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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980427020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-27
- Monat1898-04
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Größere Schriften laut unsere» sstreis« verzetchuih. Tabellarischer und Ziffern satz »ach höhere« Laris. Optr« »Beilagen (gefalzt), nur mit ß» vtorgen-AuSaab«, ohne Vostbrsörderuaz 60.—, mit Postb,sörd«r«ag 70.—> Aanahmeschlaß für Inzeigea: Nbrud-Nusgab«: vormittag« 10 Uhr. Bkorge»-Ausgabe: Nachmittag« «UhL Lei den Filialen und Annahmestelle» je et« halbe Stund« früher. Anzeige» find stet« an die Erhehtttö» zu richten. Druck and Verlag m>a E. P olz tu Leipzig Mittwoch den 27. April 1898. 92. Jahrgang. Der „Krieg" um Cuba. —Nun können die Bereinigten Staaten wenigstens ehrlich Krieg führen: sie haben denselben officiell erklärt und da« Staatsdepartement — wir folgen im Nachstehenden den unS ^»gegangenen telegraphischen Meldungen — hat allen auswärtigen Regierungen die Kriegserklärung notificirt und die amerikanischen Vertreter angewiesen, bei Überreichung der Ratification darauf hinzuweisen, daß der Kriegszustand seit dem 2l. d. M. bestehe. Somit wäre Alle« in Ordnung hi- auf den Krieg selber; denn waS bis i:tzt geschehen ist, kommt über ein recht wenig interessantes Vorspiel nicht hinaus. Wo ist der Hase? heißt eS auf einem bekannten Berirbild. Der Jäger ist schußbereit, aber nirgends ist das Wild zu sehen. Wo ist die spanische Flotte? Die Amerikaner warten Tag um Tag auf ihr Erscheinen in den kubanischen Gewässern, um zum EntschridungSschlag ausholen zu können, aber noch ist kein Schornstein zu entdecken, so scharf und un geduldig man auch auSblickt. Wie dem Reuter'schen Bureau'" aus Sao Vicente gemeldet wird, lag auch gestern noch kein Anzeichen vor, daß das spanische Geschwader die Cap Verdischen Inseln zu verlassen beabsichtige; die Schiffe nahmen Kohlen und Proviant eia. Nach anderen Nachrichten soll dagegen die „Minneapolis", die am Sonnabend Hampton Noads ver ließ, um auf die Such« nach der spanischen Flotte zu gehen, bemerkt haben, daß dieselbe sich der nordatlantischen Küste nähert. Wem soll man nun glauben! In Washington scheint man die Reuter'sche Meldung für richtig zu halten, wenigstens geht das aus der solgenden Nachricht hervor: * London, 26. April. „Daily News" melden: In Washington sei der Eindruck im Wachsen, daß es möglicher Weise keinenwirklichen Krieg geben werde, besonders, da die spanische Flotte auf der andern Seite des Atlantischen Oceans bleiben zu sollen schein«. Unterdessen fangen die amerikanischen Kreuzer vor Havannah lustig ein spanisches Schiff nach dem andern weg. Man meldet uns darüber: * Key West, 26. April. Das Kriegsschiff „Mangrove" hat den spanischen Dampfer „Panama" hier etngebracht. Das Schiff war am 20. d. M. von New Port nach Havannah mit flüchtigen Spaniern und wcrthvoller Ladung in See ge gangen. Letztere sollte zur Verproviantirung der spanischen Armee dienen. Die „Mangrove" nahm die „Panama" zwanzig Meilen vor Havannah. — Das Kanonenboot „Newport" lief hier mit zwei spanischen Segelschiffen ein. Zwei weitere kleine Schiffe wurden heute Vormittag in der Höhe von Havannah ausgebracht. * New-Aork, 26. April. Die Blätter melden auS Key West: Ein spanisches Transportschiff mit 900 Soldaten an Bord ist aufgebracht worden. Auch ist daS New Korker Postamt angewiesen, all« für Spanien bestimmten Postsendungen an- zuhaltrn. DaS ist für Spanien ein recht fatales Präludium. Wie weit diese ConsiScativnen zu Recht bestehen, muß sich aller dings erst noch Herausstellen. Im Uebrigen hat MacKinley soeben eine Proclamation erlassen, welche geeignet ist, spanischen Schiffen wenigstens einige Erleichterungen zu sichern. Sie gewährt den in den amerikanischen Gewässern befindlichen spanischen Schiffen bis zum 21. Mai Frist zum Einnehmen der Ladung und zur Abreise; auf See befindliche Schiffe können ihre Reise fortsetzen, wenn sie vor dem 2l. Mai in amerika nischen Häfen ihre Ladung eingenommen haben; Schiffe, welche in amerikanischen Häsen ankommen, unterliegen der Beschlagnahme nicht, wenn sie ihre Reise vor dem 2l. April angetreten haben. In der Proclamation wird ferner erklärt, das Recht der Untersuchung von Schissen Werve unter strikter Beobachtung der Rechte der Neutralen gehandhabt werden. Postschiffe würden nur im Falle dringendsten Verdachtes be lästigt werden. In der Begründung der Proclamation wird dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß der Krieg dem gegen wärtig in Kraft bestehenden Völkerrechte gemäß geführt werde. Wie bisher angenommen wurde, werden die Vereinigten Staaten keine größere Armee nach Cuba entsenden, zumal da Generalarzt Sternberg-New Aork erklärt bat, in der Regenzeit würden dort 45 Procent weggeraffl werden. Man hofft auf den Hunger als Bundesgenossen. So berichtet man uns: * London, 26. April. Den „Daily News" wird aus Washington unter dem gestrigen Tage gemeldet: Mac Kinley glaube, Cuba könne durch die Blockade so ausgehungert werden, daß es sich ohne Beschießung ergeben werde, und er erwarte, Laß, wenn dies geschehen sei, die europäischen Mächte unter Führung Großbritanniens Spanien zwingen würden, den Verlust Cubas anzuerkennen und den Krieg aufzugeben. Wohl aber müssen kleinere Corps nach der Insel dirigirt werden, um die Proviantzusuhr für die Aufständischen zu sichern. So soll einem New Aorker Telegramm der „DailyNews"zufolge Mac Kinley beschlossen haben, von Tampa 5000 Mann reguläre Truppen, 4000 Mann Infanterie und 1000 Mann Cavallerie mit Artillerie nach der Südküste Cubas zu senden, um dort ein befestigtes Depot zu errichten, von wo mit Hilfe der Aufständischen unter Gomez die nothleidenden Cubaner mit Lebensmitteln versehen werden sollen. Die amerikanische Flotte solle die Landung der Truppen und der Lebensmittel schützen. Eine theilweiseBestätigung scheint diese Meldung durch die weitere unS aus New Aork zugehende zu erfahren, welche besagt, daß das Transportschiff „Panther" mit 800 Soldaten an Bord gestern Vormittag von Hampton Roads unter Begleitung des Kreuzers „Montgomery" und des Kanonen bootes „BickSburg" nach Cayo Houesco, auf den Florida vorgelagerten Inseln Havannah gegenüber, in See gegangen sei. Auch sind Madrider Pnvatmeldungen nach fünf hundert Aufständische unter dun Befehl deS Führers Lacret, die nach den Vereinigten Staaten gegangen waren, tyieder auf Cuba gelandet. Eine Truppenabtheilung ist von Havannah aus zu ihrer Bekämpfung abgegangen. An ein Handinhandgehen der Aufständischen mit den Spaniern ist also nicht zu denken. Sie scheinen handels einig mit den Vereinigten Staaten zu sein. Die Blockade CubaS wird fortgesetzt, worüber uns folgende Meldung vorliegt: * Madrid, 26. April. Eine Depesche des Generals Blanko an- Havannah besagt, eine aus fünf Schiffen be stehende Division der amerikanischen Flotte habe sich gestern Abend Marianao (westlich von Havannah) genähert; das spanische Kanonenboot „Ligera" habe amerikanische Torpedoboot zerstörer, welche versucht hätten, sich dem Hafen von Caidenas zu nähern, znm Rückzüge gezwungen. Havannah selbst ist, wie nun auch der „Times"-Corre- sponvent, der den Ort am 9. April verlassen mußte, bestätigt, stark befestigt. Vier sechzehnzöllige gezogene Hinterlader, Modell Ordonez, sind östlich vom Fort Cabana, verschiedene lOzöllige und 12zöllige Geschütze in Cabana, lOzöllige und 12zöllige Geschütze längs dem Strande bei Vedado und eine große Anzahl leichterer Geschütze an allen verwendbaren Punkten montirt. Tie Garnison der Stadt besteht auS 60 000 Regulären und 40 000 Freiwilligen. Munition für die Geschütze und Ge wehre ist sehr reichlich vorhanden und die Bevölkerung hat für mindestens 1 Monat, die Garnison für 2 Monate Lebensmittel. Londoner Meldungen nach kommt es vielleicht doch nock zu einem Bombardement der Forts von Havannah. Dies würbe aber nicht in der Hoffnung, dieselben nehmen zu können, geschehen, sondern um dem Publicum etwas zu bieten und die Brauchbarkeit der Schiffe und Mannschaften im Ge fecht zu erproben. Bedenklich wäre nur, wenn gleichzeitig die Insurgenten einen Schlag gegen Havannah zu führen suchten. Sie sollen sich bereits auf 30 Meilen der Stadt genähert haben. In Madrid redet man viel und würdevoll von Krieg und Sieg, ohne indeß zu bandeln, und giebt sich auch einem erstaunlichen finanziellen Optimismus hin. Man lese folgende Meldungen: * Madrid, 26. April. (Senat.) Der Marschall Graf von Eheste beglückwünscht die Armee auf Cuba und erinnert daran, daß er vor 45 Jahren (l) als General-Capitain auf Cuba der Erste war, der auf das englisch - amerikanische Geschwader, welches es wagte, in Schußweite spanischer Kanonen zu kommen, zu feuern befahl. Der Marschall ruft aus: „Ich hoffe, daß Marschall Blanko sein Wort: „Sieg oder Tod" halten wird. (Beifall.) Ter Finanzminister erwidert, die Regie- rung habe zu Armee und Marine großes Vertrauen. Ein Senator macht einige Bemerkungen über die Steigerung des Wechsel- co urses auf Paris. Der Finanzminister erwidert, er werde ver suchen, einer weiteren Steigerung Einhalt zu thun; die spanischen Fonds seien in Folge der durch die amerikanische Frage hervor- gerufenen Besorgniß gefallen, eine Besorgniß, die übertrieben sei. Die Zahlung des Coupons sei gesichert. Selbst im Falle einer Niederlage würde Spanien sich leicht wieder erholen. (?) Man glaube, Laß die Lage Spanien- schlimmer sei, als sie in Wirklich- keit ist; für solchen Pessimismus liege kein Grund vor. * Madrid, 26. April. Im Senate sprach sich der Bischof von Toledo, Cardinal Sancha, in einer patriotischen Ansprache sä'- die Einigung Aller gegenüber dem Feinde auS. Er erklärte, er, sowie der Bischof von Valladolid, Ccirdlnal Cascajares, stimmten der Adresse an die Krone zu. Diese Haltung des hohen Klerus wird hier sehr beifällig besprochen. Der Senat beschloß, morgen iu corpora der Königin-Regentin die Adresse zu überreichen. Bedenkliche Kunde kommt von den Philippinen: * Hongkong, 26. Apr>l. Wie verlautet, soll das ameri kanische Geschwader die Mirobucht morgen verlaßen, um die Häfen der Philippinen zu überwachen. Dem Vernehmen nach soll der Führer der Aufständischen auf den Philppinen, Aguinaldo, welcher sich vor kurzer Zeit den spanischen Behörden in Manila unterworfen hat, sich an Bord des amerikanischen Kreuzers „Olympia" befinden. — Meldungen aus Manila vom 23. April besagen, daß im dortigen Hasen unterseeische Minen gelegt worden seien. Ferner sollen die Aufständischen rings um Manila sich ansammeln. Ein Massacr« unter den Spaniern soll befürchtet werden. * Madrid, 26. April. (Deputirtenkammer.) Auf die Anfrage eines Drputirten, betreffend die Abfahrt des amerikanische» Ge schwaders in der Richtung auf Manila, sowie auf die weitere Anfrage, ob die früheren Häupter der Aufständischen, ins besondere Aguinaldo, sich auf amerikanischen Schiffen «ingrschifft hätten, erwiedert der Minister der Colonien Moret, er habe keine amtliche Benachrichtigung hierüber erhallen, aber er halte es nicht ür wahrscheinlich, daß Aguinaldo sich an Bord eines amerikanischen Schiffes befinde. * London, 26. Avril. Eine Drahtmeldung der „TimeS" be- richtet auS Hongkong, daß ungeachtet der amtlichen Ableugnungen die Aufständischen thatjächlich noch immer Streifzüge gegen die Städte auf Luzon unternehmen. DaS Erscheinen amerika- irischer Schiffe werde das Signal zu einem Einsalle in Manila sein. Da von den Spaniern nur auf einen schwachen Wider stand gerechnet werde, befürchte man große Gewaltthätigkeiten. Ob es noch zu einem Zusammenwirken der Vereinigten Staaten mit England kommen wird, wie der „Köln. Ztg." auS New Aork mit Bestimmtheit versichert wird, mag dahingestellt" bleiben. Gefaßt machen kann man sich darauf, da England natürlich schon wegen seiner marokkanischen und Mittelmeerinteressen an einer möglichsten Schwächung Spaniens gelegen sein muß. Beachtung verdient nach dieser Richtung hin die folgende Nachricht: * Paris, 26. April. Nach dem „New Kork Herold" soll rin Mitglied der englischen Botschaft in Pari«, da« soeben auS London hier eingetroffen ist, erklärt haben, die französische Re gierung habe der Regierung der Bereinigten Staaten mitgetheilt, daß sie es nicht gern sähe, wenn die Bereinigten Staaten die Feind seligkeiten bis ins Mittelmeer gegen spanische Schiffe oder spanische Städte ausdehnten. Infolge dieser Mittheilung soll dann die englische Regierung ihrerseits Frankreich erklärt haben. Laß sie in diesem Falle ihre Sympathien und ihre Unter stützung den Bereinigten Staaten zuwenden würde. Der „Post" zufolge wird eine Neutralitätserklärung von Deutschland angesichts des spanisch-amerikanischen ConflicteS nicht erlassen werden. Bekanntlich ist die erste Anregung zu einer solchen Kundgebung der an Lrm Kriege un- betheiligten Großmächte von Italien auSgegangeu. Ob einzelne der Mächte auf diese Idee eingehen werden, »st bis jetzt noch zweifelhaft. Wenn Deutschland darauf verzichten muß, den Gedanken der Neutralitätserklärung zu acceptiren, so folgt es, führt daS genannte Berliner Blatt weit« auS, nur dem während der letzten Kriege zur Geltung gekommenen Branche. ' Schon zur Zeil des chinesisch-japanischen Krieges wurde vou Japan an Deutschland das Ansinnen ge stellt, eine solche Erklärung abzugeben. Daß eine solche verweigert wurde, gereichte vem deutschen Reiche im weiteren Verlaufe des Krieges zum Bortheil. Denn nur so blieb es im Besitz seiner vollen Freiheit und war im Stande, an der Seite Frankreichs und Rußlands bei Japan zu Gunsten Chinas zu interveniren. In gleicher Weise trat zu Beginn des griechisch-türkischen Krieges die Aufforderung zu einer Neutralitäts-Erklärung an Deutschland heran. Auch hier aber mußte die Ablehnung erfolgen, wenn Deutschland sich die Unabhängigkeit seiner Action bewahren wollte. Es würde andernfalls allen Maßregeln, die zu einer schnellen Beendigung des Krieges von den Mächten getroffen wurden, baden fern bleiben muffen. Am wenigsten aber würde es sich für Deutschland empfohlen haben, sich jetzt, in dem spanisch-amerikanischen Kriege, wo so zahlreiche Interessen des I deutschen Handels in Frage stehen, durch irgend eine Form I die Hände zu binden. Feirrlletsn. Die Herrin von Echtersloh. Ij Roman von Toni Krüger. Nachdruck verböte». I. Capitel. Der alte Graf Eberhard von Echtersloh war gestorben. Die Flaggen auf den Thürmen des Schlaffes wehten auf Halbmast und waren mit breiten Florschleifen versehen. Trockene, zertretene Blumen zeigten den Weg nach dem Ahnensaal, in welchem der verstorbene Graf aufgebahrt gewesen war. Die dort flackernden Kerzen beleuchteten gespenstig den hohen, schwarz ausgeschlagenen Raum, aus dem man den Sarg nach dem Erbbegräbniß auf den kleinen Dorfkirchhof getragen hatte. In einem kleinen Salon hatten sich nach den Beisetzungs feierlichkeiten die nächsten Familienmitglieder des verstorbenen Grafen versammelt. Auf dem Sopha thronte in aufrechter, steifer Haltung die Schwester des Grafen, die schon seit vielen Jahren als Ehrendame im Hause des Wittwers herrschte. Ihr Antlitz zeigte scharfe, energische Züge, die durch eine etwas spitze, hervorspringende Nase noch an Schärfe gewannen. Der glatte Scheitel wie« noch kein weißes Haar auf und dir zierliche Spitzenhaube machte einen fast koketten Eindruck. Von Zeit zu Zeit fuhr sie mit dem feinen Batisttuch über ihre thränenlosen Augen und ein schwerer Seufzer entschlüpfte ihren schmalen, fest zusammengepreßten Lippen. In flüsterndem Tone wandte sie sich öfter an ihren Nachbar, einen Vetter der früh verstorbenen Gräfin. In einer Fensternische lehnte eine hohe Männergestalt, deren ernste Züge den Ausdruck tiefer Trauer trugen. Ein dunkelblonder Schnurrbart beschattete die Lippen deS noch jungen Mannes und über den blauen Augen wölbt« sich eine hohe Stirn. Er hatte eigenthümliche Augen, der Herr Baron von Echtersloh, die bald finster drohend, bald ernst und mild, bald fröhlich heiter blitzen konnten. Auch in der Farbe waren sie, je nach der GemiithSbeschaffrnhrit de» Ltgenthllmer«, wechselnd. Jetzt waren sie mitfühlend auf die schlanke Gestalt eine« jungen Mädchen« geheftet, welche- thränenschweren Auge» ihre Blicke durch da« Fenster in die Ferne schweifen ließ. Die arme kleine Margot hatte so viel geweint, daß ihr Ge sichtchen glühte. Die Luft in dem Zimmer schien ihr erstickend; die nur von dem Flüsterton der beiden älteren Herrschaften »ntrrbrochene Stille lag ihr wie ein Alp auf der Brust. Leise erhob sic sich und schlüpfte ins Freie, gefolgt von einem mächtigen Neufundländer, der ihr bisher als Fußkiffen gedient hatte. Mit langsamen Schritten, die rechte Hand auf dem breiten Kopf ihres treuen Begleiters, wandelte sie durch die Parkwege. Immer noch drang leises Schluchzen aus ihrer be klommenen Brust. Nachdem sie eine Weile planlos im Parke umhergeirrt war, ließ sie sich auf einer Steinbank nieder, die, von dichtem Hecken- rosengrbüsch umgeben, dem Vorüberkommenden verborgen blieb, bis er dicht davor stand. Von hier hatte man einen weiten Ausblick über die herrlichen Wälder und Felder der gräflichen Herrschaft und über das kleine Dorf, welches sich an den Fuß des Schloßberges schmiegte. Täglich verlebte Margot einige Zeit an diesem Lieblings plätzchen und konnte in traumverlorenem Sinnen oft die Gegen wart dabei vergessen. Es war ein schönes Bild: Die schlanke Mädchengestalt mit dem goldgelben Köpfchen und den tiefblauen, dunkelbewimperten Augen, umrahmt von blühenden Heckenrosen. Sie hatte sich herabgebeugt, den Kopf an ihren treuen Ben gelehnt, und sprach nun in leise klagendem Ton zu dem Thiere, da« seine großen, treuen Augen ernsthaft auf ste richtete, als könnte es die Worte seiner Herrin verstehen: „Siehst Du, dort unten liegt nun unser Väterchen!" flüsterte sie, auf den kleinen Dorfkirchhof weisend, der mit weißen Kreuzen zu ihr hinauf zu winken schien. „Sie haben ihn ein gebettet in die kühle, dunkle Erde, und wir muffen nun ohne ihn sein, das ganze, lange Leben hindurch. Ach Väterchen, warum bist Du von Deiner Margot gegangen! Nun habe ich Niemand mehr auf der Welt, der mich wahrhaft lieb hat, nur Dich, meinen lieben, guten, alten Ben! Nicht wahr, Ben, Du verläßt Dein« kleine Herrin nicht, Du wirst ihr treu bleiben?" Wie zur Antwort schmiegte sich da« schöne Thier fester an da» Mädchen und leckte die ihn liebkosende, weiße Hand. „Wie wird sich mein fernere« Leben nun ohne den geliebten Vater gestalten? Wie kann ich nur sein ohne die Sorge um sein Wohlergehen?" spann sie ihren Gedankengang weiter. Sie durchlebte noch einmal im Geiste all' die langen Wochen, die sie am Krankenbett de» Vater« zugebracht. Er war immer leidend gewesen, so lange Margot zurückdenken konnte, aber eine« Tages war er zu schwach, um, wie sonst, in den Rollstuhl gehoben zu werden. Die Schmerzen in der linken Seite, die fast ganz ge lähmt war, hatten noch zugenommen, und da« Augenlicht war von Tag zu Tag schwächer geworden. Dann hatte ihm Margot stundenlang au» seinen geliebten Büchern vorgelesrn oder mit dem müden Drei» von früheren Zeiten geplaudert und ihn immer wieder auf seine Genesung vertröstet. Er wußte aber nur zu genau, daß seine Tage gezählt waren, daß er bald die geliebte Tochter allein auf Erden zurücklaffen mußte. Unermüdlich hatte ihn Margot gepflegt, war Tag und Nacht um ihn gewesen, und weder die Ermahnung der Tante Excellenz, noch der bittende Blick ihres Vetters Joachim hatten sie von der Seite des geliebten Vaters verscheuchen können. Erst wenn der Kranke mit leiser, rührender Stimme bat: „Margot, mein Kind, gehe ein wenig ins Freie, the' es um meinetwillen, für den Du Dich frisch und wohlerhalten mußt!" hatte sie ihm die Hand geküßt und war mit leisen Schritten hinausgeschlüpft. Nach Verlauf kaum einer Stunde kam sie dann wieder mit rothen Backen und glänzenden Augen. Sie brachte dem Kranken stets beide Hände voll Blumen mit, die er so liebte, und die er sie in besseren Tagen- bei gemeinsamen Spaziergängen kennen gelehrt. Doch das war lange her und er mußte sich nun mit Margot's Schilderungen der Vorgänge in Wald und Feld begnügen. Wie einer süßen Musik lauschte er ihrer Stimme, wenn sie ihm er zählte von dem Hellen Sonnenschein, der durch die Bäume fiel, von dem Vöglein, dein sie gelauscht, und den lieben Bewohnern der Mühle, die so theilnehmend nach ihm gefragt hatten. Und dann kam ein Tag, wo der geliebte Kranke nur mit Anstrengung sprechen konnte, wo er seinem Kinde Lebewohl gesagt hatte für diese Welt. Margot konnte zuerst die schreckliche Thatsache, daß er sie verlassen wolle, nicht glauben, nicht begreifen. Mit starren Augen sah sie dem Sterbenden in das Antlitz und saß regungs los an seinem Lager. Erst die Worte, die er zur Tante Excellenz und zu Joachim sagte, brachten sie zur Besinnung und Klarheit über die Wendung ihre» Schicksal». „Schwester, sei ihr eine Mutter, wie bisher!" hatte er gesagt, und zu Joachim: „Auch Du wirst sie nicht verlassen, wirst über sie wachen und ihre Güter verwalten, wie bisher!" Joachim hatte dem wie einen Vater geliebten Onkel zum Grlöbntß die Hand gedrückt und mit einem Blick voll unendlichem Weh die zusammengebrochene Gestalt der kleinen Margot umfaßt. Der müde Greis hatte die Augen geschlossen und war hinüber geschlummert in ein bessere« Sein. Dann fühlte sich Margot von einem Paar kühler Hände gestreichelt — Tante Excellenz hatte immer kalte Hönde — und ein Kuß von der Gräfin schmalen'Lippen berührte ihre Stirn. Ihr Ohr nahm unbewußt die leise geflüsterten Worte in sich auf: „Ich kann den Anblick von Leichen nicht ertragen", — dann war die Tante au» dem Zimmer gerauscht. Lang», lange hatte Margot am Todtenbette gelehnt, ohne eine Thräne zu finden. Mechanisch hob sich dann ihr Blick und blieb an der Gestalt des Vetters haften, der auf der anderen Seite des Bettes stand, das Auge mit unaussprechlichem Mit leid auf sie gerichtet. Da füllten sich ihre brennenden Augen, und ein Thränenstrom erleichterte das beklommene Herz. Joachim näherte sich ihr mit leisen Schritten, legte die Hand auf ihr gesenktes Haupt und flüsterte: „Sei getrost, Kind, Du bist nicht verlassen, an mir hast Du stet» ein mitfühlendes Herz!" Seine sanfte Art beruhigte sie merkwürdig und sie hatte sich wie ein müdes Kind aus dem Sterbezimmer hinweg in ihr Stübchen führen lassen, wo der Vetter sie mit sanfter Hand auf ein Ruhelager bettete. Alles das zog mit greifbarer Klarheit vor dem Geiste be trauernden Mädchens dahin und sie hatte darüber nicht be merkt, daß die Sonne tief gesunken war und ihr die letzten goldenen Strahlen zusandte. Ein Rascheln im Gebüsch schreckte sie empor. Auch Ben hatte eine hastige Bewegung gemacht und hob knurrend den mächtigen Kopf. Gleich darauf aber peitschte er wedelnd den Kies mit dem Schweif und sprang dein An kommenden entgegen. Joachim stand jetzt vor seiner Cousine und betrachtete sinnend die reizende Gestalt. „Margot, Tante Excellenz fragt nach Dir, wir wollen zum Thee gehen!" „O, ich kann doch nichts essen", erwiderte sie. „Der Abend ist so schön und ich kann von hier au« Papas Grab sehen; ich vermag mich gar nicht zu trennen!" „Du wirst es aber doch thun müssen, Kind", sprach er in festem, überzeugendem Ton, — „Onkel Philipp reist morgen nach der Testamentseröffnung wieder ab, er hat Dich sehr lieb und würde Dich vermissen." Bei der Erwähnung deS geliebten Onkel« stand sie gehorsam auf und ließ ei geschehen, daß Joachim ihren Arm durch den seinigen zog und mit ihr dem Schlosse zuging. „Willst Du mir etwa« versprechen, Margot?" sagte der Baron in bittendem Ton. „Alle», wenn Du e« wünschest, Achim!" „So kehre vom morgenden Tage ab wieder zu Deinen ge wohnten Beschäftigungen zurück. Nimm wieder Deine Bücher und Stickereien vor, besuche Deine Kranken, — nur bleibe nicht in diesem trüben Vordichhinbrüten. Wenn Du auch noch nicht zu Deinem Flügel zurückkehrst, — ich glaube gern, daß dies nur neue Wehmuth in Dir wecken würde, — so wirst Du doch durch die kleinen Obliegenheiten von Deinen trüben Gedanken abgelenkt werden." „Ich will e» versuchen, Achim", erwiderte sie mechanisch. Da« Eßzimmer, welche» die Beiden betraten, lag im Erd geschoß. Der Theetisch war in der Mitte de« großen Räume gedeckt, jedoch konnte di« darüber angebrachte große Lamp« nicht
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