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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960305025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896030502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896030502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-05
- Monat1896-03
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Grohrre Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Jifserwatz nach höherem Tarif t-xtra-veilagcn (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeiörderung .Sl 80.—, mit Postbefördrrung ^4 Ist Ännahmeschluk für Änzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Ukr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Antritten sind stets an die tkppeüftion zu richten. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-117. Donnerstag dm 5. März 1896. so. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leip,ig, 5. März. Kaum hat die „Kreurzeitung" davor gewarnt, bei der Berathnng de« Entwurfs de« Bürgerlichen Gesetzbuches darauf zu bestehen, daß in dem Gesetzbuche die obligatorische Eivilehe durch die fakultative ersetzt werde, so kommt die Meldung, die conservative Partei deS Reichstags habe den Beschluß gefaßt, gerade auf diese Ersetzung zu dringen. Bestätigt sich diese Meldung, so muß zwischen der eonservativen Reichstagsfraction und dem Cent rum eine Vereinbarung erfolgt sein, die selbst von der „Kreuz zeitung" nicht erwartet worden war. Ob die beiden Fractionen ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwürfe wirklich von dem Erfolge ihre« Ansturmes gegen die obliga torische Civilehe abhängig machen wollen oder diesen Ansturm nur in Scene setzen, um sich durch eine Concession auf anderem Gebiete abfinden zu lassen, muß abgewartet werden. Jeden falls hat der „Freisinn" keine Ursache, im letzteren Falle über Schacher sich zu beschweren. Unausgesetzt hört man die „freisinnigen" Organe predigen, daß ebenso wie die Regierung, so auch die Parteien politische Vortheile auf dem einen Gebiet« nicht durch Zugeständnisse auf dem anderen fordern bezw. erkaufen dürfen. Und heute liest man in der „Voss. Ztg.": ,,Wiederholt sei darauf aufmerksam gemacht, daß die Regierung durch dir Verweigerung zeitgemäßer Forderungen in der Justiz novelle das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs gefährdet, denn aller Voraussicht nach wird die Entscheidung über Las Bürgerlich« Gesetzbuch von den Stimmen der Freisinnigen und der süddeutschen Bolkspartei abhängig sein, die schwerlich Entsagung üben werdeo, wenn nicht auch bei der Justiznovelle die Regierung Entsagung zu üben gewillt ist." Ueber die verschiedenen Forderungen der Commission für die Justiznovelle kann man verschiedener Meinung sein, jedenfalls ist die Methode, sie durchzusetzen, die das freisinnige Blatt empfiehlt, eine solche der Pression oder des Schachers. Und obendrein, wie von freisinniger Seite, insbesondere auch von dem FractionSredncr der Volkspartei und nunmehrigen zweiten Vorsitzenden der Commission für das Bürgerliche Gesetzbuch, iu der ersten Berathung dieses Gesetzes anerkannt worden ist, Pression und Schacher in einer eminent nationalen Angelegenheit. Es ist in den Zeiten der Stärke des Fortschritts oft ver- hängnißvoll geworden, wenn er sein „Alles oder Nichts" innerhalb einer und derselben gesetzgeberischen Materie aus spielte; wenn er nun auch noch seine Zustimmung zu einer Sache von der Erreichung seines Willens in dieser und in anderen Dingen abhängig macht, so wird er eS in der Kunst deS Nichtserreichens um ein gut Stück vorwärts gebracht, dafür aber auch weiterhin die üblichen Consequenzen zu ziehen haben. DaS Centrum kann allenfalls vor seinen Wählern bestehen, wenn es daS Bürgerliche Gesetzbuch zu Falle gebracht hat, der Freisinn nicht. Die vorgestrige Berathung des Marineetats in der Budgetcommission des Reichstags hat in noch höherem Maße als vor etwa einem Monat die Berathung deS Colonial- etatS die Frage der Flottenvermehrung geklärt. Es konnte zwar auch jetzt noch nicht gesagt werden, wie die in Vorbereitung begriffene Vorlage auSsehen und welche Forde rungen sie stellen wird, aber aus den Ausführungen der StaatSsecretaire für die Marine und das Auswärtige ging bervor, daß es sich bei Festlegung der Grundlinien dieser Vorlage weder um einseitige Wahrung von Marineintereffen, noch um Pläne bandelt, die über daS Bedürfniß und dieLeistungS- fähigkeit der Nation hinausgehen, sondern lediglich um die Befriedigung eines dringenden Bedürfnisses. Natürlich werden, so lange die Vorlage noch nicht feste Gestalt ge wonnen bat, Meinungsverschiedenheiten zwischen den zur Entscheidung berufenen Sachverständigen schwerlich ausbleiben. Daß aber diese Differenzen nicht zu Versuchen, den Fürsten Hobenlobe zu stürzen und ihm einen enragirteren Flotten vergrößerer zum Nachfolger zu geben, führen werden, dafür bürgt der Umstand, daß der jetzige Reichskanzler selbst die Vorbereitung zu der Vorlage überwacht und sich in Uebereinstimmnng mit den beiden StaatSsecretaire» be findet. Daß eine maßvolle Agitation, die sich im Wesent lichen darauf beschränkt, die Einsicht in die Nothwendigkeit einer Verstärkung unserer Wehrkraft zur See in die breitesten Volksschichten zu tragen, an maßgebender Stelle begrüßt wird, ging aus der Berathung deutlich hervor; es ist auch selbstverständlich; eben so deutlich ergab sich aber auch aus der Verhandlung, daß an dieser Stelle jener Uebereifer be klagt wirb, der Vorschriften über den Umfang und die Art dieser Verstärkung machen und außerparlamentarischen Gruppen neben Bundesrath und Reichstag einen der Reichsverfassung direct widerstreitenden Einfluß aus die Ausgestaltung des Flottenplanes sichern möchte. So wird denn auch dieAgitation mehr und mehr in die rechte Bahn kommen und aufhören, den principiellen Gegnern einer stärkeren Flotten vermehrung Waffen zu liefern. Die gute Folge der in der Commission abgegebenen Erklärung trat sofort zu Tage, indem nicht nur die neuen Raten für bereits bewilligte Schiffs bauten bewilligt wurden, sondern auch die erste Rate für das Panzerschiff I. Classe „Ersatz Friedrich der Große", dessen Gesammtkosten sich auf 13 120 000 belaufen, mit großer Majorität bewilligt wurde. Daß nur 4 Stimmen gegen diese Forderung sich erhoben, eröffnet günstige Aussichten für die weiteren Forderungen, namentlich für die Vermehrung der Kreuzerflotte. Das preußische Abgeordnetenhaus hat bei dem Titel „Gehalt des Cultusministers" fünf volle Tage auf eine Generaldebatte über den Etat des CultusministeriumS verwendet und wird bei den folgenden Titeln voraussichtlich noch oft auf die Streitpunkte zurückgreifen, die den Gegen stand dieser langwierigen Erörterungen gebildet haben: die politischen Machtbestrebungen des Ultramontanismus und das Gelüste der Polen, eine Sonderstellung zu erringen, vermöge deren sich die von der Zukunft erhoffte völlige Los- reißung von Preußen politisch und culturell so bequem als möglich vorbereiten ließe. Beiden Tendenzen ist die Taktik gemeinsam, Bevorrechtigungen unter Beschwerden über an gebliche Minderberechtigung zu fordern und dem Angriff den Schein der Abwehr zu verleiben. Insoweit die Bloßlegung dieser Methode in Frage kam, hat die Debatte ein erfreuliches Ergcbniß gehabt. Klerikale und Polen mußten den Beweis für die zahllosen Behauptungen religiöser und nationaler Beein trächtigung schuldig bleiben, der Versuch, ihn hinsichtlich der finanziellen Bevorzugung der evangelischen Kirche zu erbringen, bat mit einem Mißerfolg geendet, der in Anbetracht der da bei entlarvten Absicht, in gedruckten Ziffern festgelegte That- sachen zu escamotiren, zugleich eine moralische Niederlage bedeutet. Umgekehrt sind Klerikale und Polen der Friedens störung, der Protestanten- und Deutschenhetze an der Hand unangreifbarer Beweismittel überführt worden, ohne daß eS Eindruck hervorbringen konnte, als beide Fractionen — allerdings auch nicht in glaubwürdiger Weise — ihre Ver antwortung für Worte und Handlungen grenzenloser Unduld samkeit und Bedrückungswuth bestritten. Dies der au« den Verhandlungen für den Staat davongetragene Vortbeil. Daß die Schul- und K i r ch c n p o l i t i k der preußischen Regierung unter anderem Gesichkspunct, als dem der ultramontanen Machtpolitik, thatsächlich An griffsflächen bietet, ist in der Debatte nur wenig bervorgetreten. Nach dieser Richtung hat der Cultusminister keinen Grund, den klerikalen Ansturm zu bedauern. Er bat ihm Vertheidiger an Stellen verschafft, wo ibm seine Füg samkeit gegenüber den weitestgehenden Ansprüchen des Klerus Gegner hatte erstehen lassen sollen. Einige mehr oder weniger scharf abweisende Worte an das Centrum und die überwiegend opportunistische Verzichterklärung bezüglich eines Schulgesetzes, wie das Zedlitz'sche, konnten doch unmöglich über die Verwaltungsgrundsätze eines Ministers beruhigen, der für den Klerikalismus so viel gethan, daß ibm zu thun fast nichts mehr übrig bleibt. Beruhigung ist uni so weniger am Platze, als Herr Or. Bosse sich kurz vorher auch in persönlichem Auftreten sehr ergeben gegen einen CentrumSführer gezeigt und seinen Standpunct zu der Frage des Religionsunterrichts in den gewerblichen Fachschulen auf Verlangen über Nacht in die Nähe des klerikalen gerückt hatte. Was seinen Erklärungen zur Polenpolitik hinzuzusügen war, ist von nationalliberaler Seite ausgesprochen worden, nämlich die Erwartung, daß hinter den kräftigen Worten des Ministers die Executive in den polnischsprechenden Landestheilen sieben werde. Was in Berlin gesagt wird, imponirt den P len nicht, Wohl aber, waS in Posen, Westpreußen und Oberschlesien geschieht. Sie sind, so weit das Ressort des Cultusministers in Betracht kommt, durch das unheilvolle Zugeständnis hinsichtlich des polnischen Unterrichts in den Schulen Posens und die noch unheilvollere Ernennung des Chefs der uationalpolnischen Propaganda zum Erzbischof von Posen. Da die eine Maßregel sich gar nicht, die andere nicht sö leicht rückgängig machen läßt, so ist eS doppelt geboten, der polnischen Bevölkerung durch die Staats beamten vergegenwärtigen zu lassen, daß die Auffassung der polnischen Bewegung, die zu jenen beiden großen Fehlern geführt bat, in Berlin einer realistischeren gewichen ist. Dafür zu sorgen, ist indessen nicht allein die Ausgabe des Cultusministeriums, sondern die aller RessortS, das des Kriegsministers am allerwenigsten ausgeschlossen. Die Wiederkehr zur alten bewährten Behandlung der Polen frage ist durchaus notbwendig und zwar in allen Stücken, was die „Cons. Corr." sich gesagt sein lassen soll, die aus Anlaß der Polenreden des Cultusministers geschrieben hat: „Die Conservativen haben in der Polenfrage niemals geschwankt." Das ist richtig mit Ausnahme eines Puncles: der Zuströmung russisch-polnischer Arbeiter nach den Ostprovinzen. Die „Cons. Corr." mag einmal nacklesen, was der Redner ihrer Partei vor zehn Jahren darüber im Abgeordnetenhause gesagt hat. Inzwischen ist aber noch eine Angelegenheit aufgetaucht, in der die conser- vative Partei mittelbare Begünstigung der Verpolung an strebt: die des eben wieder so dringlich geforderten Schul gesetzes von 1892. Wer mit einem solchen Gesetze die Schule der Geistlichkeit ausliefert, liefert in den Ostmarken die deutschen Katholiken den Polen aus. Ueber den Umfang der schweren Niederlage, welche die Italiener in Abessinien erlitten haben, liegen noch keine näheren Nachrichten vor. Der Verlust fast der gesammtcn Gebirgsartillerie wird bestätigt, doch läßt sich noch nichts Bestimmtes über den Verlust an Mannschaften sagen. Bis gestern Abend wußte man von dem Schicksal der Generale Dabormida, Arimondi, Albertone und ihrer Mannschaften noch nichts. Möglich ist bei der Zerklüftung des Terrains auf dem Schlachtfeld von Arua, daß die einzelnen Abtheilungen versprengt und nicht völlig aufgerieben sind. Ob sie aber im Stande sein werden, sich nach Norden zu schlagen und bei Asmara sich zu sammeln, oder ob sie bereits in die Gefangenschaft Menelik's geratben sind, ist zweifelhaft, die Wahrscheinlichkeit spricht eher für das Letztere. Auch darüber Widerstreiten sich noch die Meldungen, ob Adigrat noch von einer italienischen Besatzung gehalten wird. Die „Opinione" stellt es kategorisch in Abrede, daß das Fort gefallen sei, aber sie ist selbst der Ueberzeugung, daß eS aufgegeben werden müßte. Die von Massaua nach Adigrat sich unterwegs befindenden Unterstützungen dürften unter den gegenwärtigen Verhältnissen zurückgerufen und gleichfalls nach Asmara dirigirt werden, wenn sie nicht von den in Masse abfallenden Eingeborenen decimirt werden. Alles nach Asmara! Das ist jetzt die Losung und die Italiener dürfen hoffen, sich unter Aufgabe der Forts Adigrat und Adi-Ugri bei Godoselassi mit den in der Schlacht nicht ver wandten und den glücklich gesammelten Truppen in ter durch die Forts bei Asmara, Saganeili und Halai bezeichneten Linie so laiige zu halten, bis neue Ver- stärkungstruppen aus dem Multerlande eintreffen. Bei Asmara stand außer der Besatzung des Forts eine Abtheilung von 3 Bataillonen und 1 Batterie; auch ist trotz aller über laschenden Erscheinungen in der Kriegführung der Abessinier kaum zu erwarten, daß sie dem geschlagenen Gegner auf den Fersen bleiben werden. Kassala wird gleichfalls ungesäumt zu räumen sein, denn die Belassung der dortigen Besatzung bat nur Sinn, wenn ihr in absehbarer Zeit Verstärkungen zugesührl werden können. Daran ist unter den obwaltenden Umständen kaum zu denken, und andererseits erscheint es außer Zweifel, daß die Derwische am Atbara, die fick in den letzten Wochen schon ein paar Mal bedenklich gerührt haben, gegen Kassala und die den Italienern ergebenen Stämme im Westen Erythräas vorgeben werten, sobald sie von dem Unglück Baratieri's Kunde er halten. Es ist also Alles verloren, was, zum Tbeil unter schweren Opfern, seit 1889 in Erytbräa gewonnen war. Als letzter Halt bleibt den Italienern unter allen Umständen Massaua mit den FortS seiner Umgebung und das Rotbo Meer-Geschwader, vier Kreuzer und vier Kanonenboote. Höchst wahrscheinlich wird Menelik nun wieder die Hand zu einem — natürlich ihm günstigen — Frieden bieten, aber es kann wobl gar keinem Zweifel unterliegen, daß Italien, statt einen schimpflichen Frieden zu schließen, einen neuen, noch schwierigeren und opferreicheren Krieg unternehmemen wird. Ein Schrei der Trauer gebt Lurch das ganze Land, denn nun haben auch seine eigenen Söhne, nicht nur in Sold genommene Eingeborene, wie bei Agordat und Coatit, auf afrikanisch'» Boden bluten müssen. Statt der bereits in Aussicht genommenen 60 M:I lionen Mehrkosten für den Krieg mit Abessinien werden etwa 200 auszugeben sein, trotz der wenig befriedigenden finanziellen Lage des Landes. Es muß sein, soll Italien nicht in Afrika wie iu Europa an Ansehen empfindlich cinbüßen; und cs wird geschehen, mag nun ein Cabinet Crispi oder ein anderes am Ruder sein. Thatsächlich bat das Ministerium seine Demission gegeben, worüber uns folgende Meldungen vorliegen: * Rom, 4. März. Alle Blätter b e st ä t i g e n dieDemission des Cabinets, welche morgen den beiden Kammern mitgetheilt werden soll. Diese werden sich darauf vertagen, um die Entscheidung der Krone abzuwarten. Das Ministerium wird dem Parlamente alle auf Afrika bezüglichen Actenstücke vorlegen. Der König beschick die Seme „dumme" kleine Frau. 16s Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verboten Seither hatte er in keinem Falle für nothwendig erachtet, ihr zu genügen, aber in letzterZeit vorHekommene Unregelmäßigkeiten, die von dem aufsichtführenden Richter bemerkt worden waren und von welchen ein Fall nur durch seine Aussage ans den Diensteid hatte erledigt werden können, nötbigten ihn, wenigstens vorläufig auf seiner Hut zu sein und in besonders wichtigen Dingen von einer Bestellung amtlicher Schriftstücke durch seine Untergebenen abzusehen. Der „neugebackene" Assessor ließ obendrein nicht mit sich spaßen und war bemüht, überall seine Nase hineinzustecken. Es war ein Glück, daß derselbe nnr als Stellvertreter fungirte und seine Zeit m einigen Wochen abgelaufen war. Aber auch dieser Gedanke war nicht im Stande, die durch den unerwarteten Anblick Frau Hilligenfeld'S schwer er schütterte behagliche Stimmung Philipp Allmer'S wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Mißmuthig setzte er seinen Weg in dem glühenden Sonnenbrand fort, in verdoppelter Eile, um frühzeitig der Verkünder einer großen unwillkommenen Neuigkeit zu sein iznd Albrecht Leineweber zu warnen, wenn die Warnung überhaupt nicht schon zu spät kam. Neuntes Capitel. Der Rechtsanwalt Wilhelm Herrengrund saß noch immer regungslos, den Brief zwischen seinen Fingern haltend, der vor etwa «iner Viertelstunde von dem Briefträger ihm selbst übergeben worden war. Da* allzeit behaglich lächelnde Gesicht war zwar im Laufe der letzten Wochen bereit« ver schiedentlich einem Wechsel »»«gesetzt gewesen, aber man würde kaum eine Veränderung seiner Züge, wie sie in diesem Auaenbtick sich pollzogen, für möglich gehalten haben. Noch vor wenigen Minuten bochrotb, zeigte eS jetzt eine fahle Bläffe. Er machte den Eindruck eine« Erschreckten, wie vor einem grausen Anblick Zurückweichenden, und er hatte in Wahrheit etwas Graust« erblickt. Aber war e« denn nicht nur ein Schreckbild seiner Phantasie? Wer war der Schreiber dieser Zeilen- Offenbar ein Weib, wie die spitzen, schwachen Schriftzüge erkennen ließen, ein binrerlistigeS, intriguantes Weib, das Freude am Bösen batte und gewiß nur darauf auSging, Unheil zu säen. Der Inhalt de« Briefes war von Anfang biS Ende erlogen, um daS Glück einer Ebe ins Schwanken zu bringen. Nein — Herrengrund lachte leise und spöttisch in sich hinein — daS Glück seiner Ebe brauchte gewiß und wahr haftig nicht mehr in« Schwanken gebracht zu werden, das stand schon lange nicht mehr auf festen Füßen. Wäre da« nicht der Fall gewesen und hätten nicht andere Umstände mitgewirkt, diesem elenden Macbwerk den Schein Les Mög lichen zu geben, er würde es einfach in Atome zerrissen oder verbrannt haben. So aber? Er sprang von seinem Sitze auf, den Stuhl hastig zurückschiebend. Eine verheerende Unruhe hatte Gewalt über ihn gewonnen. Alles stimmte — Tag und Zeit. Er war in Begleitung des Amtsrichters Börner, mit dem er jetzt besonders viel verkehrte, eine halbe Stunde früher als gewöbnlich zum Mittagessen nach Hause gekommen und hatte seine Frau nickt anwesend gefunden. Er war unangenehm dadurch über rascht. Nicht nur, weil der Amtsrichter möglicher Weise daran« Anlaß nehmen konnte, daS Verhalten einer jungen Frau dem Gatten gegenüber zu kritisiren, sondern Frau Gertrud war auch durch ihr unzeitige« Fortgehen die Möglichkeit benommen, ihr Geschick, die tägliche Mittagstafel für ein apartes kleine« Diner herzurichten, glänzen zu lassen. Seine Frage nach der Gatlin konnte weder von der Köchin noch dem Mädchen beantwortet werden, und so hatte er sich in die für ihn be sonder« peinliche Lage versetzt gesehen, seinem Gast da« Geständniß machen zu müssen, daß seine Frau ihre eigenen Wege gebe. Di« Suppe war bereit« aufgetragen worden, als die jung« Frau endlich eingetreten war, erhitzt — athemlos. In er sichtlich großer Verlegenheit haste sie eine Entschuldigung hervorgestottert. Wo sie gewesen war? Einen Spaziergang gemacht. .Herrengrund hielt eS gerathen, nicht weiter in fit zu dringen, um dem Amtsrichter nickt Gelegenheit zu geben, besondere Beobachtungen zu machen, ihm war aber nickt ver borgen geblieben, daß sie sich in großer Aufregung befunden, obschon sie sich redlich Mühe gegeben, sie zu verbergen. Auch Börner batte unzweifelhaft dasselbe bemerkt. Am Abend, als Herrengrund mit seiner Gattin sich allein gesehen, versuchte sie ihre anfängliche Angabe aufrecht zu er halten, und e« war ihm auch nicht gelungen^ sie zu einer Aussage zu bewegen. Dennoch batte kein verfänglicher Arg wohn in ibm sich geregt. Vielleicht gab sie nnr ihrem Samaritersinn nach, den er nickt überall zu billigen ver mochte, wenngleich er keineswegs Wohlthätigkeitswerken abge neigt war. Sie sollte nur Maß und Ziel halten und vor allen Dingen lernen, nickt überall den Regungen eines rasch auflodernden Gefühls zu folgen. Die strenge Zucht, sich selbst zu beherrschen und zu prüfen, fehlte ihr. Jener Vorgang, obwohl er Anlaß zu einem kleinen Streit geworden, war bald wieder vergessen — wie seinerseits alle andern. Erst angesichts deS Briefes wurde die Erinnerung an ihn wieder aufgefrischt, um nun eine besondere Bedeutung zu finden. Je länger Wilhelm Herrengrund seinen Gedanken nachhing, während er immer wieder den Brief las, desto mehr befestigte sich in ihm die Ueberzeugung, daß es sich hier nicht um eine Verleumdung handelte. Er hatte ja auch zur Genüge erfahren, welchen Antheil seine Frau an diesem Hauptmann von Greifingen nahm. Nachdem er einige Augenblicke am Fenster gestanden und auf die Straße hinausgeschaut batte, trat er in das Innere des Zimmers zurück. Sein Gesicht zeigte wieder einen ruhigeren Ausdruck, nur seine vollen Lippen umspielte ein deutlich hervortretendes spöttisches Lächeln. Ihr Mitleid leitete die unerfahrene junge Frau unzweifelhaft irre. Da war — dem Himmel sei Dank! — nichts zu befürchten. Sic würde schon sehen. Seine Bemühungen, sich selbst zu beruhigen, waren zwar theilweise geglückt, doch gelang eS ihm im Lause des Vor mittags nicht, seine gute Laune herzustellen. Der vorgezeich nete LebenSplan war jedenfalls nicht ganz correct von ihm entworfen und seine Berechnung eine falscke gewesen. Er batte mit geraden Zahlen gerechnet, weil er seit jeher auf die ungeraden sich nickt verstanden. Vielleicht gerade darum sah er sich außer Stande, au« dem Ganzen den rechten Schluß ru ziehen und eine richtige Losung des Exempels herbeizuführen. Es war ihm unmöglich, beute die Bureaustunden ein- zuhalten. Unter dem Vorgeben, daß heftige Kopfschmerzen ibm ein längeres Verweilen in dem dumpfen Bureau zur Unmöglichkeit machten, entfernte er fick bereits gegen zwölf Uhr au- demselben, um sich direct in seine Privatwohnung zu begeben. Er fand Frau Gertrud nicht wie in der ersten Zeit ihrer Ehe mit der großen weißen Küchenschürze an- gtthgn, unter welcher sich die hübsche, immer elegante und kleidsame HauStoilette verbarg, in der Küche, die Zubereitung seiner LieblingSspcisen beaufsicktigend, sondern beschäftigung-lo- am Fenster sitzend, die Hände im Sckooß znsammengelegt. Sie hatte sein Kommen nicht einmal bemerkt, auch nickt gehört, daß er die Thür des angrenzenden Zimmers geöffnet. Der Teppich fing das Geräusch seiner Schritte auf. So konnte er, unter dem Vorhang deS Eingangs stehend, sie eine ganze Weile beobachten, ehe sie seiner ansichtig wurde. Ihr Anblick war nicht geeignet, den Sturm zu be schwichtigen, der noch in ihm gährte. Im täglichen Verkehr mit ihr war ihm die Veränderung, die an der jungen Frau sich vollzogen, nicht besonders ausgefallen, heute bemerkte er mit einem Male, daß sie nicht nur blaß, sondern sogar kraul aussah. Ihre erschöpfte Haltung, verbunden mit einem tröst losen Gesichlsausdruck, ließ Wilhelm Herrengrund im ersten Augenblick auf ein physisches Leiden schließen, aber dann tau: ihm plötzlich ein unseliger Gedanke, und in seinen Augen begann es unheimlich zu glühen. Mit wenigen Schrillen trat er ibr näber, und nun fuhr sie erschreckt aus liefen! Sinnen auf. Sie verfärbte sich beim Anblick deS Gallen, aber sie erhob sich. In demselben Augenblick griff er in die Brusltascke seines Rockes, und hielt ihr den Brief entgegen, der ibn in eine so gewaltige Aufregung versetzt. Frau Gertrud'« Hand zitterte, als sic ,hn in Empfang nahm. Während sie die wenigen Zeilen laS, stieg ein heißes Roth in ihr Gesicht, Zorn und Entrüstung spiegelten sich in ihren Zügen wider. „Wie erbärmlich!" sagte sie dann nur, den Brief zurück gebend. Wilhelm Herrengrund fühlte bei diesen beiden Worten doch eine Erleichterung. „DaS soll wohl nicht wahr sein?" „Ich denke, schon diese Frage hat etwas Kränkendes. Derartige Machwerke sollten zwischen Gatten nicht zum Gegenstand von Erörterungen gemacht werden", gab sie rubig zurück, aber ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und sie konnte nur mit Mühe äußerlich ihre Ruhe bewahren. Herrengrund's scharfem Blick entging auch ihre grenzen lose Aufregung nicht. „Hoho! Damit wird so etwas nicht abgethan, wenn nun einmal mancherlei Dinge dafür sprechen, daß der Inhalt des Schreibens nickt aus der Luft gegriffen ist", fuhr er ge reizt auf. „Mir ist'S ganz klar geworden, wo Du an jenem Tage gewesen bist, als ick den Amtsrichter Börner zum Essen mitgebracht batte. Leugnest Du, dqß Du an dem Tage mit ibm an derselben Stelle, von welcher in diesem Briefe die Rede ist, zusammrngetroffen bist?"
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