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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980506027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898050602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898050602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-06
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Erdhere Schriften laut unserem Preis» Vrrzeichuib. Tabellarischer und Zisfernsatz »ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit dm Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuni) 60.—, mU Postbeförderung 70.— Aanahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag» 10 Uhr. Btorgra-Au-gabr: Nachmittag« 4UhQ Set den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet« an die SrpedMs» zu richten. Druck und Verlag vou L. Polz in Leipzig Freitag den 6. Mai 1898. S2. Jahrgang. Der Schluß -es Reichstages. * Berlin, 6. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser hat den Reichstag heute Vormittag 10 Uhr mit folgender Thronrede geschloffen: „Geehrte Herren! Die erste Legislaturperiode des Reichstags, welche den vollen fünfjährigen Zeitraum umfaßt hat, liegt heute hinter Ihnen. Dieselbe ist fruchtbar gewesen an gesetzgeberischen Erfolgen, die zur Macht und Wohlfahrt des Vaterlandes dauernd beitragen werden. Ihrer beharrlichen, unausgesetzt auf das hohe Ziel gerichteten Arbeit ist es gelungen, das große Werk des gemeinsamen bürgerlichen Rechtes vor dem Ende der Legislaturperiode zum Abschlüsse zu bringen. Damit ist durch vereinte Thätigkeit der ver- kündeten Regierungen und des Reichstags dem deutschen Volke ein kostbarer Besitz gewonnen, der ihm im Laufe einer tausend jährigen Geschichte uoch niemals vergönnt war. Das neue gemein sam« Recht wird ein neue» starkes Band um die deutschen Stämme schlingen. — Eine einheitliche Rechtsordnung ist auch für da» militairgerichtliche Verfahren geschaffen, nachdem Sie einer den Anforderungen sowohl deS heutigen Rechtsbewußtseins wie der Manneszucht entsprechenden Vorlage Ihre Zustimmung ertheilt haben. — Um die ernste Aufgabe, Bürge des europäischen Friedens zu sein, wirksam zu erfüllen, bedurfte Deutschland der Verstärkung seines Landheeres, die durch Ausnutzung seiner steigenden Wehrkraft gewonnen werden konnte. Durch Be- willigung der dazu nöthigrn Mittel hat der Reichstag sich ein bleibendes Verdienst um die friedliche Sicherheit des Reiches er worben. — Mit hoher Befriedigung erfüllt es Mich, daß Ich unter Ihrer patriotischen Mitwirkung erreichen konnte, unsere Flotte auf eine feste und dauernde gesetzliche Grundlage zu stellen. Indem der Reichstag die Bedeutung des Flottengesetzcs für unsere wirth- schafllich« Entwickelung und für die Stärkung unserer maritimen Wehrkraft anerkannte, hat er die Hand zu einem Werke geboten, welches di« dankbare Würdigung kommender Geschlechter finden wird. Die Finanzlage deS Reiche- hat in der verfloßenen Legislatur- periode, dem Aufschwünge der wirthschaftlichen Verhältnisse ent sprechend, «ine besonders günstige Entwickelung genommen. Das Verhältniß der Einzelstaateu zum Reiche hat zwar die von den ver- kündeten Regierungen angestrebte organische Regelung bisher nicht gefunden, wohl aber ist rS mit einer auf die Reichsstempel abgaben beschränkt gebliebenen Sleuererhöhung gelungen, dieMatri - cularbeiträge für die letzten Jahre thatsächlich in den Grenzen der den Einzelnstaaten zu Gute kommenden Steuerüberweisungen zu halten. Danrbe» sind noch zur Tilgung der Reichsschuld belangreiche Beträge aus Ueberschüssen bereit gestellt. Auf dem Gebiete des Post- und Telegraphenwesens ist durch Ihre Zustimmung zu den neuen Washingtoner Weltpostver» trägen eine Reihe wesentlicher Erleichterungen für den internatio nalen und den inneren Verkehr gesichert, ferner durch die Bewilligung erheblicher Mehrmittel eine namhafte Verbesserung der Telegraphen» und Fernsprechanlagen, mit besonderer Berücksichtigung der kleineren Orte und deS flachen Landes, ermöglicht worden. Die wirthschaftliche und social« Gesetzgebung verdankt Ihrer eifrigen Mitarbeit eine ReWt wichtiger Ergebnisse. Ins- besondere ist, wie Ich hoffe, durch ho» Gchrtz über die Organi sation des Handwerks der Boden geschaffen, auf dem dieser ehrenwerthe Stand durch kräftigen Zusammenschluß seiner Glieder und durch geordnete Vertretung seiner Gesammtinteressen neue Kraft gewinnen wird, den wachsenden Schwierigkeiten des grobgewerblichen Wettbewerbes Stand zu halten. Durch die Bewilligung erhöhter Beihilfen für die Postdampfer- Verbindung mit Ostasien trugen Sie dazu bei, unsere Ver- kehrsbeziehungen mit Ländern, die für den Absatz unserer Erzeug nisse eine steigende Bedeutung erlangt haben, enger zu knüpfen und damit unsere handelspolitische Stellung daselbst zu befestigen. Der friedliebende Charakter Meiner auswärtigen Politik, welcher jede Beeinträchtigung fremder Rechte fern liegt, die aber für den Schutz bedrohter deutscher Interessen stets mit Nachdruck eintreten wird, findet seinen Ausdruck in dem guten Verhältnisse, das zu Meiner Genugthuung zwischen dem deutschen Reiche und allen Mächten besteht. — Gegen- über Lein zwischen Spanien und den Bereinigten Staaten von Amerika ausgebrochenen Kriegszustände be trachte Ich es als Aufgabe Meiner Regierung, einerseits nach beiden Seiten hin den Pflichten unserer neutralen Stellung voll zu ent sprechen, andererseits darauf hinzuwirken, daß die deutsche Schiff fahrt und der deutsche Handel vor Behelligung und Schädigung nach Möglichkeit bewahrt werden. Die Action, zu welcher Ich Mich genöthigt sah, einen Theil Meiner Kriegsflotte nach Ki autsch ou zu entsenden, um für das vergossene Blut deutscher Missionare gerechte Sühne zu heischen, hat Mich in den Stand gesetzt, den langgehegten und wohlberechtigten Wunsch nach einem commrrciell entwickelungsfähigen und militairisch gesicherten Stützpunct in Ostasien im Wege freundschaftlicher Ver- ständigung mit China und ohne Trübung unserer Beziehungen zu anderen Staaten zur Erfüllung zu bringen. Im Anschluß an den griechisch-türkischen Friedensvertrag ist cs den Bemühungen Meiner Regierung gelungen, in Griechenland eine Regelung deS Finanzwesens herbeizuführen, welche die Rechte der deutschen wie aller sonstigen Gläubiger in dem unter den gegebenen Verhältnissen erreichbaren Maße sichergrstellt hat. In Gemeinschaft mit Meinen hohen Verbündeten wird es auch ferner Mein ernstliches Bestreben sein, die wirthschaftliche Ent wickelung des Reiches zu fördern, insbesondere den Druck, unter welchem die Landwirthschaft die Erfolge ihrer Arbeit beein trächtigt sieht, mehr und mehr zu mildern, dem Gewerb efleiße, dem Handel und der Schifffahrt den Boden friedlichen Schaffens zu sichern und zu erweitern. Damit glaube ich zugleich in wirksamster Weise für die Erwerbsgelegenheit der arbeitenden Classen und für ihre zunehmende Wohlfahrt zu sorgen. Ich weiß Mich eins mit dem deutschen Volke, welches entschlossen ist, die verbündeten Regierungen in der Erreichung dieses Zieles zu unterstützen und die Grundlagen unseres staatlichen, kirchlichen und bürgerlichen Lebens zu erhalten. In dieser festen Zuversicht hoffe Ich zu Gott, daß eS Mir beschieden sein wird, die innere Kraft unseres Vaterlandes zu stärken und das Ansehen seines Namens unter den Völkern der Erde zu erhalten. Indem Ich Sie, geehrte Herren, entlasse, ist es Mir ein auf- richtiges HerzenSbedürfniß, Ihnen für die verständnißvolle Bereit willigkeit, mit der Sie der Lösung bedeutsamer Aufgaben Ihre Mitwirkung geliehen haben, zugleich im Namen der verbündeten Regierungen Meinen kaiserlichen Dank zu sagen." Der spanisch-amerikanische Krieg. —e. In Washington herrscht eine gewisse Beunruhigung, weil der amtliche Bericht des Commodore Dewey über die Schlacht von Cavite noch nicht eingetroffen ist. Zwar melden Londoner Blätter aus Washington, er sei angekommen, und wollen daraus schon Einzelheiten, so die Einnahme Manilas, erfahren haben, allein man thut gut, diese Sensations- m-^ ^wen, mit denen ein Blatt das andere zu überfixen uit Vorsicht aufzunehmen. Eine Bestätigung liegt b>i- heute nicht vor. Man sagt sich in Washington, daß c? nach der Vernichtung der spanischen Flotte seit Sonntag Dewey möglich gewesen sein müßte, einen sc ner Avisos mit der Nachricht nach Hongkong zu senden, von wo der Weltverkehr zugänglich ist. In drei Tagen hätte die Entfernung bequem zurückgelegt werden können. Man sagt sich dann auch, vielleicht habe er die Einnahme von Manila abwarten wollen, vielleicht sei es ihm nicht gelungen, vielleicht sei er auf ein größeres Hinderniß ge stoßen. Man fürchtet, er sei ohne genügenden Kohlenvorrath von Hongkong abgefahren, auch soll er nicht genug Munition haben, um das Bombardement durchzuführen. Admiral Kirkland in Valeja (Californien) soll ja auch, wie wir mit- theilten, Anweisung haben, Kriegsmaterial und Lebensmittel auf vier Monate für 2000 Mann aufzubringen, die OrdreS nach den Philippinen hätten. Ueber die Ursachen des Unglückes der Spanier bei den Philippinen äußerte sich der frühere Generalgouverneur der Inselgruppen, Marquis Polavieja, nach einem uns aus Madrid zugehenden Bericht in folgender Weise: Das Unglück ist verschuldet durch das unheilvolle Bestreben der jetzigen Regierung, den Frieden um jeden Preis zu erkaufen. Ich wurde im vorigen Mai genöthigt, um meine Abberufung zu ersuchen, da man meine Forderung, 20 000 Mann frischer Truppen nach den Inseln zu schicken, ablehnte. Damals verfügte ich über 28000 Mann kampffähige Truppen, die, in drei Züge vertbeilt, im Laufe von 4 Monaten 22 siegreiche Gefechte mit den Aufständischen bestanden hatten. Die L^tzter-n waren bere.-tS aller Hflfsmittel beraubt und in ! einen engen Bezirk cingeschlossen, in den unsere Truppen wegen der einlreteiden Regenzeit nicht weiter vordringen konnten. In meinen Berichten an die Regierung erklärte ich jedoch, daß die bisherigen Erfolge über die Aufständischen nicht ge nügten, sondern daß noch ein größeres Machtaufgebot nöthig sei, um jede Wiederbelebung der Unruhen zu verhindern und um zugleich die Küstenplätze gegen etwaige Handstreiche von außen zu sichern. Desgleichen wies ich auf die Nothwendig- keit hin, die Haupthäfen durch unterseeische Minen zu schützen, denn ich batte schon seit dem Sommer 1896 die actenmäßigen Belege dafür in Händen, daß der Auf stand durch Waffen- und Geldsendungen ans Nordamerika angezettelt war. In Madrid War man jedoch durch meine Mahnungen unangenehm berührt und so mußte ich um meine Abberufung nachsuchcn. Mein Nach folger erhielt den Auftrag, die militairischen Unternehmungen möglichst zu beschränken, und die liberale Regierung ver langte sogar die sofortige Erkaufung deS Friedens. ES wurde nun die widerwärtige Versöhuungskomödie veranstaltet, in welcher Aguinaldo mit zwanzig seiner „Officiere" feierlichst seine Unterwerfung gelobte, wofür dieselben anderthalb Millionen Franc- baaren Geldes erhielten und auf Kosten Spaniens nach Hongkong gebracht wurden. Dort angekommcn, kauften die Aufrührer sofort mit dem spanischen Gelbe fünf kleine Dampfer, mit denen sie angeblich Perlenfischern treiben wollten. Diese Schiffe aber brachten sofort neue Waffen sendungen nach den Inseln, und während der letzten Monate dienten sie der nordamerikanischen Flotte als Kund schafter. Aguinaldo ließ daS Gerücht aussvrengen, er gehe nach Paris und werde von dort nach Madrid komme», um der Königin seine Ergebenheit zu bezeugen. In Wahrheit jedoch stellte er sich sofort der nordamcri- kanischen Regierung zur Verfügung und befand sich bereits vor Monaten an Bord eines nordamerikanischen Kriegsschiffes. Von allen diesen Vorgängen benachrichtigte ich die stEegieruug, die jedoch noch immer nicht die Gefahr erkannte. Wäre die Besatzung der Inseln bei Zeiten verstärkt worden, hätte mau nach meinem Plan die KüstenfortS neu befestigt und wenigstens den Hafen von Manila durch Unterseeminen gesperrt, so hätten unsere wenig tauglichen Schiffe ruhig in der Bucht bleiben können, welche für die feindlichen Schiffe völlig un zugänglich gewesen wäre. An eine Landung der 3000 Mann starken Besatzung der amerikanischen Flotte aber wäre gar nicht zu denken gewesen. Commodore George Dewey, der Sieger in der See schlacht bei Manila, ist 61 Jahre alt. Er wurde im Staate Vermont geboren und erhielt in der amerikanischen Marine akademie in Annapolis seine Ausbildung. 1854 trat er in den activen Dienst. Sieben Jahre später übernahm Admiral Farragut, der größte Seeheld des Bürgerkrieges, Dewey's weitere Ausbildung. Unter Farragut nahm Dewey an dcr gefährlichen Aufgabe Theil, die Einfahrt in den Mississippi trotz aller Landbatterien, Kriegsschiffe und in den Fluß gelegten Hindernisse zu erzwingen. Darauf durchbrach er die Blockade der Conföderirten weiter den Fluß hinauf bei Port Hudson. In dem Kampfe wurde Dewey's Schiff, eine Rad-Fregatte, buchstäblich von Kugeln durchbohrt. ES lief auf und lag lülflos im Bereich deS Feuers der feindliche» Geschütze da. Officiere und Mannschaften entkamen, nachdem sie daS Schiff in Brand gesteckt hatten. Darau, trat Tewey in das nordatlantische Geschwader als Beff'^haber d-"- „Narragansett" ein. 1870 wurde er zum Eapitam un 1884 zum Commodore ernannt. Im Januar übernahm er den Befehl über da» amerikanische Geschwader in den ost asiatischen Gewässern. Der KriegSplan der Amerikaner scheint jetzt dahin zu geben, die Blockade der Küsten Cubas durch Hilfskreuzer aufrecht zu erhalten und mit der Hauptflottenmacht zu Ver bindern, daß das spanische Geschwader Puerto Rico zu seiner Operationsbasis macht, was beabsichtigt zu sein scheint. Die von Key West in der Richtung auf Puerto Rico abgegangenen, vom Admiral Sampson befehligten Schiffe „New Aork", „Indiana", „Iowa", „Cincinnati", „Detroit" und „May- flower" sollen mit Proviant für eine lange Fahrt versehen sein und die Bestimmung haben, Puerto Rico zu nehmen und die dortige Kohlcnstation der Spanier zu zerstören. Dann soll das Geschwader der spanischen Flotte entgegenfahren und sie auf offener See stellen. Man meldet uns hierüber noch: * Washington, 5. Mai. („Reuter'sches Bureau".) Senatoren, die heute Vormittag mit Mac Kinley gesprochen haben, behaupten zu wissen, es bestehe eine starke Wahrscheinlichkeit, daß Puerto Rico innerhalb 48 Stunden von den Vereinigten Staaten werde genommen werden, die Befehle zum Angriffe seien bereits F-nilleton» Die Herrin von Echtersloh. Ss Roman von Toni Krüger. Nachdruck verboten. Herbert legte den seidenen Shawl um ihre weißen Schultern und geleitete sie gehorsam hinaus. Er sah nicht, daß ein Paar brauner Augen ihm ängstlich folgten, hörte auch nicht, wie ein blonder Assessor seiner Schwester ins Ohr raunte: „Er bemüht sich heute unablässig um sie, wird er sie heirathen?" Der Mond stand hell und klar am Himmel und versilberte mit seinem milden Licht den wunderschönen Garten. Langsam wandelte das Paar auf dem mondbeschienenen, großen Platz vor der Veranda auf und nieder, dann lenkte die Baroneß, wie zu fällig, in einen dunkelbeschatteten Gang ein. „Morgen um diese Zeit denken wir nicht an Spiel und Tanz", bemerkte Graf Herbert vergnügt, „dann sind wir schön im frischen, fröhlichen Krieg, wenn auch leider nur im Frieden!" Die Gestalt an seinem Arm zuckte zusammen, und sie richtete ihre Augen mit einem sonderbaren Blick auf sein Gesicht. Herbert fühlte sich mit einem Male wunderbar befangen. Es durchzuckte ihn der Gedanke, daß er die begehrteste, gefeiertste Schönheit aus dem ganzen Umkreis an seinem Arm führe. Ihr Athem streifte warm seine Wange, und er glaubte ihren Puls schlag zu fühlen. Er wußte es, daß sie ihn liebte. Ein Wort, und sie war sein! Alle Last und Sorge lag dann hinter ihm. Schon drohte ihn die Macht des Augenblicks hinzureißen. Da stieg plötzlich vor seinem geistigen Auge das Bild einer An deren auf: Louison stand vor ihm, in eine weiße Mullwolke gehüllt, einen Kranz rother Rosen in den braunen Locken. Die Grübchen waren aus ihren Wangen geschwunden und mit liebe flehendem Blick waren ihre süßen, dunklen Augen auf ihn ge richtet. Der Bann war gebrochen; er strich mit einem Seufzer, wie wenn Bergeslast von ihm gewichen sei, das Haar aus der Stirn. Durch seine Liebe zu Louison war er gefeit gegen jede Versuchung. „Und wann kehren Sie wieder, Graf?" scheuchte ihn eine flüsternde Stimme aus seinem Sinnen. „Das Manöver dauert drei Wochen und dann gehe ich auf zwei bis drei Wochen nach Echtersloh zu meiner Mutter. Wie ein leichter Seufzer kam es von ihren Lippen. O, wie sie ihn liebte, die stolze, unnahbare Baroneß, was es ihr für Uebcrwindung kostete, stolz zu bleiben, und ihm nicht, ihrem Gefühl folgend, um den Hals zu fallen! „Du bist ein rechter Thor", sprach da wieder eine Stimme in Herbert's Innerem. „Du hast Dich verpflichtet, eine reiche Heirath zu machen, und nun läßt Du die Gelegenheit an Dir vorübergehen!" — Aber selbst, wenn er gewollt hätte, er konnte jetzt nicht Anne-Marie von Stumm in die Arme ziehen. Jetzt nicht mehr! Er wäre erschreckt gewesen, hätte er ein anderes Gesicht, als das Louison's an seiner Brust gesehen. „Ich habe meine kleine Cousine Margot lange nicht gesehen", plauderte er, „sie versprach damals, vor Jahren, ein recht hübsches Mädchen zu werden." Anne-Marie fuhr überrascht auf. „Ich wußte gar nicht, daß Sie eine Cousine haben, warum haben Sie mir nie von ihr erzählt?" „Ich glaubte nicht, daß Sie Interesse daran haben würden", war die gleichgiltige Antwort. „Wie alt ist Ihre Cousine?" „Etwa sechszehn Jahre!" „Ein Backfisch!" warf Anne-Marie geringschätzig hin. Es hatte sie aber doch erregt: Der Gedanke war ihr unerträglich, daß Herbert wochenlang mit dieser Cousine zusammen sein sollte. Sie mußte Gewißheit haben, bevor er reiste, noch jetzt, in dieser Minute, koste es, was es wolle! „Sie werden nicht nach Echtersloh gehen, Graf Herbert", sagte sie bestimmt, „Sie werden es nicht thun, wenn ich Sie darum bitte!" und ihre Augen senkten sich flehend in die seinen. „Ich kann die Sache nicht aufgeben", erwiderte cr kühl, „ich habe meine Mutter lange nicht gesehen." „Sie haben Ihrer Mutter noch nicht von Ihrem Kommen geschrieben?" fragte sie gespannt. „Noch nicht, ich wollte es aber morgen thun." „Sie wollten es, aber Sie werden es nicht thun", bat die Baronesse. „Ich habe unsere stolze Baroneß noch nie in einer bittenden Haltung gesehen. Was veranlaßt Sie, mir gegenüber eine so demüthige Rolle zu spielen?" fragte er kalt, um die Unterredung möglichst schnell zu Ende zu führen. „Und Du weißt nicht, Geliebter, daß ich Dich bis zum Wahnsinn liebe?" flüsterte sie dicht an seinem Ohr, „und daß Du der Meine werden mußt?!" und ihre weichen Arme schlangen sich um seinen Hals. Nur einen Augenblick konnte diese Verführung Herbert's Sinne berauschen. Hoch aufgerichtet, ohne sich zu rühren, stand er da, einen Moment starr — keine Antwort findend. Dann löste er sanft die ihn umschlingenden Hände, beugte sich zu ihr herab und flüsterte mitleidig: „Arme Anne-Marie!" Das war genug, um all ihre Hoffnung zu zertrümmern, um ihr zu zeigen, daß Alles, Alles vergeblich sei. Wie von einem Schlage getroffen, taumelte sie zurück und schlug die Hände mit verzweifelter Geberde vor die Augen. Herbert wollte sie stützen, aber mit heftiger Geberde schüttelte sie seine Hand ab. Was hatte sie gethan! Wie konnte sie, die unnahbare Baroneß, so ihren Stolz vergessen! Das neu er wachte Selbstbewußtsein gab ihr die Kraft, sich aufrecht zu er halten. Mit verächtlichem Blick maß sie den vor ihr stehenden Grafen; hoch aufgerichtet befahl sie mit rauher Stimme: „Ver lassen Sie mich!" Mit einer Verbeugung zog sich Herbert zurück. In tiefen Gedanken begab er sich in den Tanzsaal. Sie hatte ausgesehen wie eine Königin, als sie, vom Mondlicht umflossen, hoch auf gerichtet vor ihm gestanden. Ihr Gesicht war noch bleicher ge wesen als sonst, und die dunklen, sprechenden Augen, die noch vor wenigen Minuten so liebevoll zu ihm aufgesehen, hatten haßerfüllte Blitze gesprüht. Herbert kam sich vor, als wenn er der Besiegte sei, als wenn nicht sie, sondern er eine Niederlage erlitten habe. In den Tanzsaal zurückgekehrt, fiel sein Blick sofort auf Louison, die ihm mit ängstlich fragenden Augen entgegensah. Er eilte auf sie zu, schlang den Arm um sie und riß sie in das Gewühl der Tanzenden. Heftig preßte er sie an sich und neigte sein Haupt tief zu ihr hinab. „Was hast Du nur?" flüsterte Louison, „Du bist so un gestüm, Schatz!" „Ich hatte soeben einen schweren Traum", war die leiden schaftlich hervorgestoßene Antwort, „ich glaubte. Dich verlieren zu müssen, und kann das Glück noch nicht fassen, daß ich Dich wieder in meinen Armen halte." In diesem Augenblick betrat die Baroneß von Stumm am Arm eines älteren Officiers den Saal wieder. Sie unterhielt sich in ernster Weise mit demselben, und kein Athemzug verrieth, welch ein furchtbarer Kampf in ihrem Innern tobte. Das Gesicht war ruhig, die Augen blickten gelassen, die Hand zitterte nicht, die den Fächer auf und ab bewegte. „Sie weiß sich meisterlich zu beherrschen", dachte Herbert, indem er Louison's Arm in den seinigen zog und mit ihr den Garten betrat. ' „Das also ist des Räthscls Lösung", Hämmerle es hinter Anne-Marie's Stirn, als sie das Paar verschwinden sah. „Diese kleine Gouvernante! Lächerlich!" „Du erschreckst mich, Herbert", flüsterte Louison, „was ist's das Dich so erregte?" „Laß nur, Schätzchen, ich sagte Dir schon, es war ein Traum", war die beruhigende Antwort. Louison beruhigte sich aber nicht, sie hatte den Grafen heute auffallend viel in der Gesellschaft des Fräuleins von Stumm gesehen und auch die Promenade der Beiden in den Garten bemerkt. Mit dem allen Frauen eigenen Scharfblick war ihr nicht entgangen, daß Herbert der Baronesse nicht gleichgiltig war. Ein Gefühl verzehrender Eifersucht packte ihr Herz und, den Arm des Geliebten loslassend, rief sie leidenschaftlich: „Du mußt mir sagen, was Du mit der Baroneß vorgehabt hast, ich will es!" und sie maß ihn mit gebieterischem Blick. Den Grafen belustigte ihr aufbrausendes Wesen und neckend erwiderte er: „Wie allerliebst mein Bräutchen aussieht, wenn cs erregt ist! Ich wußte gar nicht, daß die reizenden Augen so vernichtende Blitze sprühen können!" „Du kommst nicht frei", drohte sie, „Du mußt mir beichten!" „Aber, kleine Eifersucht, wie kannst Du Dich nur so erregen. Ich sage Dir, ich habe gar nichts mit der Baroneß vorgehabt!" „Ich sah Dich aber mit ihr in den Garten gehen!" „Da hast Du Recht, ich begleitete sie aber nur bis zum Florarondel, da hieß sie mich gehen." Louison schüttelte das Köpfchen: „Und Du kannst mich doch nicht glauben machen, daß Ihr schweigend nebeneinander her gegangen seid!" „Gewiß nicht, wir haben zusammen gesprochen." „Und worum drehte sich Eure Unterhaltung'" „Gleichgiltiges Ballgespräch!" warf cr leicht hin. „Das glaube ich nicht!" „Aber Kind, wie kannst Du Dich nur so erregen!" schalt er, „sieh doch die Baroneß Anne-Marie an " „Siehst Du, nun nennst Du sie schon Anne-Marie", unter brach sie ihn schmollend. „Kleines Närrchen! Also meinetwegen die Baroneß von Stumm, wenn Du willst. Würde sie so ruhig und kalt aussehen können, so ernst und gelassen mit dem Major dort sprechen, wenn ich ihr etwa, wie Du zu argwöhnen scheinst, eine Liebes erklärung gemacht hätte?" „Eine Liebeserklärung? Wer sagt denn das?" „Du deutetest doch eben so etwas an, meine ich; nun geh', sei wieder lieb, es ist ja doch zu dumm, sich mit grundloser Eifersucht zu quälen." „Sie ist doch nicht grundlos! Die Baroneß liebt Dich", antwortete Louison halb besänftigt. „Das ist aber noch kein Grund für mich, sie wieder zu lieben.
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