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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189805087
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980508
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980508
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-08
- Monat1898-05
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1898
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Nttzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrich l4g- spalten) ÜO^z, vor den Familiennachrichtrn (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniff. Tabellarischer und Ziffernsatz uach höherem Tarif. Extra-Beilagen sgefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. - «-o—e— Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Dkltck ttftd Verlag vo« E. Polz in Leipzig. 23V. Sonntag den 8. Mai 1898. 92. Jahrgang. Rus -er Woche. - Gegen den verflossenen Reichstag soll nichts mehr gesagt Werden, nachdem die schwungvolle, augenscheinlich besonders auf da» Ausland berechnete Thronrede ibn so ziemlich als da beste aller denkbaren Parlamente, als eine wahre etiLwbra iotrouvadls gefeiert hat. Auch diese Bcwerthung wird unwidersprochen bleiben, obwohl sie auf das Schärfste contrastirt mit sehr schroffen Urtheilen, die ver- selbe Reichstag aus demselben Munde hat vernehmen müssen. Die letzten Dinge sind aber in diesem Falle die besseren. Es ist viel weniger bedenklich, wenn die Krone der Volksvertretung Complimente macht, die Viele nicht unter schreiben können, als wenn sie abfällige Kritik übt, der nicht direkt widersprochen werden kann, die darum aber einem um so größeren Widerhall auf indirektem Wege be gegnet. In solcher Auffassung beirrt uns auch die Voraus sicht nicht, daß das Cent rum mit dieser Thronrede als einem WohlverhaltungSzeugniß renommiren und für sich darin das berühmte Wort des ersten Kanzlers der Wahl Kaiser Wilhelm's II., alle Parteien in Deutschland seien national, als bestätigt bezeichnen wird. Es kann die von höchster Stelle beglaubigte Glorie sogar als auf die äußere Geschäftsführung während der ganzen Legislatur periode ausgegossen hinstellen, da dem aus seiner Mitte erwählten ersten Präsidenten eine hohe preußische Ordens- auSzeichnung zutbeil geworden ist. Der erhöhte Glanz auf die Brust des Frhrn. v. Buol-Berenberg ist an sich eine sehr gleichgültige Erscheinung. Wenn er es aber nur nicht dem Centrum erschwert, im nächsten Reichstage, wo diese Partei doch auch die stärkste sein wird, eine andere Persön lichkeit für das Amt des ersten Präsidenten zu präsentiren. Bei aller ungeheuchelten Hochachtung vor der Person und auch vor dem für einen Parlamentsvorsitzenden unentbehrlichen Scharfsinn des Frhrn. v. Buol muß auch jetzt gesagt werden, waS während der Sessionen nie geleugnet worden ist, daß nämlich der bisherige Präsident an der vollkommenen Zeitung der Verhandlungen körperlich in einer Weise verhindert war, auf die ein großer Theil der Ausschreitungen, die die letzten Tagungen verunzierten, zurückgeführt werden muß. Die Politik der „Sammlung" hat die Thronrede in dem Passus, der von dem auf der Landwirthschaft lastenden Drucke ausgeht, kaum um rissen; die „Hamb. Nachr." finden sogar, in der Thronrede sei kein Wort zu Gunsten dieser Politik gesagt, und sprechen darüber ibr Be dauern und die Befürchtung aus, „daß sich diese Ent haltsamkeit bei den Wahlen rächen werde". Auch bei der Hoftafel, die auf die Schlußfeierlichkeit folgte, hat der Kaiser davon Abstand genommen, auf die zweifellos auch von ihm gewünschte Sammlung der zu positivem Schaffen im Sinne der Wohlfahrt aller Classen der Bevölkerung bereiten Kräfte ausdrücklich hinzuweisen. Ein solcher Feuilleton. Die linden Lüste find erwacht. Medicinische Plauderei von Or. meck. H. E. Brendel. Nachdruck Virboten. „Halloh, Herr Doctor, rennen Sie mich nur nicht um!" „Ah, Sie, Herr Müller. Entschuldigen. Aber ich bin so in Eile und in Gedanken. Massenhaft jetzt zu thun. Die linden Lüfte sind erwacht, da haben zu thun wir bei Tag und Nacht — wie der Dichter so schön sagen könnte. Na, und Ihnen geht's gut? Zu Hause noch Alles wohl?" „Könnte besser sein. Meine Frau hat Augenkatarrh, die beiden Jungen Schnupfen und Husten, und ich schlepp' mich auch schon seit vierzehn Tagen mit einem häßlichen Katarrh. Aber Sie wissen ja, wir belästigen Sie nicht wegen jeder Kleinigkeit." „Belästigen ist gut gesagt. Gott sei Dank, daß nicht alle Leute so vernünftig denken, sonst könnten wir Aerzte gleich ins Asyl für Obdachlose wandern. Aber jetzt muß ich wirklich weiter." „Warum fahren Sie denn nicht, wenn Sie solche Eile haben?" „Aus Gesundheitsrücksichten gehe ich jeden Weg, der nicht allzu weit ist. Gerade jetzt ist die richtige Zeit, mit regelmäßigen weiten Gehtouren anzufangen. Kommen Sie ein paar Schritte mit, dann erzähle ich Ihnen mehr davon. Ihnen wäre das auch sehr nützlich. Sie setzen mächtig Fett an." „Alles Kummerspeck, wie man sagt. Ich würde Sie ganz gern ein Stück begleiten, aber ich bin jetzt, seit die FrühlingS- luft da ist, immer so furchtbar müde, worüber ich übrigens von allen Seiten klagen höre. Und ich fürchte . . . ." „Nun, kommen Sie nur mit. Das ist gerade das beste Mittel, um die FrühlingSmlldigkeit zu überwinden." „Ich erlaube mir zwar einen gelinden Zweifel, aber ich beuge mich ehrfurchtsvoll der Autorität. Also gehen wir. Giebt's denn wirklich eine specifische Frühlingsmüdigkeit?" „Ja freilich! Je wärmer und plötzlicher der Frühling ein setzt, um so stärker spüren wir diese Müdigkeit. In diesem Jahr konnten Sie das Symptom bereits an den auffallend warmen Januartagen beobachten; damals sind ja auch schon einmal die linden Lüfte erwacht, nur sind sie noch einmal ein geschlafen." „Ich sehe immer noch nicht den Zusammenhang mit der Müdigkeit." „Kommt schon, mein Lieber, kommt schon. Sehen Sie, was ist denn überhaupt Müdigkeit? Doch nichts als Sauer stoffmangel im Gehirn, oder genauer: Mangel an sauerstoff reichem Blute. Wenn wir bei starker körperlicher oder geistiger Anstrengung viel Sauerstoff verbraucht haben, werden wir müde, und der instinktive Ausdruck dafür ist das Gähnen, das weiter nicht- ist als ein tiefes Einathmen, rein reflektorisch dem Be dürfniß entsprungen, dem Körper und dem Gehirn Sauerstoff au» der Luft zuzuführrn. Solche Müdigkeit kann auch ander- weit eintreten, z. B. wenn nach der Hauptmahlzeit für die Drr- HinweiS, der offen ausgesprochen haben würde, daß vas Oberhaupt des Reiches den künftigen Reichstag anders zusammengesetzt sehen möchte, als den im Jahre 1893 ge wählten, würde auch übel genug zu den Lvbsprüchen gepaßt haben, die diesem letzteren ertheilt wurden. Daraus aber, daß der Kaiser in seinem Trinkspruche im eignen Namen und in dem seiner Räthe die Versickerung abgab, redlich bemüht zu sein, „auf den Bahnen weiter zu wandeln, die uns der große Kaiser vorgeschrieben bat", ergiebt sich für jeden Denkenden, daß der Monarch trotz seiner Dankbarkeit für daS von „diesem" Reichstage widerwillig Geleistete statt seiner ein Parlament gewählt sehen möchte, bei dem eine im Geiste Kaiser Wilhelm's I. und seines großen Kanzlers geleitete Politik volles Verständniß und willige Unterstützung findet. Es ist nur zu wünschen, daß die den Räthen des Kaisers zur Verfügung stehenden Federn jenen Passus des kaiserlichen Trinkspruches den Gedanken losen richtig ausdeuten. Die letzten Beschlüsse des Reichstages beschäftigten noch die zur abfälligen Kritik aufgelegte oder von Partei- und Verlegerwegen dazu verpflichtete Presse. Natürlich wird die Militairstrafproceßordnung von den demokratischen Zeitungen schlecht gemacht und das Centrum wie der Freisinn bekommen zu hören, daß sie in diesem Falle nationalliberale Politik gemacht. Das ist inso fern auch ganz richtig, als sie unleugbare Verbesserungen des bestehenden Zustandes nicht von sich warfen, nur weil man sich die Neugestaltung noch erwünschter hatte auömalen können. Wer aber der Stürme gegen nationalliberale „Compro- mißler", wie sie früher gerade auch aus Anlaß einer Stras- proceß-Gesetzgebung den Blätterwald durchheulte, sich noch erinnert, dem wird die gegen Ultramontane und Freisinnige jetzt von Demokraten und selbst Socialdemokraten geübte Kritik wie Zephyrgesäusel in die Ohren ziehen. Diese Richtungen gehören eben doch zusammen und da kommt eS auf eine Hand voll Principien nicht an. Auch die an die socialdemokratische Getreidezoll-Jnter- pellation geknüpfte ReichStagS-Debatte klingt noch nach. Ihr ziemlich ruhiger Verlauf giebt Vieles nachzuholen. Auch in der freisinnigen Presse und selbst in der der freisinnigen Ver einigung, deren Reichstagsredner sich bekanntlich nicht für die Suspendirung der Getreidezölle zu erklären vermocht hat. Die Palme gebührt dem „Berl. Tageblatt", welches schreibt: „Infolge der Weigerung der Reichsregierung, die Zölle, welche die Getreideeinfuhr vertheuern, zeitweilig aufzuheben, ist die Brod« noth in Deutschland ein für die voraussichtlich leider sehr lange Zeit andauernder Zustand geworden." Die maßlose Aufreizung gegen Regierung und gegen bestimmte Bevölkerungsclassen, welche Herr Rudolf Masse mit dieser falschen Darstellung des Causalzusammen- hanges bei der Brodtheuerung betreiben läßt, macht es schwer, dauung viel Blut von den Verdauungsorganen verbraucht wird, das anderen Organen, darunter dem Gehirn, entzogen wird." „Pardon! Dann wäre ja das Nachmittagsschläfchen ganz gerechtfertigt, und man braucht sich dessen nicht zu schämen." „Durchaus gerechtfertigt! Doch weiter. Im Frühjahr wird nicht von den Blutgefäßen der Verdauungsorgane, sondern von denen der Haut eine erhöhte Blutzufuhr beansprucht, und damit dem Gehirn ein Theil Blut entzogen. Daß die Haut mehr Blut beansprucht, können Sie an ihrer Ausdehnung sehen. Sie werden selbst schon beobachtet haben, daß Ihnen im Beginn der wärmeren Jahreszeit die Schuhe zu eng werden, und wenn Sie Ihre Handschuhe anziehen wollen — was tragen Sie für eine Nummer?" „Nummer 9H." „Herr des Himmels! . . . Also 9), so werden Sie im Früh jahr den Wunsch verspüren, zu der nächstgroßen Nummer Uber- zugehen; die hängt, glaube ich, vor dem Handschuhladen." „Bitte, keine Verulkung, Herr Doctor. So viel ich Sie ver standen habe, wollten Sie beweisen, daß im Frühjahr die meisten Menschen deshalb so viel gähnen, weil ihnen die Schuhe zu eng werden. Wieso dehnt sich aber die Haut aus?" „Durch die wärmere Luft, die den meist noch winterlich ge kleideten Menschen umweht. Es ist ähnlich wie nach einem warmen Bade, das ja auch zunächst müde macht." „Dann müßte doch aber eigentlich ein längerer Aufenthalt in freier Frühlingsluft immer stärker ermüden, und Sie sagten vorhin, daß man durch tüchtiges Gehen die Müdigkeit über winden könne." „Bis zu einem gewissen Grade, gewiß! Denn einmal ist die linde Frühlingsluft immer noch harmloser als die ein schläfernde Luft der überheizten Zimmer, und dann können Sie bei einem Marsch in frischer, reiner Frühlingsluft durch tiefes Athmen dem Organismus so viel Sauerstoff zuführen, daß der vorherige Mangel annähernd ausgeglichen wird. Wenn Sie dann müde werden, ist eS nicht erschlaffende Frühlingsmüdigkeit, sondern die sehr normale und gesunde, die sich nach jedem starken Marsch, nach jeder starken Körperbewegung einstellt. Freilich darf man dabei nicht, wie Sie, bei 8 Grad Wärme im pelz gefütterten Mantel gehen, wie ich längst schaudernd bemerkt habe. Das mag nobel sein, aber es ist noch mehr thöricht." „Ja, ich thue es ja auch nur wegen meines Katarrhs; ich bin so empfindlich gegen Wind." „Total verkehrt, lieber Herr Müller. Sie sind nicht em pfindlich gegen Wind, sondern Sie machen sich erst krampfhaft dazu. Die Furcht vor dem Wind ist in fast allen Fällen ebenso unbegründet, wie die Furcht vor dem Zuge. Selbstverständlich werden bei gewissen Lungenkrankheiten starke Winde, namentlich die östlichen und nordöstlichen, unheilvoll wirken können. Aber für den gesunden Menschen ist das Gehen mit dem Winde und noch mehr gegen den Wind sehr dienlich; unS im Tiefland ersetzt es durch die damit verbundene größere Anstrengung zum Theil den Effect deS Bergsteigens. Der Gesunde soll sich vor keinem Winde fürchten. Und Sie sind ganz gesund, denn Ihr so genannter Katarrh ist ja doch nichts Anderes, als Ihr chronischer Rachenkatarrh, den Sie niemals los werden, so lange Sie täglich rin halbe» Dutzend Cigarren rauchen und ebenso viele GlaS Pilsener trinken." nicht das Register zu ziehen, für dessen Töne die vom „Berl. Tageblatt" pubticistisch vertretenen Gesellschaftskreise so über aus empfindlich sind. Um so schwerer, als dasselbe Blatt gleichzeitig in seinem für denkende Leser geschriebenen Tbeile, nämlich dem Handelstheile, die Treibereien der amerikanischen Getreide-Haussiers und deren preissteigernde Wirkung sehr wohl zu würdigen weiß. Die Wahlaufrufe der Parteien werden bald vollzählig sein. Es bat keinen Zweck, die bereits erschienenen und noch erscheinenden eingehend zu erörtern, denn dergleichen macht heutzutage keinen Eindruck mehr auf die Wählermassen. Immerhin mag um der auch dem Gegner geschuldeten Gerechtigkeit willen hervorgehobcn werden, daß sich der an anderer Stelle charakterisirle Aufruf der Freisinnige» Volkspartei die große Zurückhaltung auferlegt, einen Hinweis auf den durch die Bekämpfung deS Eindringens der San-Jos6-Schildlaus ohne Frage documentirten gemein schädlichen Eigennutz der Agrarier zu unterlassen. Hier bleibt der Agitation im Lande noch ein schönes Feld der Betätigung. Deutsches Reich. * Leipzig, 7. Mai. lieber den von unS tief beklagten Beschluß des Reichstages, die Vorschläge seiner Commission bezüglich der Erhöhung der Revisionssumme abzu lehnen und über die hieraus für das Reichsgericht ent stehenden Folgen wird der „Köln. Ztg." aus Anwalts kreisen geschrieben: „Die endgiltige Ablehnung der Erhöhung der Revisionssummen stellt die verbündeten Regierungen vor die Nothwendigkeit, mit Be ginn des neuen Jahrhunderts bei dem Reichsgericht einen weitern Civilsenat zu errichten. In Anbetracht der be kannten Mißstände, die hiermit verbunden sind, werden die verbündeten Regierungen sich nur schwer hierzu entschließen, aber es wird ihnen trotz aller Bedenken nicht möglich werden, hiervon Umgang zu nehmen; denn eS darf nicht dahin kommen, daß zwischen der Einlegung der Revision und der Verhandlung über dieselbe ein Zeitraum von sechs Monaten liegt. Ein solcher Nechtszustanv würde, wie mit Recht in den Verhandlungen des Reichstages gesagt wurde, der Necbtsverweigerung thatsächlich gleichkommen. Es ist schon schlimm genug, wenn eine Verhandlung vor dem obersten Gerichtshöfe nicht vor drei Monaten anberaumt werden kann, eine weitergebende Verzögerung würde unbedingt von größtem Nacktheit sein. Es wäre wünschenswerlb, daß die zur Errichtung eines neuen Senates nothwcndigen Summen schon in dem nächsten Voranschlag verlangt würden, damit der Senat am 1. Januar 1900 alsbald seine Wirksamkeit beginnen könnte. Der Reichstag wird sich der Bewilligung dieser Beträge weder entziehen „Ja, liebster Herr Doctor, ich fühle mich aber bei dem Bier und den Cigarren trotz des Rachenkatarrhs Wohler, als ich mich jemals ohne Bier und Cigarren, aber auch ohne Katarrh fühlen könnte." „Wem nicht zu rathen ist, dem ist auch nicht zu helfen. Schließlich mögen Sie nach Ihrer Faqon selig werden. Wenn Sie aber schon Ihren Gewohnheiten treu bleiben wollen, so seien Sie wenigstens so vernünftig, möglichst viel in freier Luft zu marschiren; das wird Ihrem Katarrh doch gut thun und die Schäden der Kneipenlust und des Tabakqualms paralysiren. Aber das fleißige Gehen hat noch tausenderlei andere Vortheile. Und gerade jetzt ist die beste Zeit, damit anzufangen; so lange Schnee lag oder die Wege vor Schmutz nicht gangbar waren, war es nicht sehr verlockend, und Viele hörten trotz der besten Vorsätze bald wieder auf. Aber jetzt, wo die schönen Tage beginnen, muß man seiner Fahne treu bleiben, auch wenn zwischendurch ein paarmal Regen und Stürme kommen." „Es ist doch aber eine sehr einseitige Bevorzugung der Bein muskulatur." „Da irren Sie gründlich. Das Gehen kommt dem ganzen Körper zu gute. Von der vermehrten Zufuhr frischer, sauer stoffreicher Luft habe ich vorhin schon gesprochen. Diese Wirkung ist natürlich um so intensiver, wenn man in waldreicher Gegend oder in der Nähe der See gehen kann. Ferner ist regelmäßiges, reichliches Gehen ein vorzügliches Mittel gegen Nervosität. Denn ein großer Theil von uns ist nur nervös, weil ihm ein gründ licher, tiefer, reichlicher Schlaf fehlt. Das liegt nicht nur an der meist sehr irrationellen Lebensweise, sondern auch daran, daß uns die richtige Müdigkeit fehlt. Wenn man aber täglich seine drei bis vier Stunden in strammem Schritt gegangen ist, dann ist man gerade müde genug und wird sogar so müde, daß man auch ansängt, rationeller zu leben und zeitiger schlafen zu gehen. Ich kann's aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich schlafe wie ein junger Gott und fühle mich überhaupt erst ordentlich Wohl, seit ich mir angewöhnt'habe, fast alle Besuche zu Fuß zu machen und meine Doctorkutsche hauptsächlich dazu dient, meine Schwiegermutter spazieren zu fahren." „Ja, das kann ich Ihnen nachempfinden." „Und nun denken Sie an ein anderes großes Genre von Nervösen, an die hypochondrisch Nervösen. Woher kommt diese Hypochondrie? Von Verdauungsstörungen. Und diese wieder von der sitzenden Lebensweise, die zu Blutstockungen, Störungen im Pfortadersystem, Hämorrhoiden, chronischer Verstopfung führt. Ist die chronische Verstopfung erst eingewurzelt, dann helfen die schönsten Mittel, selbst die moderne Bauchmassage, doch meist nur periodisch. Viel sicherer ist schon, allen diesen Leiden vor zubeugen durch fleißiges und regelmäßiges Marschiren. Daß durch regelmäßige ausgiebige Wanderungen rin überflüssiger Fettansatz vermieden und, soweit er da ist, wieder vertrieben wird, ist ja bekannt. Und es ist doch eigentlich vernünftiger, durch das sehr einfache Mittel des Gehens einer bei der sonstigen Lebensweise vielleicht drohenden Herzverfettung vorzubeugen, als sie nachträglich durch eine Oertel'sche Terrainkur fortbringen zu wollen. Natürlich können Sie, statt zu gehen, wenn Sie sonst gesund sind, Ihre Ausflüge auch auf dem Rade machen. Bei können, noch entziehen wollen, sie ist die nothwendige Folge seiner Stellung zu der Erhöhung der NevisionSsumme. Erfahrungen bezüglich der erhöhten Inanspruchnahme des Reichsgerichts infolge des Inkrafttretens des neuen Gesetz buches braucht man nicht abzuwarten, die bisherigen Beob achtungen genügen durchaus. Natürlich wird hierdurch auch eine Zulassung neuer Rechtsanwälte bei dem obersten Gerichts höfe nothwendiss gemacht. Ob und inwieweit es diesem dann noch möglich sein wird, dieEinheit der Recht sprechung und Rechtsauslegung zu wahren, bleibt a b z u w a r t e n. * Leipzig, 7. Mai. Herr v. Ploetz ist neuerdings wieder eine vielumstrittene Persönlichkeit — ohne dabei aber eine beneidenswerthe Rolle zu spielen. Seine Stellung in der conservativen Partei ist schon längst recht zweideutig und er fordert endlich eine reinliche Scheidung. Durch sein agita torisches Auftreten, das gegen gute konservative Sitten ver stößt, hat er das Ansehen der conservativen Partei stark ge schädigt und sie zugleich in eine höchst fatale Lage gebracht. Wenn er noch immer nicht den Muth hat, sich von den seiner Ansicht nach doch „pflaumenweichen" Männern zu sondern und mit seinem Anhang eine eigene Gruppe Hu bilden, so geschieht bas augenscheinlich in der richtigen Crkenntniß, daß eine Bündlergruppe für sich allein allen Halt verlieren und in dem unablässigen Fortschritt nach der radicalen Seite hin selbst über Herrn v. Ploetz zur Tagesordnung übergehen könnte. Schon jetzt scheint er za im Bunde, nur noch an zweiter Stelle zu stehen und eifersüchtige Regungen nicht mehr ganz unterdrücken zu können, wenn der „Hannov. Cour." Recht hat. So ist es rein menschlich und darum verzeihlich, wenn er die Rückversicherung mit Fer conservativen Partei nicht gern aufgiebt. Aus dieiem Gesichtspunkte ist es auch zu verstehn, wenn Herr v. Ploetz stets seine conservative Seele wieder- findet, wenn er vor conservativen Richtern steht: so auf dem Dresdner Parteitage, so jetzt neuerdings nock in einer con servativen Fractionssitzung. In dieser hat Herr v. Ploetz, wie die „Schles. Ztg." mittheilte und die „Conservat. Corr." bestätigt, die Bündlertritte gegen den „pflaumenweichen" Grafen v. Roon im Wahlkreis Minden-Lübbecke höflichst znrückgenommcn, und die „Conserv. Corr." freut sich schon, der „Staatsbürger-Ztg." gegenüber die treue Anhänglichkeit des Herrn v. Ploetz an die conservative Partei betonen zu können. Das Organ der Conservativen scheint sich aber leider trügerischen Hoffnungen binzugeben, denn die Treue des Schloßherrn von Dötlingen ist nicht ganz zweifelsohne. Kanin hat er die Thüre des conservativen Fractionsziinmers ganz leise und säuberlich geschlossen, da knallt er wieder lustig mit der Peitsche und jagt die bündlerische Karre über Stock und Stein. Man lese nur die Rebe, die dieser Herr in der letzten Reichstags sitzung bei Besprechung der socialdemokratischen Interpellation betreffend die Getreiderölle gehalten haben würde, wenn der Radelei liegt nur immer die Gefahr der Uebertreibung, der übermäßigen Anstrengung vor." „Schön, Herr Doctor, ich will Ihren Rath beherzigen, vielleicht bekomme ich meine schöne Taille wieder." „Aber fest bei der Stange bleiben. Uebrigens genügt das Gehen allein noch nicht; jetzt ist auch gerade die rechte Zeit, Ihre Lebensweise auch nach anderer Richtung zu verbessern." „Wollen Sie schon wieder dem armen Manne das Bier und den Tabak verekeln?" „Diesmal nicht. Es handelt sich um eine Eßangelegenheit. Sie wissen ja, daß ich meine Praxis meistens in den sogenannten besseren Ständen habe. Und wenn ich mich verwundert frage, warum sehen diese gutbemittelten, behaglich lebenden Leute, trotz dem daß sie sich Alles gönnen können . . ." „Und trotz Ihrer vorzüglichen Behandlung!" „Kleiner Schäker! — also warum sehen diese Leute ge wöhnlich immer blaß und elend aus, so sage ich mir, das liegt nicht nur an der Stubenhockerei, sondern größtentheils an der irrationellen Ernährung. Die Leute glauben alle, je mehr Fleisch sie in sich hineinstopfen, um so gesünder müssen sie werden, weil sie so eine unbestimmte Ahnung haben, daß Fleisch nahrhaft ist. Natürlich ist es das, aber jede einseitige Er nährung ist schädlich. Die meisten Mütter sind glücklich, wenn ihre kleinen Sprößlinge Abends von dem belegten Butterbrode nur den Belag essen. Dabei wäre es zehnmal gesünder, wenn das Kind, das Mittags jedenfalls schon Fleisch bekommen, Abends nur ein Glas Milch und ein unbelegtes Butter- oder Schmalzbrod bekommt. Gemüse vollends werden von Kindern und Erwachsenen geringschätzig behandelt. Jetzt aber, wo bei dem beginnenden Frühling auch die Gemüsesaison beginnt, sollten Sie, Verehrtester Herr Müller, und Ihre Familie und tausend Andere anfangen, Ihrer Nahrung gründlich Gemüse zu zusetzen, und dann im Sommer ebenso Obst. Ich bin gewiß kein Fleischvcrachter und Vegetarianer, aber der Mensch ist nun einmal kein Raubthier, kein Fleischfresser, sondern für gemischte Kost organisirt. Und nur dann kann er sich auf die Dauer wohl befinden." „Schön, schön, ich will Alles versuchen und hinfort wie Esau ein Linsengericht jedes Preises Werth erachten. Aber sagen Sie mir nur noch eins. Wenn jetzt so die rechte Zeit für Ge sundheit ist, wieso haben Sie denn gerade jetzt so viele Patienten?" „Das liegt an vielen Gründen, ober an den „linden Lüften" liegt es nicht. Da spricht mit: Unterschätzung der Boden temperatur, Sitzen im Freien, vorzeitiges Anlegen von Sommer wäsche, namentlich dünner Strümpfe; dann vor Allem schlechte Heizung; entweder überheizte Zimmer oder vorzeitiges Ein stellen der Heizung beim ersten Sonnenschein. Datz ist sicher: die meisten Frllhjahrsaffectionen holt Dan sich im Zimmer. Doch ich bin am Ziele, leben Sie Wohl." „Adieu, Herr Doctor! ES lebe die Bewegung im Freien, eS leben die linden Lüfte!" „Und die gemüseessende Menschheit! Adieu!"
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