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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980625029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898062502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898062502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-25
- Monat1898-06
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, di« Sbend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-action und Expedition: IohanneSgafse 8. Di« Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ltt» Siemm'S Tortim. (Alfred Hah«), Uuiversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KönigSplatz 7. BezugSPreiS tu der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk mrd den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^>4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteffährlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung in» Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. UeiWM TagMalt Anzeiger. Amtsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes nnd Nolizei-Änites der Lindt Leipzig. AnzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem RedactiouSstrich (4 ge spalten) 50^4, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbesörderung .^l 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und?lnnahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Srpedttto« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 317. Sonnabend den 95. Juni 1898. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. —p. Wenn durch amerikanische Blätter verbreitet wird, daß am Mittwoch und Donnerstag die gesammte Streitmacht ShafterS östlich von Santiago gelandet sei, so ist das irrig. Nach einer uns heute aus London zugegan^cncn Drahtnachricht meldet eine Depesche der „Associated Preß" von der Höhe von Iuragua (Juragua östlich von Santiago?) unter dem 23. dss. MtS. AbendS: Die amerikanischen Truppen leiben sehr, da sie durch die beschwerlichen Eilmärsche und die Hitze völlig erschöpft sind. Noch herrscht Mangel an Lebens Mitteln. Die Transportschiffe mit den noch nicht ausgeschifften Truppen gingen vor Incagua vor Anker, waren jedoch nicht im Stande, Mannschaften oder Lebensrnittel zu landen, da beute die See hoch ging, während es bei Daiguiri am Donnerstag gelang, wenigstens Munition und Borräthe an Land zu bringen. Juragua ist aber bereits in den Händen der schon gelandeten .--r.'-i-chen Truppen, wie aus folgender Meldung hervorgeht: * New Kork, 24. Juni. Vom Bord deS Schisses der „Also- ciated Preß", welches vor Incagua liegt, wird gemeldet, die amerikanische Armee erreichte den Rand des Plateaus, welches den Hafen Santiago umgiebt, und pflanzte die ameri- kanische Flagge in Juragua auf. Nur einige Flintenschüsse wurden gewechselt, die Spanier ziehen sich nach wie vor zurück. Man erwartet erst in einigen Tagen ein entscheidendes Tressen. Dieses scheint noch nicht stattgefunden zu haben. Eine Depesche des „Evening Journal" aus Santiago von gestern berichtet nur von einem ernsten Kampfe zwischen Cubaner» und Spaniern auf den Bergen hinter Daiguiri und im Nordwesteu von Santiago. Wie nach Madrid unterm 25. Juni gemeldet wird, erhielt die spanische Regierung eiu Telegramm, nach dem in der Nähe von Santiago ein Kampf stattgefunden hat. Depeschen von Admiral Sampson jedoch, die bis zum 21. Mitternachts in Washington eiugegangen waren, er wähnen kein Treffen, in welchem Sbafters Truppen be- theiligt gewesen wären. Möglicherweise führen, wie uns aus Madrid berichtet wird, die Spanier eine Con- rentrirung »ach dem Inner» des Landes auö, um so den Feind von der Küste zu entferne» und ihn dann außerhalb der Schußweite der Ge schütze der amerikanischen Schiffe anzugreifen. Da gegen ist durchaus nichts einzuwende», wenn sich hinter der Concentrirung nach dem Innern des Landes nicht der Rück' zug und diePreisgabe Santiagos verbirgt. Die Spanier brauchen nur die hinter den amerikanischen Positionen sich erhebenden Hänge der Sierra Maestra zu besetzen, dann sind sie schon außer dem Bereich der amerikanischen Schiffskanonen, und von diesen vorzüglichen Stellungen aus haben sie zu ver hindern, daß Shaster de» Küstenstreifen entlang vor Santiago gelangt. Gestern erhielt die spanische Regierung eine Depesche des in Santiago commandirenden Generals Linares, die seinen Vertheidigungsplan mittheilt und die An zahl der verfügbaren spanischen Streitkräfte an- giebt. Danach scheint die Annahme, daß in Santiago die Besatzung unzulänglich sei, hinfällig zu sein. General Linares verfügt in Santiago selbst über zwölf Bataillone und zahlreiche Artillerie. Die Umgegend ist durch starke Detachements, die sich in strategischen Stellungen befinden, besetzt. Diese haben sich nach und nach gegen Santiago, aber nicht weiter, zurückzuziehcn, um im geeigneten Augenblick außerhalb des Bereiches der Kanone» der feind lichen Flotte ein größeres Treffen zu liefern. Um einen Ueberblick über die gestimmten bei und für Santiago zur Verfügung stehenden spanischen Streitkräfte zn geben, fei im Einzelnen Folgendes mitgetheilt: Das östliche Drittel des Ländcrgebietes von Cuba enthält von Puerto Principe bis GuantLnamo die folgenden Garnisonen, die bisher von den Spaniern besetzt waren und zum Theil noch sind: Puerto Principe, S. Fernando Le Nuevitas, Las Tunaö, Holguin, Manzanillo, Bayamo, Jlguani, Subanilla, Santiago und Guahabo (bisher Caimanera); die übrigen Städte und Gebietstheile Ost-Cubas befinden sich in Händen der Jnsurrection. Jene spanischen Streitkräfte bilden das Armeecorps von Santiago und Puerto Principe unter dem Befehle des Generals Pando und sind zur Zeit zum weit über wiegenden Theile bei Santiago und Umgegend versammelt. Das Armeecorps besteht aus 4 Divisionen, und zwar der Division von Cuba unter General LinareS, deren Infanterie aus dem l. und 2. Bataillon des Regiments Cuba, dem I. und 2. Bataillon des Regiments Simancas und den Bataillonen Asia, San Fernando, Coustitucion, Principe, Toledo, Cordova, Talavera h Zamora und dem provisorischen Bataillon von Puerto Rico Nr. 1 gebildet ist. Die Cavallerie der Cubadivisiou besteht aus 3 Escadrons des Königs-Regiments und einer der Civilgarde, die Artillerie aus 4 Compagnien des 10. Festungsartillcrie-Negiments und der 6. Batterie des 4. Gebirgsregiments. An Ingenieur truppen gehören dazu 3 Compagnien Sappeure und Mineure und 2 Telegraphen-Compagnien. Ferner gehört zur Division eine Traincompagnie und die Administratiouszweige, in Summa: 13 Jnfanteriebataillone, 4 EscadronS, 1 Gebirgs batterie, 4 FestungSartillerie - Compagnien, 5 Ingenieur- Compagnien und 1 Traincompagnie. Die Division von Holguin unter General Lugue zählt an Infanterie das l. und 2. Bataillon des Regiments Havanna, die Bataillone von Aragon, Estremadura, Bergara und Sicilia, daö 2. provisorische Bataillon von Puerto N'co Nr. 5, ferner die 2. Bataillone deS 2. und 3. Mariue- JnfanterieregimcntS, an Cavallerie eine Escadron deö Regiments Fernan Cortez und eine der Civilgarde, an Artillerie eine Batterie des 4. Gebirgsartillerie-Regiments und einen Zug des 5. GebirgSartillerie-Regimcnts, ferner eine Sappeur- und Mineurcompagnie, eine Traincompagnie und die Administratiouszweige. In Summa 9 Infanterie bataillone, 2 Escadrons, 1^ Batterien, l Ingenieur- und 1 Traincompagnie. Die Division von Manzanillo unter General Garcia Aldave besteht aus dem 1. und 2. Bataillon deS Regiments Isabel la Catolica, den Bataillonen von Baza, Bizcaya, Andalucia, Alava, Union y Alcantara, 1 Escadron des Königs-Regiments, 1 Gebirgsbatterie, sowie je l Com pagnie Pioniere und Train und den Administrationszweigen. In Summa 8 Bataillone, 1 Escadron, 1 Gebirgsbatterie, 1 Pionier- und 1 Traincompagnie. Die Division von Puerto Principe unter General March bestehl aus dem 1. und 2. Bataillon des Regiments Tarragona, dem Bataillon Almanza, den Cadizer Jägern und dem provisorischen Bataillon Puerto Rico Nr. 2 und dem Freiwilligen Bataillon von Madrid, 2 Escadrons des Regiments Fernan Cortez, 2 des Regiments Alfonso XIII. und 1 Escadron Civilgarde, 1 Zug Gebirgsartillerie, je 1 Compagnie Pioniere und Train und den Administrations zweigen. In Summa 6 Bataillone, 5 Escadrons, 1 Zug Gebirgsartillerie und je 1 Compagnie Pioniere und Train. Die Gesammtstärke des ArmeecorpS beträgt somit 36 Jnsantenebataillone, 12 Escadrons, 4 Gcbirgsbattcrien, 1 FestungSartillerie-Compagnien, 6 Pioniec-Compagnicn, 2 Telegraphen-Compagnien, 4 Train-Compagnien. Dazu kommen die localen Guerilla-Corps, die Freiwilligen-Corps und die Miliztruppcn des Landes. Diese Streitkräfte sind verfügbar, um cem Angriff der Amerikaner und Insurgenten im Sükostcn der Insel und bei Santiago entgegenzntreten. Die Infanterie-Bataillone sollen die Kriegsstärke von 1000 Mann, die zweiten Bataillone, die von 801 Mann haben, die EscradronS 150 Pferde stark sein; infolge von Krankheiten rc. dürfte dieser Stand jedoch weit geringer sein. Die Stärke der unter General Pando's Befehl stehenden Truppen incl. der Freiwilligen wird neuerdings auf 26 000 Mann angegeben, von denen 8000 Äann im Norden Santiagos gegen die Insur genten postirt sind, 10 000 Mann unter General Linares die Stadt Santiago nebst Theilen der Bai z. B. an den Torpedo sperren vertheidigen sollen und 8000 Mann unter General Lugue die Straße Santiago-Guantänamo besetzt haben. Diese Bertheilung der Streitkräfte wird nach erfolgter Landung der Amerikaner wesentliche Modifikationen erfahren haben, so sollen zu General Pando bedeutende Berstärkungen gestoßen sein. Außerdem wird an der Trocha von Jucaro eine selbst ständige Division gebildet, bestehend aus dem I. und 3. Bataillon Infanterie-Regiments Alfonso XIII., den Bataillonen von Tarifa, Albuera, RcnS, Chiclaua, Llerena, Arapiles, Garellano und Murcia, sowie dem Cavallerie- Regimeut Principe, 1 Pivniercompagnie, 4 Eisenbahn compagnien nnd 1 Traincompagnie. In Summa 11 Bataillone, 4 Escadrons, I Batterie, 5 Pioniercompagnien (inclusive Eisenbahntruppen) und 1 Traincompagnie. Mit dieser ansehnlichen Truppcnmacht können die Spanier, obwohl sie nicht nur gegen die Landungsarmee, sondern auch gegen die Insurgenten im Rücken zu kämpfen haben, dem General Shafter erfolgreich die Stirn bieten, zumal da das gelbe Fieber unter den Landungstruppen schon Opfer zu fordern beginnt. Die Verluste der Spanier bei dem LandungS- kampfe waren nur sehr geringe. Eine amtliche Depesche meldet nach Madrid, ein Spanier sei bei Fort Mvrrv ge fallen, drei seien bei Aguadores verwundet. Während des Kampfes am Mittwoch hätte ein amerikanisches Kriegsschiff Havarie erlitten, der conimandirende Osficier sei getödtet worden. Mit Len Aufständischen fanden nach erfolgter Landung noch einige Scharmützel statt. Ein Trupp derselben wurde bei Punta Cabrcra von Oberst Altea zurückgrschlagen. Während so die Dinge bei Santiago für die Spanier durchaus nicht so ungünstig stehen, scheint cS in Madrid wegen der Blamage Spaniens auf den Philippinen zu politischen Wirren kommen zn sollen. Gestern sind die CorteS gegen den Willen der Opposition ge schlossen worden. Die republikanischen Deputirten be- riethen Uber das von ihnen während der Zeit der SuSpendirung der Cortes zu beobachtende Verhalten und schon wird gemeldet, cS fei möglich, daß heute eine C a b i n e t S k r ise zum Auöbruch komme. Zur Charakleri- sirung der Lage wird uns noch berichtet: * Madrid, 24. Juni. Die erst jetzt erfolgten Aufklärungen über die trostlose Verfassung der spanischen Vesatznngs» truppen auf den Philippinen haben eine sehr tiefgehende Erregung hervorgerufen, besonders unter den einflußreicheren politischen und milstairischen Kreisen. Man ist vollständig darüber im Klaren, daßdaS Ministerium Sagasta das Land über die Stärke der spanisch en Macht auf der Inselgruppe getäuscht und nicht das Geringste zur Sicherung der dortigen Stellung gethan hat. Die jetzige Regierung dürfte daher den Fall von Manila nicht lange überleben; da aber augenblicklich die konservative Partei einer einheitlichen Führung entbehrt, so wird auch diese die Regierungsgewalt nicht übernehmen können. Vielmehr ist zu erwarten, daß eine reine Militair- regierung gebildet wird, in welcher dann auch die Elemente Pvlavieja und Weyler Antheil erhalten dürsten. Jedenfalls ist durch die auf Leu Philippinen erlittenen Verluste eine Geneigtheit zu Friedensverhandlungen nicht im Geringsten hervorgerufen worden, so daß die in Aussicht genommene Militairdictatnr den Krieg mit weit größeren Anstrengungen als bisher fort- setzen würde. Eine bedenkliche Complication könnte die Lage erfahren, wenn eS sich bestätigen sollte, daß die Ersatzslotte Cümara's thatsächlich nach Manila unterwegs ist und mau nicht mit einer Irreleitung der Amerikaner zu rechnen hat, was kaum mehr anzunehmen ist. Man meldet uns: Washington, 25. Juni. (Telegramm.) Von gut unter richteter Seite wird erklärt, sobald das Geschwader Cämara's in den Suezcanal einlause, werde sofort ein aus den tüchtigsten Schiffen der Flotte des Admirals Sampson gebildetes Geschwader nach dem Mittelmeere abgehcn, um die spanischen Häfen zu beschießen. Nach den ausgestellten Berechnungen hält man Lar hier für leicht ausführbar. Ob Manila gefallen ist oder nicht, bleibt auch heut: noch zweifelhaft. Nach einem gestern in Madrid ein getroffenen Privattclcgramm aus Hongkong erfuhr das dortige spanische Consulak, daß die Uebergabe Manilas erfolgt sei und daß fremde Marinetruppen dort gelandet seien, um Leben und Eigenlhum ihrer Landsleute zu schütze» und die Ordnung aufrecht zu halten. Sagasta erklärte indessen gestern noch einem AuSsrager, er habe keinerlei Nachricht von der Uebergabe erhalten. Wir verzeichnen noch folgende Meldungen: ^Washington, 25. Juni. (Telegramm.) Die Regierung kaufte als Tra uSportsch ifse die Ueberseedampfer „Mohank", „Mobile", „Massachusetts", „Manitoba", „MinnewaSka", „Michigan" und „Mississippi" zum Preise von 4 000 000 Dollars. — Der Dampfer „Herward" ist mir 2 000 000 Patronen nach Santiago unterwegs. * Madrid, 23. Juni. Der deutsche Kreuzer „Geher" ist in Havanna eingetroffen und wurde gut auf genommen. (Hamb. Corr.) Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Juni. Die Nachrichten über die Resultate der gestrigen Stich Wahlen treffen langsam ein und jede neue Sendung enthält Berichtigungen der vorhergegangenen. Und da viele dec „neuen Männer" noch nicht schlüssig sind, welcher Fraction sie beitreten werden, so ist es unmöglich, sich schon jetzt ein klares Bild von den Ergebnissen des gestrigen Tages zu machen. Die erfreulichste der vorliegenden Feuilleton. Lauernblut. 15j Roman in drei Büchern. Von Gerhard von Amyntor. (Dagobert von Gerhardt.) Nachdruck verboten. »Ihr Herr ist ein . . . " Sie wollte Esel sagen, doch sie verschluckte das Wort und fuhr gefaßt fort: „Hier haben Sie zwanzig Pfennige Trinkgeld und sagen Sie Ihrem Herrn, ein ander Mal möchte er gefälligst zuverlässiger sein; was ich zum Nachmittag bestelle, das will ich nicht schon früh Morgens auf den Hals geschickt bekommen. Nun, was stehst Du denn noch da, Wilhelm?" wendet sie sich an den Gatten; „kannst Du die Blumen nicht nach dem Keller tragen? Du hörst doch, daß sie sonst ver welken!" „Jawohl, jawohl" stammelt der Eingeschüchterte, und wie er im Schlafrock, mit den duftigen Sträußchen beladen, die Treppe hinabsteigt, zittert er bei dem Gedanken, daß eine ihm begeg nende Mitbewohnerin des Hauses durch seine komische Er scheinung zum Spotte gereizt werden könne. Doch die Sache läuft glücklich ab und keuchend eilt er nach wenigen Minuten wieder hinauf, um in seiner Wohnung zu verschwinden. Neues Signal der Flurglocke. Er öffnet wieder und steht vor einem weißgeschürzten Jungen, der ihm mehrere geschloffene runde Körbe und eine große Holz schachtel Lbergiebt. Es sind Torten, Theekuchen, Käsestangen, Confituren. „Barmherziger Gott! Wo denn nur hin mit all diesem Zeug?" Er schleppt die ganze Bescheerung nach dem Zimmer seiner Gattin und stapelt sie dort auf dem Sofatische auf. Wiederum ein schriller Glockenlaut. Der Weinhändler sendet den bestellten Wein. „Wir wollen ihn nur gleich nach dem Keller schaffen." Herr Lampert holt den Kellerschlüffel und steigt zum zweiten Mal, diesmal mit dem Träger der Weinkörbe, in die Unterwelt. Er ist durch die ungewohnte Inanspruchnahme seiner Person schon so aus dem Gleichgewicht gebracht, daß er an die Gefahr einer unerwünschten Begegnung auf der Trepp« gar nicht mehr denkt; aber erschrocken greift er nach den Flügeln seines geblümten Schlafrockes und hält sie krampfhaft zusammen, denn ein junges Fräulein kommt ihnen unerwartet auf der Treppe entgegen und mustert seine nicht ganz salonfähige Erscheinung. „Es ist, um aus der Haut zu fahren", brummt er ingrimmig, wie er das Schloß der Kcllerthür öffnet, „das soll mir heute zum ersten und letzten Male passirt sein." Wie er oben wieder in seine Stube tritt, stürmt ihm Julie aus dem benachbarten Salon aufgeregt entgegen. „Ich glaube, Wilhelm, es rappelt bei Dir! Stellst mir die klebrigen Conditorschachteln auf meine gute Tischdecke! Solche Dinge gehören doch in die Speisekammer und nicht in meinen Salon." Herr Lampert verfärbt sich; er wird ganz bleich vor Wuth; aber langsam und feierlich versetzt er: „So laß sie nach der Speisekammer bringen. Ich ziehe mich an und rücke aus; ich werde wahnsinnig, wenn ich noch länger in diesem Hause bleibe. Mach Du mit Deinen Leuten hier, was Du willst; Du hast diese Gesellschaft gewünscht, nicht ich; ich komme erst um Mittag wieder, wenn die Poltergeister mein Haus verlassen haben." Das Herz der guten Frau Lampert schmilzt bei dem unge wohnten Gebühren ihrer sonst so nachgiebigen Hälfte. Wahr haftig, es ist das erste Mal in ihrer langjährigen Ehe, daß Wilhelm so entschieden auftritt! Und wahnsinnig fürchtet der arme Mann zu werden? Nein, das soll er nicht! Sie hat ihm am Ende doch ein wenig zu viel zugemuthet. Sie schlingt ihren feisten Arm — er erinnert an eine prall gestopfte Blut wurst — um den Nacken des Gatten und sagt begütigend: „Geh, mein liebes Männchen, Du hast ganz Recht, dieser Wirrwarr ist nichts für Dich. In Deiner Abwesenheit werde ich Alles besorgen, und wenn Du zurückkehrst, wirst Du Dein Haus in schönster Ordnung finden." Sie drückt ihm einen fast mütter lichen Kuß auf die nervös zuckende Wange. Herr Lampert ist überwunden. O, seine Alte hat doch ein Herz wie Gold! Sie ist das beste Weib auf Gottes weiter Welt! Dankbar und versöhnlich lächelt er ihr zu; dann begiebt er sich nach dem inzwischen zum Schlafzimmer gewandelten Stübchen im Hofflügel, um dort nach längerem Suchen endlich seine durch einander geworfenen Kleidungsstücke zu finden und sich zum Ausgange zu rüsten. Mit einem Seufzer der Erleichterung tritt er auf die Straße und prallt auf einen jungen Mann, der eben in das Haus eintreten will. „Ho, ho! wohin denn so eilig?" „Zu Herrn Lampert." „Der bin ich. Was bringen Sie?" „Die bestellten Tanzkarten." „Tanzkarten? Ich wüßte nicht ... Ach so! meine Frau wird sie bestellt haben. Na, geben Sie nur her. Was kosten sie? Sie haben doch quittirte Rechnung mitgebracht?" Nachdem Herr Lampert bezahlt und den Boten entlassen hat, macht er noch einmal Kehrt und öffnet während des Treppensteigens das kleine Packet, das er seiner Frau überbringen will. Er bleibt stehen, hält eine Karte in der Hand und liest: Polonaise. Walzer. Galopp. Contre I. Walzer. Polka. Tafelpause. Walzer. Contre II. Cotillon. Kaffeepause. Zweifelhaft schüttelt er den Kopf. Diese Festordnung hat seine Gattin entworfen, und es kommt ihm eine Ahnung, als ob der Text dieser Karte nicht ganz dem Brauche entspreche, der in der vornehmen Welt Geltung hat. Er erinnert sich einer Tanz ordnung, die er bei einem ihm befreundeten Lithographen gesehen hat; sie war für den Ball bei einem Minister bestimmt, aber wenn ihn sein Gedächtniß nicht im Stiche läßt, so hieß es darin nicht „Contre", sondern „Franchise"; auch die Angabe „Kaffeepausc" will ihm etwas verdächtig erscheinen; er möchte darauf schwören, daß sie auf jener Karte gefehlt hat. Lampert öffnet mit dem Drücker die Corridorthür und stößt auf Julie, die gerade mit Hilfe des Mädchens einen Blumentisch aus ihrem Salon nach dem improvisirten dritten Gesellschafts zimmer über den Flur trägt. „Liebe Frau", sagt er sanft, „hier sind die Tanzkarten, die Du bestellt hast." Die Angeredete läßt den Tisch los und wendet sich gegen den Gatten: „Danke, liebes Männchen; aber warum hast Du Dich noch einmal bemüht? Das konnte doch der Bote hcraufbringcn." Statt aller Antwort hält ihr der Gatte die herausgenommene Karte unter die Augen, deutet auf das Wart „Contre" und lispelt: „Ob das auch ganz richtig ist? Ich fürchte, es er innert ein wenig an ein Tanzfest in — Rixdorf." Frau Julie wird puterroth; beleidigt erklärt sie: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben; übrigens sei unbesorgt, es ist in völliger Richtigkeit; ich habe Frau Mieseke gefragt und deren Mann war Hoffourier, die muß es doch wissen." „Dann verzeihe. Auf Wiedersehen!" Herr Lampert verläßt zum zweiten Male das Haus, und er, der sonst am Sonntage regelmäßig den Gottesdienst besucht, geht heute in ein Bierlocal, um hinter einem Glase Culinbachec über die Eitelkeit der Frauen und über das Sprichwort nach zudenkcn: Hoffart will Zwang leiden." Der Abend dieses denkwürdigen Tages ist herangekommen. Die blumengeschmückten Zimmer der Lampert'schen Wohnung strahlen im Scheine festlicher Majolika-Lampen und zahlreicher auf Candelabern und Wandleuchtern aufgesteckter Kerzen. Die für die Abendtafel im Gange des Hofflügels schon aufgestapelten Böcke und Tischbretter hemmen etwas den Verkehr der dienenden Geister, die zwischen den Gesellschaftsräumrn und der am Ende jenes Ganges gelegenen Küche sich hin und her zu bewegen haben; der dicke Lohndiener Müller hat sich schon hart ans Knie gestoßen und er hinkt eben mit einem Brett voller Thee- taffen, schmerzliche Grimassen schneidend, in Frau Juliens Salon, um den dort eingetroffenen Gästen den Thec zu präsen- tiren. Es ist Frau Mieseke, die verwittwete Frau Hoffourier, die neben Herrn Knoblauch, dem reichen Maurermeister, zuerst in den festlichen Raum hineingerauscht ist. „Lieber Herr Knoblauch", bittet die Wirthin mit etwas belegter Stimme (sie hat heute schon gar zu viel commandircn müssen!), „nicht wahr. Sie nehmen sich des Tanzes ein wenig an und verteilen auch die Tanzkarten an die junge Welt?" Der in seinem vortrefflich sitzenden Ballanzug noch ziemlick, flott und beweglich aussehende, wenn auch nicht mebr ganz jugendliche Junggeselle fühlt sich durch die Betrauung mit dem Amte eines Bortänzers nicht wenig geschmeichelt: „Sie haben über mich zu befehlen, verehrte Frau Lampert." Er wirft einen Blick auf die Tanzkarte und fügte selbstbewußt hinzu: „Das wollen wir schon herunterarbeiten." Frau Meerholt erscheint mit ihrer Tochter Sabine. Das junge Mädchen in dem duftigen weißen, mit Rosen geschmückten Tüllkleide sicht reizend aus. Tief knixt sie vor der Wirthin, und diese streichelt ihr wohlwollend die Wange: „Amusire Dich gut, Sabinchen", flüstert sie ihr zu, „und zähme Deinen Herz allerliebsten, daß er nicht protzig thut gegen seinen Bruder, den Staatsanwalt!" Sabine schüttelt beruhigend das blonde Köpfchen: „Ohne Sorge, Frau Lampert; er wird schon artig sein." „Nun, Ihr lieben Jungens, kommt Ihr endlich?" Mit diesem Gruße wendet sich die Wirthin an die Brüder Dechner, die beide vor sie hintreten und ihr die Hand drücken. Sie sieht in Adolf'S etwas bleicheres Gesicht, mustert dann Peter, der in kecker Zuversicht ihr lächelnd ins Auge schaut, und sagt: „Ihr seid doch die alten Freunde . . . trotz alledem?" „Die sind wir", erklärt Peter und klopft seinem Zwillings bruder kameradschaftlich die Schulter. Adolf's Wangen röthen sich plötzlich. Liebevoll schaut er den bevorzugten Nebenbuhler an und sagt ehrlich: „Ich bin ihm niemals böse gewesen. Die Ehen werden im Himmel ge schloffen; daran kann der Mensch nichts ändern. So wie es gekommen ist, hat es kommen sollen ... Du siehst, Mutter, wir sind die alten Freunde." Und wie er Sabine bemerkt, geht er tapfer auf sie zu, bietet ihr unbefangen die Hand und sagt, mit dem Kopfe nach Peter deutend: „Da ist er. Wenn Du nicht alle Tänze Deinem Bräutigam aufsparst, dann fällt vielleicht auch einer für mich ab."
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