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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980418020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-18
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VezirgS-PreiA M hW «tz« d« k» Tkißt- Ur Norge».U»rgaL« ersch«int «» dt, »b«d-«u»gLh« W»ch«t«^ u» b Uh». Netzartto« »>d Or-eM-ur« -Oh«ntt-«aße S. DieLx-edttio» ist Wochentag» an Unterbrach«» El-d« früh S «» Ab«»» 7 Filiale«:^ vtt» RIM».» G-rtt«. iMkveA U»tv«rsitL1»sttaß« S (Paatdliun), »s«i» «sich», O-H«l>l«str. it^ »art. »»d Kö»i»»vl^ 7, Abend-Ausgabe. MiMM Tüsstlilast Anzeiger. ÄMlsölatt -es Königliche« Land- und ÄmLsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Nokizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. AnzeigewPrel- die 8 gespaltene Petitzeile SN lpf^ Mec kamen unter dem Redactionsstrich (4 g» spalten) 50^, vor den Familiruoachrtcbt«» (6 gespalten) 40>ch. Srötzen Schriften lant unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissrrnfatz nach höherem Laris. Extra-Beilagen (gesalzt), n»r mit d» Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderunz LV.—, m»t Postbesörderuug ^l 70.—. Aimahmeschlu- siir Anzeigen-. >b»»d-Au«gab«: Vormittag» 10 Uhe. Bkorge n-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhe. vri deu Filialen und Annahmestellen je »iu» halbe Stund« früher. A»rei»e» sind stet» an die SrpeditiON zu richten. Lruü and Verlag do» L. Volz in Leipzig 183. Montag den 18. April 1898. 92. Jahrgang. Senat und NeprSsentautenhaus in Washington. —s- Nunmehr haben beide Körperschaften der Legislative der Bereinigten Staaten gesprochen. Der Senat am Sonn abend. Er nahm, wie gemeldet, mit 67 gegen 21 Stimmen die von der Mehrheit der Commission für auswärtige An gelegenheiten beschlossene Resolution mit einem Amendement Turpie an, nach welchen die Anerkennungdercubanischen Republik ausgesprochen wird. DaS Amendement Turpie wurde mit 51 gegen 37 Stimmen angenommen. ES liegen uo» zu diesem Beschluß folgende weitere Meldungen vor: * Washington, 17. April. Der Senat nahm gestern mit der von der Mehrheit der Tommission beschlossenen Resolution gleich zeitig «inen Zusatzautrag Davis an, welchrr besagt, die Bereinigten Staaten bestreiten die Absicht, di« Sou- v erS netät, Jurisdiction oder Herrschaft (oontrol) über Euba au»- übrn zu wollen, außer zum Zweck« der Pacification, und sind ent- chlossen, nach Durchführung der Pacification die Regierung und die Herrschaft über die Insel der einheimischen Bevölkerung zu überlassen. — DaS Repräsentantenhaus wird morgen über die Resolutton de» Senats mit den dazu angenommenen Zusatzanträgen berathen. * Washington, 17. April. (Meldung des „Reuter'schen BureauS".) In der cubanischen Frage dürfte es voraussichtlich zwischen den beiden Kammern zu einem Lonslict kommen. Anzeichen deuten darauf hin, daß ein starker Protest dagegen erhoben werden wird, daß durch die Legislative dir Unabhängig keit der cubanischen Jnsurgentea-Regierung anerkannt werde. Aus dieser letzteren Mittbeilnng geht schon hervor, daß eS noch nicht aller Tage Abend und der Ausbruch des Krieges weder heute noch morgen zu erwarten ist. Mac Kinley ist erklärter Gegner der Unabhängigkeit CubaS, und im Senat wie im Repräsentantenhause werden mächtige Ein flüsse aufgeboten, um ihn zu unterstützen. Ist doch daS Amendement Turpie im Senate nur mit 14 Stimmen Mehr heit angenommen worden. Aber es bestehen überbaupt zwischen dem scharfen Beschluß des Senats und dem milderen des Repräsentantenhauses eine Reihe Verschiedenheiten, so daß von einem gemeinsamen, also endgiltigea Beschluß keine Rede fein kann. Der SenatSauSschuß erklärt sich für die Unabhängigkeit der Insel Cuba, die Kammer verlangt nur eine unabhängige Regierung. Der Senatsausschuß will den Präsidenten „an weisen und ermächtigen", zur Durchführung seiner Forderungen Krieg zu führen, die Kammer autorisirt und weist den Präsidenten nur an, zu interveniren, um den Frieden herzustellen und eine unabhängige Regierung zu errichten; in zweiter Linie autorisirt und „ermächtigt" sie den Präsidenten, zur Durchführung der beiden erörterten Puncte einen Krieg zu beginnen. Der SenatS auSschuß verlangt die sofortige Anwendung von Gewalt maßregeln, die Kammer überläßt es der DiScretion des Präsidenten, wenn er Gewalt anwenden will. Diesen Unter schied zwischen „anweisen" und „ermächtigen" hat Mac Kinley, wie eS scheint, bi- jetzt benutzt, um den AuSbruch dcS Krieges zu verschieben. Nachdem nun der Beschluß deS SenatSauSschusseS im Plenum durchgegangen ist, wird, sobald daS Repräsentantenhaus, wie man erwartet, die Beschlüsse deS Senats abgelehnt haben wird, eine gemeinschaftliche Sitzung beider Häuser oder ihrer Ausschüsse erforderlich, in welchem Falle die von der Kammer beschlossene Fassung wohl überwiegen dürfte. Jedenfalls gehen aber darüber wiederum mehrere Tage hin, so daß die letzte Ent scheidung kaum vor Mitte dieser Woche zu gewärtigen ist. Neue Vermittelungsversuche der Mächte sind aus geschlossen. Meldungen von solchen tauchen neuerdings in amerikanischen und englischen Blättern auf, werden aber in Uebereinstimmung mit unserer Auffassung von unterrichteter Stelle in Berlin als nicht zutreffend bezeichnet. Dagegen besteht auch heute noch die Möglichkeit, daß, wenn in Washington eine Einigung über die feierliche Gewährleistung der völligen Selbstständigkeit Cubas nicht zu Stande kommt, die Leiter der Jnsurrection mit der cubanischen Regierung doch noch zu einem Uebereinkommen zu gelangen suchen. AuS den Kreisen der in Paris weilenden Anhänger der cubanischen Junta werden Stimmen laut, welche sich für eine solche Verein barung nach dem Muster Canadas aussprechen und der Hoffnung Ausdruck geben, daß, wenn Spanien ehrlich wolle, unabsehbares Unheil abgewendet werden könne. Wie der spanische Gesandte in Washington, Polo de Bernabo, geäußert hat, schließt die neue Verfassung für Cuba daS allgemeine Wahlrecht im weitesten Sinne, sowie eine Vertretung der Insel iu den spanischen Cortes ein und geht sogar weit über die Autonomie CanadaS hinaus. So sollte man meinen, daß eine Verständigung nicht schwer fallen könnte. Sie wäre sicherlich auch längst zu Stande ge kommen, wenn nicht die Kriegspartei in den Vereinigten Staaten fortwährend gehetzt und geschürt hätte. Nach dem „Berl. Herold" lassen sich die zum Kriege treibenden Elemente in drei Gruppen theilen: die Präsidentschafts kandidaten, der Zuckertrust und die Silberpartei. Den Präsidentschaftskandidaten liegt an und für sich nichts am Krieg, aber Mac Kinley ist gegen den Krieg, der Krieg aber ist volkSthümlich, also läßt sich dieser Um stand vortrefflich gegen den derzeitigen Präsidenten aus beuten. Würde Mac Kinley dem Kriege sympathisch gegen überstehen, so würden dieselben Herren in gleich scharfer Weise für den Frieden eiutreten. Der Zuckertrust, die zweite Gruppe, ist durch die an die Rebellen gegebenen Geldunterstützungen und durch Schuldverschreibungen an die „Republik Euba" auf den Krieg angewiesen, um auf seine Kosten zu kommen. Die Vereinigten Staaten müssen über fünf Sechstel ihres Zucker bedarfes auS dem AuSlande beziehen. Der Besitz Cuba« würde ihnen aber bei der Fruchtbarkeit der Insel die Möglichkeit geben, nicht nur den gesummten eigenen Bedarf au Zucker ru decken, sondern auch Zucker noch zu exportiren. Mit Rücksicht auf diese Umstände hat sich der Zuckertrust pecuniär stark engagirt, und die im Congreß sitzenden bestochenen Agenten deS Trusts stellen die Amerikani- sirung CubaS unter Verschweigen der wahren Beweggründe als im Interesse der „Menschlichkeit" liegend dar, um das in das zukünftige Geschäft gesteckte Geld dem Zuckerringe zu retten. Die dritte Gruppe, die Silber Partei, drängt unter allen Umständen zum Kriege. Da die Vereinigten Staaten schon jetzt die größte Mühe haben, ihre Goldreserve zu er halten, weil dre Bundeseinnahmen trotz oder Wege» der Dingley-Bill alljährlich 30—50 Millionen Dollars hinter den Ausgaben Zurückbleiben, so würde, wie auch Mac Kinley offen eiugesteht, ein Krieg das Land der Silberwährung über antworten. Durch die Vertreter dieser drei Gruppen wird daS Parlament der Vereinigten Staaten beherrscht, und es ist daher unverantwortlich von Mac Kinley, der die Ver hältnisse doch kennt, daß er dem Congrefse die Verantwortung über Krieg oder Frieden überlassen zu wollen erklärt hat. In Madrid wird man sich abwartend verhalten. Es steht, wie uns von dort gemeldet wird, trotz der all gemein vorherrschenden Entschlossenheit fest, daß Spanien nicht die Kriegserklärung aussprechen wird. Die Regierung wird die nordamerikanischen Forderungen ablehnen und dann sehen, was von. Washington aus erfolgt. Wie die Mächte der Washingtoner Regierung vertraulich zu verstehen gegeben haben sollen, werden sie der Pacisicirung Cubas durch die Vereinigten Staaten nicht opponiren, aber nicht dulden, daß die amerikanische Flotte die spanische Küste blockire. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. April. Alsbald nach der für morgen bevorstehenden Wieder eröffnung der Verhandlungen des preußischen Abgeord netenhauses soll, wie schon gemeldet, anläßlich einer Inter pellation Szmula wegen der russisch-polnischen Arbeiter die ländliche Arbeiterfrage eingehend erörtert werden. Einst weilen bereitet die „Deutsche Tagesztg." darauf vor, daß ihre Freunde im Bunde der Landwirthe bei dieser Gelegenheit die Beseitigung der Freizügigkeit fordern werden. Das Blatt schreibt nämlich: „Die Leutenoth ist kein Mißstand mehr, sondern ein schreiender, ein zum Himmel schreiender Roth stand Tausende von Arbeiterwohnungen haben schon im vergangenen Jahre in den Pro vinzen des Ostens leer gestanden, weitere Hunderte sind seitdem leer geworden. Schon die vorjährige Ernte konnte theilweise infolge Mangels an Arbeitskräften nicht oder nur zur Unzeit eingebracht werden. Heuer fürchtet man, daß es noch schlimmer werden müsse, wenn nicht irgend welche Hilfe komme." Von besseren Lohnverhältnissen könne die Hilfe nicht kommen, so meint die „Deutsche Tageszeitung" und nennt Diejenigen, die davon sprechen, „närrische Leute, deren Ge sichtskreis über den Asphalt und die Häuserpferche nicht hiuauSreicht". Dem „unkundigen Städtling" erzählt das BundeSorgan: „Die meisten Besitzer zahlen heute schon mindestens so viel wie die Industrie. Die Lage der Landarbeiter ist fast überall, wenn man Alle- in Betracht zieht, besser und sorgloser als die der Ja- dustrjßllen. Aber was hilft's? Der geheimnißvolle, trügerische Magdet der Großstadt zieht sie an. Sie erwarten dort goldene Berge und finden doch nur schmutzige, ltchtlose Tiefen." Das Mittel der Bestrafung und möglichsten Verhinderung des ContractbrucheS könne natürlich erst wirken, „wenn man Arbeiter hat". Auch die Besserung der Vermittlerverhält- uisse, die eine Notwendigkeit sei, würde wesentlichen durch greifenden Nutzen kaum dringen. DaS Blatt kommt daher zu folgendem Schlüsse: „Man mag die Sache durchdenken, wie man will, man wird immer za dem Ergebnisse kommen, daß eS ohne einen Eingriff in die sogenannte Freizügigkeit nicht mehr abgeht. Sollen wir davor zurückjchrecken. weil wir uns immer noch nicht ganz von dem verdummenden Wahne liberaler Schlagworte befreit haben? Warum fallen wir denn mit gebundenen Händen zu- schauen, daß die Verhältnisse sich immer bedenklicher entwickeln, daß das Land immer öder, die Großstadt immer vollgepfropfter wird? Ist es nicht eine vollkommene Narrheit, aus der allgemeinen Erkenntniß nicht die sich von selbst ergebende Folgerung zu ziehen? Ist es nicht geradezu unverständlich, wenn man Zustände sich über den Kopf wachsen läßt, von denen man genau weiß, daß sie zum Ruin des Volkes führen müssen? Und das Alles nur, weil man nicht wagt, an der Freizügigkeit zu rütteln l Entweder — oderl Ent weder wir machen uns frei von dem lähmendell Drucke falsch ver standener Schlagwörter und finden ein Mittel, der Arbeitslosigkeit in den Großstäten und der Arbeiterlosigkeit auf dem Lande zu steuern — oder wir lassen die Verhältnis!«, dem schemenhaften Frei» zügigkeitSbegriffe zu Liebe, sich weiter entwickeln. Das Ende dieser Entwickelung ober — das darf man sich nicht verhehlen — ist draußen der verödete Acker, drinnen die Barrikade." Hoffentlich wird man die Herren, die den Rath der „Deutsch. Tagesztg." sich aneignen, vor die Frage stellen, was sie denn durcb Beseitigung der „sogenannten Freizügig keit" für diejenigen ländlichen Kreise, in denen es an Arbeitern fehlt, zu erreichen hoffen. Wie die Bestrafung und möglichste Verhinderung des ContractbrucheS erst wirken kann, „wenn man Arbeiter hat", so kann natürlich auch die Beseitigung der Freizügigkeit nur fruchten, „wenn man Arbeiter hat". Wenn die Herren also conseqnent sein wollen, so müssen sie auf jene Frage erklären, daß sie nicht nur die Beseitigung der Freizügigkeit, sondern auch die zwangsweise Ueber- sührung von Arbeitern in solche Distrrcte verlangen, in denen es an Arbeitskräften mangelt und in denen auS dem einen oder dem anderen Grunde ein freiwilliger Zuzug nicht ru erwarten ist. Daß durch eine derartige ungeheuerliche Forderung die Socialdemokratie einen überaus wirksamen Agitationsstoff für die Wahlbewegung erhält, liegt auf der Hand. Aber trotzdem wird man eS den Freunden der „Deutschen Tageszeitung" nicht ersparen dürfen, ihre innersten Herzens wünsche zu offenbaren; schon deshalb nicht, weil die Regierung und die übrigen Parteien Gelegenheit erhalten müssen, ent schieden Stellung zu derartigen Forderungen zu nehmen und dadurch der Socialdemokratie jeden Vorwand für die hetzerische Behauptung zu entziehen, die Regierung und die „reactio- nären" Parteien möchten die Arbeiter durch Bedrohung mit zwangsweiser Ueberführung in andere Gegenden auf die Barrikaden treiben und da massenhaft uiederme tzel n. Bekanntlich bewerben sich die Führer der deutschrsoeialen Rcformpartei ebenso eifrig wie erfolglos um ein Wahl- bündniß mit dem Centrum. Als Mittel, dieses „nationale" Ziel zu erreichen, dient vor Allem die Stellung der Deutsch-Socialen zum Iesu itenge setz. Hatte am 1. December 1893 der antisemitische Abgeordnete Hirsche! mit dem Centrum für die Aufhebung des Jrsuiteu- gesetzeS gestimmt, während die Herren Bindewald, Boeckel und Werner sich der Abstimmung enthielten, die Abgeordneten Graefe, Haenichen, Klemm, Lotze, Zimmermann dagegen stimmten, so nahmen die Deutsch- S.ocialen am 2. April 1897 den entsprechenden Antrag des Grafen Hompesch an, ohne daß auch nur einer von ihnen dagegen stimmte. Der Zweck dieses Verhaltens wurde bald offenbar. Ende Februar d. I. streckte Herr Lieber mann von Sonnenberg dem Centrum seine Rechte zum Wahlschacher entgegen. In einer antisemitischen Versamm lung zu Mannheim nämlich gab er der Hoffnung Ausdruck, daß das Centrum im Reichstagswahlkreise Mannheim- Weinheim - Schwetzingen für deu antisemischen Candidaten Köster eintreten würde; als Gegenleistung versprach er dem Centrum die deutsch-sociale Unterstützung in Mainz-Oppen- Heim. Und Anfang März dieses Jahres erklärte der Ab geordnete Werner in einer Versammlung des „Deutschen Antisemitenbundes zu Berlin": Die einzige Partei, mit der mau bei den Wahlen ein Compromiß schließen könne, sei die FtrriHeton. Der Kampf mit dem Schicksal. 13j Roman von Hermann Heinrtch. Nachdruck vertotm. DeS Amtsraths Gesicht leuchtete vor Glück und Stolz. „Und wenn Sie in unserer Tafelrunde sitzen, meine gnädigste Frau, so fehlt unserm Olymp auch die Schaumgeborene nicht!" Er er griff sein Glas und fügte hinzu: „Zeu» trinkt auf das Wohl der BenuS Aphrodite." Sie erwiderte sein glückliches Lächeln mit huldvollem Neigen deS Kopfes. Die Gläser klangen aneinander, und die Augen begegneten sich mit verständnihvollem Blick. Auf Krahnevuhl herrschte für die Baronin eine stille Schwärmerei, ähnlich derjenigen, welche die Ritter des Mittel alters für ihre Damen empfunden haben mögen. Der Amtsrath sah in ihr daS Ideal weiblicher Vollkommenheit, Richard ver ehrte sie wie eine Erretterin au» seiner schlimmen Lage, denn er war überzeugt, daß ihm die Baronin Frieden und Versöhnung bringen werde. Franziska war ihr auS demselben Grunde zu- gethan, den Kindern war sie eine gütige Fee, die nicht müde wurde, sie mit Liebe und Geschenken zu erfreuen, die Arbeiter, denen sie wiederholt reichliche Trinkgelder Hab, fühlten sich durch da» Interesse der vornehmen Dame für Ihre schmutzige Arbeit gehoben und durch ihre Liebenswürdigkeit beglückt. Alle sahen ihren Besuchen mit Freude entgegen, alle hätten für sie im Falle der Noth ihr Leben gelassen. „WaS sie nur im Schilde führt?" fragte die Brunotvrr Ge- sellschaft, „denn daß sie sich nicht bloß d«r schönen Havelland schaft wegen in Brunow aufhielt, war doch ziemlich klar. Der AmtSrath lächelte bei solchen Fragen still vor sich hin. Er war der einzige Vertraute der bewundrrtrn Dame, er wußte e». „ES geht Etwa» vor unter den Arbeitern", sagte an einem der nächsten Tage Richard zu seinem Vater. „Ich hab« den Eindruck, als ob sie nicht mehr so willig und höflich wie sonst meinen Anordnungen nachkämen. Besonder» Knöterich sieht mich manchmal mit recht herausfordernden, um nicht zu sagen frechen Blicken an." Knöterich war der Sprecher in der Versammlung der apo kalyptischen Gemeind«, den der AmtSrath trotz seine» damaligen Auftreten» in Lohn und Brod »«halten hatte. „Wa» kann «r haben?" entgegnete der Amt»rath. „Er hat sich bis jetzt gut gehalten. Das Beste ist, wir nehmen ihn einmal vor." Das Verhör mit Knöterich führte zu keinem Resultat. Der Arbeiter leugnete, sich irgendwie ungebührlich benommen zu haben und nannte die Wahrnehmung des jungen Herrn einen Jrrthum. Dabei war er aber keineswegs bescheiden, und aus seinen lebhaften Augen leuchtete der Widerspruchsgeist. „Ich will es Euch nicht rathen", sagte der Amtsrath streng, »daß Ihr Euch irgend Etwas herausnehmt. Wer seine Pflicht thut, bekommt seinen rechtlichen Lohn. Der Widerspenstige aber wird unweigerlich entlassen." Auch von anderen Ziegeleien kamen Klagen über das Ver halten einzelner Arbeiter. Die Zieaeleibesitzer wurden auf merksam und übten eine strenge Aufsicht. Indessen hatten sie es immer nur mit einigen Unbotmäßigen zu thun, eine gemein same Absicht schien den Einzelfällen nicht zu Grunde zu liegen. Da auf einmal erschien im Sandenburgischen Anzeiger eine Einladung zu einer öffentlichen Versammlung der Ziegelei arbeiter im „Goldenen Engel", und darunter stand „Knöterich". „Da haben wir'S!" rief der Amtsrath. Sofort nahm er den Arbeiter streng ins Gebet, konnte aber nichts aus ihm heraus bekommen. ^Jm „Goldenen Engel" werde ich sprechen", sagte er trotzig. „Wenn Sie dahin kommen wollen, Herr AmtSrath. — Die Herren Ziegeleibesitzer sind freundlich eingeladen." Dabei blieb er. Der Amtsrath nahm Rücksprache mit seinen Freunden, und sie kamen überein, die Versammlung der Ar beiter nicht zu besuchen, aber etwaigen Ansprüchen auf Lohn erhöhung oder Verkürzung der Arbeitszeit mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Die Versammlung fand in Gegenwart des Bürgermeister» und einiger Polizeibeamten statt. Die Arbeiter der ganzen Um gegend waren versammelt, und auch einige Bürger hatten sich eingefunden. Knöterich trat als Redner auf und entwarf den Genossen mit starker Stimme und großem Selbstbewusstsein sein Programm. Aber nicht auf eine Lohnerhöhung oder Ver- kürzung der Arbeitszeit zielte sein Vortrag; er forderte nicht» mehr und nicht» weniger, als eine Productivgenossenschaft, zu welcher die Ziegeleibesitzer ihre Ziegeleien und Eapitalien, die Arbeiter aber ihre Arbeit hergeben sollten. Der Gewinn sollte zur einm Hälfte den Besitzern, zur anderen den Arbeitern zu fallen, die nun ihrrrseit» eine gerechte Thrilung vorzunehmen hätten. Knöterich glaubte damit nach allen Seiten hin gerecht zu sein und den Arbeitern eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen. Unter menschenwürdig aber verstand er ein Leben, da» annähernd so gut wäre, wie e» die Ziegeleibesitzer führten. Di« verheißung»volle Rede ging den Arbeitern glatt «in. Die Aussicht, gleichsam Theilhaber am Geschäft zu werden, und vielleicht auch einmal mit Pferd und Wagen zu kutschiren — die Equipagen der Ziegeleibesitzer und ihre sonstigen Luxus einrichtungen müßten natürlich auch den Arbeitern zur Benutzung gestellt werden —, war ihnen sehr verlockend, und die Frage war nur, ob die Ziegeleibesitzer auf den Vorschlag eingingen. Für den Fall der Ablehnung hatte Knöterich auch schon seinen Plan gefaßt. „Die Herren sind in unserer Hand!" rief er sieges sicher. „In Berlin und den Vororten wird riesig gebaut, das Geschäft geht flott. Wenn wir jetzt streiken, legen wir die ganze Fabrikation lahm. Es handelt sich für sie um einen Verlust von Millionen. Da werden sie sich wohl bedenken, ehe sie uns akweisen." Ein unreifer Gedanke, mit der nöthigen Sicherheit vor getragen, hat noch niemals seinen Eindruck verfehlt, selbst auf gebildetere und urtheilsfähigere Leute nicht, als es arme Ziegelei arbeiter sind. Wohl schüttelte hier und da ein ergrauter Mann den Kopf, wohl erhob sich lauter Widerspruch, aber die große Menge ließ sich von dem Redner ins Schlepptau nehmen und zu Beschlüssen hinreißen, die dem Vortrage entsprachen. Für jeden Betrieb wurde ein Vertrauensmann gewählt, der mit dem Besitzer unterhandeln sollte. Präsident der vereinigten Arbeiter wurde Knöterich, der zugleich den Auftrag erhielt, auf dem schwierigsten Punct der ganzen Linie, auf Krahnepuhl, Sturm zu laufen. Der Sturmlauf begann am nächsten Morgen. Der AmtS rath saß beim Morgenkaffee, als Knöterich als Präsident eintrat und seinen Vorschlag unterbreitete. Die Arbeiter lauschten ge spannt auf das Ergebniß der Unterredung. Da hörten sie plötzlich ein fürchterliches Donnerwetter, sie sahen den Präsidenten entsetzt zum Hause herausstürzen und gleich darauf den Amts rath mit der Reitpeitsche in der Thür erscheinen. Das Gesicht Knöterich'S wie» einige blutunterlaufene Schwielen auf, seine Augen funkelten vor Wuth, und drohend erhob er die Rechte gegen den AmtSrath. Dieser kam, die Peitsch« schwingend, schnell einige Schritte vorwärt», und mit einem entsetzlichen Wuthgeheul gab der Präsident Fersengeld. Er machte dabei eine so lächerliche Figur, daß selbst die Genossen sich eine» Lächelns und einer inneren Beschämung nicht erwehren konnten. Der Amtsrath kam schnell zur Ziegelei und rief mit mäch tiger Stimme seine Arbeiter um sich. „Seht Ihr ihn laufen, den Hasenfuß? Und solchem Windbeutel wollt Ihr Euer Schick sal anvertrauen? Schämt Euch! Ich habe Such bis jetzt für verständige Leute gehalten." „Aber man wird doch wohl mal anfragrn können, Herr Amtsrathl" wagt« ein Arbeiter «inzuwenden. „Wenn Sie dann nicht wollen, na, da mag's ja beim Alten bleiben." „Nein, Krause, mit solchen Dummheiten darf mir Keiner kommen. Wer es wagt, mir mit einem solchen Angebot unter die Augen zu treten, den werfe ich zur Ziegelei hinaus. Ein für alle Mal! Merkt Euch das! Ist Einer unter Euch, dem es bei mir nicht mehr gefällt, der melde sich. Er soll ohne einen Vorwurf seinen Abschied erhalten." Es meldete sich Niemand, und damit war für heute die Sache abgethan. Am Nachmittage dieses Tages kam Fräulein Held von Brunow mit dem Dampfer herüber. Der Amtsrath begegnete ihr auf dem Hofe. „Schön, Fräulein Lottchen, daß wir Sie auch wieder mal sehen. Sind denn in Brunow die Arbeiter auch Lberge- schnappt?" „Es ist Alles ganz gut abgelaufen", berichtete Lottchen. „Mein Vater hat vernünftig mit ihnen gesprochen und sie haben's eingesehen. Selbst der Vertrauensmann hat ruhig seine Arbeit wieder ausgenommen." Der Amtsrath erzählte, wie es auf Krahnepuhl zugegangen war. Fräulein Held schüttelte den Kopf. „Ei, ei, Herr Amtsrath, gleich mit der Reitpeitsche? Ging es denn nicht auch ohne sie? Da werden Sie was Schönes angerichtet haben." „Ach was, da soll der Kuckuck ruhig bleiben! Dieser Mensch, dem ich seine Frechheit verziehen habe, gegen den ich großmüthig gewesen bin, der mir meine Nachsicht auf den Knien danken müßte — da hört ja Alles auf! Aber warum kommen Sie allein?" „Mein Besuch gielt heute nicht Ihnen, sondern Frau Ladewig." „Da» ist ja ganz etwa« Neues. Die Baronin hat Ihnen wohl von dem vorzüglichen Pudding erzählt? Ja, darin ist Frau Ladewig wirklich groß." „Das ist e» nicht. Nein, ich mache ihr einen ganz freund schaftlichen Besuch." „Der Frau Ladewig?" „Ja, hoffentlich hat sie ein halb Stündchen für mich Zeit. Auf Wiedersehen, Herr Amtsrath." Der Amtsrath sah ihr kopfschüttelnd nach. „Die wird wirk lich schon eine alte Jungfer", dachte er. „E» ist die höchste Zeit, daß sie unter die Haube kommt." Als Lottchen nach einiger Zeit zurückkehrte und sich vom Amtsrath verabschiedete, sagte sie: „Ich habe Frau Ladewig gelegentlich auf «ine Tasse Kaffee zu mir eingrladrn. Sie haben doch nicht» dagegen einzuwenden?" Der alte Herr sah sie ärgerlich an. „E» wird doch imm«r
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