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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980616011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898061601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898061601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-16
- Monat1898-06
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Da und dort war in den Ausrufen und Versammlungen solcher Parteigenossen, die mit Vorliebe ihren deutschen Charakter betonen, vom Reiche und seinen Bedürfnisse» gar nicht, von den Wünschen und Forderungen einzelner Erwerbs kreise ausschließlich die Rede. Ein großer Jrrthum aber wäre eS, zu wähnen, daß für das Vaterland, das Reich, die heutige Wahl gleichgültiger wäre, als irgend eine der vorauSgegangenen. Wir haben für fünf Jahre die Volksvertretung zu bilden und was ein schlechter, nur auf seine Rechte pochender, aber keine Pflichten kennender Reichstag bedeutet, wir haben eS mehr al» einmal erlebt. Selbst mit einem so starken und geschickten Lenker, wie Fürst Bismarck war, haben solche Reichstage das Staatsschiff ins Stocken zu bringen vermocht. Ob die nächsten fünf Jahre nicht Unvorgesehenes bringen, daS an die Besonnenheit und das Pflichtgefühl der Ab geordneten die größten Anforderungen stellt, wer kann eS wissen? In der inneren wie in der auswärtigen Politik sind Krisen möglich. Wenn aber auch, wie wir hoffen, nichts dergleichen ein trifft, so wird doch auch der nächste Reichstag eine Exist enz- frage des Reiches zu lösen haben. In den wirthschaftSpolitischen Aufgaben, die ihm ge stellt sind, steckt mehr als die Frage: „Wie soll dieser und jener Artikel verzollt werden?" und mehr als die Frage: „Soll dieses oder jenes WirthschaftSgesetz gemacht werden oder nicht?" Es gilt vielmehr für den Reichstag, den inneren Frieden berzustellen, der durch die Kämpfe der bürgerlichen Erwerbsgruppen gestört ist und der in einen Krieg Aller gegen Alle auSzuarten droht — zum Vortheil der Social demokratie, die ihn deshalb schürt. Es gilt, für jeden redlichen Erwerb das Mögliche zu erreichen, aber auck dafür zu sorgen, daß auf keiner Seite der Bogen zu straff gespannt werde. Denn es giebt keine zwei Erwerbsgruppen, die nur gleiche Interessen hätten, und eS giebt in Deutschland keine Erwerbsgruppe, die, sei sie noch so groß, für sich allein den übrigen dictiren könnte. Das muß sich Jeder vor Augen halten, der ehrlich eine Sammlung will. Und die Sammlung muß zu Stande kommen, wenn anders nicht alle Erwerbsinteressen auf die Dauer Schaden nehmen uud wenn nickt die Socialdemo kratie die ausschlaggebende, die über die hadernden bürger lichen Erwcrbsgruppen richtende Partei werden soll. Ob sie einem solchen Zustande die Wege ebnen wollen, das werden heute die Wähler gefragt. Darum rufen wir den auf dem Boden unsere« Staates stehenden Bürgern vor Allem zu: Kommt zur Wahl! Kommt unter allen Umständen zur Wahl, welcher bürgerliche Candidat auch der Euch nächststehende sein mag! Die Socialdemokraten werden kommen bis auf den letzten Mann. Sie treibt der Haß gegen das Vaterland, gegen die Grundlegung unserer Ordnung, gegen Alles, waS uns Werth und theuer ist, zur Stelle. Soll die Liebe zum Vaterlande und den unschätzbaren Gütern, die eS bietet, sich schwächer zeigen als feiner Feinde Haß? Die Socialdemokratie findet eS in neuerer Zeit für gut, unter einer MaSke aufzutreten, sie verschleiert ihre wahren Ziele, sie verleugnet ihr wirkliches Vorbild: die Pariser Commune. Sie thut dies, um Wähler vor ihren Wagen zu spannen, die vom Umsturz nichts wissen wollen. Die Socialdemokratie sucht auch über ihre Unfruchtbar keit, über ihre Thatenlosigkeit im Reichstage zu täuschen. So rühmt sie sich z. B. ihres Eintretens für die unteren Beamten. Aber die socialdemokratischen Reichstagsabgeord neten stimmten für keine einzige Gehälter-Aufbesserung so, daß sie den Beamten auch wirklich zukommen konnte. In der letzten, in der entscheidenden Abstimmung ver weigerte sie regelmäßig jede Bewilligung. Wie die Socialdemokratie die socialpolitischen For derungen überhaupt fälscht, so hat sie die Arbeiter auch bei der Arbeiterversicherung, beim Arbeiterschutzgesetze, im Stiche gelassen. Dennoch ist eine Partei aufgetreten, die sich gerade in der Behandlung der Arbeiterfragen eins mit der Socialdemokratie erklärt. Sie gießt Oel in das revolutionaire Feuer, von dem sie gesehen hat, daß eS nur verzehrt, nicht erwärmt. Von ihr haben Arbeiter wie Arbeitgeber gleichmäßig nichts zu hoffen. Das wirklich bürgerliche Element des Wahlkreises Leipzig- Stadt theilt sich in zwei Lager. Es gilt zu erwägen, welcher der beiden Candidaten den Sieg über die Umsturzpartei besser verbürgt, welcher als Gewählter im ReickStage der leistungs fähigste sein würde. Die Deutsch-Socialen sind durch einige ihrer Führer mit der conservativen Partei so tief verwindet worden, daß daS bei einer etwaigen Stichwahl fick bemerkbar machen könnte. Von links haben die Deutsch-Socialen ohnehin nichts zu hoffen, obwohl sie anderwärts der freisinnigen Volkspartei Eugen Richter s oft zum Siege über die Conservativen ver halfen haben. Ein gewählter Deutsch-Socialer aber hätte gegen sich, daß er einer radikalen Partei angehört und daß der bürger liche Radikalismus dem socialistischen Umstürzlerthum, wenn auch ohne es zu wollen, den Boden bereitet. Ein Deutsch-Socialer im ReickStage gehörte zu einer Gruppe, die sich bisher nicht zu bethätigen vermochte, nicht wegen ihrer Kleinheit, sondern weil sie in den wichtigsten Fragen auseinander ging, wodurch häufig genug die Ja und Nein sich aufhoben. Ein Deutsch-Socialer im Reichstag müßte mit einer Fraktion zusammenstimmen, deren Führer wohl zum Theil durch Rednergabe, nicht aber durch Sachkenntniß und sachliche Behandlung der Gesetzgebuugssragen sich auSzeichnen. Ein Deutsch-Socialer im Reichstage würde Mitglied einer Fraction sein, der ein Mann wie Prof. Förster den Rücken gekehrt, obwohl er dem deutsch-socialen Programm treu geblieben ist. Ein Deutsch-Socialer im Reichstag würde schwerlich umhin können, die Machtstellung des UltramontaniS- muS zu verstärken, denn die deutsch-sociale Partei erweist sich mehr und mehr als centrumsfreundlich. In der Mittelstandspolitik, die die Deutsch-Socialen in den Vordergrund stellen, hat der als Candidat der Natioualliberalen und der Conservativen wieder aufgestellte letzte Vertreter Leipzigs im Reichstage, Professor vr. Ernst Hasse, und bat seine ganze Fraction nachweislich jederzeit auf der Seite des Mittelstandes gestanden. Manche Gesetze, wie das BLrsengesctz und das Gesetz zur Einschränkung der Consumanstalten, sind auf natioualliberale Anregung hin in Angriff genommen worden. Warum die nationalliberale Partei beim Margarinegesetz in die Trennung der Verkaufsräume nickt willigen konnte, werden Vie Wähler unserer Stadt verstehen. Bei dieser ausgedehnten Mitwirkung der nationalliberalen Partei an der Besserung von wirthschaftlichen Zuständen ist ihr Mitglied aus Leipzig in hervorragendem Maße betheiligt gewesen. Prof. Hasse hat sich auch sonst als würdiger Vertreter einer großen, allzeit nationalen Stadt erwiesen. Ihm stehen Sachkenntniß und eine Klarheit zur Seite, die ihn davor bewahren, über Einzelheiten den Blick für das große Ganze zu verlieren. Nichts an seinem parlamentarischen Verhalten, nichts an seiner Person kann einen national- uud freiheitliebenden Wähler veranlassen, den Abgeordneten Leipzigs zu wechseln. Die künstlich erregten Zweifel an seiner Ueberzeugung von der Nothwendigkeit, daö Wahlrecht, wie eS besteht, zu erhalten, sind zerstreut. Professor Hasse verbürgt die beste Vertretung der nationalen und der wirthschastlichen Interessen. Und nur er verbürgt die Erhaltung unseres von der Umsturzpartei bedrohten Wahlkreises für das Bürgerhum. Darum, Wähler Leipzigs, die Ihr Euch selbst und das Reich vor einer Stärkung dieser Partei sichern und würdig und erfolgreich wie bisher im Reichstage von einem Manne vertreten sein wollt, der das Wohl des Ganzen, wie de» Einzelnen gleichmäßig zu fördern versteht, tretet beute Mann für Mana ein für Professor Dr. Ernst Hasse! Larlismus. m. Die Rolle des jetzigen Prätendenten war trotz seiner anfänglichen Mißerfolge keineswegs ausgespielt/) das Jahr 1872 verwandelte die politische Bühne wiederum der artig zu seinem Gunsten, daß ihm der Weg nach Madrid eigentlich sreistand. Amadeus' Thron war unhalt bar geworden, nach seiner Abreise aus Spanien folgte in schnellem Wechsel eine Diktatur der anderen, in allen Theilen des Landes hatten sich die Städte zu kleinen Republiken erhoben, gegen die die Ccntralleitung alle verfügbaren Mittel aufwenden mutzte; wahrlich, wenn es überhaupt einen Augenblick gab, in dem der Karlismus siegen konnte, so war es dieser, und Don Carlos wußte ihn zu benutzen. Am 15. Juli 1873 betrat er den spanischen Boden, sofort dem Beispiele seines Großvaters folgend, rief er die Basken zum Kampf auf und beschwor unter begeistertem Jubel der zu Tausenden zusammengeströmten Menge unter der uralten Eiche von Guernica die Privilegien des Landes. Das kommende Jahr brachte Sieg auf Sieg und führte ihn in die nächste Umgebung der Hauptstadt; die gegen ihn ins Feld geschickten Heere fochten mit Unlust, sie hatten ja nich: einmal eine Fahne, der sie ins Kampfgewühl folgen konnten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese ganzen Armeen, Sol daten wie Officierc, jeden Augenblick bereit waren, ihn zu ihrem König zu machen und damit hätte er ganz Spanien in *) Dies unv das Folgende nach: Lauser, „Geschichte Spanien? von oem Sturz Asadella's bis zur Thronbesteigung Alfonso'? . Leipzig 1877. FeirrHetoir» Natürliche Ladewannen. Geologische Plauderei von Alexander Bauer. Nachdruck verbot«,. Das Baden ist nicht nur als hygieinisches und therapeutisches Mittel von hoheni Werthe, sondern es zählt auch zu den edelsten Vergnügungen, über welche wir verfügen. Natur- und Cultur- mcnschen huldigen dem Badesport mit gleicher Leidenschaft — Ausnahmen zugegeben — und am meisten natürlich da, wo die klimatischen Zustände die Erfrischung zur Nothwendigkeit machen oder die örtlichen Verhältnisse bequeme Gelegenheit bieten. Unsere deutschen Badeeinrichtungen stehen durchaus nicht auf der Höhe der Zeit und der hvgieinischen Erkenntnitz. In Groß städten ist wohl die Gelegenheit in erträglicher Menge geboten und auch für kostenlose und billige Volksbäder ausreichend Sorge getragen, in der Provinz dagegen mangelt es meist an ent sprechenden Einrichtungen. Das Badebedürfniß der Frauen wird an vielen Orte anscheinend gar nicht anerkannt, und auch die Flußbäder für das männliche Geschlecht weisen in sehr vielen Fällen noch die primitivsten Einrichtungen auf. Noch trauriger sieht es mit den warmen Bädern aus, die ein noch weit wich tigeres Bedürfnitz für die Menschen darstellen als die kalten, denn den Genuß der Flußbäder gestattet uns die Temperatur nur in den heißen Sommermonaten, während wir wenigstens 8 Monate des Jahres auf die Warmwaschung angewiesen sind. In wie vielen Häusern der Klein- oder Mittelstadt findet sich aber eine Badeeinrichtung? Und wo dies der Fall ist, kommt sie — auch in der Großstadt — fast ausschließlich den besser situirten Kreisen zu Gute, da die weniger kostspieligen Woh nungen von der Wohlthat dieser Einrichtung aus leicht be greiflichen Gründen ausgeschlossen werden. Die Benutzung der öffentlichen Badeanstalten erübrigt sich aber für die große Mehrheit der Menschen der nicht unerheblichen Kosten wegen. Es erscheint als eine dringende Verpflichtung für unsere hy- gieinischen Instanzen, dieser Frage ihre Aufmerksamkeit in weit höherem Maße zuzuwenden, als dies bisher geschehen ist. Die alten Römer — obgleich ihre Cultur 1800 Jahre zurückliegt — waren uns in dieser Hinsicht weit über. Ihre „Thermen" zeich neten sich durch reiche Ausstattung selbst vor den griechischen aus. Auch im Orient wird hoher Werth auf die Anlage aus reichender Badestuben gelegt. So weit müßten wir am Ende des Jahrhunderts der wissenschaftlichen Entdeckungen wenigstens vorgeschritten sein, daß jede Stadt ihr öffentliches, aus städtischen und staatlichen Mitteln errichtetes, Jedem für wenige Pfennige zugängliches Warmbad mit Schwimmbassin und Einzelzellen besäße: durch die Massenbenutzung wird selbst bei den zu be rechnenden geringfügigen Preisen der größte Theil der Unter- Haltungskosten sicher herausspringen. Eine Badegelegenheit für Jedermann aber könnte und müßte sogar in jedem größeren Dorfe zu finden sein. Wie gut haben es gegen uns doch die Bewohner von Ländern, I in welchen die Natur selbst für ausreichende Badegelegenheit I Sorge getragen hat. Das ist zum Beispiel in Japan der Fall, I wo die Erde an vielen Stellen das heiße oder warme Wasser nicht nur kostenfrei zur Verfügung stellt, sondern es auch hier und da aus freien Stücken in natürliche Becken ergießt, die als Badebassins für die Badelustigen zum Gebrauche fix und fertig stehen. Die Japaner folgen auch fleißig der Einladung der gütigen Natur, und zwar — ohne daß sie deshalb sittlich tiefer ständen als wir — ohne jedes engherzige Zeremoniell, so daß Frauen und Männer sich in den natürlichen Bassins lustig mitsammen herumtummeln. Solche Becken giebt es in allen Ländern, wo vulkanische Kräfte in Thätigkeit sind und heiße oder warme Quellen dem Boden entsprudeln, ja, sie kommen sogar in Ländern vor, wo letzteres nicht der Fall ist. So bilden die sogenannten Hommocks in Florida zum Theil natür liche Badebassins von reizvollster Schönheit, nur daß sie nicht mit warmem, sondern mit kühlem Wasser gefüllt sind. „Ein kreisrundes Becken" — so schildert ein älterer Schriftsteller die Hommocks — „öffnet sich in der Erde, viele Fuß tief mit einem Durchmesser von sünfzig und mehr Schritten. Auf dem Boden dieses Beckens sieht man mehrere Vertiefungen, von der Größe und dem Ansehen gegrabener Brunnen, regelmäßig cylinder- förmig, ausgenommen da, wo die Wände eingefallen sind oder die felsige Scheidewand zwischen ihnen nachgegeben hat, in welchem Falle sie einer ungeheueren Honigwabe mit zer brochenen Zellen gleichen. Die Brunnen werden zuweilen trocken gefunden, häufiger aber befindet sich Wasser auf dem Boden, welches oft den großen Behälter auch selbst anfüllt. Solche natürliche Becken sind, obschon sie in der Mitte von Ebenen Vorkommen, stets theilweise von Anhöhen und einzelnen Massen von muschelhaltigen Felsen umgeben. Alle diese sind von einem immergrünen Dickicht von einheimischen Bäumen, wie rum Beispiel grünem Lorbeer, Lebenseiche, Maulbeerbaum und Pal metten, bedeckt." Die Hommocks sowohl als die japanischen Bäder sind aber Kinderspiel gegen die natürlichen Badewannen Neuseelands, die zu den wunderbarsten Erzeugnissen der geheimnihvollen Thätig keit des Erdinnern zählen, oder richtiger zählten, denn vor zwölf Jahren hat eine gewaltige vulkanische Katastrophe diese den großartigsten Sehenswürdigkeiten der Natur zuzurrchnenden Phänomene völlig vernichtet. Neuseeland, „das australische Großbritannien" und eine der werthvollsten englischen Colonien, ist nicht nur interessant durch seine urweltliche Fauna, seine eigenartige Entwickelungsgeschichte und die Contraste seiner gigantischen Alpenwelt, sondern vor Allem auch durch seine mannigfaltigen vulkanischen Erscheinungen. Eine mächtige Ge birgskette mit Bergen, deren höchster fast 3800 Meter hoch ist, durchzieht die Nord- und Südinsel, erstere ist zum großen Theil eine Hochebene, zum Theil ein von Flüssen zerschnittenes, an mehr als hundert Stellen von den vulkanischen Kräften des «Erdinnern durchbrochene» Plateauland. Etwa die Mitte der I Nordinsel nimmt ein ungeheurer See ein, der ca. 700 Quadrat- I kilometer umfassende Taupo, und in seiner Nähe erheben sich zwei mächtige Vulkane, der noch jetzt Dämpfe und Asche auS- werfende Tongariro und der 2900 Meter hohe Ruapahu, dessen Gipfel mit Schnee bedeckt ist und dessen zerstörende Kraft gegen wärtig erloschen scheint. Im Nordosten dieser Vulkane und des Taupo dehnte sich bis vor etwa 12 Jahren der weltberühmte See- und Gciserdistrict von Neuseeland aus, die dritte große Geiserrcgion der Erde (die anderen beiden befinden sich be kanntlich auf Island und im Aellowstonepark in Nordamerika). Allenthalben brechen auf diesem Gebiet die heißen Quellen kochend und zischend hervor; Vas größte Wunder der Gegend aber bildet der See Rotomahana mit seiner Umgebung. Der österreichische Geologe Ferdinand von Hochstetler, welcher den See und seine Eigenthümlichkciten untersucht und eingehend geschildert hat, berichtet, daß der See beim ersten Anblick keinen besonderen Eindruck hervorbrachtc. Er war klein, schmutzig grün, mit sumpfigen Ufern, von baumlosen, nur mit Farn gestrüpp bewachsenen Hügeln umgeben. Nur die überall auf steigenden Dampfwolken verriethen dem Reisenden, daß er hier mehr als einen gewöhnlichen See vor sich habe. Aus dem Grunde des Sees entsprangen nämlich zahlreiche heiße Quellen, welche das Wasser bis zur Temperatur eines warmen Bades erwärmten, wer sich aber darin badete oder wer den See durchschwamm, mußte sich hüten, den Quellen selbst, die sich durch Zischen und Kochen des Wassers, sowie durch die in ihrer Nähe stetig zu nehmende Hitze verriethen, nicht zu nahe zu kommen, sonst wäre er elendiglich verbrüht worden. Die Besucher ließen sich auf der Insel Puai, einer Felsklippe im See, nieder, wo für zeit weilige Besucher kleine Hütten errichtet waren. Der Aufenthalt in einer solchen Hütte gehörte jedoch keineswegs zu den An nehmlichkeiten. Ringsumher Sausen, Brausen, Zischen und Kochen, dabei der Fußboden von unheimlicher Wärme. Nachts mußten sie mehrfach aufstehen, da sie die von unten aufsteigende Hitze nicht mehr ertragen konnten. Bohrte man ein Loch in den Boden, so schoß siedend heißer Dampf hervor, den man zum Kochen und Braten der Speisen benutzte. Die bedeutendsten Quellen lagen am östlichen Ufer des Sees, an ihrer Spitze Tctarada, ein gewaltig kochender Sprudel mit weit in den See hineinragenden Sinterterrassen. Etwa 80 Fuß über dem See, an einem farnbewachsenen Hügelabhange, in einem kraterförmigen, nach Westen offenen Kessel mit steilen. 40 Fuß hohen Wänden, lag das 80 Fuß lange und 60 Fuß breite Hauptbassin des Strudels. Bis an den Rand war dieses Bassin mit klarem, türkisblau erscheinendem Wasser gefüllt, un geheure Dampfwolken wirbelten auf, bisweilen ward die ganze Wassermasse mit furchtbarer Gewalt emporgetrieben und in die Luft geschleudert. Der Sprudel stellte sich also als ein in langen Perioden spielender Geiser dar, der bekanntlich durch die Spann kraft des Dampfes in Tbätigkeit versetzt wird. Unwillkürlich gedachte man bei dem grausig-schönen Anblick der Worte Schiller-: „Und er wallet und siedet und brauset und zischt, Wie wenn Wasser mir Feuer sich mengt Und zum Himmel spritzet der dampfende Gischt —« Und es war in diesem Falle nicht blos dampfend, sondern auch siedend heiß, da das Wasser des Sprudels am Rande 82 ° O, in der Mitte aber Siedehitze besaß. An dieser Stelle nun befanden sich die natürlichen Bade- Wannen, mit welchen ich den Leser bekannt machen will. Das Wasser des Sprudels besaß, wie Hochstetter mittheilt (wie da- des Karlsbader Sprudels), in hohem Maße die Eigenschaft, zu versteinern, zu übersintern. Der Absatz war Kieselsinter. So hatte der Abfluß des Sprudels ein System von Terrassen gebildet, die, weiß wie aus Marmor gehauen, einen geradezu unbeschreiblich schönen Anblick gewährten. Die Terrassen be gannen mit niederen Absätzen, welche seichte Wasserbecken trugen. Je weiter man nach oben gelangte, desto höher wurden sie, zwei bis drei, mehrere auch vier bis sechs Fuß hoch. „Sie sind", fährt unser Gewährsmann in seiner Schilderung fort, „von einer Anzahl halbrunder Stufen oder Becken gebildet, von welchen sich jedoch nicht zwei in ganz gleicher Höhe finden. Jede dieser Stufcn hat einen kleinen erhabenen Rand, von welchem zarte Tropfsteinbildungen auf die tiefere Stufe herabhängen, und eine bald breitere, bald schmälere Plattform, die ein oder mehrere im schönsten Blau schillernde Wasserbecken umschließ/. Sie bilden ebenso viele natürliche Badebassins, die der raff': nirteste Luxus nicht besser und bequemer hätte Herstellen können. Man kann sich die Bassins seicht oder tief, groß oder klein auswählen, wie man will, und von jeder beliebigen Temperatu . da diejenigen auf den höheren, dem Hauptbassin näher gelegenen Stufen wärmeres Wasser enthalten als die auf den tieferen Stufen. Einige der Becken sind so groß und tief, daß man bequem darin herumschwimmen kann." Die höchste Terrasse bildete eine breite Plattform mit mehreren sechs Fuß tiefen Badcbassins, deren Wasser eine Temperatur von 30—50 ° O hatte und in deren Mitte sich eine etwa zwölf Fuß hohe, mit Gebüsch, Moos und Farren überwucherte Felseninsel erhob, von der aus man in den blauen, dampfenden Kessel hinein blicken konnte. Leider sollte dieselbe Kraft, welche diese Herrlichkeit erzeugt, sie auch wieder vernichten. Am 10. Juni 1886 brach eine furcht bare vulkanische Katastrophe herein, welche den Wundersee Rotomahana in einen siedenden Schlammsumpf verwandelte und einen großen Schlammgeiser an die Stelle der berühmten Terrasse versetzte. Sämmtliche Terrassen verschwanden vom Erdboden, an ihrer Stelle erheben sich sieben Krater, und zahl reiche Fumarolen zeigen sich dem Betrachter. Wehmüthig erfaß: uns bei dieser Veränderung der Gedanke an alles Irdischen Wandelbarkeit. „8io trnnsit siorin rnnncki!" Unsere Touristen, die jetzt schon Spitzbergen zum Ziel nehmen, hätten gewiß auch bald Neuseeland in ihre Kreise gezogen, oder eine weitsichtige Aktiengesellschaft hätte ein großartiges Saisonbad an Ort und Stelle errichtet — welch ein Ziel für die menschliche Speculation!
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