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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960408029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896040802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896040802
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
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- Tag1896-04-08
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Reclamen unter dem RedactivnSsmH <4ge- spalten) bv^z, vor den Famflieimachrichiei' (V gespalten) 40 Lrober« Schriften laut unser«» Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Atffrrnsatz nach höheren, Tarif. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mü Ye Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlvß fir Anzeigr»: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «ine halbe Stunde frader. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 177. Mittwoch den 8. April 1896. W. Jahrgang. Amtlicher The«. Oeffentliche Sitzung der Handelskammer Donnerstag, den S. April 18W, Nachmittags 7 Uhr in deren Sitzungssaal, Nene Börse, Tr. ä, I. Tagesordnung: 1. Registrande. 2. Bericht über die jüngsten Eisenbahnraths-Sitzungen. 3. Bericht über den Deutschen HandclStag. 4. Berichte des Verkehrs-Ausschusses über u) das Gesuch der Leipziger Gummiwaaren-Fabrik vormals Julius Marx, Heine L Co., Las Strafporto für Weltpostkartcn mit Abbildungen betr.; b) die Eingabe der Handelskammer zu Düsseldorf, die Gebühren für den Fernsprechverkehr der Nachbarorte betr.; o) das Er suchen der Handelskammer zu Lübeck, Einstellung heizbarer Güterwagen betr. 5. Berichte des Zoll- und Steuer-Ausschusses über u) die Vorstellung der Firma Etzold Sc Popitz und Gen. gegen die Besteuerung der Musik-Automaten; d) das Gesuch der Firma tzarl Aug. Simon, die Freigebung ibrer unter österreichischem Zoll- verschluh lagernden Baumwollengarne betr. 6. Bericht über die Vorstellung des Verbands deutscher Schokolade- Fabrikanten gegen Begründung eines dentschcu Eolonial- -auses. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. April. Der neuerdings von Oberschlesien ausgegangene und in Westfalen mit Freuden begrüßte Versuch katholischer Anhänger des Bundes der Landwirthe, eine katholische Äb- theilung dieses Bundes zu begründen, die ihren Willen dein Eentrum ebenso dictirt, wie die evangelischen Bundesglieder die große Mehrzahl der conservativen Partei lenken und leiten, hat augenscheinlich im Centrnmslager größere Be stürzung hervorgerufen, als frühere Versuche ähnlicher Art. Das tritt nicht nur durch die Schärfe der Polemik zu Tage, mit welcher die fraktionellen Cen trumsorgane die Verführer bekämpfen — der Vorwurf, mit „betrügerischen Versprechungen" zu operiren, ist noch einer der mildesten von denen, die gegen die Herren v. Schalscha und Genoffen erhoben werden —, sondern besonders dadurch, daß den Veranstaltern Pläne untergeschoben werden, die abschreckend auf den Bauernstand wirken müssen. Einer solchen „ Enthüllung" begegnet man sogar in der in Bonn erscheinenden „Deutschen Reichs zeitung", die der rheinischen Agrarbewegung bisher mit wohlwollender Neutralität zur Seite gestanden hat, jetzt aber von der Fractionsleitung eine scharfe Verwarnung erhalten zu haben scheint. Wenigstens giebt sie sich dazu her, einen Brief zu veröffentlichen, in dem ein angeblich in die dunklen Pläne des agrarischen Flügels Eingeweihter sich folgender maßen vernehmen läßt: „Dieselben Herren, welche zur Zeit auf Seite der Militair. Vorlage standen, benutzten nämlich Freiherrn v. Los und seinen Einfluß auf die ländlichen Wähler, um an Stelle des Centrums eine sogenannte „katholische Volkspartei" zu setzen, sowie eine Ständevertretung zu schaffen, in welcher der Adel eine bevorzugte Sonderstellung mit gesetzgeberischen Befugnissen einnehmen soll. An der Spitze dieser Bestrebungen stehen Herr Fürstbischof Kopp, Fürst Löw en st ein-Wertheim, Graf Strachwitz, Prinz Arenberg, vr. Porsch, Gras von Hoensbroech, v. Schalscha, sowie Freiherr v. Los. Fürstbischof Kopp weilt augenblicklich in Rom, um den heiligen Vater für diese Pläne zu gewinnen; wie weit er darin reussiren dürfte, ist vor der Hand nicht abzusehen. Diesen Pläne» gegenüber ist die größte Einigkeit für die gesammle Centruinspartei von absoluter Nothwendig. leit, nicht allein in principiellen Dingen, sondern sogar in wirth- sch östlichen Fragen, welche unter anderen Umständen vielleicht dem Uttbeile des einzelnen Abgeordneten überlassen bleiben könnten. Ein „in üubüs lldertas" giebt es unter diesen Umständen nicht, denn vor Allem muß der Charakter des Centrums als „fester Thurm" einer politischen Partei gewahrt werden, welche ganz und geschloffen das Gewicht ihres Einflusses der Regierung gegenüber iu die Waagschale legt. Nur aus diese Weise können die Forderungen der Parität in Erfüllung gehen, während das Betonen der Cousejsion nur chüblich wirken kann Dieses Hervorheben eines confessionelleu Motives ist überdies überflüssig, da der Klerus auf der Seite des Centrums steht und durch ihn der nöthige Einfluß aus die Wähler bei jeder Wahl ausgeübt werden kann." Da ein Dementi des Fürstbischofs Kopp die Verfasser und Verbreiter dieser „Enthüllung" schwer compromittiren kann, so spielen diese Herren ein sehr gewagtes Spiel, welches deutlich beweist, wie peinlich ihnen der Gedanke der Ab splitterung eines agrarischen Flügels oder vielmehr der Ge danke an eine Auflehnung der demokratischen und antiagra rischen Centrumselemente gegen die Diktatur eines solchen Flügels ist. Die Sorge vor einer solchen Auflehnung läßt die „Enthüller" sogar davor nicht zurückschrecken, die ultra montanen Landwirthe vor einem Plane zu warnen, der möglicherweise auf Befürwortung des Fürstbischofs Kopp die Billigung des Papstes erlangen konnte. Es ist freilich nichts Ungewohntes, Centrumspolitiker gegen bischöfliche und päpst liche Autorität sich auflehnen zu sehen; auch für diese Herren ist der Papst nur dann absolut, wenn er ihnen den Willen thllt. Zunächst wird man abwarten müssen, welche Wirkung die „Enthüllung" der „Deutschen Reichsztg." ausübt und wie Fürstbischof Kopp und die übrigen Angeschuldigten zu ihr sich verhalten. Zum Schweigen werden sie sich schwerlich entschließen — und mit diplomatischen Winkelzügen werden sie die Thatsache nicht aus der Welt schaffen, daß sie dem um seine Herrschaft über das katholische Deutschland besorgten Centrum als Schreckmittel gegen die Führer einer Bewegung dienen sollen, die immer weitere katholische Kreise ergreift. Wir haben dieser Tage ein Schreiben des preußischen Kriegsministers an den Reichstagsabgeorvneten von Czarlinski zum Abdruck gebracht, in welchem der Kriegsminister dem genannten Abgeordneten Mittheilung macht von der Bestrafung eines Hauptmannes der 3. Com pagnie des 129. Infanterie-Regiments, der polnische Recruten mit dem Ausdruck polnische Hunde" bedacht hatte. Veranlaßt war die Bestrafung durch die Beschwerde, welche der. Abg. von Czarlinski am 17. Februar im Reichstage gegen den betreffenden Hauptmann vorgebracht hatte. Herr v, Bronsart sagte damals eingehende Untersuchung des Falles zu, und wie der Inhalt seines Schreibens ausweist, bat er prompte Justiz geübt. Wir haben gegen die Hand habung des Beschwerderechts durch den Abg. v. Czarlinski nichts einzuwenden, womöglich noch weniger gegen die Folge, welche der preußische Kriegsminister der Beschwerde gegeben hat. Nur möchten wir uns erlauben, die Herren v. Czar linski und Genoffen darauf hinzuweisen, daß bas Ehrgefühl deutscher Männer nicht minder empfindlich ist, als bas polnischer Recruten. Und da soll es denn doch nicht vergessen sein, daß die Anwendung der Titulatur, welche den Zorn des polnischen Reichstagsabgeordneten erregt hat, von Seiten der Polen gegen Deutsche keineswegs etwas Ungebräuch liches ist. Die Gemeindewahlen in Grau denz, wo gegen über deutschen Wählern daS Wort fiel: „Lernt polnisch, ihr Hunde!" liegen noch nickt so weit hinter unS. Noch jüngeren Datums sind die Vorgänge vom letzten Sedantage in Sam- ter, in Stralkowo, in Strelno, wo die drutscken Fest feiern von polnischer Seite durch Steinwürfe, Stockschläge, ja Flintenschüsse in Begleitung der obligaten Schimpfworte imGenre der angeführten gestört wurden. In Czernikau äußerten sich einige halbwüchsige Polen, die man ergriffen hatte, als sie den Sedanfestzug der dortigen evangelischen Schule mit Stein würfen tractirlen, durch welche mehrere Personen nicht unerheb lich verletzt wurden: „Wir werden den deutschen Hunden das Maul schon stopfen, und wenn auch der Kaiser kommt, so werden wir doch mit Steinen schmeißen." In wie glimpflicher Weise die Polen ihre Abneigung gegen die Deutschen zuweilen zum Ausdruck bringen, hat auch der jüngst erörterte Fall einer schweren Mißhandlung eines alten deutschen Schul lehrers durch einen polnischen Gutsbesitzer bewiesen. Wir mißgönnen, wie gesagt, dem Abg. von Czarlinski den Erfolg seiner Beschwerde nickt im Mindeste», wir möchten nur wünschen, daß mit annähernd gleicher Promptheit in all' den zahlreichen Fällen Remedur geschaffen würde, wo es sich um grobe Beleidigungen Deutscher durch Polen handelt. Bekanntlich hat die belgische Industrie vor ver deutschen einen ungeheuren Vorsprung für ihre Concurrenz auf dem Weltmärkte dadurch voraus, daß sie von den viel fachen und schweren Verpflichtungen, mit welchen der deutsche Fabrikant durch diesocialeReformgesetzgebu n g zuGunsten desArbeiters belastet ist, so gutwie gar nichts weiß. Die belgische Industrie mag begreiflicherweise leichten Herzens auf eine so bevorzugte Stellung verzichten, und so geschieht eS, daß der Gesetzentwurf über die Fabrikordnung, welcher von der Regierung in der Kammer eingebracht ist, bei den Industriellen auf nachdrücklichen Widerstand stößt. Sie behaupten, durch Einführung der geplanten Fabrikordnung würde ein geregelter industrieller Betrieb aufs Aeußerste erschwert, wo nicht un möglich gemacht, sie klagen über die durch oen Geist des Miß trauens in die Geschäftsgebahrung der Arbeitgeber dictirte Tendenz deS in Rede stehenden Gesetzentwurfes, tadeln es, daß die Fabrikordnung Wohl von den Rechten, nicht aber von den Pflichten der Arbeiter handle, und sagen die bedenklichsten Folgen für den künftigen Entwickelungsgang der belgischen Industrie vorher. Der Eintritt der Osterferien hat die bereits begonnene Kammerverhandlung über den Gesetz entwurf, betreffend Einführung der staatlichen Fabrikordnung, unterbrochen, doch wird sie nach Wiederaufnahme der parlamen tarischen Arbeiten heftiger als vorher entbrennen, da in den Kreisen der Arbeitgeber die Abneigung gegen daS Vorgehen der Regierung täglich zunimmt. Vom deutschen Jntercssen- standpuncte wird man es nur mit Geuugthuung begrüßen können, wenn unserer heimathlichen Industrie im Concurrenz- kamps mit dem AuSlande insofern eine gewisse Erleichterung geschaffen würde, als der Durchführung gewisser focialer Reformen, mit denen Deutschland vorangegangen ist, auch im AuSlande allmählich näher getreten würde. Unsere Industrie bat der Arbeiterreformgesetzgebung ganz unverhältnißmäßige Opfer gebracht und bringt sie noch fortwährend, die belgische aber würbe selbst nach unveränderter Annahme der in Belgien projectirten staatlichen Fabrikordnung immer noch günstiger gestellt bleiben als unsere heimathliche Industrie. Diesen Gesichtspunct wird man bei Beurtheilung der Ver handlungen in der belgischen Kammer nicht außer Acht lassen dürfen. In Frankreich hat der innere Conflict durch Straßenkundgebungen, die, wie gemeldet, anläßlich der FrüblingSrennen zu Auteuil für den Präsidenten der Republik, Faure, und den Senat sowie gegen das Mini sterium Bourgeois stattfanden, neue Nahrung erhalten. Eine nach vielen Tausenden zählende Menge bereitete dem Präsidenten Faure und deffeu Familie wiederholt Ovationen, zu denen sich stürmische Hochrufe auf den Senat gesellten. Auch der bei dem Rennen anwesende russische Botschafter- Baron Mohrenheim wurde lebhaft acclamirt. Minister präsident Bourgeois hingegen und seine College«, welche beim Sportfeste erschienen, wurden von der aufgeregten Menge mit dem Rufe „Nieder mit dem Ministerium!" empfangen, eine Kundgebung, welche sich in stürmischer Weise wieder holte, als die Minister den Rennplatz wieder verließen. Ob diese Vorgänge auf den weiteren Verlauf der durch das Mißtrauensvotum des Senates und die iu Aussicht stehende Credit-Verweigerung für Madagaskar ebenfalls durch den Senat verschärften Krise eine Wirkung ausüben werden, steht dahin. Energisch geartet, wie Bourgeois ist, scheint eS sehr fraglich, ob er sich durch Straßenkundgebungen beeinflussen lassen wird. Jedenfalls aber würde die am 21. April zu gewärtigende Verweigerung der Madagascargeldforderung die Wiedereinberufung der Kammern nöthig machen, wodurch die Krise von Neuem acut würde. Oel ins Feuer gießt ein Artikel des zu ministeriellen Auslassungen benützten „Jour", welcher sich in heftigster Weise gegen den Senat richtet und ausführt, es gebe keinen Senat mehr, seitdem die „elenden Greise" im Luxembourg- Palaste vergessen hätten, daß hinter dem Cabinet Frankreick stehe, und daß es in den heutigen sckwierigen Verhältnissen geschont, ermuthigt werden müsse. DaS Blatt nimmt eine Zählung vor, als ob bereits der Congreß zur Verfassung« Revision versammelt wäre. Die Regierung — schreibt der „Jour" — hat von der LandesvertrelunH 389 Stimmen zum Zeichen des Vertrauens erhalten, nämlich 304 in der Kammer und 85 im Senat. Sie batte gegen sich 208 Ab geordnete nnd 155 Senatoren, im Ganzen 363, so daß also 26 Stimmen zu Gunsten des Cabinets bleiben. Wenn es keinen andern Grund hätte, um am Ruder auszuharren, so müßte eS sich, erklärt Rochefort, durch diese Zahlen dazu bestimmen lassen. — Die Erklärungen Bourgeois' über die auswärtige Politik Frankreichs haben in Rußland große Befriedigung hervorgerufen. Fast sämmtliche Journale erblicken darin eine neuerlicke Kundgebung der russisch-französischen Freundschaft zu Gunsten des Weltfriedens. Die „Nowoje Wremja" sagt, Rußlands Bundeskreue sei während der letzten Zeit an gezweifelt worden, aber nun zeige eS sich klar, daß diese BundeStreue gerade in der Haltung Frankreichs m der Dongola-Frage ihren kräftigsten Ausdruck gefunden habe. Diese Thatsache werde nicht verfehlen, in England er nüchternd zu wirken. Die „Nowosti" meinen, Bourgeois' Er klärungen müßten in ganz Europa Beruhigung Hervorrufen. Die egyptische Frage sei eine internationale, und jedes Ueber- stürzen von Seile Frankreichs hätte Verwickelungen hervor gerufen. Das feste Zusammenhalten Rußlands mit Frank reich in der Dongola-Frage werde wenigstens das erzielen, daß die Sudan-Expedition die Herrschaft Englands in Egypten nicht befestigen werde. Wenn wir kürzlich andeuteten, daß in Italic» die Ent sendung einer Abtheilung der russischen Gesellschaft vom Rothen Kreuz nach Abessinien nicht ohne Grund Miß trauen erwecken könnte, so hat sich unsere Vermuthung rasck bestätigt. Wie die „Agenzia Stefani" aus Rom, 7. April, Fririlletsn. Gottbegnadet. 18) Roman von Konrad Telman». Nachdruck verboten. „Sie wollen mit allen Mitteln verhindern, daß Harry arbeitet, gnädige Frau", sagte Frau Marcella im Laufe des Gesprächs, „nicht wahr? Ich verstehe Sie doch recht? Es bandelt sich nicht nm eine bestimmte Thätigkeit, die Sie von ihm fernhalten wollen, sondern um jede — ohne Ausnahme." „Allerdings." Und Frau von Sennfeldt blickte die Spre cherin herausfordernd an. „Menschen wie Harry — solche Ausnahmenaturen — dürfen nicht arbeiten. Sie sind nicht dazu bestimmt und nicht dazu geschaffen. Sie sind eben gottbegnadet. Sie sind nur dazu da, um Andere zu erfreuen und zu beglücken. Ihre einzige Lebensaufgabe ist es, der Sonnenschein in Anderer Leben zu sein, Warme und Segen darin zu verbreiten. Sie dienen dem Ideal, sie geben Andern von ihrem Reichthnm ab. Man darf sie nicht in den Staub der Alltagöstraße hinabzerren, man darf sie nicht mit der Krämerelle messen. Wenn man sie zur allgemeinen Werkel- tagSarbeit zwingt, streift man ihnen all ihre Eigenart, all Das ab, wodurch sie Anderen Glück bereiten, wie dem Schmetter ling den Farbenschmelz. Man handelt sündhaft, mau begeht ein Verbrechen. Solche Menschen wie Harry sind gleichsam gezeichnet. Sie dürfen nicht einrangirt werden in die große Herde." Sie hatte mit nur leicht durchklingender Erregung ge sprochen, während Frau Marcella in geradezu steinerner Ruhe ihr gegenüber saß und zuhörte. „Vor Allem", erwiderte sie nach einer Weile, „hätte dieser AuSnahmemensch dann nicht, wie alle gewöhnlichen Dutzendmenschen, heirathcn und eine Familie begründen sollen, glaube ich. Dadurch hat er Pflichten auf sich genommen, die er wohl oder Übel erfüllen muß, wie jeder Ändere." Frau Lydia stieß ein kurzes Lacken auf. „Wer hat eS denn dahin gekrackt, daß er heirathete, Frau Lindheim? Etwa ich? Ich habe eS wahrlich nicht gewollt! Mag für die Folgen doch auskommen, wer diese Heirath verschuldet hat!" Frau Marcella war bis in die Lippen hinein erblaßt. Sie stand aufl „Ich Weik, daß der Argwohn bei Ihnen nickt auSzurotten ist, gnädige Frau, ich trüge die Verantwortung für diese Heirath, hätte sie Wohl gar mit allen Mitteln herbei- gesührt. Ich verschmähe eS, mick jetzt noch dagegen zu ver- theidigen. Ihrem Sohn dictiren Sie durch diesen Argwohn jedenfalls keine beneidenswerthe Rolle zu. Und, wie es nun auch sei, er hat diesen Schritt gethan, und er sollte deshalb jetzt endlich begreifen lernen, daß es andere Pflichten für ihn giebt, als nur die gegen sich selber. Sein grenzenloser Egoismus, gepaart mit seiner Eitelkeit — das ist sein größter Feind im Leben. Sie ziehen ihn groß, gnädige Frau, — Sie haben ihn verschuldet. Ich will Ihnen wünschen, daß Sie es nie zu bereuen haben werden. Kehrt aber einmal das Unglück unter diesem Dache ein — Gott verhüte eS! — wie immer es auch gestaltet sein möge: Sie werden sick nicht sagen dürfen, daß Ihre Hände rein blieben! Bis heute war Harry in all seinem schwelgerischen Müßiggang, der so leicht den Charakter verdirbt, immer noch ein guter Mensch, — wehe der Stunde, wo er dahin gelangen würde, auch das nicht mehr zu sein! All Ihre Mutterliebe, gnädige Frau, würde Sie dann nicht vor der Anklage schützen, ihn in unheilvoller Verblendung so weit getrieben zu haben." Ohne noch eine Antwort abzuwarten, ging sie nach einer leichten, stolzen Verneigung gegen Frau von Sennfeldt, die ihr mit starr geöffneten Augen zugehört hatte, hinaus. Ihr Blut hatte nun doch zu wogen begonnen, aber sie fühlte keine Reue oder Beschämung. Einmal hatte es gesagt werden müssen, was ihr wie ein Druck auf der Seele lag. Nun war eS heraus und sie fühlte sich freier. Vielleicht würde es ja Nutzen stiften, und wenn sie sich diese Frau für immer jetzt zur Feindin gemacht hatte durch DaS, waS sie ihr gesagt — mochte es sein! Vermuthlich würden sie sich lange nicht, vielleicht nie Wiedersehen, denn eS war besser, wenn ihre Bahnen sick nicht mehr kreuzten. Mochte Fran Lydia von Sennfeldt Thea den Kampf jetzt leichter machen um die Liebe ihres Gatten! Noch am selben Tage verließ Frau Marcella Lrnsihn. 10. Eine Zeit lang schien es, als ob auf den immer schwanken den Charakter Harry'« die Abreise Frau Marcella'« einen liefern Eindruck gemacht und ihn zum Nackdenken gestimmt hätte; ihr Einfluß schien auS der Ferne auf ihn zu wirken, machte ibn weich nnd nachgiebig. Thea fand ihn liebevoller, als seit langem; eS war, als ob er sie für daS entschädigen wollte, was sie entbehrte. Aber gerade weil sie beide sich dadurch wieder inniger zusammenschlossen, reizten sie Frau Lydia's neidische Eifersucht, die sich von Neuem bestrebte, das Gefühl des Unglücklichseins, zu dem er ohnehin neigte, in ihm zu nähren. Er ließ sich so gern von ihr bedauern. Die Sorgenfalten auf seiner Stirn jckwanden kaum mehr. Er gefiel sich so in der Rolle des unseligen Verbannten. Manch mal saß er am Clavier und phantasirte über schwermüthige Themen. Frau Marcella sagte ihm dann, daß eine Welt von Schmerz aus seinen Tönen rede. Und dabei lachte draußen der strahlende Sommer über dem gesegneten Frucht gefilde, fleißige Hände regten sich zu erfolgreicher Arbeit, nnd drinnen im Hause schaltete eine junge, schöne, sich immer reifer entwickelnde Frau, die ihn liebte, die mit jedem Bluts tropfen sein war, und ein holdes, blauäugiges Kind, das sie ihm geboren, blickte mit langsam erwachendem Bewußtsein in die wundersame Welt. ES stand jetzt bald wieder unumstößlich fest für Harry, daß er aus Lensihn zu Grunde ging, — langsam, aber sicher. Er spielte und sang nicht mehr, nur um sagen zu können, daß ihn nichts hier dazu anrege, daß er überhaupt nicht mehr im Stande dazu sei. Er wollte die Rolle eines ver kümmerten Genies spielen und er spielte sie mit Verve. Frau Lydia von Sennfeldt unterstützte ihn nach Kräften darin. Nun hieß eS, Zerstreuung suchen. Aber es gab keine. Frau Lydia war zu der Ansicht gelangt, daß vorzugsweise die weiblichen Elemente in der Nachbarschaft dazu fehlten. Und Harry war natürlich der gleichen Meinung. Er bedurfte eines weiblichen Verkehrs. Jeder Künstler bedurfte desselben, weil der Kunst immer etwas Weibliches — im edelsten und höchsten Sinne des Wortes — anhafte. Männer waren zumeist der Feinheit und Tiefe der Empfindung nickt fahia welche daS innige Aufgehen in der Kunst und nun ga^ der weiblichsten aller Künste, der Musik, erheischte; c wenigsten waren die Herren Gutsnachbarn und d' Ulanen dazu im Stande. Harry war überhaupt organisirt, um in einem Verkehr, wie er ihm wurde, Befriedigung finden zu können, alle seines Wesens mußten hier verkümmern. I er fühlte sich in der Licben-wür'' Natu geil ußten hier verkümmern. - *>en war, dan>>' zufallen oder als weibisch zu gelten, und ließ sich eine Unter haltung gefallen, deren Derbheit ihn früher verjagt hätte. Aus allen diesen Gründen stimmte Frau Lydia dafür, man solle reisen oder einen Aufenthalt in einem fashionablen Badeort nehmen, wo es anregende Zerstreuungen gab, wie Harry sie brauchte. Daß sie selbst mit dabei sein wollte, ftnen sie als selbstverständlich vorauszusetzen. Von einer Trennung war jetzt überhaupt nicht mehr die Rede; Harry bedurfte ihrer ja sichtlich. Harry war mit ihren Vorschlägen natürlich sehr zufrieden. Aber Thea erhob entschiedenen Widerspruch, als man " die Reisepläne nahelegte. Wenn man schon im Win' Berlin leben wollte, mußte man Sommers doch zum W auf Lensilm heimisch bleiben. Wozü sonst der Welche Zusammengehörigkeit hatte man soust Scholle Landes, die Einem zu eigen war^ und Seele Gutsherrin war Und sich in walteten Hauswirthschaft glücklich fühlte, hatte das Gefühl der " den Grund und Boden, den ibn keinem Andern anve* wäte, würde man an ' Wochen verlassen b- gab, den ganzen ' das Berliner G aus sie ausüb Summer w ihr nack sich ff sff
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