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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960310016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-10
- Monat1896-03
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Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Filialen: Dtts Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstratze 1, Lonis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und Königsplah 7. Re-action und Expedition: Latzannesgafse 8. DbExpedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Anzeiger. Ämlsötatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Z>olizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Socialdernokralische Zelbstzeichnungen. Der Dichter Rattengift läßt sich in Grabbe s Lustspiel „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung" vom Teufel darüber belehren, wie die Verbrecher in der Hölle bestraft werden. Da hört er: Die höchste Strafe eines Verdammten besteht darin, daß er die Abendzeitung und den Freimürhigen lesen muß und sie nicht anspucken darf. — Wer beut zu Tage auf Erden dazu verdammt ist, berufsmäßig die social demokratische Presse zu verfolgen, wird mututis mutauclis daS Fürchterliche jener Höllenqualen vollständig nachcmpfinden. Zuweilen allerdings gewährt die Lectüre der socialdemo kratischen Zeitungen dem Politiker Genugthuung, mag auch der Aestheliker mit Grausen sich abwenden. Das ist der Fall, wenn die schreibenden „Genossen" einander in den Haaren liegen. Dann läuft der Mund über, wessen das Herz voll ist, und der Leser vernimmt etwas an jenem Orte höchst Seltenes: die Stimme der Wahrheit über die „Genossen" selbst und ihre Presse. DaS Peinliche dieser Situation kennt Niemand besser als der „Vorwärts"; und deshalb ist er ausgesprochener maßen bemüht, in keine Polemik mit socialdemvtratischen Blättern sich hineinziehen zu lassen, um nicht, wie eram3. d.MtS. der „Leipz. VolkSztg." gegenüber sagte, „die Geschäfte unserer Feinde zu besorgen". Aber vasLeipziger„Bruderorgan", weniger „staat-männisch" veranlagt und einer stets aufgeregten Leitung sich erfreuend, hat dem Berliner „Eentralorgan" das Eoncept gründlich verdorben. Und zwar ist es die Frage, wann und wie die socialdemokratischen Landtagsabgeordneten ihre Mandate niederlegen sollen, welche den offenen Kampf hat entbrennen lassen. Dieser selbst ist heute für unS ohne Interesse; nicht verschwiegen aber darf die Charakteristik werden, welche die streitenden „Genossen" von einander ent werfen. „Wir können nicht auf das Niveau einer Polemik mit dem Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung" herabsteigen", erklärt der „Vorwärts" io seiner Nummer vom 7. d. M. Herr Reichstags abgeordneter vr. Schoenlank hat dieses eindeutige Zeugniß der Werthschätzung, deren er sich bei dem Centralorgan der deutschen Socialdemokratie erfreut, den Lesern der ,Ieipz. VolkSzeitg." bisher vorenthalten. Er entschädigte sich aber autocipLuckv. Am 4. dss. Mts. schrieb nämlich die „Leipz. VolkSztg.": „ . . Der „Vorwärts" ist groß im Behaupten, weniger im Wissen. Er flunkert mit Briefen „von altbewährten Genossen". Heraus mit diesen Briefen Seit wann treibt die social ¬ demokratische Partei Hintertreppenpolitik? Und gerade der „Vorwärts", der sonst sich immer mit der vollen Oeffentlichkeit seiner Partei zu brüsten beliebt? Es ist ein starkes Stück vom „Vorwärts" und zeugt von kleinlicher Rancüne, Herrn Stöcker'« Scheiter haufenpolitik der „Volkszeitung" gegenüber zu befolgen . ." Und am 5. d. MtS. schrieb die „Leipz. VolkSztg": „Der „Vorwärts" setzt seine persönliche Polemik gegen die „Volkszeitung", die ihm seine Unwahrhastigkeit nachgewiesen hat, fort und sucht die Blößen seiner Flunkerei durch eine selbst in der bürgerlichen Presse unerhörte KampfeSweise (I) vergeblich zu verdecken.... Läppischer, täppischer und unschicklicher ist noch nie eine Preßfehde in noch außerhalb der Partei geführt worden, wie hier vom „Vorwärts". . . . Wer aber soll nunmehr den .^vorwärts" in dieser Frage noch ernst nehmen?" Wie jetzt die Frage der Mandatsniederlegung, so war im vergangenen Jahre daS vielberufene Agrarprogramm der Stein des Anstoßes unter den „Genossen" selbst. Der „Leipz. VolkSztg." wurde dabei von verschiedenen ,,-vruver- orgaiien" übel mitgespielt. So schrieb die „Magdebur ger Bolksstimme" im August 1895: „Die Redaktion der „Leipziger Volkszeitung" ist besetzt von dem Ur. Schöiilank und Katzenstein, zwei Genossen, welche in der Agrar commission mit einem Eifer, der einer besseren Sache werth gewesen wäre, das wundersam schöne Agrarprogramm aufgebaut haben. Wir können uns denken, daß die Kritik, die jetzt beide Genossen alltäglich lesen, ihre Sinne verwirrt und sie daher Nichtwissen, was sie thun. Uns mit dem „Socialist" zusammenzuwersen, ist ziemlich tactlos. Aber unsere „Theoretiker" glauben stets die dummen Arbeiter von oben herab behandeln zu können." Noch schärfer äußerte sich der Reichstagsabgeordnete Schippe! zu derselben Zeit in dem „ Socil Demokrat". Er führte u. a. aus: „ ... Was für Anschauungen die Debatte am ersten Tage (der Sitzung der Agrarcommission) über den Werth jedes Fußbreits öffentlichen Bodens, selbst wenn man ihn mit Verlust erwirbt und festhält, über die zu schützenden landwirthschastlichen Existenzen, über Lehengüter und Aehnliches zu Tage förderte, das war nichts wie eine Orgie der wissenschaftlichen und politischen Unreife. Wenn diese Unreife auch noch mit so viel Glauben an sich selbst und an ihre Mission erfüllt ist wie beim Genossen I)r. Schoen lank, so giebt es unseres Erachtens nur ein Mittel, sie für die Partei unschädlich zu machen: man muß sie ruhig sich fest- fahren lassen." Als dann am 8. November 1895 „Genosse" Auer im „Vorwärts" eine Erklärung veröffentlichte, die in Sachen des Agrarprogramms dem „Genossen" Schoenlank Widersprüche zwischen seiner gegenwärtigen und damaligen Haltung nach wies, mußte Herr vr. Scboenlank zu seiner tiefsten Betrübniß es erleben, daß die„SächsischeArbeiterzeitung"zwardie Erklärung Auer's, nicht aber die Erwiderung Schoenlank's abdruckte. Die „Leipz. VolkSztg." unterzog sich darauf der schmerzlichen Pflicht, auf diesen Mangel an journalistischem Anstand hin zuweisen, indem sie den zournalistischen Anstand als daS erste Erforderniß, „das selbst unter Gegnern selbstverständlich sein muß", bezeichnete und die „Genossen" bedauern zu müssen versicherte, „die ausschließlich auf eine solche Quelle zu ihrer Aufklärung angewiesen sind". Die „Sächs. Arbeiterztg." antwortete hierauf am 17. November 1895 Folgendes: „Bruno Schoenlank sucht sich in der letzten Nummer der „Leip ziger Volkszeitung" gegen unsere letzten Darlegungen zu Vertheidigen, indem er behauptet, er habe stets gegnerische Erklärungen inhaltlich correct wiedergegeben, während wir die seinen verschwiegen hätten. Wir müssen demgegenüber bei der Erklärung stehen bleiben, Laß wir erst durch die von Schoenlank geübte Praxis veranlaßt worden sind, ihm gegenüber Etwas zu thun, was ihm nun plötzlich nickt gefällt. Was den Tact des Genossen Schoenlank betrifft, so kennzeichnet sich der am besten dadurch, daß er es für angebracht hält, die hiesigen Antisemiten gegen uns in Schutz zu nehmen durch die Bemerkung, wir hätten sie anläßlich der Mandatsschachergeschichte ebenso behandelt wie ihn. Wir wollen auf diese Art des Genossen Schoenlank nichts weiter erwidern, gestatten uns aber doch zu be merken, daß es uns scheint, als habe Schoenlank in seinen Agrar sorgen all seinen Witz verloren, mit dem er zum Beispiel am 1. April den jüdischen Stammbaum Hammerstein's entwickelte. Schließlich erklären wir, daß wir dem Genossen Schoenlank auf Einlage von 200 Frcs gehabt und enthielt den Auftrag, an den Hintermann, nämlich Puff, die Construction deS Gc webreS Modell 88 zu verfolgen. Insbesondere wurde Aus kunft darüber verlangt, ob eine neue Ladevorrichtung mit diesem Gewehre geplant sei. Sodann wurde Auskunft ge wünscht über eine 1895 ausgesührte Kunstbrücke, über neue Feldgeschütze, über die Ausrüstung der deutschen Felvartillerie, über Geschütze, die zur Zerstörung französischer SperrfortS bestimmt sein sollen u. s. w. Alle diese Gegenstände ohne Ausnahme sind von den militairischen Sachverständigen als solche bezeichnet, die im Interesse der Staats sicherheit geheim zu halten sind. Sie sind daher an sich Gegen stände, die dem 8 1 des erwähnten Gesetzes unterstehen. Puff hat im Allgemeinen auf diese und ähnliche Fragen Aus kunft nicht ertheilt. Er hat sich an die Tirection der Krupp schen Werke gewendet und das Ansinnen mitgetbeilt, welches an ihn gestellt worden sei. Es wurde nun verabredet, daß Puff dem Schoren zunächst eine Skizze eines angeblich neuen deutschen Geschützes und Aehnliches mittbeile. H Schoren Kat diese Sacken angenommen und an Moutier weiter ge- gcgeben. Sie sind also von ihm „an Andere verabfolgt", und es ist nicht zweifelhaft, daß Moutier diese Berichte sofort weiter befördert und der Regierung zugefübrt hat, in deren Interesse er seine Spionage aussührte. Tarin würde der Tkatbcstand des 8 1 jenes Gesetzes liegen; es ist^aber nur Versuch angenommen worden, weil in diesem Falle Schoren sich bat dupiren lassen. Die Skizze war nämlich nickt die eines deutschen, sondern anscheinend eines japanischen Geschützes. Wenn er sich hat täuschen lasten, so hatte das nur die Folge, daß sein Verbrechen nicht vollendet wurde, sondern daß es beim Versuche blieb. In gleicher Weise hat Schoren sich gegenüber dem Ingenieur Paul in Essen verhalten. Auch dieser ist zunächst von Schoren damit zu weiterem Verkehr geneigt gemacht worden, daß er ihm eine gute Stelle versprach; dann richtete er eine Anzahl Fragen an denselben. Schoren hac aber sein Ziel in diesem Falle nicht erreichen können, denn Paul hat die Fragen nicht beantwortet. Es ist also in diesem, wie auch in einem dritten Falle, wo Schoren sich an den Correspondenten Plewka in Essen wendete, bei einem Versuche des Verbrechens gegen tz 3 ge blieben. Weiter hat sich Schoren mit dem Angeklagten Ningbauer in Verbindung gesetzt und von ihm Be richte erfordert, die für ihn ui» so wesentlicher waren, als Ningbauer Correspondent in der Abtheilung für Be sckaffung von Kriegsmaterial bei Krupp war. Die Unter suchung hat zwar nicht feststellen können, was Ring bauer dem Schoren herichtet hat, jedoch soviel, daß er eine Mekrzahl von Berichten an Schoren erstattet hat und die Bekanntschaft Schoren's mit anderen Angestellten Krupp'S zu vermitteln bemüht war. Wenn sonach nicht festzustellen war, was diese Berichte enthielten, so hat Schoren sie doch jedenfalls für wichtig gehalten und weiter befördert. DeShalh war Schoren eines Ver brechens nach K. 3 gleichfalls für schuldig zu erkennen. End lich war Sckoren auch eines Versuches dieses Verbreckens in Beziehung auf den Mitangeklagten Pfeiffer schuldig zu be finden. Zwischen Schoren und Pfeiffer bestand ein enges FreundsckaftSverhältniß, und es bat fick auS der reichen Corresponden; der Beiden der Verdacht aufgedrängt, daß Pfeiffer dem Schoren auch geheim zu haltende Dinge berichtet bat. Es kommt aber darauf nickt an, denn eS genügt, daß Sckoren sich bemüht hat, von Pfeiffer derartige Dinge zu erfahren. In einem weiteren Falle soll sich Schoren eines ver suchten Verbrechens gegenüber dem Mitangeklagten Ring- solche kleinliche, persönlich gehässige Anzapfungen überhaupt nicht mehr antworten werden." Mit diesem Citat schließen wir heute. Die Bilder, die die „Genossen", wie wir sehen, von einander entworfen Haben, sind vor der Hand nur Skizzen. Dock steht zu hoffen, daß uns im Laufe der Zeit vollständige Gemälde werden bescheert werden. — Vas Urtheil im Landesverralhsprocelse gegen Schoren und Gen. Nachdruck verboten. I„ Leipzig, 9. März. Heute Nachmittag 5 Uhr wurde daS Urtheil in dem Processe Sckoren verkündigt. Es lautet: Der Angeklagte Ingenieur Schoren wird wegen eines versuchten Verdreckens gegen § 1 des Reichsgesetzes vom 3. Juli 1893, betreffend den Verrath militairischer Geheim nisse, in einem Falle, sowie wegen versuchten Verbreckens gegen tz 3 des erwähnten Gesetzes in 3 Fällen zu 7 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurtheilt; auch wird auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht erkannt. Dagegen wird er eines weiteren Versuches des Verbrechens gegen 8 3 für nicht schuldig erachtet und insoweit sreigesprochen. Der Angeklagte Lieutenant a. D. und Ingenieur Pfeiffer wird wegen Vergebens gegen 8 2 des citirten Gesetzes zu 2 Jahren Gefängniß verurtheilt, dagegen eines Ver breckens gegen 8 k für nicht schuldig erachtet und insoweit freigesprochen. Der Angeklagte Buchhalter Ringbauer wird wegen Beihilfe zum Versuche eines Verbrechens gegen 8 .3 Z» 1 Jahr Gefängniß verurtheilt, dagegen von der weiteren Anklage aus 8 1 freigesprochen. Die Kosten fallen den Angeklagten zur Last, soweit nicht in den Fällen, in welchen Freisprechung erfolgt ist, besondere Kosten erwachsen sind, die der ReichScasse auserlegt werden. AuS der UrtheilSbegründung ist Folgendes hervor zuheben: Durch die Hauptverhandlung und die eigenen Erklärungen der drei Angeklagten und ver vernommenen Zeugen, sowie durch den Inhalt der verlesenen Schriftstücke, Correspondenzen und sonstigen Vermerke in Notizbüchern hat der verewigte 2. und 3. Strafsenat des Reichsgerichts thatsächlich feslgestellt, daß der Angeklagte Schoren, der mehrere Jahre im Gruson'schen Gußstahlwerke in Magdeburg-Buckau beschäftigt war, dann bei der Maschinenfabrik von G. Lutber in Braun schweig eintrat und als deren Vertreter schließlich nach Brüssel und Paris ging, eine enge Verbindung angeknüpft batte mit einem gewissen Moutier, der nach Auskunft des Aus wärtigen Amtes verdächtig ist, Spionage zu üben und namentlich sich bemüht, militairische Geheimnisse der deutschen Armee an Andere zu verrathen. In dieser Beziehung konnte er sich gar keiner besseren Hilfe bedienen als des Sckoren, der eben durch seine frühere Beschäftigung im Gruson-Werke mit Bediensteten desselben vielfach bekannt geworden war und schließlich, als das Grnson-Werk in den Besitz von Krupp in Essen überging, auch Gelegenheit fand, mit Krupp'schen Beamten in Essen Beziehungen anzuknüpfen. Schoren bat sich zunächst in Verbindung gesetzt mit dem Techniker Karl Puff in Essen. Der Verdacht gegen Schoren steigerte sich in einem solchen Maße, daß die Polizeibehörde Veranlassung nahm, ihn beobachten zu lassen, was zur Folge hatte, daß er am 18. September v. I. in Köln auf dem Babnbofe ver haftet wurde. In Sckoren's Tasche fand man einen in kleine Stücke zerrissenen Brief, der wieder zusammengestellt werden konnte. Er rührte von Moutier ber, hatte eine Fouilletsn. v. Martin Luther's Briefe an sächsische Geistliche. m. Von Grimma wandern wir ein Stück die Mulde auf wärts und machen in dem freundlich gelegenen Colditz Halt, um un« umzusehen nach Bekannten und Freunden Luther's. Wir finden ihrer eine ganze Anzahl. Von Wenzeslaus Link wollen wir ganz schweigen. Da ist der erste evangelische Pfarrer Wolfgang FueS und seine beiden Nachfolger, Augustin Himmel und Martin Wolff. Da finden wir den früher» Schulmeister von Pegau, Leonhard Engel berger, der in Wittenberg seine Studien gemacht hatte und am 27. April 1541 als designirter DiakonuS von Colditz durch Bugenhagen ordinirt wurde. Auch sein Nachfolger — Engelberaer ward schon 1543 Superintendent zu Eilenburg, Georg Schwiger, batte von Bugenhagen die Ordination empfangen. Und fragen wir nach den Colbitzer», die in Wittenberg zu Luthers Füßen gesessen, so ließe sich deren eine groß« Zahl Nennen. Wir wolle» nur einige Namen nennen, und zwar von Leuten, die es auch zu etwas brachten. Im Juni 1516 erlangte zu Wittenberg die Magisterwürde als zweiter unter sechzehn: Egidius Nerlich von Colditz. Wenn es freilich wahr ist, daß er dann doch erst papistischer Pfarrer geworden ist, scheinen jene Eindrücke in Wittenberg nicht gar zu tief gewesen zu sein. Wir finden ihn, seit 1542 in evangelischem Geiste wirkend, al« Pfarrer in Müglenz. Am 8. September 1538 ordinirt Lutber Mathias Colachiu« au« Colditz, der als DiakonuS nach Dessau berufen worden war. Bon Luther'« Famulus, Thomas Kunat aus Colbitz, haben wir schon früher gesprochen. Jedoch zurück zu den beiden Colditzer Geistlichen, di« nach weislich mit Luther im Briefwechsel gestanden haben! Das wissen wir gleich von dem oben zuerst Genannten, Wolf gang Fue«. Ein tüchtiger sächsischer Geistlicher, I)r. R. A. Lempe, yat eine tüchtige Monographie über diesen Mann ge- schrieben. Sein Leben bietet de« Interessanten genug. Fues, au« Schleiz gebürtig, batte seit 1507 in Leipzig studirt. 1509 finden wir ibn als Rector der Lateinschule zu Schneeberg. Dsrt weht« frühzeitig »in« evangelisch» Luft. Di« tüchtige Bergknappschaft war von Anfang an der Reformation zu- geneigt und hielt seit 1518 einen besonderen evangelischen Prediger. Wir dürfen vermuthen, daß Fues in Schneeberg für das Evangelium gewonnen worden ist. 1519 läßt er fick in Wittenberg immatriculiren. „Hier trat er zum ersten Male mit Luther in persönlichen Verkehr und in seinem Um gänge fand seine Seele eine Befriedigung, wie er sie nirgends weiter hätte finden können." Und Lutber schätzte ihn hoch. Als die Bornaer ihn um einen evangelischen Prediger baten, schickte er ihnen Wolfgang Fues, der am 9. Februar 1520 Magister geworden war, der freilich neben den beide» katho lischen Gefftlichen zunächst keinen leichten Stand hatte. Als Luther 1522 von der Wartburg zurückkehrte und in Borna bei dem kurfürstlichen Geleitsmann Michael von der Straßen abstieg, bat ihn FueS, für seine Versetzung an eine andere Stelle Sorge tragen zu wollen. Luther kam seinem Wunsche nach. Noch vor Ostern 1523 finden wir FueS als evangelischen Prediger in Colditz. Als solcher vermählte er sich mit der Schwägerin des wohl be rühmtesten Colditzers, deS I>. Wenzeslaus Link, von dem Luther bekannte: „Doctor Vincilaus ist wohl meiner liebsten Freund einer auf Erden." Am Osterfeiertage 1523 reichte Fues seiner Gemeinde zum ersten Male das Sacrament deS Altars in beiderlei Gestalt. „Bei Ausübung seiner seel sorgerischen Pflichten zeigte er sich überaus gewissenhaft, so daß er in wichtigen Fragen nickt nach seinem eigenen Gut dünken handelte, sondern erst ein Gutachten seine« Freundes Luther einbolte. Namentlich »lackten die Ehesachen, deren Erledigung bei der noch wenig festen neuen Ordnung oft eine schwierige war, viel Mühe und Sorge. In diesen nickt un wichtigen Dingen wendet er sich zu wiederholten Malen an Luther, worauf dieser ibn einmal am 12. November 1526 und ein ander Mal am 22. September 1528 Rath ertheilt." In dem ersten Falle bandelte es sich darum, daß eine junge Colvitzerin, Namens Anna, ohne sich zu weigern, sich von ihren Eltern batte verloben lassen. Als der Bräutigam nun zur Hochzeit drängte, wollte die Braut, von „juristischen Gesellen" unterstützt, die Verlobung wieder aufhrben. Luther urtheilt: „Wo die Zeugen, wie ihr Bericht giebt, wahr sagen, hat die Jungfrau ganz und gar keinen Schein noch Behelf, weil sie nicht allein den Eltern, sonderlich der Mutter sollte gehorsam sein; sondern auch daran sich selbst verdammet, daß sie stille geschwiegen hat, da sie ja wohl gehört und gewußt hat, daß man sie vertrauet. Darumb eS sie nicht Hilst, daß st, nun schreiet; sie sollt, zuvor geschriern haben, da sie es erfuhr, und der Mutter haben widersprochen in der Zeit." Luther vergißt schließlich nicht, noch ganz besonders zu mahnen: „Bitt aber, diese meine Schrift und auch die ^cta wohl zu verwahren, ob mit der Zeit sich die Sache weitern würde, und der Teufel durch solche Gesellen was anfinge, wir solchen Juristen möchten begegnen und vor ihnen uns schützen." Auch später finden wir FueS im Verkehr mit Lutber, ob gleich uns leider außer jenen beiden Briesen keine weiteren erhalten sind. 1529 trat Fues als Visitator an die Stelle des erkrankten und in Wittenberg schwer abkömmlichen Luther. Kurz nach Ostern weilt Fues bei dem Reformator in Wittenberg, um sich persönlich für die ihm neue Tbätig- keit von Lutber unterrichten zu lassen. Vermutblick in der ersten Hälfte des Juni 1529 tritt Fues das Amt eines Pfarrers und Superintendenten von Leisnig an. Leider blieb sein Berhältniß zu Luther nicht ungetrübt. Die Veranlassung war wohl die«, daß „FueS seineAmtSstellung als Superintendent dem Leisniger DiakonuS Antonius Lauterbach, dem bekannten Freunde und früheren Haus- und Tischgenossen Luther's in nicht gerade zartester Weise fühlbar machte." FueS' Nachfolger in Colditz war Augustin Himmel. In Emmerick am Rhein geboren war Himmel, der mit seinem Taufnamen Heinrich hieß, Augustinermönch geworden und mit drei andern Ordensbrüdern im Mai >516 nach Wittenberg gekommen. Er ging dann an den Rhein zurück und kielt in Köln Vorlesungen. Dieselben scheinen jedoch einen ausgeprägt evangelischen Charakter getragen zu haben. Man inhibirte sie und Himmel begab sich wiederum nach Wittenberg. Jetzt trat er in engere Beziehung zu Luther, ter ihn am 1. De- cember 1527 in folgendem Briefe dem Kurfürsten Johann von Sachsen als Prediger für Neustadt a. d. Orla empfahl. „Magister Pbilippu« (Mrlanchtbon) bat mir von Jbenc ge schrieben, ich sollte Fleiß ankehren, E. k. f. G. einen Prediger gen der Neustadt anzuzeigen, und nennet auck selbS Magister Augustinus Hymel und achtet ihn tüchtig daselbs bin. Wo nu derfelbige E. k. f. G- grfället, so bitte ick, E. k. f. G- wollt ihn daselbs hin verordenen, und die Schrift oder Brief» mit diesem Boten oder sonst her verschaffen lassen, denn eS gar ein seiner, stiller, sittiger, gelehrter, srummer Mensch ist und bei unö zu Wittenberg wohl versucht und bekannt und itzt auf dem Schlosse allbie das Predigampt versorgt. Ich wollt ihn selbs itzt gen Torgaw geschickt haben, so ist er dieser Zeit hart verhaft und kann nicht abkommen, denn sein Weib krank liegt." Von Neustadt ging Himmel 1529 nach Colditz. Seine pecuniären Verhältnisse waren recht ungünstig. Luther gewährte ihm deshalb selbst einen Vorschuß und bat Spalatin, dasselbe thun zu wollen. Die fünf Briefe Lutber'S, die uns von Himmel erkalten sind, sind bis auf den letzten nach Colditz gerichtet. Mehrfach bittet Luther darin den Freund, für seinen Diener Wolfgang Sieberger ein kurfürstliches Gnaden geld zu erbeben. Ein Zeugniß für vaS „sociale" Wirken Luther's! Wie ist er bedacht für das Wohl seines treuen Famulus! Er möchte ihm gern «in HäuSlein kaufen, damit derselbe einst nach seines Herrn Tode nicht im HoSpilal als „unstäter Bettler" seine Tage zu beschließen brauche. In einem anderen Briefe (vom 27. September 1537 > empfiehlt Luther den neuen Leisniger Schulmeister Caspar Schalter, „einen frommen und armen Menschen", der übrigens schon drei Jahre später ArchiviakonuS zu Meißen wurde. In einem dritten Briefe (vom 26. November 1539) giebt Luther dem Freunde seinen Rath, ob er einen Ruf nach Dresden annehmen solle. Im Jahre 1545 war Himmel SpalatinS Nachfolger in Altenburg geworden. Wir finden Himmel im Verkehr mit Luther, wegen der Besetzung der anderen Altenburger Predigrrstelle, sowie wegen der Berufung eine« Nackfolgers nach Colditz. Wir sehen aus Allem, wie Luther in allen wichtigen Fragen der autoritativ« Mittilpunct war und man selten etwas that, auch selten einen Geistlichen in ein wichtigere« Amt berief, ohne seinen Rath riugeholt zu baden. Er muß allerdings, wie sich aus diesen Briesen schließen läßt, eine hervorragende Fähigkeit, „die Geister zu entscheid««" und eine seltene Menschenkenntniß, aber auch rin vorzügliches Personengedächtniß gehabt haben. Dabei nahm sich Luther in rührender Fürsorge der Geistlichkeit gegen mancherlei Uebergriffe der Juristen an. Man wußte, daß man bei ihm wirksamen Schutz fand. Sv schreibt einmal (im Dttember 1528) Iustu« IonaS an Wolfgang Für«: „Ir wollet sampt dem Pfarrer zu Grhmma mit dem schoffer dosrlbst reden, da« er der notigen artickel halben als deS baweS der psarren rc. wolle die armen Pfarrer handhaben und schleunig crccution thun; wo eS nytt geschieht, so schreibt Doctor Martino und mir wider, wollen wir eS an unfern gnediasten Kern gelangen lassen; ich höre, der schoffer brschnautzt die armen Pfarrer unsreuntlich, da« wollet ime untersagen."
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