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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980516028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898051602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898051602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-16
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderung VO.—, mit Postbeförderung 70.—. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Annahuteschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. 245. Montag den 16. Mai 1898. 82. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. —p. Noch sind die feindlichen Flotten nicht auf einander gestoßen, um sich in entscheidung-vollem Kampfe zu messen. Nach einer New Aorker Depesche au- Cap Haiti befindet sich vaS Geschwader des Admirals Sampson bei Puerto Plata an der Südküste von Haiti, während rin Theil der spanischen Flotte sich gerade gegenüber aber weit genug entfernt bei Cura?ao, einer Insel an der Küste von Venezuela, befindet. Wir erhalten darüber folgende Meldungen: * New Kork, 15. Mai. Nach einer Depesche deS „New York Herold" aus Willemstad auf Cura?ao trafen gestern die spanischen Kreuzer „Maria Teresa" und „Bizcaya" dort ein. DaS Panzerschiff „Christobal Colon", der Kreuzer „Almirante Oquendo" und zwei Torp ed ozerst ör« r kreuzten außerhalb de- Hafens. * NewHork, 16. Mai. (Telegramm.) Die „Evening World" veröffentlicht folgende Depesche auS Cura?ao vom 1k. Mai Vormittag» 10 Uhr: Die spanischen Panzerschiffe „Maria Teresa" und „Bizcaya" verweilen hier, um Kohlen einzunehmen; die anderen spanischen Schiffe warten außerhalb des Hafens. Beide Geschwader scheinen einen Zusammenstoß noch ver meiden zu wollen. In Madrid will man wissen, die spanische Flotte sei von Cura?ao bereits aufgebrochen und befinde sich in der Nähe von Cuba. Neber die weiteren Operation-plänr verlautet noch nichts. Wie aus Rio de Janeiro gemeldet wird, trafen die amerikanischen Kriegsschiffe „Oregon", „Marietta" und „Nictheroy" in Bahia ein, dieselben sollen sich mit der Flotte Sampson's vereinigen. Der Dampfer „Rio de Janeiro", der in Pernambuco ankam, bemerkte Mittwoch Nacht drei Schiffe, welche in der Richtung auf da- Cabo de S. Agostinbo zu kreuzten. Es sind vermutblich spanische Fahrzeuge, welche Befehl haben, die amerikanischen Panzer abzuschneiden. Während fast Alles voller Erwartung nach den Gescheh nissen auf hoher See auSschaut, halten die Spanier auf Cuba sich den wiederholten Landungsversuchen der Amerikaner gegenüber fortgesetzt äußerst tapfer und sind bis jetzt stets erfolgreich gewesen. Auch bei CienfuegoS. That- sächlich hat auch dort ein heißer Kampf stattgefunden und eS handelte sich nicht um eine Verwechselung mit CardeuaS. Dies ist übrigens, wie wir schon mitthe'lten, abermals ver geblich von drei amerikanischen Kriegsschiffen beschossen worden. Unter den abgeschlagenen Landungsversuchen ist auch noch ein solcher an der Küste bei Banes zu erwähnen, wo die Ameri kaner durch Artillerie, Infanterie und Cavallerie zurück geschlagen wurden. Einige Granaten schlugen auf das Deck der feindlichen Schiffe ein, worauf sich die Amerikaner sofort zurückzogen. Die Spanier hatten keine Verluste. Das Transport schiff „Gussie" ist nach Key West zurückgekehrt, nachdem sein Versuch, Munition und Gewehre für die Aufständischen aus Cuba zu landen, mißglückt war. Einen ungleich größeren Erfolg aber haben die Spanier, wenn Privatttelrgramme aus Havannah nicht Übertreiben, dort gegen die amerikanische Blockade zu verzeichnen. Man meldet unS: * Madrid, 15. Mal. Gestern gegen 5 Uhr Nachmittags fetzten sich der spanische Krenzer II. Classe „Conde de Venadito" und das Torpedo - Kanonenboot „Nurva Espaüa", unter begeisterten Beifallsrufen der auf den Quais Kopf an Kops gedrängt stehenden Menschenmenge, gegen drei zum Blockadrgeschwader gehörige amerikanische Kriegsschiffe in Bewegung. Sie griffen dieselben au und er öffneten das Feuer. Bei jedem Kanonenschuß ries die Menge: „Es lebe Spanien!" Plötzlich hörte eins der amerikanischen Schiffe au zu seuera und ließ sich von einem anderen in- Schlepptau nehmen, worauf alle drei den Hasen verließen. Di« panischen Schiffe nahmen darauf ihren Ankerplatz uutrr den leb haften Zurufen der Menge wieder rin. Die von nordamerikanischer Seite gegen den in Canada weilenden vormaligen spanischen Gesandten BernabS erhobene Anschuldigung der Spionage wird von halb amtlicher spanischer Seite al- lächerlich bezeichnet. Um über alle militairischen und maritimen Vorgänge der Vereinigten Staaten genaue Kenntniß zu erhalten, sei rS nur nothwendig, alle bedeutenden Zeitungen Nordamerika- genau durchzusehen, in denen sämmtliche Plane d«S Angriffs, der Küstenverthei- digung, der TruppenauShebung rc. mit einer für europäische Begriffe völlig unbegreifbaren Genauigkeit mitgetheilt und erörtert würden. Die spanische Regierung werde demnach über Alle- hinlänglich unterrichtet, wenn sie nur täglich telegraphische Auszüge aus den nordamerikanischen Zeitungen erhalte. Jetzt hört man auch wieder Näheres von denPhilippinen. So ist, wie un» ein Telegramm aus Washington meldet, von Admiral Dewey folgende, vom 15. Mai datirte Nachricht au- Cavite eingetroffen: „Die Blockade wird stricte auf recht erkalten. Man hat Grund zu der Annahme, daß die Aufständischen die Stadt von der Landseite einschließen, doch haben sich noch keinerlei Demonstrationen geltend ge macht. Wahrscheinlich wird der Mangel an Nahrungs mitteln wohl den spanischen Gouverneur zwingen, sich binnen Kurzem zu ergeben. Manila kann jeden Augenblick fallen. DaS Wetter ist heiß und feucht. DaS Kanonenboot „Callao" wurde am 12. Mai bei dem Ver suche, die Blockade zu brechen, weggenommen. Wir haben genügend Kohlen. Ein englisches, ein französische-, zwei deutsche und ein japanisches Kriegsschiff warten hier den Gang der Ereignisse ab." Ueber den Versuch des „Callao", die Blockade zu durchbrechen, erhalten wir noch folgende Nachricht: * Hongkong, 15. Mai. Der hier «»gekommene Aviso „Mac Lulloch" bringt die Nachricht, da- spanische Kanonenboot „Callao", welches von den Carolinen gekommen und ohne Kenntniß von der Eröffnung der Feindseligkeiten in den Hafen von Manila hineingefahren sei, fei von den Amerikanern weggenommen worden. Die Amerikaner hätten zunächst blind gefeuert und da- Schiff durch Signale aufgefordert, sich j« ergeben. Die „Callao" habe diese Aufforderung nicht beachtet, al- ober dann di« Amerikaner scharf schossen, die Flagge gestrichen. Dasselbe Hongkonger Telegramm berichtet weiter, die Aufständischen auf den Philippinen hätten den Admiral Dewey um die Erlaubniß gebeten, die Stadt Manila an- zugreifen. Dewey hätte seine Zustimmung hierzu gegeben unter der Bedingung, daß keine Ausschreitungen begangen würden. Die Insurgenten hätten ihm erklärt, daß sie, ab gesehen von ihren Messern, keine Waffen hätten. Dewey habe geantwortet, sie sollten sich Waffen aus dem Arsenal von Cavite nehmen. Die Stadt Manila sei indessen noch nicht angegriffen. Der Weg von Cavite nach Manila werde von 5000 Spaniern bewacht. DaS Gerücht, daß Amerikaner von Aufständischen niederaemacht seien, sei unbegründet. Es habe sich nur um eine Polizei- Angelegenheit gehandelt, bei der aber Niemand verletzt sei. In Manila herrsche große Noth, die Bevölkerung lebe von Pferdefleisch. An eine baldige Occupation der Philippinen durch die Amerikaner dürfte aber nicht zu denken sein. Auch in Washington giebt man sich darüber keinen Illusionen hin. Da mehrere Sachverständige sich dahin geäußert haben, daß die Zahl der Truppen, welche zur Unterstützung des Generals Dewey abgeschickt werden sollten, zu gering bemessen sei, soll die Zahl sehr vermehrt werden. Man hofft, eS würden binnen 14 Tagen 15 000 Mann nach Manila abgehen. 1300 Freiwillige werden wahrscheinlich heute abfahren. Sobald sie dort angekommen sind, wird Admiral Dewey die Stadt zur Uebergabe auffordern unter der Androhung, daß er sie sonst bombardiren werde. Sobald die Capitulation erfolgt ist, werden diese 1300 Mann die Ordnung in der Stadt aufrecht halten. Die große Armee, welche dem General Merritt unterstehen wird, wird die Inseln des Archipel- besetzen. Auch die Spanier rühren sich um die Philippinen. Wie unS aus Madrid, 15. Mai, gemeldet wird, gehen mit dem Transportdampfer „BaleareS" am Mittwoch 5000 Mann Ver stärkungen dorthin ab. .... Die spanische Ministerkrise ist noch nicht beseitigt. ES steht fest, daß mehrere Minister ihre Entlassung geben werden und daß die Königin-Regentin Sagasta mit der Neubildung deS Cabinets betrauen wird. Von Interesse ist die Meldung, daß der König der Belgier am Sonnabend in Madrid eingetroffen ist. Er nahm gestern das Frühstück bei der Königin-Regentin ein und reiste Nachmittags nach Paris weiter. Die Minister begleiteten den König nach dem Bahn hof. Man geht wohl nicht fehl mit der Annahme, daß ein neuer Vermittelungsversuch im Zuge ist. Politische Tagesschau. * Leipzig, 16. Mai. Dem Versuche deS klerikalen ReichStagSabzeordneten Müller-Fulda, durch die Behauptung, es sei ein Gesetz entwurf, betr. die Abänderung des verfassungsmäßigen Reichstagswahlrechts, in Vorbereitung begriffen oder gar schon ausgearbeitet, den „Kampf umS Wahlrecht" zur Wahlparole zu machen, ist der „Reichsanz." bekanntlich mit der Versicherung entgegengetreteu, daß innerhalb der Regierung keinerlei Erwägungen stattgefunden haben, die auch nur im Entferntesten Anlaß zu einer solchen Nachricht bieten könnten. Diese» Dementi verjucht nun Herr Müller abzuschwächen durch eine Erklärung in der „Fuld. Htg.", die für die KampfeSweisc deS UltramontaniSmuS höchst charakteristisch ist. Es heißt in ihr: I) Herr Müller hat von „Erwägungen innerhalb der Regierung" überhaupt nicht gesprochen. 2) Derselbe hat erwähnt, daß ein derartiger Entwurf im Ministerium eines Bundes- staates ausgearbeitet worden sei, und die Befürchtung aus gesprochen, daß, wenn die Neuwahlen eine hinreichende „Cartellmehrheit" ergeben sollten, das ReichStags-Wahlrecht ge- fährdet fei. Das unterliegt auch für un» keinem Zweifel, und da- Dementi des „Reichsanz.", welches sich auf Angaben bezieht, die gar nicht gemacht worden sind, erscheint dem gegenüber völlig belanglos. Wirkungsvoller wäre eS jeden falls gewesen, wenn die verbündeten Regierungen die Ver- anlassung benutzt hätten, um zu erklären, daß sie einer Be- schränkung des allgemeinen, gleichen, directen, geheimen Reichstags - Wahlrechtes niemals ihre Zustimmung geben würden. Immerhin ist es als ein lobenswerthes Ent gegenkommen der Regierung anzuerkenneu, daß sie diese Erklärung in ihrem amtlichen Organe abgiebt, und Niemand braucht nach dieser Erklärung noch Zweifel daran zu hegen, daß eS der gegenwärtigen Regierung ernst ist mit ihrer Absicht, an dem Reichstags-Wahlrecht nicht rütteln zu wollen. Herr Müller gesteht also in dem letzten Satze zu, durch den „Reichsanzeiger" völlig davon überzeugt worden zu sein, daß die gegenwärtige Regierung an dem Reichstags-Wahl recht nicht rütteln werde. Gleichwohl nennt der Verfasser vorher das Dementi des „Reichsanz." „völlig belanglos"! Dieser grobe Widerspruch wird auch nicht gemildert durch einen Hinweis auf die Möglichkeit eines Kanzlerwechsels, denn auch »in neuer Kanzler kann nicht mir nichts dir nicht- den BundeSrath — und nur dieser kann im Zu sammenhänge mit einer Abänderung der Reichsverfassung unter „Regierung" verstanden werden — einen das bestehend« Reichstagswahlrecht schirmenden in einen dieses Recht be kämpfenden verwandeln. Die dem Eingeständnisse des Herrn Müller voraufgrschickte Behauptung, das amtliche Dementi sei „völlig belanglos", kann also nur den Zweck haben, das Eingeständniß selbst belanglos erscheinen zu lassen, und nur dem gleichen Zwecke können die Behauptungen dienen, im Falle der Wahl einer hinreichenden „Cartellmehrheit" im neuen Reichstage erscheine das ReichstagSwahlrecht ge fährdet, und eine nicht genannte Einzelregierung (etwa Reuß ä. L. ?) habe einen dieses Recht bedrohenden Gesetzentwurf bereits ausarbeiten lassen. Trotz alles angeblichen Vertrauens des Herrn Müller in die Absicht der Regierung, am Reichs tagswahlrechte nicht zu rütteln, sucht also dieser Herr bei anderen Leuten und besonders bei der nach einer Wahlparole begierigen Socialdemokratie die Sorge vor einer Beschränkung dieses Wahlrechts aufrecht zu erhalten. Und was kann er damit beabsichtigen? Es m u ß ihm doch klar sein, daß er durch die Er haltung dieser Sorge Wasser auf dieMühle derSocialdemokratie leitet. Und ferner muß ihm klar sein, daß lediglich ein bedrohliches Anwachsen der socialdemokratischen Mandate in Regieruugskreisen die Neigung zur Aufrechterhaltung deS Reichstagswahlrechtes in Abneigung verwandeln könnte, ja wohl müßte. Liefert nun Herr Müller der Socialdemokratie Agitationsstoff, so fördert er gerade das) was da» Reichstagswahlrecht in Gefahr bringen könnte. An diesem Rechte kann ihm also gar nicht viel gelegen sein, sonst würde er das socialdemokratische Agitationsmaterial nicht zu bereichern sich bemühen. ES kann ihm also lediglich darum zu thun sein, die Wahl einer „Cartellmehrheit" zu Hintertreiben, selbst auf die Gefahr hin, daß ein bedrohliches Anwachsen der socialdemokratischen Mandate eine Gefahr für das ReichstagSwahlrecht berbeiführk. Herr Müller-Fulda steht übrigens mit dem Leichtsinn, mit dem er das Thema der Abänderung des ReichStagswahlrechts behandelt, leider nicht allein. Auch cartellfreundliche Blätter behandeln dieses Thema zuweilen in einer Weise, die nur dazu führen kann, der Socialdemokratie Stimmen zuzusühren. Allen diesen Blättern muß zu Gemüthe geführt werben, baß das verfassungsmäßige ReichstagSwahlrecht so lange kein Uebel, sondern ein Segen ist, so lange die bürgerlichen Parteien die Socialdemokratie sich nicht über den Kopf wachsen lassen. Nur diesem Wahlrechte danken wir es, daß „dieser" Reichstag dir Heeres- und Flotten verstärkung bewilligt, das Bürgerliche Gesetzbuch und die Militairstrafproceßreform angenommen hat; nur der Furcht vor einem Appell an daS Volk. Aus einem Segen wird es zu einer Gefahr nur, wenn die bürgerlichen Parteien durch Uneinigkeit der Socialdemokratie fort und fort neue Mandate förmlich zuschieben. Und wird diese Gefahr zu einer wirklich das Reich bedrohenden, dann macht vielleicht die Reaction nicht Halt hinter den Resten des ReichStagswahlrechts! Man bedenke daher wohl, was man thut, wenn man am Reichstags wahlrechte nörgelt, dadurch gefährlichen Zündstoff in die Massen schleudert und eine Gefahr heraufbeschwört, zu deren Abwendung Gesetze und Verfassungsänderungen vielleicht nicht genügen. Die socialdemokratischc Presse betont sehr eifrig, daß die socialistischen Deputirten Turati und Rondani während des Kampfes in Mailand sich bemühten, die aufgeregte Feirrlletsn» Die Herrin von Echtersloh. 17j Roman von Toni Krüger. Nachdruck »rrbotkn. Sie blickte ihn voll innigster Zärtlichkeit, voll seligsten Glückes an. „Ich habe Dich so lieb, so lieb. Du einziger Mann, wie sonst nichts auf der Welt! Ich will Dir angehören, und meine Liebe ist ewig, mein Achim!" gelobte sie mit ernsthaftem Gesichtchen, indem sie die Arme fester und fester um seinen Nacken schlang. Besorgt sagte sie dann: „Doch nun mußt Du zu Hause, Ge liebter, aber — wirst Du auch stark genug sein, den weiten Weg zum Schlöffe zurückzulegen, oder wollen wir erst im Forsthause einkehren?" „Ich bin ganz wohl und freue mich auf den gemeinsamen schönen Weg mit Dir. Freilich, viel Staat wirst Du dort nicht mit Deinem Bräutigam machen", erwiderte Joachim lächelnd. „Du armer Schatz, könnte ich doch Deine Wunde heilen. Ich fürchte noch immer, daß Du viel Schmerz erduldest." „Ganz und gar nicht! Gräme Dich nicht, mein geliebtes Mädchen. — Welchen Schatz hat mir der Himmel in Dir ge schenkt, und bei Gott, ich will ihn hüten!" setzte er hinzu und legte wie bekräftigend seinen Arm um ihre feinen Schultern, um mit ihr den Rückweg nach dem Schlöffe anzutreten. Plötzlich blieb Margot stehen und sagte, sich besinnend: „Der böse Mensch, wo mag er geblieben sein? Wird er Dir nicht auf» Neue nachstellen?" „Da- laß Dich nicht beunruhigen, Geliebte, der Bube glaubt mich verwundet und weiß, daß ich ihn kenne. Er wird sich be eilen, die Gegend zu verlaffen." „Wer war der schreckliche Mensch, Achim?" „Kein anderer als Heinrich», der entlassene Holzschläger", erwiderte der Baron. „O, die Drohung, die schreckliche Drohung seiner Mutter!" rief Margot entsetzt, „da» also war die That, mit der er sich rächen wollte!" „Ich war unvorsichtig", sagte Joachim, „mich unbewaffnet in den Wald zu begeben. Ich verließ Asra, um den Forstgarten in Augenschein zu nehmen, und als ich gerade jenseit der jungen Fichten ins Freie trat, bekam ich den Schuß aus dem hohen Holz, in dem der Schuft sofort verschwand." „Das war Gottes Hand", erwiderte Margot, dankbar zum Himmel blickend, „Die Dich errettete und uns vereinte. Wie ich nur immer neben Dir leben konnte, ohne zum Bewußtsein meiner Liebe zu Dir zu kommen! Erst der Augenblick der höchsten Gefahr, der schreckliche Gedanke, daß Du schwer verwundet seiest, zeigte mir, wie unauflöslich das Band ist, das mein Herz an das Deine fesselt, wie unüberwindlich die Liebe in meiner Seele erwacht ist." Er verschloß ihren süß plaudernden Mund mit heißen Küssen, und Asra scharrte verwundert und ungeduldig den Schnee ob der vielen Unterbrechungen. Plötzlich wurde der Baron ernst. „Und Herbert?" fragte er, in ihre Augen schauend. „Ich liebe ihn nicht", erwiderte sie mit klarer Stirn und offenem Aufblick, „ich konnte nicht anders, als seine Zärtlichkeiten zurückweisen." „Du hast ihn abgewiesen, mein Lieb?" rief Joachim über rascht, „so weit war e- also gekommen, daß er wagte, Dir zu nahen, und ich ließ es ahnungslos geschehen!" Eine tiefe Zorn falte zeigte sich auf seiner Stirn. „Sieh nicht so bä- aus, bitte, bitte, lieber Achim, und laß Deine lieben Augen wieder hell glänzen, wie vorhin", bat sie, mit weicher Hand über seine Stirn streichend, „Herbert liebte mich so sehr und ich durfte ihm nicht Übel nehmen, daß er Gegen liebe bei mir zu finden erwartete. — Doch wies ich seinen Ver such, mich zu umarmen, energisch zurück. ES muß ihm doch furchtbar nahe gegangen sein, denn er war ganz blaß und weinte wie ein Kind. Als ich nachher inS Schloß zurückkehrte, war er fort. Bitte, bitte, sei ihm nicht böse!" Die Zornfalten waren längst von dem Antlitz des Barons ge schwunden. Seine Augen leuchteten wieder in strahlendem, durchsichtigem Blau, und er schaute entzückt auf das reizende Mädchen an seiner Seite. „Du hast Recht, Beliebte", erwiderte er sanft, „in unserem Glück steht uns Milde und Güte besser an als Zorn und Härte. Wir wollen un» dankbar erzeigen für unser selige» Glück und ihm mehr zuwenden al» nur unsere Vergebung. Höre mich an, mein holdes Lieb, und sage dann Deine Meinung: Herbert ist ein herzensguter Junge, aber er hat wohl nicht die richtige Erziehung genossen. Er hätte in seiner Jugend, anstatt mit der verzärtelnden, nachsichtigen Liebe der Mutter, mit gehöriger Strenge behandelt werden müssen! Herbert kam dann in die Garnison, verwöhnt von allen Menschen, die der flotte, junge Officier, der „schöne Graf", im Sturm für sich gewann, und fiel sehr bald der Versuchung in die Hände. — Er lebie Uber seine Verhältnisse, verlor im Spiel nicht unbeträchtliche Summen und hat augenblicklich Schulden, die er nicht bezahlen kann. Daß er nun von Dir zurückgewiesen worden ist, wird ihn, wie ich hoffe, aufrütteln. Er wird seine Verhältnisse klar übersehen und sich sagen, daß er so nicht weiter leben kann, daß er in andere Bahnen lenken — oder untergehen muß. Ich habe einen alten Freund in seiner Garnison, der mir auf meine Erkundigung be richtet hat, daß Herbert jetzt wirklich auf dem besten Wege ist, ein ordentlicher und tüchtiger Mann zu werden. Er hat es ver standen, seinen neuen Eommandeur, der ein etwas schwieriger Herr sein soll, ganz für sich zu gewinnen und sich ihm unentbehrlich zu machen. Es giebt jetzt im Regiment keinen strebsameren Officier! Das Beste aber ist, daß er sich aus dem Kreise seiner allzu flotten Kameraden mehr und mehr zurückgezogen hat. Ich habe mich daher entschlossen, seine Verhältnisse zu ordnen, wozu meine Ersparnisse gerade ausreichen werden." Die glückliche Braut warf sich fast ungestüm an seine Brust und hielt ihn fest umschlungen: „Mein Achim, wie groß und gut Du bist, ich fühle mich fast unwerth, Deine Braut zu heißen!" Es war fast ganz dunkel, als das junge Paar im Schlosse anlangte. Friedrich, der ihm im Vestibül entgegentrat, brach beim Anblick des verwundeten Barons in einen Schreckensschrei aus und ließ sich nur schwer beruhigen. „Aber Friedrich, sei doch vernünftig. Es ist nur ein un bedeutender Streifschuß, der bald wieder geheilt sein wird. Schau un» doch an, sehen wir etwa bekümmert aus?" In der That bemerkte Friedrich, daß aus Beider Augen ein heißer Glücksstrahl brach, und ganz verwirrt blickte er von Einem zum Andern. „Du sollst der Erste sein, Friedrich", rief jetzt Margot da zwischen, „der unser Glück erfährt: Bor Dir steht ein Braut paar!" Um Fri«drich's Fassung war'» nun vollkommen geschehen, er stand sprachlos mit weitgeöffneten Augen und zitternden Knien. Dann aber brach sich seine übermächtige Bewegung Bahn und mit überströmenden Augen, die Hand seiner geliebten Herrin ergreifend, stammelte er, fast überwältigt von der plötzlichen Freude: „Gott segne Sie, mein Comteßchen, und Sie, Herr Baron! Wenn das doch der selige Herr Graf noch erlebt hätte! Es ist immer sein stiller Wunsch gewesen!" Während der schnell herbeigerufene Arzt des Barons Wunde regelrecht verband, eilte Margot in ihr Zimmer. Joachim mußte lachen, als er sich, vom Arzt entlassen, in den Spiegel sah. Die weiße Binde, die, den Verband festhaltend, den ganzen Kopf umgab, stand ihm sehr schlecht, und erpreßte ihm die ironischen Worte: „Arme Kleine, Du hast einen bildschönen Bräutigam!" Als er seine Toilette beendet hatte, klopfte er an die Thür der Gräfin. Bei seinem Anblick stieß auch sie einen Schreckensschrei aus, ließ sich jedoch leichter beruhigen als Friedrich. „Frau Gräfin werden entschuldigen, wenn ich störe", sprach der Baron höflich und kalt. „Ich komme, um Euer Excellenz die Mittheilung zu machen, daß ich mich mit Comteß Margot verlobt habe!" Die Gräfin stand hochaufgerichtet am Kamin, dessen Flammen ihr Gesicht grell beleuchteten. Einen Augenblick flog es wie ein Zucken durch ihre Glieder, ihre Hände ballten sich, die Augen nahmen einen stechenden Glanz an, und ihre Züge ver zerrten sich, wie von grimmigem Haß. Aber nur einen Moment dauerte die Bewegung. Mit eiserner Willenskraft bezwang sie sich; unter keinen Umständen durfte der Baron ihre grenzenlose Enttäuschung, ihren furchtbaren Zorn bemerken. Sie war zu stolz, ihm zu zeigen, daß er durch seine Verlobung mit der Comtesse all' ihr Hoffen zerstört hatte. Den Kopf hebend, zwang sie ein Lächeln auf ihre Lippen und streckte ihm die Hand hin. „Meinen Glückwunsch, Baron", sagte sie mit bebenden Lippen, „Sie verstehen es, die Leute zu überraschen, ich hatte keine Ahnung von dem bevorstebenden Ereigniß." Der Baron ergriff mit freundlichem Lächeln ihre ei»kalte Hand. Sie dauerte ihn, daß nun ihre Hoffnung, den Sohn glücklich zu machen, vernichtet war. Ihr» Excellenz hatte ihr« Unbefangenheit wiedergewonnen.
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