou-Gebiet werden dem Staatssecretair des Reichs- mariueamteS die gleichen gerichtSherrlicheu DiSciplinar- und v..UrlaubSbefugnifle wir die de« comma irrenden Admiral« verliehen; zugleich werden ihm die Inspektionen der dort stationirteu Marine-Infanterie und -Artillerie über tragen. Damit sind die Fragen, welche lange hin und her erwogen wurden, ob der Colonialabtheilung oder dem Marine amt die Verwaltung von Kiautschou zu überweisen und in welcher Weise die Ansprüche von Oberkommando und Ver waltung in der Marine dabei zu regeln seien, in sachgemäßer, alle Theile befriedigender Weise beantwortet. Ueberall ist die Cassation des UrtheilS im Zola-Proceh mit Genugthuung ausgenommen worden, denn wenn damit auch nicht- über die Schuld oder Unschuld deS Ex-CapitainS DreyfuS entschieden ist, so ist doch wenigstens die unerhörte Rechtsbeeinflussung, welche vor dem Zola-Schwurgericht vor aller Welt Augen stattaefunden, in etwas wieder gut gemacht. DaS höchste Eivilgericht hat die Achtung vor der französischen Gerichtsbarkeit, welche stark inS Schwanken gerathen war, wieder einigermaßen befestigt. Es giebt noch Richter in Pari«, und sie haben dafür gesorgt daß der Säbel in Rechtsfragen, zumal in solchen, die von höchster Bedeutung für die Republik sind, nicht den Ausschlag giebt. Sollte Clemenceau recht gehört und berichtet haben, so hätte unmittelbar vor der Entscheidung deS CassationS- hofes der Kriegsminister einen neuen Einschüchterungs versuch, und zwar an dem Vorsitzenden deS Gerichts hofes Mazeau, versucht. Vergeblich. Der Generalprocurator Manan hat sich während der Cassationsverhandlung ehrend über Scheurer-Kestner, Trarieux und Zola ausgesprochen Man glaubt deshalb, daß er eine Maßregelung erfahren werde. Das wäre ein neuer BergewaltigungSversuch. Hoffentlich mißglückt auch er. WaS die Begründung des Cassations- spruchcS anlangt, so läßt sie sich sehr einfach dahin zusammen fassen: Zola hatte in seinem offenen Brief: ,^'aocus«'' daS Kriegsgericht deS Esterhazy-Processes an- gegriffen und beleidigt. Da nun die Militärgerichte eine ständige uud selbstständige Körperschaft auS demselben RechtS- titel, wie die Civilgerichte sind, so hätte daS Kriegsgericht selber gegen Zola klagbar werden müssen. Statt seiner hat der Kriegs Minister dies gethan, der dazu nickt kompetent war Unter dieser Voraussetzung mußte das ganze Verfahren als von Anfang an nicht berechtigt erkannt und nicht blos daS Straf- urtheil des Schwurgerichtes aufgehoben werden, sondern eS entfiel auch die Verweisung deS ProcesscS vor ein anderes Schwurgericht. Wenn demnach nicht das Esterhazy- KriegSgericht neuerdings Klage erhebt oder etwa einzelne Mitglieder dieses Kriegsgerichtes klagbar austreten, so ist Zola endgiltig freigesprochen, und daS Schauspiel, einen Mann, der selbstlos' und mit beispielloser Aufopferung einer Sache sich annahm, die er für gerecht hielt, einen Mann überdies, der zu den Zierden der französischen Literatur gehört, neuerdings vor daS Strafgericht und vielleicht in daS Gefänguiß geschleppt zu sehen, bleibt Frankreich und dem Auslande erspart. Nach einer Andeutung MSline'S sollte man meinen, die Negierung werde dafür eintreten, baß der 13. April, der VerjährungSlag, nicht verstreicht ohne Klageerhebung gegen Zola. Allein wir glauben, daß sie sich die Sacke doch noch einmal überlegen wird. Ein neuer Proceß könnte den Schleier von den Drey- fuS-Geheimniffen noch mehr lüften und so der Regierung einen unheilbaren Stoß versetzen. Sicher aber würde er jetzt, wo die Wahlen unmittelbar bevorstehen, die Volksleiden schaften von Neuem entflammen und so nicht bloS die Regierung, sondern die Republik in Gefahr bringen. Wir meinen im Gegentheil, da« Urtheil de- CasintstKr-hofe« ist auch dem Cabinet Mbline nicht unerwünscht gekommen.^ Die „Agenzia Fabra" hat versichert, niemals sei Spaniel» von den Vereinigten Staaten daS Ansinnen gestellt worden, Cuba für unabhängig zu erklären. Auch wir nahmen daS an, da nichts in dem kurzen Auszug aus der spanischen Ant wortnote darauf hindeutete. Allein nach Allem, was in Wash ington vorgeht, bleibt es dock dabei, daß die Politik der Union kein anderes Ziel hat und daß sie indirekt zu erreichen sucht, WaS sie direkt nicht verlangen kann. Die Forderung, daß General Blanko die Feindseligkeiten einstellen solle, haben wir schon charakterisier. In ihren Consequenzen müßte sie zur Auslieferung der Insel an die Insurgenten führen; ge stünde Spanien doch schon dadurch, daß eS zuerst die Waffen niederlegte, also zunächst einen Waffenstillstand anböte, offen zu, baß eS die Aufständischen als kriegführende Partei an erkennt und sie nicht mehr als rebellirende Unterthanen be trachtet! Von Washington wird jetzt verbreitet, daS Senatscomitü habe zwei Resolutionen: Forderung der Auto nomie CubaS und Intervention der Vereinigten Staaten gefaßt. Auch daS bedeutet für Spanien nichts anderes, al« Hand weg von Cuba! Die Autonomie nach amerikanischer Auffassung ist eben die Unabhängigkeit. Die Washingtoner Politiker suchen ja auch gar nicht nach Gründen für eine Kriegserklärung an Spanien — diese sind eben nicht zu finden — sondern lediglich nach Vorwänden. Den Krieg zu führen ist man eutschlossen,e« kann sich nur noch darum handeln, den Ausbruch desselben zu verzögern, da die Flotte der Vereinigten Staaten noch nicht schlagfertig ist und ihre Kriegsbereitschaft für den Augenblick gegenüber der der spanischen Flotte noch sehr im Rückstände ist. In allen KriegShäsen Nordamerika« herrscht eine fieberhafte Thätigkeit. Es werden Schiffe in Stand gesetzt, mit Geschützen armirt, mit Munition und Proviant versehen, während Osficiere und Agenten in Europa den Ankauf von Schiffen, Waffen und allerlei anderen KriegSmittcla betreiben. Gleichzeitig werden, da in den Vereinigten Staaten keine Wehrpflicht besteht, Matrosen «»geworben und in der Geschützbedienung, sowie im Dienste an Lord von Kriegsschiffe» eiugeübt, wobei den Amerikanern der Umstand zu Gute kommt, daß sie über ein sehr tüchtige« und vorzüglich ausgebildete« Sre-OfficierS- corpS verfügen. Sie haben aber noch eine schwere Arbeit zu verrichten, bevor die ganze Flotte der Bereinigten Staaten grsecht«klar die KriegShäsen wird verlassen können. Bis jetzt befindet sich nur eine kleine, au« den Panzerschlacht schiffen „Iowa" und „Indiana", dem Panzerkreuzer „New Jork", sowie fünf Torpedobooten bestehende EScadre bei Key west an der Südspitze von Florida, gegenüber der Stadt Havannah. Aufgabe der Bereinigten Staaten muß e« nun vor allen Dingen sein, zu verhüten, daß die spanischen Torpedoboote, welche uuterweg« nach Portorico sind, sich mit den Kreuzern vereinigen; kommen letztere in amerikanische Gewässer, so wäre, wie militairische Kreise in Washington befürchten, die amerikanische Flotte gefährdet. In Madrid faßt man die Lage äußerst ernst auf und hält sich auf das Schlimmste gefaßt. Wir erhalte» folgende Meldungen: * Madrid, 3. April. Hier herrscht eine gewisse Beunruhigung; mau befürchtet, daß eS zum Kriege kommen werde. Dir Stadt ist ruhig. ES heißt, daß der amerikanische Gesandte Woodford die Antwort seiner Regierung, betreffend dir Rote der spanischen Regierung, noch nicht erhalte» hab«. Einigen Blätter» znfolge soll Woodford Vorbereitungen zu seiner Abreise treffen. Di« militairische» uud maritime» Lork»hr»agen werde» fort gesetzt. Di« Regierung wünscht wärmsten- de» Frieden, bereitet je doch die Bertheidignng vor. * Pari-, 3. April. Die „Agence Hava«" verbreitet nachstehende Madrider Meldung: Di« Minister hielten gestern Abend »ine von 8 Uhr bis Mitternacht dauernde Berathung ob. Tie Minister erklärten uach Schluß derselbe», daß sie keine officiellen Nachrichten a«S Washington besäße», verhehlten jedoch ihre ungünstigen Eindrücke nicht. Der Arbeit-Minister theilte mit, er besitz« private Nachrichten, die den Ernst der Lage bestätigen. Der Krieg-Minister Correa hat dem Ministerratht einen umfassenden militairischen Organtsationsplan unterbreitet. Einem Bericht erstatter gegenüber äußerte der Minister deS Innern Capdebon, Alles dringe zu der Annahme, daß der Krieg sich nähere. Maa nimmt hier allgemein an, daß der Regierung da« Ergebnis der Berathung de- Ausschusses für das Auswärtige im Senate zu Washington bereits bekannt sei. (Wiederholt.) Gerüchtweise verlautet in Madrid, der päpstliche Nuntius Francia Nava habe zu gestern mehrere auswärtige Vertreter zu einer Besprechung eingeladen gehabt. Danach scheint der Gedanke eines Schiedsgerichts im Vatikan noch nicht ausgegeben. Daß er in zwölfter Stunde noch Erfolg habe» sollte, wird allgemein bezweifelt. Vielleicht zeigt sich Spanien noch geneigt, weil der Wunsch vom Papste auSgeht, Feuilleton. Der Kampf mit Sem Schicksal. 3j Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck verboten^ „Ich habe gelesen", warf Richard ein, „daß die Medien das Pochen mit der großen Zehe erzeugen, etwa so, wie wir unsere Finger zu lautem Knacken bewegen können." „Aber sage mir doch", entgegnete Willy eifrig, „wie kann die große Zehe des Mediums wissen, wie alt ich bin, wenn mein Ge burtstag ist, wie meine sämmtlichen Geschwister heißen und wann sie geboren sind? DaS Alles wurde herauSgeklopft. Geist aber Kraft, daS ist gleich, man nenn« «S, wie man will, aber diese Kraft hat sich doch ganz anständig legitimirt." „Nehmen wir also an, er war es", sagte Omar nicht ohne humoristischen Anklang. „WaS hatte Dir denn der Alte zu sagen? Denn daß er nicht um einiger läppischen Kunststücke willen nach zehnjähriger Ruh« das Land der Geister verlassen haben kann, ist doch klar." „Da» habe ich mir selbst schon gesagt", entgegnete Willy, „aber leider kann ich darauf keine befriedigende Antwort geben. Er hat mich weder vor einer Gefahr gewarnt noch mir ein große» Glück verheißen. Nach einigen Redensarten, die über daS Mittelmaß geistiger Bildung nicht hinauSgingen, verabschie dete er sich wieder und vertröstet« mich auf die Zukunft. Wenn ich'» recht bedenke, so war das gar nicht im Sinn« mrineS Vater«. Er haßte die Gemeinplätze. Aber meine Schwester behauptet, die» gerade s«t ein Beweis für di« Wahrheit der Erscheinung. Denn wenn e» auf einen Betrug abgesehen wäre, so hätte da» Medium, da» sich später al« eine wirklich geistreich« Frau entpuppte, sehr leicht Gehaltvolleres sagen können. DaS schwache geistig« Resultat sei vielmehr auf Rechnung der überaus unvollkommenen Verkehrsmittel zu setzen. Auch darin werd« man mit der Zeit noch weiter kommen." Die Freunde besprachen die Angelegenheit ernst und satyrisch und fanden schließlich wenigstens den Umstand merkwürdig, daß daS Orakel der Sibylle sich nun doch erfüllt habe. Als Richard heut« den dunklen Treppenflur betrat, beschlich ihn «in leise? Grauen. Dieses Grauen war vollständig unab hängig von seinem Verstand, d«r die spiritistischen Wunder un barmherzig in daS Gebiet der HmnbugS verwirr; aber daS Gefühl wollte zu seinem eigenen großen Aerger dem Berstande nicht gehorchen, und als sich der Lichtschein am oberen Treppen- absatz zeigte, war es ihm heute noch aus einem anderen Grunde al» sonst angenehm. In der nächsten Woche erkrankte der alt« Chef der Firma Zander <L Deus, und die Leitung ging in die Hände des jungen Zander über. Zwischen ihm und Richard bestand seit langer Zeit ein innerer, unausgesprochener Gegensatz. Beide waren sehr selbstständige und selbstbewußte Naturen. Dieser Umstand hätte zu keinem Zerwürfniß zu führen brauchen, wenn Beide edle Naturen gewesen wären und die gegenseitigen Rechte ge achtet hätten. Mit Bezug auf den jungen Chef aber traf das nicht zu. Das stolze Wesen Richard's war ihm zuwider, und er schien es darauf abgesehen zu haben, ihn durch kleinliche Nörgelei zu reizen, zu kränken und zu demüthigen. Anfangs ertrug Richard tfieses Verhalten im Gefühl seiner geistigen Uvber- legenheit. Ein vornehme» Lächeln genügte ihm, sich den Feind vom Leib« zu halten. Nach und nach aber, als di« Anzapfungen deS jungen Chefs immer unverschämter wurden und die un«dle Absicht immer unverhüllter zu Tage trat, verlor er die Ruhe. Endlich erklärte er seinem Gegner mit Heftigkeit, daß er sich jede Belästigung verbitte. Er thue seine Pflicht und darüber hinaus habe er mit Niemand zu unterhandeln." „Aber ich habe mit Ihnen zu unterhandeln", entgegnete der Chef hochfahrend, „und ich fordere Sie jetzt auf, mir auf mein Zimmer zu folgen." Empört wieS Richard diese» Ansinnen zurück. Da nahm der Chef «inen Brief aus der Seitentasche seine» Rocke- und reichte ihn Richard. „Lesen Sie! E» geht Sie nahe an." Richard erschrak, denn der lauernd«, triumphirende Blick seines Gegners verhieß ihm nicht» Gutes. Er entfaltete da» Schreiben und laS: „Die Firma Zander L Deu» dürfte e» interessiren, zu erfahren, daß der Angestellte de» Geschäft» Richard Köhn« am vergangenen Sonnabend mit Willen und Absicht ein falsches Zwanzigmarkstück in Zahlung gegeben hat." Die Unterschrift fehlte, aber die großen, krakeligen Schriftzüge waren der Adresse auf jenem Briefe gleich, welcher ihm die Imitation zurück gebracht hatte. Richard erbleichte, aber sofort gewann er sein« Fassung wieder. So sehr ihn die Sach« bereit» beunruhigt hatte, jetzt nach der „Enthüllung" des Vergehen» sah er der Thatsache fest in» Gesicht. Er war sich keiner bösen Absicht bewußt, und er wollte den sehen, der ihm einen Scherz, im schlimmsten Falle eine Ueber- etlung, zum verbrechen stempeln wollte. Mit verächtlichem Achselzucken gab er dem Chef den Brief zurück und fragte ironisch: „Seit wann hat die Firma Zander L DeuS anonyme Corrrspon- denten?" Der junge Zander sah ihn wüthend an. „Sie leugnen die Sache also nicht. Sie werden mir eine Aufklärung geben." „Ihnen nicht, aber Ihrem Herrn Vater", entgegnete Richard. Er ging an dem erbosten Gegner vorbei und ließ sich sofort bei dem alten Herrn melden. Der Bescheid lautete abweisend. Der alte Chef war so krank, daß er auf lange Zeit hinaus Besuch« nicht empfangen und sich am allerwenigsten mit geschäftlichen An gelegenheiten befassen könne. Dafür sei ja der Vertreter da, an diesen möge sich Richard wenden. Er stand einen Augenblick betroffen und überlegte. Also sollte er doch wieder zu dem hochmüthigen Affen zurück und wohl gar noch um seine Nachsicht bitten! Um keinen Preis! Ein Kaufmann wie er fand überall eine Anstellung, und eine Demüthigung hätte er sich nicht gefallen lassen, auch wenn es sich dabei um Sein und Nichtsein gehandelt hätte. Stolz er hobenen Hauptes ging er ins Geschäft zurück, wo ihn sein Gegner mit boshaftem Triumph empfing. Die übrigen Ange stellten sahen von ihren Pulten auf und erwarteten mit Spannung den Ausgang des Konflikts. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, ging Richard an dem jungen Chef vorüber zu seinem Pult. Er warf einige Worte auf einen Bogen, steckte ihn in ein Couvert und schrieb die Adresse der Firma drauf. Dann ergriff er, den Brief auf dem Pult liegen lassend, seinen Hut, grüßte die Collegen und verließ da» Geschäft. Bleich vor Wuth sah der Chef dem Verhalten seine« An- gestellten zu. Hastig öffnete er den Brief und las — die Kündigung. Schnell ging er in sein Zimmer, um seine Nieder lage vor den Augen der Angestellten zu verbergen. Sein Aerger war vollkommen. Er hatte den selbstbewußten Kähne nur de- müthigen wollen, und nun hatte er sich selbst diese Demüthigung -»gezogen. Und außerdem hatte er den ernsten Tadel des Vater» zu gewärtigen. Er wußte, wie hoch dieser den gewissenhaften Arbeiter schätzte, und daß er den anonymen Brief auf seinen wahren Werth taxirt hatte. Doch di« Sache war unwiderruflich, und er gelobte sich, dem hochmüthigen Narren seine Hand fühlen zu lassen. Für Berlin war Richard al» Bankbeamter unmöglich, wenn er nicht überhaupt al» Kaufmann unmöglich war. Mit dem stolzen Gefühl der Genugthuung eilte Richard durch die Straßen. Er wollte sein« Erregung erst besänftigen, ehe er zu seiner Frau zurückkehrte. Nach einer Stunde fiel ihm ein, seinen Freund Omar aufzusuchen und ihm den Vorfall zu erzählen. Omar hatte weitreichende Verbindungen; mit seiner Hilfe war e» ihm vielleicht möglich, sehr bald eine neue Stellung zu erlangen. Omar war sehr verwundert, als er im Geschäft den Besuch Richard's zu so ungewohnter Zeit empfing. Mit Interesse hörte er den Bericht seines Freundes, und kaum hatte dieser geendet, so sagte er: „Das trifft sich ja prächtig. Du kannst gleich in meine Stelle einrücken." „In Deine Stelle? Wieso?" „Ich werde nun wirklich die Reise übers große Wasser machen. Richard, ich sage Dir etwas, was Du unter anderen Umständen nie erfahren hättest. Der Mann, den Du bi» jetzt für meinen Vater gehalten hast, ist nicht mein Vater. Mein rechter Baier hat meine Mutter verlassen, als ich noch ein -arte- Kind war; ich habe ihn gar nicht kennen gelernt. Meine Mutter verheira- thete sich zum zweiten Male. Der Stiefvater, ein schon be jahrter Mann, adoptirte mich, und Du woißt, daß er es an Riebe und Sorge für mich nicht hat schien lassen. Ich führte bis jetzt den Namen meine» Adoptivvater». Nun wurde meiner Mutter am Montag durch das Polizeipräsidium eia Bries au» Amerika übermittelt, und denke Dir, er kommt von meinem rechten Vater. Er hat sich dort einen großen Grundbesitz er worben und ist ein steinreicher Mann geworden. Er hat sich ebenfalls zum zweiten Make verheirathet, aber ein Kind, ein Erbe ist ihm versagt geblieben. Da erwacht nun im Alter die Sehnsucht nach seinem Sohne. Er schreibt überaus herzlich und bittet meine Mutter, mich nach Amerika ziehen zu lassen. Ich soll sein Erbe werden. Denke Dir diese Ueberraschung! Mvine Eltern haben nichts dagegen einzuwenden, und ich selbst fühle mich zu allen Abenteuern aufgelegt. Schon am Donners tag Uber acht Tage geht's ab. Ein bedeutender Wechsel hat natürlich dem Briefe beigelegen, so daß ich die Vorbereitungen mit dem nöihigen Nachdruck betreiben kann. ES ist Alle» richtig. Du brauchst keine Sorge um mich zu haben. Di« Angaben meines Vaters sind durch die Landesbehörde bescheinigt. Darnach ist er ein Millionair, natürlich in Dollars. Ich komme da ins Volle, und das Alle» soll mein werden!" Omar sprang auf und lief in freudiger Erregung da» Zimmer auf und ab. „Da gratulier ich von Herzen, aber un» wirst Du doch fehlen", sagte Richard, dem Freunde die Hand reichend. „O, ich werde recht häufig schreiben. Und glaube nicht, daß ich ewig in Amerika bleiben wrrde. Gott schenke meinem Vater ein lange» Leben! Aber nach dem Laufe der Natur muß er ja doch früher zur grohm Armee al» ich, und dann raffe ich meine Reichthümer zusammen und kehre nach der Heimath zurück." „Nun, da bist Du ja gut versorgt", entgegnete Richard lächelnd. „Und Du meinst, daß ich in Deine hiesige Stelle einrücken könnte?"
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