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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.05.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980504014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898050401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898050401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-04
- Monat1898-05
- Jahr1898
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/«7 Uhr, dir Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr» Filialen: ttto Klemm's Sortim. (Alfrek Hahn), UniversitätSstrahr 3 (Paulinum), LontS Lüsche, Katbarinenstt. 14» patt, und Slmg-plitz Ne-action und LrpeLition: Johannesgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. BezugS-PreiS tu der Hauptexpedition oder den km Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^«4.50, Sri zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. MpMer Tageblatt Anzeigen.PreiS d?t 6 gespaltene Petitzelle 20 Psg. Verlornen unter dem ReLactionsstrich lae- spalten) 50^j, vor den Familirnnachrichle» (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichniß. Tabellarischer und Ztffernsay nach höherem Tarif. Vz,tra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeiger. AmtsVt'att des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Nmtes der Ltadt Leipzig. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Vrpcdition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 4. Mai 1898. 92. Jahrgang. Die socintdemokratische Interpellation wegen zeitweiliger Aufhebung der Getreidezölle. i». Noch kurz vor dem Schluß des Reichstages hat die social demokratische Reichstagsfraction die Interpellation ein gebracht, ob die Regierung beabsichtige, angesichts der unge wöhnlich hoben Getreidepreise eine zeitweilige Aufhebung der Getreidezölle herbeizuführen. Die Getreidepreise sind in der Thal „ungewöhnlich hoch". Nach den Durchschnittspreisen, die das statistische Amt ermittelt, kostete Weizen im Monat März 187 Roggen 139 Unter dem Einflüsse der spanisch-amerikanischen Verwickelung war der Preis nach den Notirungen der brandenburgischen LandwirthschaftSkammer am 17. April sitr den Berliner Markt auf 205,50 für Weizen, auf 153 für Roggen, am 22. April auf 222 für Weizen und auf 164,50 für Roggen gestiegen. Gestern wurde Weizen mit 239,50^, Roggen mit 172,50 auf dem Berliner Markte bezahlt. Diese Preise bringen dem deutschen Getreideproducenten, der in der Regel seine Ernte vor Neu jahr verkauft, keinen unmittelbaren Vortheil; sie kennzeichnen nur die Thatsache, daß der Handel den Zuschußbedarf Deutschlands zur Eigenproduction im Herbst und Wiuter nicht beschafft hat und durch den Ausbruch des Krieges in Besorgniß gerathen ist, wo er die bis zur Ernte noch nöthigen Mengen ankaufen, bezw. wie er sie sicher nach dem deutschen Markte leiten könne. Die socialdemokratische Interpellation schlägt als Mittel, das Steigen der Getreidepreise aufzuhalten, die zeitweilige Aufhebung der Getreidezölle vor. Würde ein solches Vorgehen — von den Motiven, denen die socialvcmokratifche Interpellation entsprungen sein dürfte, sehen wir einstweilen ab — in der That der Erreichung des beabsichtigten Zweckes dienlich sein? Vor der Beant wortung dieser Frage empfiehlt eS sich, die analogen Verhältnisse aus dem Jahre 1891 ins Ge dächtnis; zurückzurufen. Das Jahr 1891 brachte in folge der schlechten Kornernten des Continents und des auf Roggen, Roggenmehl und Kleie sich erstreckenden russischen Ausfuhrverbots so Hobe Preise für Brodkorn, namentlich für Roggen, daß die Getreidezölle fast allgemein, auch von Seiten der Agrarier, als zu hoch angesehen und eine zeitweilige Auf hebung oder eine Ermäßigung derselben verlangt wurden. Die Regierung verstand sich dazu aber nicht, sondern ließ es bei der Ermäßigung des Eisenbahntarifs für die Beförderung von Getreide und Mühlenfabrikaten bewenden. Die Re gierung, an deren Spitze bekanntlich der Zollermäßigungen an sich keineswegs abgeneigte Graf Caprivi stand, be gründete ihre Haltung in einer vom „ Reichs anzeiger" am 17. August veröffentlichten Erklärung. Darin heißt es wörtlich: „Die vielfach geforderte Aufhebung oder Herabsetzung der Getreidezöllc würde . . ., wenn überhaupt bei der gegen wärtigen Höhe der Gctreidepreise eine merkliche Einwirkung auf den Preis des Brodes gar nicht zu äußern vermögen. Schon die im Frühjahr dieses Jahres gemachte Erfahrung, daß die Erwartung einer solchen Maßregel eine Haussebewegung im AuSlande hervor gerufen hat, läßt kaum einen Zweifel darüber, daß jede Herab minderung der deutschen Zölle zunächst zu einer Erhöhung der Preise auf den ausländischen Märkten führen wird, so daß, zumal bei der gleichzeitigen Betheiliguug des Zwischenhandels an den Vortheilen der Maßregel, für den inländischen Consum nur ein äußerst geringer, vielleicht gar kein Nutzen erwachsen würde. Sodann aber ermäßigt sich dieser Nutzen natur gemäß um so mehr, je höher die Getreidepreise sind, je niedriger sich also das Verhältniß des Zolles zu ihnen stellt." Die allgemeinen Gesichtspunkte, die im Vorstehenden geltend gemacht werden, sind auch beute noch zutreffend, ja, sie scheinen so einleuchtend zu sein, daß sie selbst Herrn Eugen Richter, wenn nicht Alles trügt, belehrt haben. Herr Richter nämlich, der 1891 noch Feuer und Flamme für die Aufhebung der Zölle war, schweigt jetzt — trotz der bevorstehenden Wahl — ganz still. Das will etwas heißen, denn Herr Richter hat — es ist unglaublich, aber wahr — damals schlechthin die Absetzung deS Grafen Caprivi wegen seiner Weigerung, die Zölle aufzuheben, gefordert. Schrieb doch die „Freisinnige Zeitung" am 12. August 1891: „Wäre der Reichstag beisammen, so würde die freisinnige Partei in der Lage sein, eine Adresse an den Kaiser in Vorschlag zu bringen, mit der Bitte um Aufhebung der Kornzölle. Von dem Erlaß von Adressen ist im Reichstage seit Jahren kein Gebrauch gemacht worden. Hier aber würde aller Anlaß vorliegrn, von dem Reichskanzler an die Krone zu appelliren, damit, wenn Caprivi die Verantwortung für die Aufhebung der Kornzölle auch jetzt nicht übernehmen will, der Kaiser der Frage näher tritt, einen anderen Reichskanzler zu ernennen." Es bleibt ab zuwarten, ob jetzt die Socialdemokraten eventuell bei der Verhandlung über ihre Interpellation so voll in die Saiten greifen wie vor sieben Jahren die „Freisinnige Zeitung". Möglich ist es, da der „Vorwärts" bereits in fettem Druck vom „Hungernoth-PreiS" des Getreides spricht. Da» ist eine maßlose Uebertreibung, die den Verdacht erweckt, die socialdemokratische Interpellation habe nur den Zweck, eine neue Wahllüge in Umlauf zu bringen. Bekanntlich erleiden die Brodpreise verhältnißmäßig geringere Schwankungen, als die Preise der Brodfrucht selbst. Wenn diese Erkenntniß zu sammen mit der oben wiedergegebenen Belehrung durch den „Reichsanzeiger" Herrn Richter von der Verwerthung der Getreidepreise als eines Agitationsmittels im Wahl kampfe bisher abgehalten hat, so ist daS eine sehr beachtenöwerthe Kritik der socialdemokratischen Interpellation. Ob ein langwieriger spanisch-amerikanischer Krieg Maß nahmen auf dem Gebiete des Zollwesens nöthig machen kann, ist eine Frage für sich; heute die zeitweilige Aufhebung der Getreidezöllc verlangen, heißt nichts Anderes, als ein neues Agitationsmittel für die ReichStagSwahl schaffen. Deutsches Reich. * Leipzig, 3. Mai. In einer der letzten Ausgaben der ultramontanen „Köln. VolkSztg." wird in einer Zuschrift auS Sachsen über „das Elend der katholischen Kirche in Sachsen", über die Propaganda der evangelisch lutherischen Landeskirche an den „wehr- und rrthlosen Katholiken, die im Lande wohnen", geklagt und hinzugefügt: „Man batte eS ja sogar versucht am Königshaus". Mit dieser Hinzufügung soll die vor einiger Zeit in Umlauf gesetzte Fabel von einem Versuche, das sächsische Königshaus wieder zum Protestantismus herüberzuziehen, aufgesrischt werden. Im Jahre 1866, so lautete diese Fabel, sei „durch Pastoren und Laien" dem König Johann nach dem Nikols burger Frieden in Oesterreich eine mit vielen Unterschriften versehene Adresse überreicht worven, mit der Bitte, der König solle dafür sorgen, daß die Kinder des Prinzen Georg evan gelisch getauft und erzogen würden. König Johann habe der Audienz ein schnelles Ende gemacht, indem er erklärt habe: „Meine Krone können Sie jederzeit haben, mein Gewissen niemals!" Dann habe er sich umgedreht und die Herren stehen lassen. Prinz Georg habe seinerseits die Adresse damit beantwortet, daß er kurz darauf bei der Taufe eines seiner Kinder den Papst zu Gevatter gebeten habe. Schon vor etwa einem Monat ist diese Fabel von einer Seite, die sorg fältige Erkundigung an den Stellen eingezogen hatte, die von einem solchen Vorgänge etwas hätten wissen müssen, als das bezeichnet worden, was sie ist. Und in de» „Kirchl. Mittheil, für Zwickau und Umgegend" vom 17. April d. I. veröffentlichte ein dem Gewäbrsmanne der „Köln. VolkSztg." jedenfalls wohlbekannter evangelischer Geistlicher Folgendes: „Die Geschichte macht von vornherein einen unglaubwürdigen Eindruck. Hätte es eine größere Taktlosigkeit geben können, als unter den damals obwaltenden Verhältnissen an einem ties darnieder gedrückten König noch ein solches Ansinnen zu stellen? Allerhand Nachforschungen haben nun die völlige Haltlosigkeit dieser Geschichte ergeben. Indessen wollte und durste man sich dabei nicht beruhigen. Vielmehr hat man das „Katholische Kirchenblatt für Sachsen", daS sogenannte Benno blatt, das von der Ge- schichte „längst" gewußt haben will, aufgefordert, Beweise dafür zu erbringen. Da hat sich nun wieder einmal das Blatt in seiner ganzen „GcsinnungStiichtigkeit" gezeigt. Auf die Anfrage nach den Namen der dabei betheiligten Geistlichen schweigt es, weil eS keinen Namen nennen kann; eS beruft sich lediglich auf die anderen ultramontanen Blätter, und verlangt, daß man sich bei ihnen nach ihren Quellen erkundigt, und schließlich aus einen gut protestantischen Literarhistoriker, Wackernagel, und dessen Werk: „Das deutsche Kirchenlied". Und das ist schließlich auch dir Quelle für alle anderen Blätter. Aber wie benutzt man dieselbe. E» heißt dort: „AlS im Jahre 1866 Wünsche und Hoffnungen, ja unmittelbare Bitten laut wurden, der König möge seine Enkel wieder im luthe rischen Glauben erziehen lasten, da geschah eS, daß Prinz Georg diese- sehnliche Fragen deS Volkes, daS so gern wieder mit seinem Königshaus« vor riuem Altar beten möchte, nach drei Jahren damit beantwortete, daß er bei seinem jüngst geborenen Sohne den Papst zu Gevatter bat." Was hier zum Kern der Frage beigebracht wird, ist also, daß im Jahre 1866 „Wünsche und Hoffnungen, ja unmittelbare Bitten" laut wurden. Davon, daß an diesen Bitten, wie in den ultramontanrn Blättern behauptet worden war, evangelische Geistliche Theil genommen hätten, oder gar dem König in Nikoltburg eine Petition überreicht und eine derbe Abfertigung erhalten hätten, steht in dieser ursprünglichen Quelle kein Wort. DaS ist Alles freie Erfindung! Es ist überhaupt wahrscheinlich, daß die Angaben Wackernagel's auf Jrrthum beruhen; denn weder an kirchlich zuständiger Stelle, noch bei anderen, die davon wissen müßten, z. B. bei evangelischen Militairgeistlichrn aus dem 66iger Feldzug, ist auch nur das Geringste davon bekannt. In jedem Fall aber ist festzustellen, daß die ultramontane Presse mit ihrer Geschichte das Tactgefühl amtlicher evangelischer Kreise mit Behauptungen bloSzustellen versucht hat, die sie nicht beweisen kann. Daß bei dieser Gelegenheit daS Bennoblatt auf einer — wohl bewußten — Unwahrheit ertappt worden ist, mag nicht unerwähnt bleiben; es hat dafür einen schmachvollen Rückzug antreten müssen. Daß ober der zuerst verächtlich behandelte und der Illoyalität beschuldigte Wackernagel mit einem Male der „allgemein bekannte und geachtete Literarhistoriker Wackernagel" wird, ist ergötzlich zu sehen. Endlich aber möchte hier noch ein- betont werden. Wenn wirklich etwas Wahres an der Geschichte ist, so wäre da- Ver halten der Männer, die in diesem Sinne mitgewirkt haben, gewiß als tactlos zu bezeichnen, obwohl nur die edelsten Beweg, gründe sie Lazu getrieben haben würden und obwohl nicht ein materieller, sondern höchstens idealer Gewinn — die Glaubens- einheit des Volke- und seines Königshauses — der Lohn gewesen wäre. Aber es waren ganz andere Leute, die amtlichen Brr- treter der römischen Kirche, die eS fertig gebracht habe», einen jungen Kurfürsten und sein HauS um materiellen Gewinnes willen zur Verleugnung de- evangelischen Glaubens zn bewegen, und e- stnd heute dieselben amtlichen Vertreter der römischen Kirche, die bei jeder fürstlichen Mischehe dieselbe Tactlosigkeit begehen, durch die Forderung katholischer Kindererziehung." Wenn der Gewährsmann der „Köln. VolkSztg." die Fabel trotzdem wieder ausfrischt, so liefert er damit einen ebenso schlagenden Beweis für seine Unverfrorenheit, wie ihn die Erfinder geliefert haben. Zs Berlin, 3. Mai. Bekanntlich hat es der preußische Staat auf einer ganzen Reihe von Gebieten unternommen, Cultur- aufgaben durch Bereitstellung von Staatscapi talien lösen zu helfen, ohne doch dabei auf eine mäßige Ver zinsung der aufgewendeten Staatsmittel zu verzichten. Wie nutzbringend u. A. die zur Ansiedlung deutscher Landwirthe in den Ostprovinzen, zur Hebung des ländlichen und gewerblichen Genossenschaftswesens, zur Förderung des Baues von Klein bahnen verfügbar gemachten Kapitalien angewendet worden sind, zeigt die Nothwendigkeit, die betreffenden Fonds immer wieder zu verstärken. Der 100-Millionen-Fonds hat verdoppelt werden müssen, die Betriebsmittel der Centralcasse für Genossenschafts wesen sind von 6 auf 40 Millionen Mark verstärkt, eine eventuelle weitere Verstärkung auf 50 Millionen Mark ist vorgesehen, der Kleinbahnfonds ist von ursprünglich 5 Millionen Mart bereits auf 23 Millionen Mark erhöht worden und soll jetzt eine weitere Vermehrung um 8 Millionen Mark erfahren. In die Reihe dieser erfolgreichen Verwendungen von Staatscapitälien für Culturzwecke gehört auch die Bereitstellung von Staatsmitteln zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Betrieben beschäftigt sind, und von gering besoldeten Staatsbeamten in Höhe von 5 Millionen Mark durch das Gesetz vom 13. August 1895. Die Summe hat in der Hauptsache für die Eisenbahn- und Berg verwaltung, im geringeren Maße auch für die Bauverwaltung Verwendung gefunden und zwar theils durch Herstellung eigener Miethswohnhäuser, theils durch Gewährung von Baudarlehen. In der Staatseisenbahnverwaltung sind mit einem Aufwande von 2 748 260 und unter Hergabe von Staatsgrundstücken im Werthe von 98 453 off nicht weniger als 812 neue Wohnungen theils hergestellt, theils im Bau begriffen. Die Berg-Verwaltung hat im Saarrevier und in Staßfurt 32 Häuser mit 106 Woh nungen mit einem Gesammtaufwande von 508 000 theils ausgeführt, theils in Angriff genommen; für Oberschlesien werden Neubauten im Betrage von 24 200 off geplant. Im Bc reiche der allgemeinen Bauverwaltung sind endlich 125 000 cff für den Bau von Arbeiterwohnungen bestimmt und 62 000 -ff zur Herstellung von Wohnungen für 8 Familien bereits ver wendet. An Baudarlehen sind im Bereiche der Eisenbahnver waltunz 839 000 <?ff und zwar durchweg an Baugenossenschaften, im Bereiche der Bergverwaltung 200 000 cff und zwar an Ar beiter des Saarreviers gewährt worben. Auch der von jenen 5 Millionen Mark noch verbleibende Rest von 250 000 -ff wird voraussichtlich einer Baugenossenschaft überwiesen werden. Die Bereithaltung jenes Staatscapitals, welches sich überdies, ab gesehen von der Tilgung, mit nahezu 3^> verzinst, hat daher zu einer reichen Thätigkeit auf dem so wichtigen Gebiete der Verbesserung der Wohnungsverhältnisse Anlaß gegeben, und es erscheint nur gerechtfertigt, daß nach Erschöpfung der erst bewilligten Mittel jetzt ein weiterer Kredit von 5 Millionen Mark für denselben Zweck gefordert wird. " V. Berlin, 3. Mai.' (Tel.) Der Kaiser wohnte beute Morgen von 8 Uhr ab den Besichtigungen des Kaiser-Franz-Garte- Grenadier-Rcgiments Nr. 2 und des 3. Garde-Regiments z. F. bei, führte das erstere Regiment in die Caserne zurück und nahm dort beim Officiercorps einen Imbiß ein. Um l2>j>Uhr wohnte der Kaiser der Trauung des Grafen Rochus zn Lvnar mit der Tochter des Flüqeladjutanten Obersten Grasen von Klinkowström in der Dreifaltigkeitskirche bei. Auch an dem Festmahl, welches im Hotel Kaiserhof stattfindet, gedenkt der Kaiser theilzunehmen. v. Berlin, 3. Mai. (Privattelegramm.) Dem Reichstag ist folgende kaiserliche Verordnung bezüg- lich deS Kiautschou-tHcbtctcS mitgetheilt worden: Nachdem durch den am 6. März 1898 zwilchen Unserer Regie rung und der kaiserlich chinesischen Regierung zu Peking geschlossenen Vertrage das in diesem Vertrage näher bezeichnete, an der Kiau- tschou-Bucht gelegene Gebiet in deutschen Besitz übergegangen ist, nehmen Wir hiermit im Namen des Reichs dieses Gebiet unter Unseren kaiserlichen Schutz. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhandigen Unterschrift und bcigedrucktem kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Berlin Schloß, den 27. April 1898. grz. Wilhelm I. U. ggez. Fürst zu Hohenlohe. Auf daS Kiautschou-Gebiet finden durch eine weitere Ver ordnung vom selben Tage demgemäß die gesetzlichen Bestim mungen Anwendung, welche sür die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete gelten. — Der Centralausschuß der Gesellschaft für Volks bildung hielt am 1. d. M. im Nrichstagsgebäude eine Sitzung ab. Bekanntlich hat die Gesellschaft in letzter Zeit der Gründung Feuilleton. Unterhattungsstunde im Linderspital. Skizze von Ilse Frapan (Zürich). Nachdruck verboten. In dem mäßig großen, hohen Saal zu ebener Erde, wo die leichteren Kranken der orthopädischen Klinik liegen, ist schläfrige Stille. Die Fliegen summen, als ob es Sommer wäre, und in den graden, eisernen Betten dehnen sich die armen Buben, denen das Stehen und Gehen, das Springen und Laufen schon so lange, so lange nimmer erlaubt ist! Zehn gerade, eiserne, gleich große Bettstellen, und alle besetzt. In jedem steckt ein schwäbisches Bauernbüblein; voll und roth- wangig der eine, als käme er gerade vom Heuwenden, mit flachs weißen Ringeln um den runden Kopf und blinzelnden Augen, — bleich und hohläugig der andere, mit hilflos traurigem Munde und dem scharfen Leidenszug langen Siechthums. Der braune Kleine, der nahe der Heizanlage liegt, bläst die Backen auf und schiebt die leichte Decke mit unwilligen Händen hinab bis zu den Knien, schreit au! und fährt zu sammen: er hat an das verbundene Knie gestoßen, das dumme Knie, auf das er gefallen ist, und wegen dessen er liegen muß und sich langweilen. Die Nachbarn lachen ihn aus: immer stößt der Friedel sich selbst, und hinterdrein schreit er! Aber 's ist schon vorbei, er arbeitet schon wieder vor Ungeduld mit den kleinen Fäusten an der Decke; auf möcht' er, auf! Das ganze Gesicht ist voll zorniger Falten; plötzlich schießt ihm das Blut in die Backen, und er fängt an zu weinen, laut, kläglich und ungeduldig. „Friedel, giebscht Ruh?" Die Frage kommt nur wie ein halbes Aechzen vom Bett am Fenster her. Ganz straff auf den Rücken gestreckt liegt dort Einer, tief gebeitet, zugedeckt bis zum Hals, wie gefesselt an Händen und Füßen. „Friedel, giebscht Ruh?" Er selber, der Karle, der heut operirt worden ist, hat noch keinen Schmerzenslaut gegeben, und doch ist ihm so weh und so schwer, und der Kopf saust so eigenthümlich, — er kennt das schon, das ist jedeSmal nach dem Chloroformiren; die Klumpfüße sind ihm ja schon dreimal operirt worden. Er ächzt nur leise, er ist ja fast ein Mann schon, vierzehn Jahr, Männer greinen nicht, wenn'- auch weh thut. „Hah!" gähnt der Eine. „Uh!" stöhnt ein Anderer. Ein Dritter hat sich halb aufgerichtet und sieht schläfrig zu, wie die Fliegen unter der Glasglocke auf dem Tischchen herumkriechen, an der giftigen Süßigkeit saugen und ertrinken: eS zieht sich schon ein dicker schwarzer Rand von zappelnden und tobten um die Glocke. „Hoh! es schneit!" ruft jetzt Friedel. „Wo denn?" „Da dusse!" Die Köpfe wenden sich, es sind ja sechs große Fenster in dem Krankcnsaal, aber nur die oberen Scheiben sind unverhängt. Kleine, glänzende Flocken stäuben daran, bleiben einen Augenblick hängen und zergehen am Glas. Dazu scheint die Sonne; die Flocken jagen vorbei, der Himmel sieht ganz dunkelblau herein, ein scharfer Ostwind saust um das Haus, es knistert auf dem Dach und singt im Schornstein. Sehn süchtig, neugierig starren die Buben nach den Fenstern. „Hoh — Schnee!" echot es, klagend und fröhlich, nur der Todtblasse und der frisch Operirte haben kein Auge gewandt. Mit zu- sammengebiffencn Lippen und glühenden Backen liegt der Karle auf dem Rücken; der Blasse, eine durchsichtige Hand im weichen blonden Haar vergraben, blickt apathisch-gleichgiltig vor sich hin. . . . Plötzlich aber hebt er den Kopf, seine Augen beleben sich, richten sich nach der Thür, er horcht, indeß er abwehrend die Hand schüttelt gegen den Friedel, der wieder zu schreien und zu lärmen angefangen hat: „Scht! Friedel! schweig' Du! Das Fräule Emma kommt!" — „Das Fräule Emma? Ho, 'S ischt ja no nett emal drei Uhr!" „Das Fräule Emma?" „Sie kommt! ich kenn's, wenn sie die Thür aufmacht. Friedel, schäm' Di auch, das Fräule kommt ja." Der Blaffe hat sich halb auf gerichtet, ein schwaches Lächeln um die schmalen Lippen; er sucht am Bettrande, zieht ein Buch heraus und legt die Hand darauf, immer die Thür im Auge, die schwere, große Thür, die seinem Bette gerade gegenüber ist. Aufmerksam und gespannt gucken nun Alle die Thür an: wirklich, da geht sie auf, und „Grüß Gott, Fräule Emma, grüß Gott!" „Fräule!" „Fräulein!" ruft es im wahren Jubelchor dem Fräulein entgegen. „Grüß Gott, liebe Buben! Heut bin ich früh da, gelt?" tönt die fröhliche Antwort. Das junge Mädchen mit den frisch vom Wind gerötheten Backen und den freundlich glänzenden Augen eilt von Bett zu Bett. „Grüß Gott, Wernerle, — wie geht's, August?" und Du, mein lieber Friedel, bist brav gewesen seit dem Donnerstag? Grüß Gott, Friedrich! hast gewiß wieder etwas Schönes gemacht, gelt Du?" Sie steht neben Friedrichs, deS Blassen, Bett und drückt ihm die heißen Hände, die er ihr erst entgegengestrcckt, und dann, da sie nicht gleich kam, resignirt über seinem Buch gefaltet hatte. „Hab' 'was g'macht, aber net viel!" Fräulein Emma beugt sich über ihn, während er in dem Buche blättert: „Hast wieder Schmerzen gehabt?" „Ja, arg." „Im Rücken?" „Ja." „Aber jetzt ist'» vorbei?" „Ja, 's ischt besser. — Da!" Friedrich hält Etwas in die Höhe, etwas Weißes, Zartes, ganz Feines, halb Durchsichtiges, das zwischen seinen Fingern im Luftzug bebt, den des Fräuleins schneller Athem hervorruft. „Nein, aber wie schön!" Ein wirkliches Lächeln überfliegt das scharfe, altbärtig-ernste Knabenantlitz, wie sie nun seine Arbeit, da» ausgeschnittene Papierwerk, be wundernd betrachtet. „Wie schön, Friedrich! Du wirst immer geschickter! Und Alles in einem Zusammenhang, aus einem Papierblatt?" Er nickt und sieht ordentlich glückselig aus und stolz-verschämt. Das Fräulein betrachtet es so lange, die ver steht'»! .Haben's die Anderen schon gesehen, Friedrich?" „Nein." „Warum denn nicht?" „Der Friedel möcht's verreiße, er ischt noch zu klein." „Aber ich darf'» ihnen zeigen, gelt, Friedrich?" „Es ischt für Sie", murmelt der Kranke. „Oh, ich dank' Dir aber recht, immer mußt mich beschenken! Buben, seht, was der Friedrich ausgeschnitten hat mit der kleinen spitzigen Scheere aus Papier, seht e' mal!" Von dem dunklen Bucheinband, auf dem es liegt, hebt sich's gar zierlich ab. »Hier, Friedel, da unten, was ist das?" Friedel reißt die dunklen Kirschenaugen auf und lacht: „E Lebtucheherz!" Friedrich verzieht spöttisch den Mund, Alle lachen. „Gut! also ein Herz!" „Und was wächst da heraus, Wernerle?" „E Baum mit Blätter." „Jawohl! und was ist's für ein Baum, August?" „Weiß net, 's ischt z' klei'." „Oh, man sieht'-r ganz gut! Wer kennt den Baum?" „'s ischt en Apfelbaum' , sagt Werner. „Richtig! da hängen ja die runden Aepfel zwischen den Blättern! Und oben auf dem Baum, was ist da, Wilhelmle?" „Zwei Amsele!" „Richtig! das heißt, ob es Amseln sein sollen, da müssen wir den Friedrich fragen! SinTs Amseln, Friedrich? die zwei Vögel da oben?" „Nein, Täuble sind's!" „So, Täuble! aber gelt, Buben, so was Schönes hat der Friedrich noch gar nie gemacht!" „Doch, der Christbaum!" rufen ein paar Stimmen. „Der Christbaum! Ihr habt Recht. Oh, war der schön mit all seinen goldigen Nctzlein und Körblein, und Alles, Alles hat der Friedrich gemacht! Ja, das ist halt ein geschickter Mensch!" „Wenn einer emal siebe Jahr hier ischt" — — brummt der Blasse, und plötzlich winkt er dem Fräulein. Sie beugt sich zu ihm: „Fräule Emma, meine Leut' sind wieder net komme", flüstert er, seine Augenlider werden roth. „Sie werden eben viel zu thun haben, mein Friedrich; wie lang' sind sie nicht gekommen?" „Ueber e' halb'» Jahr!" Jetzt drängt sich Thräne auf Thräne hervor. Das Mädchen sinnt betrübt. „Ich schreib' ihnen jetzt einmal!" ruft sie dann auS. „Soll ich der Mutter schreiben, daß Du Heimweh hast?" „Ja." Schlüchzend drückt er den Kopf in die Kisten. „Der Karle ist heute operirt!" ruft Wilhelm. „Oh, mein guter Karle! warum hab' ich's denn nicht früher g'wußt!" seufzt das Fräulein, zum Karl eilend, der ein wenig, ein klein wenig den heißen Kopf ihr entgegenhebt. „Mein guter Karle, bist immer der Bescheiden»! lieg'^still, daß sich nichts verschiebt. Mußt es in Geduld annehmen, mein
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