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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960327011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896032701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896032701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-27
- Monat1896-03
- Jahr1896
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Gröbere Schriften lant unserem Preis, verzeichniß. Tabellarischer und Zifferniax. nach höherem Taris. Sxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernng 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß fir Iinzeigen: Abeud-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^-157. Freitag den 27. März 1896. 90. Jahrgang. Entgegnung auf das Urtheil der „Pall Mall Gazette" über die deutsche Armee. II. (Schluß.) Die „Pall Mall Gazette" — so fährt Hauptmann Hornig im „Mil.-Wochenbl." fort — geht darauf mit einigen bos haften Phrasen zu den Berlusten über, um zu beweisen, daß die Engländer denn doch weit tapferere Männer seien als die Deutschen. Wir wünschen ihnen nicht, vor Franzosen die Probe ablegen zu müssen! Die englische Ueberhebung nimmt^man ja als etwas Selbstverständliches mit in den Kauf,allein dieForm, welche die „Pall Mall Gazette" zu wählen beliebt bat, um an unseren Verlusten Kritik zu üben, wäre «ine Be leidigung, wenn man das Blatt nicht wegen seiner Unwissenheit bemitleiden müßte. Die Zeitung erdreistet sich, einen Vergleich zwischen der kaiserlich französischen Armee und den Afghanen und Mahdistenhorden zu machen. Wird das dem lebhaften Point d'honneur der Franzosen entgehen? Sie behauptet, in den alten Tagen wäre es ein Ehrenpunct gewesen, daß kein Regiment angesichts eines Ver lustes von weniger als 33 Proc. zurückwich. „Aber im französisch-deutschen Kriege versagten die Deutschen häufig im Vorgehen bei kaum 10 Proc. Verlust, ohne die Verwirrung schlimmster Art, und nur an dem einen Tage von MarS la Tour—Vionville kommen sie ihrer alten Regel nahe." Wie, unserer alten Regel? Dann müßte doch selbst der blutige Tag von Vionville noch nicht unsere regelmäßigen Leistungen erreicht haben, und in demselben Alhem wird unS der kriegerische Geist abgesprochen? Wer kann das verstehen? „Bei St. Privat wurden sogar die Garden bei einem Verlust von nicht mehr als 10 Procent zum Stehen ge bracht . . ." „Bei Gravelotte an demselben Tage versuchten 90 000 Deutsche wiederholt vergebens die von 40 000 Mann besetzten französischen Stellungen zu nehmen ... es ist einleuchtend, daß der Angriff keiner einzigen Stellung eine wirklich em pfindliche Einbuße erfordert bat. Sicherlich offenbaren die Verlustlisten der Regimenter nichts, um die viermalige panische Flucht zu rechtfertigen, welche in der Tbat eintrat und bei welcher der König selbst zweimal in Gefahr kam, überrannt zu werden." Die Zeitung bat das Unglück, sich hierbei auf eine der „vornehmsten deutschen taktischen Autoritäten", Haupt mann Hoenig, in seinen „24 Stunden Moltke'scher Strategie" zu berufen. Darauf wird später eingegangen. Hier sei nur bemerkt, daß der Passus über den König unwahr ist. Der Standpunct des Königs wurde von den Paniken überhaupt nicht berührt. Sie wurden von da aus nur rechts seitwärts gesehen. Was die Lerlustnorm von 33 Proc. betrifft, so ist sie eine willkürliche Erfindung, durch keine Forderung, durch keine Thatsache der Kriegsgeschichte bekräftigt. Wäre es anders, so könnten wir der „Pall Mall Gazette" nur empfehlen, zunächst vor ihrer eigenen Thür zu fegen. Massenhaft haben englische Truppen mit weit geringeren Verlusten dem Gegner den Rücken gezeigt. Man lese die Geschichte der Unabhängigkeitskämpfe in Amerika. War der vorstehende Satz ein Ehrenpunct, so hätte die Zeitung dann nur sich in ihr eigenes Fleisch geschnitten, wenigstens haben wir niemals und nirgends einen solchen „Ehrenpunct" von einem Feldherrn festsetzen sehen. Einfach, weil der Feldherr als Kenner de« Menschenherzens zu ver nünftig ist, um so unvernünftige Ehrenpunct« aufzustellen. AuS der römischen Kriegsgeschichte wissen wir dagegen durch alle Jahrhunderte, daß „Decimiren" einen bedeutenden Ver lust bedeutete. Und die Römer haben doch ein Recht, be achtet zu werden. Ihre Erfahrungen lassen wir gelten. ES würde unS zu weit führen, die Jrrthümer der Zeitung durch eine Liste unserer Verluste zu berichtigen; kein deutscher Truppentheil hat jedoch 1870/71 jemals versagt. Einige Verlustbeispiele seien aber angeführt. Daraus wird auch erhellen, welche Bewandtniß es mit der sogenannten Zahlenübermacht der Deutschen hat: Gemäß den sehr zuverlWgen Berechnungen deS General stabe« fochten z. B.: bei Wörth 76 400 deutsche Gewehre gegen 42 800 französische. Die Deutschen verloren 11,5 Proc., die Infanterie 12,97 Proc., einzelne Regimenter bis zu 30 Proc., das 46. Regiment 35 Proc., da« 50. Regiment 33 Proc. Die Franzosen waren hier wie in der Regel stet versammelt, die Deutschen trafen erst nach und nach ein. Die Stellung von Fröfchweiler-Elsaßhausen gehört zu den stärksten der Kriegsgeschichte und war mit der gegnerischen Truppenziffer wohl zu halten. Bei Spicheren 30 100 Gewehre deutscherseits gegen 24 400 auf Seite der Franzosen. Für die Stark« der Stellung gilt ungefähr dasselbe wie bei Wörth. Die deutsche Infanterie verlor 17,4 Proc. Bei Colombey 50100 deutsche Gewehre gegen 76900 französische; Verluste der Infanterie 9,07 Procent. Bei Vionville—Mars la Tour 52000 deutsche Gewehre gegen 99 100 französisch«; Verluste der Infanterie 25,16 Pro cent: darunter z. B. Regiment Nr. 11 mit 40,99 Procent, Regiment Nr. 16 mit 68,08 Procent, Regiment Nr. 52 mit 52,03 Procent, Regiment Nr. 24 mit 39 Procent. Gravelotte-St. Privat 166 400 deutsche Gewehre gegen 99 500 französische; Verluste der Infanterie 10,96 Proc., die de« Gardecorp« 30 Proc., 1. und 3. Garderegiment 36 Proc., 2. Garderegiment 38 Proc., Gardeschützen 40 Proc., 8. Jäger 28 Proc. Noissevillr 81. August: 43300 deutsche Gewehre gegen 84 300 französische, am 1. September 70 500 deutsche gegen 84 300 französische. Beaumont 61 500 ^deutsche Gewehre gegen 55200 französische. Da die „Pall Mall Gazette" behauptet, der Angriff keiner eiuzigeu Stellung hab« eine wirklich empfindliche Einbuße er fordert, so wird sie doch jetzt nicht umhin können, ihre Be hauptung zu berichtigen. Hierbei sei sie auf folgende That- sachen verwiesen. Eine« Tage« trat ich in St. Marie aux Ehtzne« in «in Wirth«hauS. An der Wand hing ein Bild einer Episode au« der Schlacht bei MarS la Tour. Ich machte die Bemerkung, da« Bild sei unrichtig. Sogleich war eine lebhafte DiScussion da. Still beobachtend saß ein schöner, militairisch aussehender Mann am Tische. Bei meinem Hinausgehen folgte er, und noch auf der Thürschwelle stellte er sich als General Skobelew vor. Ich nannte meinen Namen. „O", sagte er, „dann sind Sie ja gut orientirt; was haben Sie vor?" Ich antwortete, ich wollte einige Er hebungen über die Schlachtfelder machen. „DaS trifft sich schön, darf ich mich anschließen?" Das war mir besonders angenehm, weil ich mich für den russischen Helden besonders interessirte. Wir be sichtigten St. Privat. Der General wurde mit jedem Schritt schweigsamer. Wir blieben wiederholt stehen, ich notirte mir verschiedene Entfernungen und Besonderheiten, und hierbei kielten wir nach allen Richtungen Umschau. Oben bei Jerusalem setzten wir uns neben einen Grabhügel und schauten zu dem zu unseren Füßen liegenden Ausgangspunkt zurück. Plötzlich sprang der General wie aus einem Traum auf und sagte wörtlich: „Nein, das könnten wir nicht machen, daS könnten wir auch noch lange nicht. Genau wie die Grünen Berge bei Plewna, aber Ihre Garden haben St. Privat genommen, ich habe die Grünen Berge nicht halten können, ich hatte schließlich nichts mehr bei mir"; und wie im Traum wiederholte er: „Nein, das können wir nicht, das ist der größte Ruhm der preußischen Armee." Wir gingen auf Amanvillers zu. Der General wandte sich noch mehrfach um. „Es ist die stärkste Stellung, die ich je ge sehen, die einzige, von der man sagen kann: Uneinnehmbar!" Der General kannte meine Erstlingsschrift, die „Zwei Brigaden." Das war Veranlassung zu einer Fahrt über Gravelotte nach Mars la Tour. „Das muß ich seben", sagte er. Bei Gravelotte erging er sich in keiner freundlichen Kritik über Steinmetz. Ich bemühte mich, ihn zu berichtigen. ES half nichts. „WaS wollen Sie", meinte er, „haben Sie jemals gesehen, daß der Fuchs siegreich durchbrach, wenn die Höhle mit Jägern umstellt war? Hier konnte kein Angriff gelingen." Al« ich die Linie absteckte, bis zu der unsere Infanterie dennoch vorgedrungen war, sagte er wiederholt: „Unglaublich, dann war sie ja in der feindlichen Stellung." Das war auch ungefähr der Fall, allein der Frontangriff blieb von der Flanke unnnterstützt. Die Franrosen warfen unterdessen unsere Schützen durch versammelte Massen zurück. Bei MarS la Tour schritten wir gemeinschaftlich daS Angriffsfeld der 38. und der 12. Brigade ab. Ersteren An griff hielt der General in Bezug auf die Durchführung deS Stoßes für die bedeutendste taktische Leistung deS Krieges. Er machte auch aus seiner Bewunderung kein Hehl und faßte seine Ansicht ungefähr dahin zusammen: Ter 16. und 18. August sind die größten RuhmeStage der preußischen Armee. Keine Armee kann daS Gleiche aufweisen. Ich möchte übrigens anführen, daß der Marschall Leboeuf sich mir gegenüber in ähnlicher Weise äußerte. Ueber die preußische Garbe bei St. Privat hat sich der Marschall Canrobert dem jetzigen Generalobersten von Lob gegenüber in der ehrendsten Weise ausgesprochen. Diesem großen KriegSbelden imponirte namentlich das Ausharren der Garde, obwohl deutlich da« Zusammenschmelzen derselben von Stunde zu Stunde bemerkt wurde. „Größeres leistet keine Truppe der Welt", sagte der französische Marschall. Nach den Schlachten von VillierS wurden dem General Trochu 4 ge fangene deutsche Officiere vorgeführt. Der General empfing sie in Gegenwart feines Stabes, sprach mit ihnen einige Worte und sagte darauf zu seinem Stave gewendet: „Ich behalte keine Gefangenen, ich werde sie gleich auswechseln lassen, denn möglicherweise könnten sie nicht so geschützt werden, wie e« Kriegsbrauch ist. Dem kann ich mich dieser tapferen Armee gegenüber nicht auSsetzen." So handelte auch General Trochu. Die Einzelheiten, welche mir hierüber verbürgt sind, will ich nicht berühren; sie werfen ein äußerst ehrenwertheS Licht auf die DenkuugSweise Trochu'S und ein nicht minder charakteristisches auf andere Dinge. Ich glaube, diese Kund gebungen großer Kriegshelden machen jede« weitere Wort überflüssig. Dem Kenner der Kriegsaeschichte ist bekannt, daß in den alten Tagen mit der langen Dienstzeit de« Berufssoldaten- thums ganze Regimenter fluchtartig daS Schlachtfeld ver lassen haben. Beispiele will ich nicht auführen. Da« hatte damals genau so seine Gründe in der Menschennatur wie heute, wenn der jedem KriegSmaan vertraute Augenblick nicht erkannt oder empfunden wird, dem in der Regel eine Panik zu folgen pflegt. Panik und Heldenthum finden sich in der Geschichte aller Nationen bei demselben Truppentheil wieder. Sie wohnen nebeneinander, der "Hausherr muß nur suchen, sie zu beherrschen. Die „Pall Mall Gazette" beruft sich hierbei wieder auf meine Ausführungen in dem oben angegebenen Buche. Sie macht jedoch au« drei Paniken vier und berührt die Beweggründe mit keiner Silbe. Ich kann ihr nur sagen, daß nach meiner Erfahrung und gemäß meiner Kenntniß de« Schlachtfelde« keine Truppe irgend einer Nation unter denselben Umständen von einer Panik verschont ge blieben wäre. Die« zu betonen, hat der Held Skobelew mir gegenüber keinen Anstand genommen, al« ich auf diese Erscheinung zu sprechen kam. Uebrigen« ging die Haupt panik gemäß meinem Buche von einer eben auf dem Schlacht felde eintreffenden Schwadron mit Augmentation-pferdrn au«, die noch nicht zugeritten waren. Hierzu traten dann noch Mißverständnisse durch Signal und Commaodo«. Wenn man derartige Dinge erwähnt, muß man die Hauptsache anzuführen nicht unterlassen, sonst leuchtet die Absicht einer Tendenz durch, oder man muß darüber gar nicht sprechen. Solche Ausführungen gehören überhaupt nicht in eine Zeitung, e« sind taktische, auf Schlachtfeldern gesammelte Lehren, die nur ihren Platz in ernsten kritischen Lehrbüchern finden dürfen. Da« gebietet der gute Geschmack ebenso wie die Achtung vor der Lehr« an sich. Der gute Geschmack und die Schonung vor dem tapferen, aber überwundenen Gegner bestimmte mich, ähnliche Erscheinungen auf feindlicher Seite nicht zu schildern. Wer sie kennen lernen will, lese Cbalu«, die „Relation" von Fröschweiler, Fay und Jarra«, namentlich den Letzteren, nach. UndWva« waren doch Truppen eine« Soldatenstande«, denen Tapferkeit abzusprechen nur der Aus fluß niedriger Triebe sein könnte. Daran wollen wir keinen Antheil haben. Wir möchten aber doch noch etwas bei den Verlusten erwähnen. In den alten Tagen wurden im ganzen Dreißig jährigen und Siebenjährigen Kriege — auch nicht in der englischen Revolutionszeit unter Cromwell — nicht so viel Schlachten geschlagen wie in dem Monat August 1870. Hierzu müssen noch die vielen täglich aufeinander folgenden Gefechte gerechnet werden, welche dieselben Truppen zu bestehen batten. In den alten Tagen kam dieselbe Truppe innerhalb eines Jahres zwei- bis dreimal in die Schlacht; sie erlitt ihre Verluste in kurzer Zeit; dann war die Sache aus. Die Kriegsenergie bat also mit den Volksheeren bedeutend zugenommen. Dieselbe Truppe focht 1870/71 täglich hinter einander acht und zehn Mal. Ich erinnere an die Zeit von Loigny biS Vendöme und von Vcndvme bis Le Mans. Und trotzdem diese Truppen bis zu 50 Proc. Verluste in früheren Kämpfen an einem Tage gehabt batten, ertrugen sie jetzt noch bis zu 20 Procent und mehr. So z. B. bei Loigny das bayerische 12. Regiment 28 Proc., die bayerischen 4. Jäger 38 Proc., die preußischen 89er 31 Proc., die Jäger Nr. 14 28 Proc. rc. Wir fragen jeden Kriezsmann, ob eine Armee ihrem Geist ein herrlicheres Denkmal zu setzen Gelegenheit hatte als die deutsche. Wie man diesen Geist „einkapseln" will, ist ganz gleichgiltig; ob man ihn kriegerisch, militairisch oder sonstwie nennen will. Die deutsche Armee war jedenfalls von einem thatkräftigen und unternehmenden Geist beseelt. Sie Hal trotzdem die Eigenschaften einer anderen Armee, welche solche Proben nicht abzulegen Gelegenheit hatte, nicht verkleinert. Wir verlangen für unS aber auch mit berechtigtem Selbstgefühl daS Gleiche. Die „Pall Mall Gazette" beruft sich auf mein früher angegebenes Buch und behauptet, bei Gravelotte hätten 90 000 Deutsche gegen 40 000 Franzosen gefochten. Auf den Seiten 104 bis 108 habe ich dagegen die Gewehre auf französischer Seite auf 26 595, auf deutscher auf 40 310 be rechnet. Und wenn irgendwo, so konnte dieses „Mauseloch" noch mit weniger guten Truppen gegen eine größere lieber- macht al« diese mit Erfolg vertheibigt werden. DaS muß man unter solchen Umständen fordern. Trotzdem wäre aber die Stellung von Point du Jour für die Franzosen seit Abend deS 18. August unhaltbar gewesen, auch wenn St. Privat nicht genommen orden wäre. Näcydem dir „Pall Mall Gazette" einen so hohen Ton angeschlagen bat, schließt sie mit folgenden auffallenden Worten: ,^Ob unsere eigenen Leute besser fechten können, wer kannS sagen! Wenn die Rasse bleibt, was sie einst war, so glauben wir, daß sie e« können, aber auf alle Fälle wird eS gut sein, sich zu erinnern, daß unsere Feinde auch Menschen sind, und daß die Wirklichkeiten des Krieges oft eine unerwartete Schwäche gerade bei der vollkommensten Organisation der Frievenszeit offenbaren." Nach unseren Ausführungen brauchen wir Wohl nicht nochmal- auf diesen Phrasenberg einzugeben. Wenn sich die Raffe in irgend einem Lande zu ihrem Nachtheil verändert hat, so ist eS in England. Da« Nähere hat Carlyle seinen Landsleuten vorgehalten. Unsere Aufgabe ist es nicht, dies zu thun. Wer aber die Dreistigkeit bat, unsere Fechtweise, so mangelhaft sie 1870 in den ersten Schlachten bisweilen sich geäußert hat, zu verkleinern, der ist angesichts der historischen Tbatsachen entweder rin Ignorant oder ein Fälscher der Geschichte. Glänzender ist nie mals die Fechtweise einer großen Armee gewesen als in dem Kriege gegen die BolkSmaffen der Republik auf deutscher Seite. DaS beweisen die Erfolge von Beaune, Loigny-Poupry, Cravant, Le ManS, VillierS und Mont Valerien, Bapaume und St. Quentin, Lisaine rc., häufig gegen eine doppelte Uebermacht an Zahl und mehr. Es lag wirklich keine Ursache vor, Deutschland zu den Feinden Englands zu zählen. Wenn die „Pall Mall Gazette" trotzdem da« Bedürfniß empfunden hat, so hätte sie wenigstens sich d«S Worte« deS großen Briten erinnern follen: ,Iut de tbat tücbes Lrom ms m^ goock arme, robs ms ok tbrck ivtücll not enricbes bim »nck wulces we xoor luckeeck." Doch — offenbar hat sich die Rasse verändert! Deutsche- Reich. tb. Leipzig, 26- März. vr. Han« Gruner wird dem Vernehmen nach dir zweite Reise nach Togo am 5. April aotreten. * Würze«, 25- März. Eine socialdemokratische Partriversammlung deS ll. sächsischen Rrich-tag-wahl- kreise« hat sich in einer Resolution für dir ManoatS- uiedrrlegung drr Landtag-abzeordnrtrn auSgrsprochen. L. Berlin, 26 März. Die CentrumSfractionen der bayerischen und der badischen Kammer haben aus Anlaß der Reichstagsferien eine Adresse an daS ReichStagscentrum gerichtet, die einzelne beachlenswerthe Stellen enthält. Im Allgemeinen ist eS recht interessant, daß Herr vr. Datier den 21. März einen „Tag der Freude, de« Stolze« und der Befriedigung für da« ganze katholische Deutschland" nennt. Für di« deutsche Einigkeit, daS Reich, schwärmt der bayerische Klerikale natürlich nicht, er muß also der Meinung sein, daß im Reichstage ein nationale« „Decompo- silionSferment" geschaffen worden sei, eine Ansicht, die zwar in der Gegenwart eine Rechtfertigung, in der Zukunft aber hoffentlich die Widerlegung findet, die ihm m der ältere« Vergangenheit zu Tdeil geworden ist. Ins besondere bedankt sich die Adresse drr Bayern beim Centrum für die Bertheidigung drr „unS verfassungsmäßig verbliebenen, aber im Laufe der Jahre wiederholt bedrohten bayerischen Selbstständigkeit." Wenn nur Herr Datier die Fälle aufführte, wo die bayerische Selbstständigkeit bedroht war! Die Geschichte weiß nickt« von solchen zu erzählen. Niemal« ist auch nur der leiseste Versuch gemacht worden, di« Verhältnisse de« Reiche« zu Bayern staatsrechtlich oder tbatsächlich irgendwie zu ändern, man müßte denn den Versuch der Budgetcommission de« Reichstags, durch da« Etatsgesetz nicht nur jetzt und im nächsten Jahre sich er gebende, sondern auch frühere Ueberschüsse den Einzelstaaten zu entziehen und zur Reichsschuldentilgung zu verwenden, als ein Attentat auf die finanzielle Selbstständigkeit Bayerns ansehen. Aber dieses Attentat ging ja vom Centrum aus, das Herr vr. Datier als Schutz und Schirm der bayerischen Selbstständigkeit preist. Eins seiner Reservatrechte bat daS Land allerdings „verloren". Aber es geschah dies unter bereitwilliger Zustimmung der Regierung, de« Land tags und der Bevölkerung, denn die Sache — es handelt sich um die Branntweinbesteuerung — war überaus vortbeilhaft für Bayern. Beide Adressen, die badische wie die bayerische, beben die Wirksamkeit deS CentrumS auf dem Gebiete der WirthschaftSgesetzgebung hervor. Die erstere nennt die Partei einen „Hort ausgleichender Gerechtigkeit in Bertheidigung und Förderung materieller Interessen des Volkes". Man geht Wohl mcht fehl mit der Vermulhung, daß diese starke Betonung auf die Elemente berechnet ist, die die agrarische Agitation vom Centrum abzuziehen sucht. * Berlin, 26. März. DaS „Volk" sucht den Spott über den Verzicht Stocker'S auf die Klage gegen die „Tilsiter Ztg", die ihn der Doppelzüngigkeit bezichtigt hatte, mit einer Darstellung zu entkräften, als habe ein Straf antrag niemals in Frage gestanden. DaS Blatt schreibt: Ein Tilsiter Blättchen hatte gegenüber den Aeußerungen Stöcker's über die Verhältnisse im „Volk" eine Notiz der „Voss. Ztg." darüber, die es besser wissen wollte, abgedruckt. Ohne auf die hämischen Randbemerkungen (Stöcker habe „Unwahres" mitgetheilt) näher einzugehen, wurde sowohl der „Voss. Ztg.", als auch dem Tilsiter liberalen Blatt eine Berichtigung zuaesandt und aus genommen, womit die Sache erledigt war (?). Einen Monat später fragt die Redaction des Blattes beim Rechtsanwalt Meyer- Tilsit privatim an, ob Stöcker eine Beleidigungsklage erhoben habe, und erhält die Antwort, Stöcker habe überhaupt nie die Absicht dazu gehabt, geschweige denn Auftrag ertheilt. Die ehrenwerthe Zeitung aber destillirt daraus sofort die pikante Notiz, Stöcker werde „nun doch nicht" klagbar werden und nach acht Tagen machen schon die entferntesten Wochenblättchen im deutschen Reiche ihre aufhorchenden Leser damit graulich, daß Stöcker Klage zwar erhoben, aber sie wieder zurückgezogen habe, weil eS windig für ihn stehe! So wird« „gemachtll" Dem gegenüber erinnert die „Voss. Ztg." daran, daß nach öffentlicher Erklärung der „Tils. Ztg." Herr Stöcker seinen politischen Freund, den Rechtsanwalt Meyer in Tilsit, „er mächtigt" hatte, da« Strafverfahren einzuleiten, allerdings nicht wegen jener Ausführungen, auf die daS „Volk" Bezug nimmt, sondern wegen des Vorwurfs der Doppelzüngigkeit vor dem Elfer-AuSschuß. Zu der Klageankündigung be merkte am 25. Februar die „Tils. Ztg.: „Eine etwaige Strafverfolgung durch Herrn Stöcker würde in politischen Kreisen schon deshalb einige- Aufsehen erregen, weil Herr Stöcker bisher grundsätzlich eine gerichtliche Klarstellung der mannig- fach gegen ihn gerichteten „Verleumdungen" vermieden hat. Wir erinnern nur an den damals in der Bresse vielfach erörterten Fall Brecher-Stöcker. Professor Brecher hat sich au-drücklich erboten, er werde gern vor Gericht Rede stehen, um zu beweisen, daß Herr Stöcker sich durch einen bemrrkenswerthen Mangel an Offenheit und Wahrheitsliebe anSzeichnr! Wir würden selbstverständlich das Zeugniß des Herrn Professor Brecher für uns in Anspruch nehmen; r« würden dann vielleicht ganz interessante Dinge zur Sprache kommen". Jetzt erfährt die „Tils. Ztg." auf ihre Anfrage bei dem selben Recht-anwalt Meyer, den Herr Stöcker zur Klage „ermächtigt" batte, daß weder er noch sein Mandant Freunde von solchen Klagen seien! 2. Berlin, 26. März. (Telegramm.) Die Kaiserin Friedrich unternahm gestern einen Spazierritt nach dem Grünewald und sah zur Mittagstafel den Prinzen Biron von Kurland und den Prinzen von Thur» und Taxi« bei sich. ö. Berlin, 26. März. (Privattelegramm.) In einer von 4000 Katholiken besuchten Versammlung deS „BolkS- vcreinS für da« katholische Dentschlan»" griff vr Lieber die klerikale „Märkische BolkSztg." heftig an und sagte am Schluß seiner Rede: Das Centrum sei durchaus nicht „regierungsfreundlich". Seiner Fraction sei e« zu danken, daß der Regierung da« SchuldentilgungSgesetz aus den Händen gedreht wurde und die Miquel'sche Pauke ein großes Loch erhielt. Der Vorsitzende der Versammlung, Grneralsecretair Hille, feierte die Centrums- fraction und brachte «in dreifache- Hoch auf diese, als „Königin de« katholischen Volke«", au«. Berlin, 26. März. (Telegramm.) Bei der Be- rathung deS Etat« im preußisch«» Herrrnhause empfahl der Generalberichtrrstatter von Pfuel Namen« der Com mission die unveränderte Annahme de« Etats. Graf Mir bach bemängelte da- allgemeine Wahlrecht und behauptete, die Regierung thue nicht« für di« Landwirthe. Graf Klinckowström stimmt« ihm zu. — Wie die „Magd. Ztg." hört, ist an die maßgebenden Stellen im Reiche von Seiten Frankreichs noch nicht das Ansinnen herangetreten, wegen Neuregelung drr handels politischen Beziehungen des Reiche« ru dem jetzt zu Frankreich gehörigen Madaga-car Verhandlungen ein- ruleiten. So lange die« nicht geschieht, bleibt für Deutschland die Convention von 1885 in Kraft; sie räumt Deutschland da« MeistbegünstigungSrecbt auf Madaga-car ein. Uebrigen« ist bereit« im November 1890, al« Frankreich sich des Einspruch-recht« gegen die Er werbungen Deutschlands in Ofiafrika begab und dafür die Anerkennung seiner Schutzherrschaft über MadagaScar zu gesichert erhielt, zwischen beiden Staaten verabredet worden, daß „die deutschen RrichSangebörigen in Madagaskar und die französischen Staatsangehörigen in Deutsch-Oslafrika in allen Beziehungen diejenige Behandlung erfahren sollen, welch« den Angehörigen der meistbegünstigten Nation daselbst zu Theil wird." — Wegen unrichtiger Angaben im socialdemokratischen „Saals. VolkSbl." über die Untersuchungshaft des Freiberrn von Hammersteiu ist demselben folgende Berichtigung zugegangen: „Dem Untersuchung-gefangenen Frhrn. v. Hammersteta ist kein „Zimmer" angewiesen und kein Sopha gewährt vielmehr ist der- selb« smt seiner Einlieferung in »iuer aewShnlichen Zell« internirt. Seine Vernehmungen durch den Untersuchungsrichter erfolgten im VerhandlungSzimmer de- Unterfuchung-grsängniffe- nicht in der Absicht, etwa den Angeschutdigten vor anderen Untersuchung«, gefangenen zu bevorzugen, vielmehr zu dem Zwecke, um jede«
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