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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980420018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-20
- Monat1898-04
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Nicht zum Wenigsten an diesen Verhältnissen betbeiligt ist Deutschland, daß einen so kolossalen Handels verkehr mit Amerika unterhält, bei dem eine stolze Flotte prächtiger deutscher Riesendampfer den Vermittler spielt. Es ist zwar ein Grundsatz, daß da» Meer frei ist; die» schließt aber nicht au», daß im Falle eine» zwischen Seemächten ausbrechenden Krieges auch die Handels verbindungen neutraler Staaten eine Störung erleiden, und bei zwei solchen Gegnern wie Spanien und den Vereinigten Staaten ist es selbstverständlich, daß beide den Schwerpunkt ihrer Kriegsoperationen aufs Meer verlegen und sich dort geAenseitig Schaden zuzufügen suchen. Nach dem jetzt geltenden Völkerrecht sollen Handel und Schifffahrtneutraler Staaten von einem Krieg zwischen anderen Mächten nicht berührt werden. Dieser Grundsatz kommt in den beiden wichtigen Regeln zum Ausdruck: „Die Flagge deckt die Ladung", d. h. die Ladung neutraler Schiffe darf nicht beschlagnahmt werden, mit Ausnahme von KriegScontrebande, und „Unfreies Schiff, freie Ladung", wa» mit anderen Worten besagen will, daß der Feind nicht die neutrale Ladung eines gegnerischen Schiffes in Beschlag nehmen darf, sofern die Ladung nicht in KriegScontrebande besteht. Nun sind zwar weder Spanien noch die Vereinigten Staaten dem Pariser Vertrag von 1856, in dem eben diese Verhältnisse geregelt werden, beigetreten, doch herrscht allgemein die Ansicht, daß auch Spanien und Nordamerika die obigen Grundsätze anerkennen werden; denn sowohl die Regierung in Washington als die spanische Regierung haben ausdrücklich ihre Zustimmung zu dem Grundsatz erklärt, daß neutrales Privateigenthum gegeti kriegerische Verfolgung geschützt sein müsse. Dieser Grund satz hat im Falle eines spanisch-amerikanischen Kriegs für die neutralen Handelsnationen große praktische Bedeutung, der freilich etwas eingeschränkt wird dadurch, daß voraus sichtlich die beiden kriegführenden Staaten trotz der dieser Tage mitgetheilten optimistischen Ansicht der „Köln. Ztg." versuchen werden, einander durch Kaperei möglichst viel zu schaden. In früheren Zeiten suchten bekanntlich die seekriegführenden Staaten den dem Feinde zuzufügenden Schaden dadurch zu steigern, daß sie Privatpersonen durch „Kaperbriefe" die Er mächtigung gaben, feindliches Privateigenthum zur See zu ihrem eigenen Nutzen wegzunehmen. Als nun der Vertrag von 1856 vereinbart wurde, bestanden die Vereinigten Staaten darauf, daß alles Privateigenthum — abgesehen von KriegScontrebande — zur See im Kriege ebenso sicher sein sollte wie zu Lande; während aber die übrigen Staaten be reit waren, so weit zu gehen, weigerte sich England dessen, so daß die Einschränkung der Rechtlosigkeit d«S Privateigen- thumS im Seekrieg nur m den oben erwähnten Grenzen er folgte; England, daS nicht aus eine Schädigung des feindlichen Landes auch in seinem Privateigenthum durch die große englische Flotte verzichten wollte, hielt daran fest, daß feindliche Handelsschiffe und feindliches Privateigenthum an Bord solcher der Wegnahme unterliegen müßten. In Folge dessen weigerten sich die Vereinigten Staaten, dem Ver bote der Kapere, brizustimmen, welches gleichzeitig mit den beiden Grundsätzen, daß feindliches Gut unter neutraler Flagge und neutrales Gut unter feindlicher Flagge gesichert sein soll, im Jahre 1856 beschlossen wurde: sie wollten dasjenige Kriegsmittel, auf welche» England zu verzichten ablehute, ebenfalls anzuwenden in der Lage sein und zu diesem Zwecke ihre schwache Flotte durch Kaper verstärken können. Wie die Union, so ist auch Spanien — und außerdem Mexiko — dem Verbote der Kaperei nicht beigetreten; kommt r» zum Kriege zwischen den beiden erstgenannten Staaten, so können somit beide alsbald Kaperbriefe auSgeben, eine Verstärkung der Kriegsflotten, die, wie die „Nat.-Ztg." mit Recht betont, in vielen Beziehungen bedenklicher ist, als die vermittelst einer frei willigen Seewehr, wie sie deutscherseits beim Beginn des Krieges von 1870 geplant war; Schiffe, Führer und Mann schaften einer solchen treten für die Dauer des Krieges in den Verband der Kriegsflotte ein; der Kaper dagegen be treibt ein Privates BeutegeschLft, das sich vom Seeraub nur durch die Autorisation von Seiten der kriegführenden Regierung unterscheidet. Wie weit die beiden kriegführenden Länder sich durch Kaperei gegenseitig schädigen würden, ist ihre Sache; bei der Unbedeutendheit der spanischen und der verhältnißmäßigen Geringfügigkeit der nordamerikanischen Kauffahrtei könnte es aber leicht kommen, daß eine etwaige größere Anzahl von Kapern dem neutralen Seehandel un bequemer würde als dem deS feindlichen LandeS: der Befehls haber eines Kriegsschiffes wird das Seerecht ausreichend kennen; der Führer eines Kapers aber könnte leicht über neutrale Flaggen, neutrales Gut, KriegScontrebande und der gleichen sehr verworrene Ansichten haben und dadurch der Schifffahrt der Neutralen unnöthigen Schaden zufügen. Verschiedene andere Umstände treten hinzu, die nicht ohne Einfluß auf die neutrale Schifffahrt bleiben können, und da ist zuerst das Blockaderecht zu erwähnen. Eine Reihe wichtiger Häfen sowohl in Amerika als in Spanien könnten gesperrt werden. Glücklicher Weise ist aber wahrscheinlich weder Spanien noch Amerika im Stande, eine Blockade in größerem Umfange ins Werk zu setzen, denn dazu gehört nach den gegenwärtig geltenden Blockaderegeln ein bedeutendes Kriegsschiffmaterial, da von den neutralen Staaten eine Blockade nur dann respectirt zu werden braucht, wenn sie vollständig durchgeführt ist. Eine Blockade kann also heutigen Tages nicht mehr in der Art auSgeführt werden, wie England sie zu Be ginn unseres Jahrhunderts handhabte, indem nämlich die Er klärung abgegeben wurde, daß die betr. Küstenstrecke blockirt sei, worauf man einen einzelnen Kreuzer aussandte, der sich längs der „blockirten" Küste aufhielt und die neutralen oder feinvlicb-n Fahrzeuge, die ihm in den Wurf kamen, in Beschlag nahm. Jetzt muß vielmehr vor der betr. Küste eine genügende Anzahl Kriegsschiffe stationirt sein, so daß ein Durchbrechen der Blockade mit sofortiger Gefahr verbunden wäre. Krieg»- contrebande darf ein Handelsschiff, wie schon angedeutet wurde, nicht an Bord haben, ohne sich der Gefahr der Be schlagnahme auSzusetzen. Dieser Möglichkeit kann indessen jedes Schiff entgehen, denn als KriegScontrebande werden nur Gegenstände gerechnet, die unmittelbar zu militainschcn Zwecken dienen, Waffen, Munition, Uniformen rc. Anders würde sich die Sache gestalten, wenn wieder die alte völker rechtliche Streitfrage, ob nicht auch Lebensmittel als Contrebande zu betrachten seien, aufgefrischt würde, was aber als ausgeschlossen gelten kann. Endlich ist noch eine andere Beschränkung für die neutrale Schifffahrt, das Durchsuchuugsrecht, zu erwähnen, das den kriegführenden Staaten zusteht, um einen Mißbrauch der Rechte der Neutralität zu verhüten. Demgemäß muß ein Handelsschiff, wenn es von einem Fahrzeug einer der krieg führenden Mächte angerufen wird, beilegen und auf Ver langen alle auf das Schiff und die Ladung bezüglichen Papiere vorlegen. Wie man sieht, drohen also im Falle eines Krieges zwischen Spanien und Amerika der neutralen Schifffahrt mancherlei Unbequemlichkeiten und Schwierig keiten. Vor Allem müßte rin solcher Krieg aber dem Handel und der Schifffahrt der genannten Länder höchst verderblich werden, und die Bemühungen der Vereinigten Staaten, für den Kriegsdienst geeignete Handelsfahrzeuge zu erwerben, zeigen hinlänglich, wie sehr man sich zum Kaperkriege rüstet. Socialdemokratie und Streik. Mehrere Gewerkschaftskongresse, deren eine anze Anzahl in der vergangenen Woche getagt hat, >aben sich auch u. A. mit der Streitfrage be schäftigt und zwar mit der ausgesprochenen Absicht, die Streiks einzuschränken und zu reglemenliren. Diese» Vorgehen war augenscheinlich durch daS rein materielle Bedenken angeregt, daß der nachgerade überhandneh mende Unfug kleiner localer Streiks die GewerkschaftS- cassen, deren Unterstützung von den Streikenden stets auSgiebig in Anspruch genommen wird, sprengen könnte. Dieser, wie ge sagt, rein materielle Anlaß hat dazu geführt, auf den Gewerk schaftstagen Streikreglements auszuarbeiten, die aber, wie wir sehen werden, noch ganz andere und höhere Ziele verfolgen, als die, die Cassen vor Schaden zu bewahren. So hat die Generalversammlung des Vereins deutscher Schuhmacher am Freitag in Mainz ein Streik reglement angenommen, das bestimmt, daß Arbeits einstellungen und die Verhängung der Sperre, um plan losen und unüberlegten Streiks entgegentreten, nur mit Zustimmung deS CentralvorstandrS erfolgen können. „Angriffs streiks müssen mindesten- zwei Monate vor Beginn dem Vor stande und dem Agitationscomit6 gemeldet werden. Bei allen Streiks oder Aussperrungen sind jenen die Ursachen mitzu- theilen mit der Angabe, wie viel von den Betheiligten der Organisation angeboren. Soweit ist ja Alles ganz schön und man könnte diese Einschränkung unüberlegter Streiks nur als vernünftig begrüßen, wenn sich in dem Reglement nicht folgender Nachsatz befände: „Die Entscheidung, ob in einen Ausstand eingetreten werden soll, erfolgt unter Aus schluß der Nich lorg anisation durch die VereinSmit- glieder. Bevor der Centralvorstand seine Einwilligung gegeben, darf unter keinen Umständen in einen Streik eingetreten werden." Daß die Entscheidung über den Beginn eines Streikes unter Ausschluß der Nichtvrganisatron erfolgen soll, ist ein erneuter Versuch, die Nichtorganisirten, d. h. Nichtsocial demokraten, unter die Botmäßigkeit der Socialdemokratie zu zwingen. Man entzieht also einfach den nichtorganisirten Ar beitern daS Stimmrecht. DaS ist die Freiheit, mit der die rothen Brüder prunken! Ein paar Socialdemokraten proclamiren den Streik und die anderen Arbeiter müssen mit halten, wenn sie nicht als Streikbrecher mißhandelt werden wollen! Sehr beachtenswerth ist ferner der so harmlos aussehende Schlußzusatz, daß der Ccntralvorstand unter allen Umständen seine Einwilligung erklären muß, bevor rin Streik eröffnet wird. Wie man weiß, herrscht ein erbitterter Krieg zwischen den Localorganisirten und den Centralorganisirten, ein Krieg, in dem die letzteren augenscheinlich allmählich die Ueber- hand erhalten. Diese Verhältnisse kamen auf dem Berliner Congreß der localorganisirten Gewerkschaften in der ver gangenen Woche zur Sprache. DaS Ergebniß war eine offene Kriegserklärung an die centralorganisirten Gewerkschaften. Im Laufe der Debatten wurde nämlich vielfach über „da» feind selige, die Organisation verhetzende Auftreten verschiedener social demokratischer Fübrer", so namentlich der ReichStagSabgeord- neten Legien und Robert Schmidt, geklagt, die ganz vergessen zu haben schienen, daß sie ihre erste Schulung selbst in Local organisationen empfangen hätten. Die unausgesetzten Quer treibereien der Centralisten hätten einen Rückgang der localen Organisationen, aber vielfach auch der Organi sationen im Allgemeinen zur Folge gehabt. So sei die Organisation der Fabrikarbeiter und Arbeiterinnen inner halb zweier Jahre von 1000 auf 80 Mitglieder gesunken, während von über 5000 Berliner Bäckergesellen bloS 200 und noch dazu in zwei verschiedenen Vereinen oraanisirt seien. In nachstehender Resolution wurde die Taktik gegenüber den Centralverbänden festgelegt: „In Erwägung, daß den Berichten der Delegirten zufolge fast überall die systematische Vernichtung der BertrauenSmänner-Centralisation seitens der in Verbänden oraanisirten Arbeiter, hauptsächlich aber von den Führern derselben betrieben wird, erklärt der Congreß, von jetzt ab jede Rücksicht auf ein friedliches Zusammen arbeiten fallen zu lassen. Der Congreß erblickt in der Agitationsweise der VerbandSleiter eine schwere Schädigung der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland." Diese energische Resolution wird aber den Localorganisirten wenig helfen, sie verfallen dem Centralisationstriebe der Socialdemokratie; denn wenn die Localorganisationen nicht Ordre pariren, wird ihnen der usrrus rervm, die pecaniäre Unterstützung, abgeschnitten, wie da» die Kölner Schuhmacher dieser Tage erleben mußten. Die Schuhmacher von Köln und Umgegend sind nämlich vor einigen Tagen in einen Aus stand eingetreten. Da aber kam flugs der vom Central-Eomitö der Schuhmacher Deutschland» entsandt« Referent Gölle aus Frankfurt a. M. und rieth von dem sofortigen Ausstande ent schieden ab, mit der Begründung, daß die Kölner Schuhmacher hisher der Centralorganisation noch nicht an gegliedert seien und infolge der zahlreichen Schuh macher-Ausstände in Deutschland zunächst auf eine Geldunterstützung feiten» der Organisation nicht zu rechnen sei! Man sieht also, wie energisch da» Central- commando auftritt — und man sieht ferner, wie die rotbe Bureaukratie sich immer mehr consolidirt, r» fehlt nur noch der Partridictator. Deutsches Reich. Q Vertin, 19. April. Al» bei der Neuaufschüttung des Hundertmillionenfonds zugleich den Oberpräsidenten der zwei sprachigen Provinzen ein Dispositionsfonds zugebilligt wurde, der zweckentsprechend zur Stärkung des Drutsch- thums verwendet werden sollte, wurden hier und da Be denken laut, ob eS richtig sei, die Verwendung dieser Summe, die doch zum großen Theil der Förderung der geistigen Cultur dienen sollte, ausschließlich den Ober- Präsidenten und ihren Organen zu überlassen. Zum Mindesten bei der Einrichtung von Volksbibliotheken erschien die Heranziehung geeigneter, mit den örtlichen Ver hältnissen vertrauter Persönlichkeiten von literarischer Bildung unumgänglich nothwcndig. WaS wir bisher über die erste» die Gründung von Volksbüchereien betreffenden Maßnahmen aus der Provinz Posen hören, ist geeignet, diese Bedenken wieder wachzurvsen. Einmal scheint e», al» ob man bei der Be schaffung der neuen Bücherbestände nicht immer in geeigneter Weise vorginge; deS Weiteren aber wird Klage darüber geführt, daß da, wo bereits gute Anfänge von Volköbibliotheken vorhanden sind, nicht an diese angeknüpft werde. Aber auch die Art, wie in anderer Beziehung nut dieser Gabe der ganzen Monarchie an die östlichen Provinzen verfahren wird, will nicht befriedigen. In derStadtPosen macht sich daSBedürfniß nach Vorträgen aller Art neuerdings mehr und mehr geltend. Wenn man, um diesem Bedürfnis zu entsprechen, staatliche Mittel aufwendet, so verdient dies Anerkennung, falls damit Hand in Hand Bemühungen gehen, geeignete Kräfte aus der Provinz selbst bcranzuziehen und auch mit den besonderen Verhältnissen der Ostmarken in Beziehung stehende Themata zu behandeln. Gelehrte von außerhalb heranzuziehen und sie über diese LandeStheile völlig entlegene Gegenstände, insbesondere rein wissenschaftliche Vorträge halten zu lassen, dazu ist immer noch Zeit, sobald die näher liegenden Bedürfnisse Befrie digung gefunden. Wir gehen aus diese und ähnliche Vor kommnisse nicht näher ein, weil r» un» nicht darauf ankommt, nur zu kritisireu, sondern darauf binzuwirkea, daß dir ört lichen Bedürfnisse auch auf diesem Gebiet eine liebevollere Initiative finden, und weil von vem inzwischen erschienenen Erlaß des StaatSministerinmS eine entsprechende Wirkung erhofft wird. * verltn, 19. April. Wir haben vor Kurzem mitgethrilt, daß die „Sächsische Arbeiter-Zeitung" bei einer Auseinander setzung in dem Streit Ledebonr-Heine dem „Vorwärts" einige Liebenswürdigkeiten sagte. Nun kanzelt die „Franks. VolkSst.j" das „Centralorgan" wie folgt ab: „In der bekannten, aber bei jedem neuen Falle wieder neu empörenden hochmütigen Weise springen jetzt einige Redakteure unsere» EentralorganS mit dem Genossen Ledebour um . . . Die hochfahrende Art, die mit dem Recht oder Unrecht gar nichts zu thun hat, das sich etwa aus Seite der Griiossenlbefiadet, die anderer Meinung als der „Vorwärts" sind, wird >o lange im Tentraloraan Uebuag bleiben, bis diejenige Anzahl Genossen miß handelt ist, die genüg», auf dem Parteitag Wandel zu schaffen." Hierauf erwidert das angegriffene Blatt i „ES ist zweierlei möglich. Entweder hat der Rebacteur der Am die Erde. Reisebriefe von Paul Lindenberg. Nachdruck verboten. Shanghai bei Nacht. — Singspielhallen. — Opium-Häuser. — Im Theater. — Ein chine sisches Diner. — Die SingsongS. Shanghai, 20. Februar. AlS das Paris des Reiches der Mitte gilt bei vielen vor nehmen Chinesen Shanghai, als die Stadt des frohen Lebens genusses und lockeren Vergnügens; gern bringen viele der reichen Zopfträger hier einige Jahre zu, um später, wenn sie in Amt und Würden in irgend einer fernen Provinz-Hauptstadt sitzen, von den lustigen Stunden, die sie in Shanghai verlebten, zu träumen und guten Freunden davon zu erzählen. Und in der That, wenn man Abends um die neunte Stunde die Futschau-Road, eine der Hauptstraßen der europäischen Niederlassung, entlang schlendert, so fühlt man sich völlig von einem chinesischen Boulevard-Getriebe nach Pariser Muster um geben. Ueberall Licht und Bewegung, überall Sang und Klang, überall ausgelassene Heiterkeit und ein sorgloses Sichgeben. Hell erleuchtet sind die in den Erdgeschossen der niederen Häuser be findlichen chinesischen Läden und Magazine und ein reger Ber kaus findet in ihnen statt, auch aus den oberen Stockwerken, deren Holzbalcons mit buntfarbigen großen Papierballons erhellt sind, dringt strahlendes Licht herunter und schallt Musik und Gesang heraus, denn dort finden wir die vielbesuchten Singspielhallen; auf der Straße aber, die natürlich nicht unsere Bürgersteige kennt, rin Gewibble und Gekribbele Tausender von Chinesen, daß die Rikshamänner mit ihren Wägelchen und die Sänften träger nur schrittweise durchdringen können. Neben den Mannern viele Frauen und Kinder, manche Chinesinnen «hß ihren Lilienfüßen einherhumpelnd oder von ihren Dienerinnen geführt, und einige recht kokette Dämchen bemerkt man unter ihnen, die nicht nur ihren Landsleuten, sondern auch den wenigen Europäern „schöne Augen" machen und einer Unter haltung gar nicht abgeneigt zu sein scheinen. Alle aber, Männlein wie Weiblein, freuen sich ihres Lebens, Alle sind gut gelaunt und von einer harmloS-liebenSwürdigen Fröhlichkeit, die viel Sympathisches an sich hat. Besuchen wir einmal eine jener erwähnten Singspielhallen. Der große Raum ist bi» auf da» letzte Plätzchen gefüllt, einige wohlgenährte Chinesen rücken jedoch sofort zusammen und laden uns freundlich ein, unS an ihrer Seite niederzulassen, wir be grüßen sie und danken ihnen mit dem chinesischen „Schin-Schin", indem wir dabei die zusammengeballten Hände erheben und senken, die wohlgefälligste Heiterkeit dafür einerntend. Einer der bezahlten Diener bringt unS sogleich Thee, der ohne Zucker und Milch genossen wird, und nachdem wir die Cigarren in Brand gesetzt — unsere Nachbarn bieten un» sofort Feuer an — können wir auch die schwere Luft besser ertragen, raucht doch Jedermann hier die Wasserpfeife und pafft wacker darauf loS. An der einen mit chinesischen Glückssprüchen und langen Bildertapetrn behängten Breitseite des Saales ist die Bühne aufgeschlagen, auf der ein langer, mit goldgestickten, rothen Decken umhüllter Tisch steht, der ein aus vielen Stücken be stehende», schönbemaltes Theeservice aufweist. Um drei Seiten diese» Tische» — die nach dem Publicum zugehende ist natürlich freigelaflen — sitzen die „Singsongs", die chinesischen Sänge rinnen, etwa fünfzehn an der Zahl, ganz junge Dinger, nach heimischer Sitte di« Wangen stark mit ReiSvuder bedeckt, die Augenbrauen schwarz nachgezogen, die Lippen roth gefärbt, dir schwarzen Haare in kunstvollster Frisur gebunden, ihre Köpfe an diejenigen von Puppen erinnernd; buntseidene Gewänder mit den prächtigsten Stickereien umschließen die zarten Figürchen, an den kleinen Händen blitzen Ringe, um die schmalen Armgelenke winden sich goldene Reifen, die goldenen und silbernen Haar nadeln wir di« Perlenkämmr sind von schöner Arbeit. Die ge färbten Mündchen plapern fortwährend und nippen unaus gesetzt an den Theetäßchen, welche die Diener stets mit heißem Trank versehen; jetzt tritt einer der dienstbaren Geister an eins der Dämchen heran, ihr einen länglichen rothen Blkef über reichend, sie öffnet und liest ihn, steigt von dem Podium herab und verschwindet, in Begleitung einer Dienerin — ihr Ziel werden wir weiter unten kennen lernen. Ein anderer Diener kommt mit einer Guitarre und giebt sie einer der Sängerinnen, sie klimpert auf den Saiten herum und beginnt dann ihr Lied, ein Lied, das „Steine erweichen, Menschen rasend machen kann." Denn es ist nur ein Geschreie, ein Gekreisch, nach unserem Gefühl ohne jegliche Melodie, und dabei reißt da» niedliche Mädchen den hübschen kleinen Mund auf, als ob sie die ganze Zuhörer schaar verschlingen wolle, und letztere, o wie zufrieden ist sie mit dieser Kunstleistung und giebt ihrem Beifall durch lauKtz Rufen und behagliches Grunzen Ausdruck. Und der ersten Sängerin folgt eine zweite und dieser eine dritte — nein, einem solchen musikalischen Genuß kann kein Christenmensch länger Stand halten, und nach erneuerten „Schin-Schin'S" zu unseren Nachbarn, die sich verbeugen und knixen, als ob sie junge Mädchen in einer Tanzstunde wären, und nachdem wir vierzig Pfennig beim Hinausgehen bezahlt, verlassen wir willig das Local. Einige Häuser weiter ein ganz andere» Bild. Wir treten durch einen schmalen Flur in einen mollig erwärmten großen Raum ein, dessen Gasampeln von rothen Seidenschleiern um hüllt sind, so daß ein behagliches Halbdunkel herrscht. Ziemlich kreuz und quer stehen aus schwarzem Holz geschnitzte und mit weichen Kissen belegte, mit holzdurchbrochenen Rückwänden ver sehene Bänke, deren jede gerade einem sich ausstreckenden Menschen Platz bietet. Wir sind in einem der vornehmen Opiumhäuser. Jede Bank fast ist besetzt von einem Chinesen, der sein glimmen des Spirituslämpchen neben sich hat und, thrilnahmloS für seine Umgebung, sich dem Genuß deS Opiumrauchens widmet, immer wieder das Opium an der Flamme entzündend, einige Züge rauchend, und dann minutenlang in höchster Zufriedenheit sich seinen Träumen hingiebt. Seidene Vorhänge zwischen schlanken Säulen, welche die mit Schnitzereien versehene Decke stützen, »nd liebevoll gemalte Bilder an den Wänden schmücken den Raum, in welchem gleichfalls eine drückend-schwüle Luft ist, der man bald zu entgehen trachtet. Kaum hundert Schritte brauchen wir weiterzuwandern, so können wir uns in einem Theater, deren diese Gegend allein drei zählt, niederlaffen; auch hier ein mächtiger Saal, und auch dieser gedrängt voll. Auf der Bühne der Helle Unsinn der chinesischen Schauspiele mit ihren Teufels- und Göttererscheinungen, ihrem Lärm und Zauberspuk, der gänzlichen Verachtung gegen Zeit und scenische Unterstützung: zwei Frauen entfliehen, sie pro meniren auf der Bühne wohl zwanzigmal auf und nieder (was ihre lange Wanderung andeuten soll), man hört hinter der Saal- Coulisse Spectakel, die Verfolger nahen, die beiden Frauen kommen an einen reißenden Fluß (von dem natürlich nichts zu sehen ist), die Eine schreitet zaghaft vorwärts, jedesmal, wenn sie mit dem Fuße scheinbar das Wasser berührt, schreckt sie mit einem Schrei zurück, die Andere stürzt sich muthig in die Fluthen (d. h. sie macht mit den Armen Schwimmbewegungen und hopst einen kleinen Satz), der Lärm der Verfolger dringt näher, nach manchem zimperlichen Gepiepse folgt nun auch die zögernde Freundin und landet „drüben" (zwei Fuß weiter) ganz ermattet, um von der Gefährtin gerührt in die Arme geschlossen zu werden. — Es war wohl ein historisches Stück, denn es wurde an vier folgenden Abenden gespielt; ohne Pausen gegeben, hätte es etwa dreißig Stunden gedauert. Wie in Hongkong, begaben wir uns auch hier in das Mysterium der Coulissen, und mar- schirten nachher zu Dreien über die Bühne, dem verehrlschen Publicum und hohen Adel eine elegante Verbeugung mit on- muthigem Hutschwenken machend, was die allgemeinste und ver gnügteste Zustimmung seitens der tausend und mehr Zuschauer und Zuschauerinnen stand. In der Futschau-Road liegen auch die großen chinesischen Restaurants, in denen die vornehmen Zopfträger ihre sorgsam nach chinesischem Geschmack zusammengeftellten Mahlzeiten ein- zunrhmen pflegen. Einem derartigen chinesischen Diner bei,««
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