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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980507029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898050702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898050702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-07
- Monat1898-05
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Gröbere Lchristrn laut uuserrm Preis» oerjeichnig. Tabellarischer und tziffernsatz »ach höhere« Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit des Morgen. Ausgabe, ohne Postbefürderui^' ÜO.—, mit Postbesörderung ^tl 70.—, Ruuahmrschlu- fir Fnzeigen: vbrud-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. VSorgeu-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Dei de» Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreise» swd stet« a» die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Pol» t» Leipztch 229. Sonnabend den 7. Mai 1898. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. --^Manilaist anscheinend noch nicht genommen! Da« dürfte au« nachstehender amtlicher Meldung hervor gehen: * Washington, 6. Mai. Gegenüber den von den Blättern verbreiteten Gerüchten erklärte der Secretair des Marineamts Lang osficiell, er hab« durchaus ketue Nachrichten aus Manila erhalten. Damit steht die folgende Nachricht nicht im Widerspruch: * Hongkong, 6. Mai. Der amerikanische Aviso „Mac Culloch", welcher mit Depeschen an Bord erwartet wird, ist überfällig. DaS Ausbleiben des Schiffes flößt Beunruhigung ein. Man nimmt an, daß der Kampf fortdauert. Demnach erweisen sich die Telegramme der New Korker Blätter „Sun", „World" und „Journal" aus Singapore, nach denen Dewey Manila besetzt habe und der Rebellenfübrer Alexandria auf einem amerikanischen Sckiffe von »Hongkong dort angekommen sei, abermals als verfrüht. Der ehemalige Gouverneur der Philippinen Primo de Rivera hat bekanntlich behauptet, das amerikanische Ge schwader könne wohl unvertheidigte Orte zerstören, werde aber niemals Manila nehmen können. Das ist sehr stolz gesprochen, wie der Spanier es liebt, aber welcher Art die Vertheidigung Manilas eingerichtet ist, zeigt der Umstand, daß bei der Hafeneinfahrt amerikanische Schiffe nicht auf ein einziges Hinderniß stießen. Unsere Hongkonger Meldung fügt außerdem hinzu, zwei dort eingetroffene amerikanische Segel schiffe, welche Manila vor dem Kampfe verlassen haben, berichten, daß die Befestigungen der den Eingang zur Bay von Manila beherrschenden Insel Corregidor lediglich aus Schanzen von Erdsäcken beständen und mit Schiffskanonen armirt seien. Die Batterien von Corregidor wurden denn auch ebenso rasch zum Schweigen gebracht, wie die CaviteS. Daß das Bombardement Manilas begonnen hat und daß die Stadt — wahrscheinlich ein Werk der Aufständischen — an verschiedenen Stellen brennt, wird übereinstimmend berichtet. Immerhin scheint die Einnahme der eigentlichen Festung Manila nicht so leicht, da es den Amerikanern an Munition fehlt. Ob wirklich die Absicht in Madrid besteht, eine zweite Flotte nach den Philippinen zu schicken,, angeblich weil Cuba und Portorico sicher seien und dort keine spanischen Schiffe benöthigt würden, muß doch dahin gestellt bleiben. Auch General Weyler ist zwar der Ansicht, daß, wenn man ihm den Oberbefehl auf Cuba, wozu er sich bereit erklärt hat, übertrüge, er in der Lage sein werde, mit den dort vor handenen Truppen und Vorräthen die Insel ein Jahr lang gegen jeden Landangriff der Amerikaner zu vertheidigen; auch sei eine Beschießung HavannahS völlig unmöglich, falls die Vertheidigung mit Umsicht geleitet werde. Nach der An sicht Weyler'ö sei eS überflüssig, die spanische Flotte vor Cuba der Gefahr einer Seeschlacht auSzusetzen, aber, fügt er hinzu, sie solle vielmehr in der Nähe der europäischen Küste bleiben und Cuba sich selbst überlassen, welches für die Nordamerikaner unangreifbar sei. Die Besorgniß vor einem Angriff amerikanischer Schiffe aus spanische Häfen oder auf die kanarischen Inseln ist also in Madrid ebenso groß wie die Befürchtung in den Ver einigten Staaten vor Ueberraschungen an den Küsten des Großen und de« Atlantischen OceanS. Das konsequente Stillschweigen, welches über den Ver-i bleib des kapverdischen Geschwaders beobachtet! wird, läßt kaum eine andere Deutung zu, als daß dasselbe in der Thal die Fahrt über den Atlantischen Ocean angetreten bat und zwar unter sehr schwachem Dampfdruck, um die weite Reise mit möglichst geringem Verbrauch an Steinkohlen zurückzulegen. Man meldet uns: * New ?)ork, 6. Mai. Tas „Eveiung Journal" veröffentlicht einen Bericht, laut welchem ein Depcschenboot, das von den Cap Verdeschen Inseln abgegangen war, das spanische Geschwader auf der Höhe von Portorico gesehen habe. Eine Bestätigung hat diese Nachricht noch nicht gefunden. Sie wird eine solche auch schwerlich erhalten, denn daS spanische Geschwader ist erst am 29. April von den Cap Verde'schen Inseln abgegangen, kann also noch nicht vor Porto rico in Sicht gekommen sein. Nichtsdestoweniger wächst in Amerika, wie gesagt, die Besorgniß, daß die spanische Flotte bald einen Streich ausführen könnte, der daS Mißgeschick von Cavite nrehr als wett machen möchte. An der ganzen ostatlantischen Küste ist die Bevölkerung permanent auf dem gui vivo und auch aus Cuba traut man sich amerikanischerseits nicht eher mit großen Landungsversuchen vorzugehen, bis das Räthsel über den Verbleib des spanischen Capverdegeschwaders seine Lösung gefunden hat. Bis jetzt sind nur zwei kleine Abheilungen an Land ge bracht. lieber einen weiteren solchen Versuch wird uns berichtet: * Mädrid, 6. Mai. Eine amtliche Depesche ausHavannah meldet: Die Aimrikaner versuchten an der Küste von Salado Südküste von Cuba, Esperanza-Bah) zu landen. Spanische Truppen zwangen die Amerikaner, sich wieder einzuschiffen. 4 Spanier sind verwundet. Nach in Madrid umlaufenden Gerüchten hätten die Amerikaner bedeutende Verluste erlitten. Auf alle Fälle wird die Ausschiffung einer kleinen Armee auf Cuba nöthig sein, wenn die Amerikaner etwas erzielen wollen, denn selbst New Korker Depeschen müssen zuzeben, daß die Truppen der Aufständischen geringer an Zahl sind, als man bisher angenommen hatte. Uebrigenö theilt die schwedisch-norwegische Gesanvrschaft in Madrid mit, die spanische Regierung habe beschlossen, bei den Großmächten Beschwerde darüber zu führen, daß die amerikanischen Schiffe an der Küste Cubas nicht zahlreich genug sind, um die proclamirte Blockade (dieselbe muß bekanntlich effektiv sein) aufrecht zu erhalten. Spanien glaubt, daß die Großmächte diese Beschwerde unterstützen werden. Andererseits glauben auch die Vereinigten Staaten Anlaß zu Beschwerden zu haben. Man berichtet uns: * Pari«, 6. Mai. Wie der „Agence HavaS" gemeldet wird, empfing Portugal eine Note der Vereinigten Staaten, in welcher gegen die Absendung von 900 Kisten mit Munition und Lebensmitteln protestirt wird, welche von Lissabon am 23. April abgingen und für das spanische Geschwader in Lapverde bestimmt waren. Daß die Sympathien Portugals für Spanien in der Stunde höchster Gefahr sehr groß sind, weiß man. Wir registriren noch folgende Meldungen: * London, 6. Mai. Nach einem bei Lloyds aus New Kork eingegangenen Telegramm ist die „Lafayette" freigegeben worden. * Key West, 6. Mai. Die Freigabe des französischen Dampfers „La Fayettr" erfolgte, nachdem aus Washington der Befehl eing,troffen war, die „La Fayetle" unverzüglich frei zu geben und sie nach Havannah zu geleiten. * Madrid, 6. Mai. Gestern empfing die Königin-Negentin eine Abordnung der Deputirtenkammer, welche ihr die Adresse überreichte. — In der gestrigen Senatssitzung richtete rin Senator die Anfrage an die Regierung, welche Pläne die Regierung in Bezug auf den Krieg habe. Der Finanz minister erklärte, daß hierüber keine Auskunft ertheilt werden, könne. Aus eine Anfrage, ob die Regierung Maßregeln ergriffen habe, um einer, infolge der Abnahme der Kohlenvorräthe drohenden industriellen Krisis vorzubeugen, erwiderte der Finanzminister, daß die Regierung sich mit der Frage beschäftige, Maßregeln zu ergreifen, wie sie es in Bezug auf das Getreide bereits gethan habe. lieber die durch den Krieg geschaffene internationale Lage wird uns aus Berlin geschrieben: Sollte Manila wirklich fallen, so wäre dieser für Spanien äußerst schwere Schlag vom deutschen Standpunkte auS nicht zwar aus sympathischen Gefühlen für Spanien, sondern des halb zu beklagen, weil die Philippinen ein den Welt frieden in nicht geringem Maße gefährdendes Streitobjekt zu werden drohen. Lord Salisbury hat soeben von China als demjenigen Reiche gesprochen, dessen Zusammensturz eine große Verwirrung bervorrufen werde, welche die ganze Energie der interessirten Mächte an spannen würde. Das ist gewiß richtig. Doch mit dem Zu- sammenbruch Chinas hat es noch gute Weile, während das Schicksal der Philippinen jeden Tag eine „brennende" Frage werden kann. Hier „löschend" einzugreifen, scheint ganz und gar nicht die Absicht Englands zu sein. Im Geaentheil! Lord Salisbury stellt, offenbar im Hinblick auf den spanisch amerikanischen Krieg, gelassen fest, ein großer Umschwung vollziehe sich, die schwachen Staaten würben noch schwächer, die starken noch stärker, die Gründe für einen Conflict der Nationen vermehrten sich, die Engländer würden all ihre Thatkraft und Zähigkeit zufammensaffen müssen, damit sie nicht im Falle einer Umwälzung in eine unvortheilhafte Lage kow :en Ist es verwunderlich, wenn Lord Salisbury durch seine Rede eine tiefgehende Beunruhigung in Spanien erregt hat? Man solle die Vertheidiger ibres EigenthumS nicht zur Verzweiflung treiben, ruft ein spanisches Blatt aus. Ob es vabei mehr an Cuba als an die Philippinen dachte, geht aus dem Telegramm, daS nur kurz den citirten Ausruf übermittelt, nicht hervor. In Frankreich dürfte die Rede Lord Salisburys den Glauben an die Meldungen, die berichteten, die Vereinigten Staaten würden die Philippinen an England verkaufen, bestärkt haben. Der officiöse „Temps" bringt infolge dessen einen Artikel, der gegen dieses Geschäft energisch protestirt. Der „TempS" geht davon auS, daß die Vereinigten Staaten in den internationalen Wett kampf um den politischen Einfluß eingetreten seien, und beantwortet die Frage, wie weit das Volk Washingtons und Jeffersons sich fortreißen lassen werde, mit den Worten: Der Prüfstein hierfür würden die Philippinen sein; deren Ver kauf an England sei nicht ohne Weiteres abzumachen, die Mächte, die in Ostasien Länder besitzen, von Rußland an bis auf das neu hinzugekommene Deutschland, hätten hierbei mit zusprechen! Kein Zweifel, Rußland, das durch die Besitz ergreifung Wei-Hai-Weis von Seiten Englands schon hin länglich verstimmt wurde, könnte die Erwerbung der Philippinen durch England erst recht nicht verwinden. WaS Deutschland anlangt, so hat Kaiser Wilhelm gestern in der Thronrede wie immer den friedliebenden Charakter seiner auswärtigen Politik betont, „welcher jede Beeinträchtigung fremder Rechte fern liegt, die aber für den Schutz bedrohter deutscher Interessen stets mit Nachdruck eintreten wird". Deutsche Interessen sind auch aus den Philippinen zu schützen. Ob sie mehr bedroht sind, wenn die Philippinen amerikanisch, oder mehr, wenn sie englisch werden, bleibe dahin gestellt. Der wünschenswerthe Fall, daß sie spanisch bleiben, ist ja nicht ganz ausgeschloffen. Was aber auch auS den Philippinen werden möge: wir hegen das Vertrauen, daß das Deutsche Reich in Bezug auf sie eine Politik befolgen werde, die, Niemand zu Liebe und Niemand zu Leide, nichts weiter zu fördern bestrebt ist, als die dauernden deutschen Interessen. Soweit unser Berliner Correspondent. Thatsächlich ist Deutschland mit seinem gewaltigen ostasiatischen Handel sehr an der Lösung dieser Fragen mteressirt, wie es über haupt bei seiner stark wachsenden Volksmenge und der Größe seines SeebandelS an allen Fragen regen Antheil nehmen muß, die für die Zukunft der Culturvölker von Be deutung sind. In Amerika denkt man stark an die Zukunft und an die Aenderungen im Weltverkehr, die ein Canal durch Central amerika mit sich bringen muß. Amerika will diesen Canal beherrschen, wie England den Suezcanal, Es bedarf dazu auf der gefährdetsten Seite, am Atlantischen Ocean, starker Stützpunkte; es bedarf dazu Cubas als Gegengewicht gegen Englands westindischen Besitz. Capitain Mahan hat nicht umsonst seine Aufsätze über den strategischen Werth der einzelnen Antillen geschrieben. Jede große Handelsmacht, also auch Deutschland, muß aber ein wohlbegründeteS Interesse haben, in der Nähe der neuen Wasserstraße auch einen festen Besitz zu halten oder zu erwerben und dürfte sich in solchem Vorhaben nicht durch die Besorgniß vor großen Kosten oder maßlosen Ansichten anderer Staaten davon ab halten lassen. Auch auf der anderen Seite des atlantischen OceanS können sich pol tisch: Fragen durch eine starke militairische oder finan zielle Schwächung Spaniens entwickeln. Dem Uebergang von spanischem Besitz in der Nähe unserer Colonie Kamerun in die Hände einer anderen Macht von mehr Handelskrast und Seemacht als Spanien, durch Gewalt oder durch Verkauf, können wir nicht so geduldig wie vor Jahrzehnten zuschauen. Fernando Po und Anabon dürften nur im spanischen Besitz bleiben, oder Deutschland wäre der nächste Bewerber darum. Wie sehr Amerikas Wunsch nach außeramerikanischem Landbesitz im Stillen Ocean gebt, beweist nicht nur seine Ergreifung der Sandwichs-Inseln, sondern auch sein zähes Interesse an dem Fortbestehen der widersinnigen Ver hältnisse der drei Staaten auf den Samoa-Inseln. Daß diese Inseln durch einen centralamerikanischen Canal au Werth gewinnen werden, wissen wir ebenso gut, als daß die vorhandenen materiellen Interessen Amerikas dort recht ver schwindend gegenüber den nnsrigen sind; wir dürfen dort nicht weichen. Feuilleton- Die Herrin von Echtersloh. 10s Roman von Toni Krüger. Nachdruck vrrdoten. Nach Jahren, nach dem Tode dcs Generals, zog seine Gattin Erkundigungen über die verschollene Tochter ein. Sie erfuhr jedoch nur so viel, daß Herr von Vermont in einem Gefecht schwer verwundet worden und von einer deutschen Dame gepflegt worden sei; dann habe er seine Entlassung als Invalide ge nommen und sich mit seiner jungen Frau unter falschem Namen in Frankreich niedergelassen. Eine Weile war es still in dem hohen Raume. Das junge Mädchen halte aufmerksam zugehört und war dann in tiefe« Sinnen versunken. „Und weißt Du nicht, Onkel, unter welchem Namen das junge Paar in Frankreich lebte?" fragte sie endlich leise. „Ich habe leider keine Ahnung davon, und auch die nächsten Angehörigen von Eugenik haben es nie erfahren", versetzte der Rittmeister. „Deine Eltern, liebes Kind, haben sich, wie Du Dir denken kannst, die größte Mühe gegeben, sie aufzufinden, aber vergeblich. Sie haben auf einer Reise nach Paris die Anghörigen des Herrn von Vermont aufgesucht, aber auch diese konnten keine Auskunft geben und hielten den Verschollenen für todt." „Exisiirt denn kein Bild von Tante Eugenie?" Onkel Philipp schüttelte den Kopf. „Doch halt!" sagte er schließlich, sich besinnend, „es muß ein Bild von ihr vorhanden sein! Ich habe eS öfter bei Deiner Mutter gesehen. Es war ein kleines, auf einer runden Elfenbeinplatte gemaltes Portratt, das Deine Tante als etwa 17jähriges Mädchen darstellte. Als sie daS Elternhaus verließ, war sie 21 Jahre alt." „O, da muß ich nachforschen!" rief Margot eifrig, „es muß noch irgendwo vorhanden sein, und ich werde nicht rasten, bis ich es gefunden habe! Meinst Du, Onkel, daß sich nichts zu ihrer Ermittelung anstellen ließe?" „Nichts!" war die tonlose Antwort. Nach einem vergeblichen Versuch, das Bild der Tante auf zufinden, kehrte Margot niedergeschlagen auf den Balcon zurück. Sie beugte sich traurig über ihre Arbeit und zermarterte das Köpfchen, wo sie wohl noch suchen könnte. In keinem Fache des Schreibtisches und der Schränke im Zimmer ihrer Mutter hatte ste eine Spur drS ersehnten Gegenstände» entdecken können. Nun blieb ihr nur noch der Schreibtisch des Vaters. Wie sollte er aber dazu gekommen sein, das Bild der Schwägerin, die er nie gekannt hatte, aufzubewahren? Trotzdem beschloß sie, ihre Nach forschungen im Zimmer des Vaters fortzusetzen. Der Eintritt der Tante störte sie in ihren Gedanken. Diese hielt einen geöffneten Brief in der Hand und warf sich mit freudiger Geberde in einen Sessel. Ihre gerötheten Wangen und glückstrahlenden Augen verliehen ihrem Antlitz einen fast jugend lichen Reiz. Mit ungewohnt freundlicher Stimme rief sie ihrer Nichte zu: „Ich habe soeben einen Brief von Herbert erhalten; er meldet sich zum nächsten Mittwoch an. Ich freue mich unsagbar auf das Wiedersehen!" und die herzlichste Mutterliebe leuchtete aus ihren Augen. „O, wie schön!" rief Margot lebhaft, „auch ich freue mich herzlich, waren wir doch immer gute Kameraden!" „Und Ihr werdet es auch hoffentlich bleiben! Ich verspreche mir für Dich eine heitere Zeit, liebes Kind, Herbert ist ein außerordentlich liebenswürdiger Gesellschafter geworden, — ja, ja, auS Kindern werden Leute." „Ich glaube, ich werde ihn kaum wiedererkennen. Seit ich in die Pension kam, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Denke nur, Achim", rief sie diesem entgegen, der soeben sporenklirrend die Treppe heraufkam, „am Mittwoch kommt Herbert! Das wird herrlich werden! Wie nett wollen wir zusammen reiten!" und sie klatschte wie ein fröhliches Kind in die Hände. Sie sah ent zückend auS in diesem Augenblick, — die Wangen wetteiferten an Frische mit der Rose, die in ihrem Gürtel hing, und aus ihren Augen schien ein Stück strahlenden Himmels zu blicken. — „Ich freue mich für Dich, Margot, daß Du für einige Wochen so heitere Gesellschaft haben wirst", erwiderte er, sah jedoch keines wegs so freundlich aus, wie man aus seinen Worten hätte schließen können. Joachim blickte nachdenklich vor sich hin, während die Damen über die Unterbringung des Gastes berathschlagten. „Ich denke, Herbert kann daS grüne Zimmer als Schlaf gemach beziehen und den Salon mit Onkel Philipp gemein schaftlich benutzen", schlug die Comtesse vor. „Du thust, als wenn wir gar keine Räume im Schlosse hätten", erwiderte Ihre Excellenz, „die ganze rechte Seite der oberen Etage steht ja frei. Ich werde dort meinem Sohne aus reichende Gemächer anwrtsen." „Du irrst, lieb« Tante, dort sind die Zimmer meines Baiers, und es kann Dein Ernst nicht sein, fir al» Fremdenzimmer herzu geben. Es wäre mir ein schmerzlicher Gedanke, weil Alles noch so liegt und steht, wie es der geliebte Todte verlassen hat", sagte Margot in bittendem Tone. „Gut, ich will Deinem Zartgefühl nicht zu nahe treten; so viel wie ich weiß, giebt es da aber noch zwei Zimmer, ich habe dieselben nie betreten, da sie Dein Vater stets verschlossen hielt. Sie müssen, ihrer Lage und Größe nach, gut für Herbert paffen! Ich werde gleich Befehl geben, daß sie gelüftet und gesäubert werden!" Und ehe es Margot noch hindern konnte, hatte sie auf die Klingel gedrückt. „Das wirst Du nicht thun, Tante Adele", sprach Margot in festem Ton. „Dort sind die Zimmer meiner Mutter und Nie mand wird sie bewohnen!" „Was nimmst Du für einen Ton an, liebes Kind, ich denke, noch bin ich die Herrin im Hause und leite Alles nach eigenem Ermessen, wie Dein Vater es gewünscht hat. Du bist noch viel zu jung, um selbstständig Entscheidungen zu treffen." In Wirklichkeit ließ sich die Gräfin nur das Oberhaupt nennen. Sie hatte schon längst der Nichte die Controle der ein fachen Angelegenheiten des Hauswesens überlassen. „Du kannst wieder gehen, es ist gut", sagte Margot in freund lichem, aber bestimmtem Ton zu dem auf das Klingeln der Gräfin herbeigeeilten Friedrich. Die Tante wollte auffahren, ein Blick aber in die entschlossene Miene der Nichte ließ sie ver stummen. Diese stand hoch aufgerichtet, in fester Haltung vor ihr. Man wollte an dem Heiligsten rütteln, das sie besaß, und das erweckte in dem sonst so fügsamen Mädchen die ganze Willenskraft, deren sie fähig war. Der Baron hatte sich aus seiner lässigen Haltung aufgerichtet und beobachtete gespannt den Streit der beiden Damen. „Mein Vater hat diese Gemächer heilig gehalten, und auch mir sind sie unantastbar, geweiht durch den Geist der Vjutter, der noch jetzt drinnen waltet", sprach Margot mit fester Stimme, „kein Fuß, außer dem meinigen, wird diese Räume betreten. — Verzeih, liebe Tante, und erlaube, daß ich in Bezug auf meinen ersten Vorschlag Anordnungen treffe." Ohne eine Antwort obzuwarten, verließ sie, das Schlüssel körbchen ergreifend, den Balcon. Der Baron sah seiner Cousine mit leuchtenden Augen nach und ging, ohne die noch immer sprachlose Gräfin anzusehen, in den Gutshof. 11. Capitrl. ES war ein herrlicher Septembrrnachmittag. Margot hatte sich vorgenommen, ihre Siesta auf dem Weiher im Nachen zu halten, und übergab Ben der Obhut Kurt's, um recht ungestört zu sein. Mit einem Band ihrer Lieblingsgedichte, den großen, runden Strohhut am Arm, begab sie sich zu dem kleinen See. Bis zu Herbert's Ankunft war noch fast eine Stunde Zeit. Sie ruderte den Kahn mit einigen kräftigen Schlägen in die Mitte des Teiches und ließ sich dann vom Wasser treiben. Bald war sie ganz in ihr Buch vertieft. Hätte nicht die Farbenpracht der Bäume und Büsche rings umher den Herbst verrathen, so hätte man wähnen können, daß heute ein goldiger Julitag sei. Unbeweglich standen die Libellen in der lauen Luft; kein Laut unterbrach die tiefe Stille. Nur hier und da flatterte ein Wasservogel im Röhricht, oder es schnellte ein Fisch auf und zog Kreise im Wasser, die sich mehr und mehr erweiterten, bis sie zerrannen. Hoch oben schwebte, wie ein winziger Punct, eine Weihe im blauenden Acther. Margot hatte das Buch sinken lassen und sich in dem Boot bequem zurückgelehnt. Die träumerische Stille umfing ihre Sinne. Mehr und mehr verwoben sich ihre Gedanken, bis sie schließlich das junge Mädchen in das Reich des Traumes hinüber trugen. Unter den tief herabhängenden Zweigen war ein junger Mann ans Ufer getreten. Ueberrascht blieb er stehen vor dem lieblichen Bilde, das sich ihm bot: Im Kahn inmitten des geheimnißvoll dunklen Weihers die zarte Gestalt des Mädchens, die Augen ge schlossen, daß die schwarzen Wimpern die rosigen Wangen be rührten, das Haupt vom reinsten Goldhaar umflossen. Wie gebannt stand Herbert dort, den Oberkörper vorgenelgk. Er wagte nicht, sich zu rühren, fürchtend, das süße Traumbild könne dann verschwinden! War es möglich? Sollte das seine Cousine Margot sein, von der er gesagt hatte, sie sei noch ein Kind? War es denkbar, daß sich aus dem kleinen, niedlichen Mädchen ein Bild reinster, rührender Schönheit entwickelt hatte? In tiefe« Anschauen batte der junge Graf nicht bemerkt, daß Margot'S getreuer Adjutant Ben ihm gefolgt war^ der es nun für seine Pflicht hielt, durch Bellen seine junge Herrin von der Ankunft eines Fremden zu benachrichtigen. Das Mädchen drüben im Kahn war mit jähem Schreck empor gefahren. Sie richtete sich auf und sah mit großen, erstaunten Augen um sich, als könne sie sich nicht besinnen, wo sie sei. Endlich flog ein verständnißvolleS Lächeln über ihre Züge, und sie ergriff schnell die Ruder, um an'» Ufer zu gelangen. Dann erst fiel ihr Blick auf den jungen Grafen, der auf das Bellen des Hundes ein wenig unter dir überhängenden Zweige zurückgetreten war. Ti« fuhr sich mit der Hand über dir Augen, als glaubte sie ein Traumbild zu sehen. Sollte das Herbert sein?
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