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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960417029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896041702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896041702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-17
- Monat1896-04
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Abend-Ausgabe rixziger Tageblatt Die Morgen-Ausgabe erscheint «m '/,? Uhr. die Abend-Ausgab« Wochentags um b Uhr. Ledaclion und Erve-Mo«: JohanneSgafse 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: ett« Klemm'« Eortim. tAlfred Hahn», Universitüt-straßr I, LonlS Lösche. Kntbarinenstr. 14, vart. und KSnlgSvlah 7. Anzeiger. Amtsblatt des Äömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. BezvgS-PreiS NI der Hauptexpedttiou oder den im Stadt« bezirk und den Vororten errichteten AoS- aabestellen ab geholt: vierteljährlich^ 4^0, lei zweimaliger täglicher Hustellring in« L»aus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierieliährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsenduug in« Ausland: monatlich 7.50 Freitag den 17. April 1896. Anzeigen'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Keclamrn unter dem RedactiouSstrich (4ge- spalten) 50^, vor den Familien Nachrichten (6gespalten 40/^. Größere Schriften lau: unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifsernsax nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung >4 60—, mit Postbesörderung 70—. Annahuikschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Br: drn Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. An;ei«en sind stet» an di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leiozig 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Lei»zig, 17. April. „Im Reichstage" — so meldet rin gestern Mittag in Berlin aufgegebenes Telegramm des „Hamb. Corr." — „kommt eS bezüglich der Ducllfragc voraussichtlich zur Ein bringung einer Resolution, in der die Regierung auf gefordert wird, das Erforderliche zu vergnlassen, um dem Duellunwesen rntgegenzuwirken. Das Centrum, das bisher mehr zur Einbringung einer Interpellation zu neigen scheint, wird sich heute schlüssig macken." Man wird eS jedenfalls im ganzen Reiche begrüßen, daß der Reichstag über das Duell Kotze-Schrader und die durch dasselbe aufs Neue vor Augen geführten tiefen Schäden am Leibe der „besseren" Gesellschaft sich nicht ausschweigt. Und auch damit wird man in weiten Kreisen einverstanden sein, daß der Reichstag die verbündeten Regierungen durch eine Resolution oder eine Inter pellation anregt, durch gesetzliche Mittel dem Duell unwesen entgegenzuwirken. Aber darüber wird man sich überall, wo man sich nicht leichtherzig über die Wirkung solcher Maßregeln auf tiefeingewurzelte Gewohnheiten Und Anschauungen täuscht, im Klaren sein, daß selbst mit rigoroser Verschärfung der Strafbestimmungen gegen Duellanten herzlich wenig auszurichten sein wird. Wer es seiner „Ehre" schuldig zu sein glaubt, nicht nur das eigene Leben auf das Spiel zu setzen, sondern auch die tödtliche Waffe gegen eine andere Brust zu richten, wer so verworrene Ehrbegriffe hat, daß er ehrenhaft zu bandeln glaubt, wenn er einem Menschen, den er für todeswürdig hält, das eigene Herz zur Zielscheibe darbietet: der meint auch eine strenge Strafe hinnebmen zu müssen, wenn er nach seinem „Ehren codex" bandelt. So lange ein solcher „Ehrencodex" bestebt und die „bessere" Gesellschaft in seinem Banne hält, so lange werden blutige Duelle nicht zu den Seltenheiten gehören, selbst wenn die Schuldigen strenger Strafe nicht entgehen. Nur geheimer werden die Vorbereitungen getroffen werden. Wandel kann nur eine innere Erneuerung der Gesell schaft, nur eine Rückkehr ihrer Mitglieder zur Achtung vor dem Gesetz und zur strengen sittlichen Selbstprüfung bringen. Wie dringend nöthig eine solche innere Erneue rung ist und wie tief in gewissen Gesellschaftskreisen die Ansicht sich eingefressen bat, man dürfe sich ungestraft über die „kleinbürgerliche" Moral hinwegsetzen und jeder „noblen Passion" fröhnen, das zeigt so recht augenfällig ein Schriftchen, in dem die anrüchige Geliebte des Freiherrn v. Hammerstein, Flora Gaß, sich zu rechtfertigen sucht. Welche Schlaglichter fallen durch diesen höchst unglück lichen Rechtfertigungsversuch auf die Kreise, in denen der ehemalige Chefredacteur der „Kreuz-Zeitung" eine so einflußreiche Rolle spielte! In diesen Kreisen, „in denen man sich nicht langweilt", wachsen aus dem selben Boden, der freche Heuchelei, leichtsinniges Ver geuden erschwindelten Besitzes und jede Frivolität erzeugt, auch jene „Ehrenhändel", die ein Hohn auf wirkliche Ehre, ein Faustschlag ins Gesicht des Gesetzes und der guten bürgerlichen Gesellschaft sind und die Waffen schärfen, mit denen die revolutionaire Socialdemokratie kämpft. Bleibt diese innere Erneuerung auS, so bleiben alle Anregungen des Reichstages und alle gesetzlichen Maßregeln fruchtlos, fruchtlos aber auch alle Mittel zur Abwehr der drohenden Umsturzgefahr. Erfreulicherweise läßt sich aber der Anfang eines Umschwunges zum Besseren darin erkennen, daß die jenen Kreisen nahe stehende Presse mit ernster Mahnung auf eine solche Erneuerung dringt und ohne Scheu das Kind beim rechten Namen nennt. So schreibt die „Leipz. Ztg.", an einen Artikel der „Voss. Ztg." über den Fall Kotze und den neuesten Beitrag zur Geschickte des HammersteinscandalS anknüpfend: „Der Zufall, daß der Mann, dessen sittliche Fäulniß und elende Heuchelei hier aufaedeckt wird, daß der einst hochgestellte und virlgefürchtete Parteiführer, der sich nicht scheute, mit den heiligsten Grundsätzen überzeugt conservativer und christlicher Männer den schändlichsten Mißbrauch zu treiben, daß dieser Mann denselben Gesell- schastsschichten «»gehörte, in denen auch der Fall Kotze spielt, ist dem demokratischen Blatte natürlich kein Zufall, sondern ein Anlaß begreiflicher Schadenfreude. Aber gleichviel, ob das Zusammentreffen ein rein zufälliges ist, ob die politischen Gegner diesen Zufall ausnutzen oder nicht, und ob man ihnen nicht entgegnen könnte, sie möchten doch zuvörderst einmal in den von ihnen patronisirten Kreisen, den Kreisen der internationalen Berliner Geld- und Finanzaristokratie, Rundschau halten und mit dem sittlich strengen Maßstab, den sie bei Beurtheilung der Fälle Kotze und Hammerstein zur Hand hatten, auch das Sittenleben dieser ihrer Kreise einmal sonbiren, — das AergerniH, das die Berliner GeburtSaristvkratie mit jenen Scandalgesckichten gegeben hat, wird dadurch nicht beseitigt, die sittliche Mitschuld der vornehmen Gesellschaftskreise dadurch um kein Haar abgeschwächt, die verderbliche Wirkung dieses schlechten Beispiels auf die unteren Kreise und ihr Recht aus gründliche Miß achtung derselben in keiner Weise beeinträchtigt. Wird hier nickt bald und gründlich Wandel geschaffen und gegen den Unrath, der sich in diesen Kreisen angesammelt hat, auS ihrer eigenen Mitte beraus reagirt, dann werden schließlich auch gutconservative Blätter dankend die Aufgabe ab- lebnen müssen, eine solche „Gesellschaft" gegen Niedriger stehende noch zu vertheidigen und für eine sociale Ordnung einzutreten, in der nur von den Unteren Sittenreinheit ver langt wird." Schon bei der Unterwerfung des Hendrick Witboi durch Major Leutwein wurde von Kennern der Ver hältnisse in Deutsch-TüSwcftafrika die Befürchtung aus gesprochen, daß damit die Wirren in dem Lande noch nickt zu Ende seien, daß es vielmebr über kurz oder lang nolhwendig werden würde, auch den Anmaßungen der Herero im Norden des Schutzgebietes mit Waffengewalt entacgenzntreten. Die Errichtung zweier Militairstationen in Oiyimbingwe und Okqhandya schien Anfangs das Selbstgefühl der Herero ein wenig herabzudrücken, und da der mächtige Häuptling Manasse von Omaruru selbst um die Errichtung einer Station in seinem Gebiete nachsuchte, so gab man sich der Hoffnung hin, daß nach Errichtung einer weiteren Station im Nordosten von Okohandya, im Gebiet des Häuptlings Tjetjoo in Orikokorero, sowie bei dem alten Kambaseni in Waterburg, dem beherr- schenden Puncte des nördlichen Hererolandes, es doch noch gelingen werde, die Herero aus friedliche Weise unter die deutsche Oberherrschaft zu zwingen. Die im Laufe des letzten Jahres eingegangenen Nachrichten haben aber diese Hoffnung mehr und mehr schwinden lassen, vr. Hindorf, der Ende 1893 das Gebiet der Herero bereiste, bezeichnet den Charakter der Bewohner desselben als den „denkbar schlechtesten". „Grenzenloser Hochmuth" und „geradezu empörende Unverschämtheit" gegenüber den Europäern seien die hervorstechendsten Eigenschaften der Herero, die der Niederlassung von Weißen in ihrem Lande die schärfste Abwehr entgegenstellten. Thatsächlich sind die Herero unter Nichtbeachtung der ihnen gesteckten südlichen Grenze bis in dis Nähe von Windhoek vorgedrungen, haben das Weideland der von der Regierung vergebenen Farmen vccupirt nnd sich lauch nickt durch das Eingreifen des Landeshauptmann« zurückdrängen lassen. Bis jetzt hat Major Lcutwein gezögert, der Gewalt mit Ge walt zu beaegnen, und in der deutschen Presse sind ob des mangelnden Schutzes der deutschen Farmen lebhafte Klagen laut geworden. Auf die Dauer wird sich aber schwerlich die Erfüllung der Voraussetzung hinkanbalten lassen, die vr. Hindorf sch»,, im Jahre 1893 für die Ent wickelung des Landes aufstellte, nämlich, daß „die Herero in unzweideutiger Weise darüber belehrt werden, daß wir die Mackt und auch den Willen besitzen, dem Lande Ruhe und Sicherheit zu geben". Nach den letzten Nachrichten scheint jetzt der Zsitpunct gekommen zu sein, wo die gütlichen Verbandlungen dem Eingreifen mit bewaffneter Hand weichen niüfsen. Wir möchten dabei aber von vornherein die Er wartung aussprechen, daß man sich dabei die Lehren des mehr jährigen Krieges gegen Hendrick Witboi zu Nutze macht. Das System der „petits paquöt^', welches wir zu unserem Schaden lange Zeit in diesem Kampfe befolgt haben, hat nickt zum Wenigsten dazu beigetragen, bei den Herero den Glauben an unsere Mackt herabzudrücken. Die Herero sind ein keineswegs zu verachtender Gegner. Schinz schätzt ihre Seelenzahl auf 86 000, und es ist nicht zu hock gegriffen, wenn die Zahl der waffenfähigen Männer auf 10 000 an gegeben wird. In der Bewaffnung mögen sie den Sckaaren Hendrick Witboi's nachstehen, da sie in der Mehrzahl noch die Lanzen und die Keule (Kirri) führen, aber I)r. Dowe bekundet, daß sie schon zu einem guten Theile mit Gewehren, meist Hinterladern, bewaffnet sind. Ob die 800 Mann, welche der Landeshauptmann überhaupt zur Verfügung hat unter Einschluß der früheren Mannschaften der Schutztruppe und der Bastards, zu einem energifchen Feldzüge ausreichen werden, ist Wohl sehr fraglich. Die englische Berichterstattung aus und über Südafrika bleibt nach wie vor auf einem Ton gestimmt, der für deutsche Ohren einen stark befremdlichen Nebenklang besitzt. Während man eigentlich annebmen sollte, den Eng ländern machte die Lage der Dinge im Matabelelande und die Tendenz des Aufstande«, auch nach Betschuanaland und den Norden der südafrikanischen Republik überzugreisen, den Kopf gerade warm genug, um ihn nicht auch noch ohne zwingende Notbwendigkeit mit dem heiklen Problem der Boeren- srage zu behelligen, werden die Londoner Blätter nicht müde, gerade dieses verfängliche Tbema breitzutreten, und zwar in einer Weise, als ob es von besonderer Wichtigkeit für die Zwecke der englischen Boerenpolstik wäre, Deutschland bei Zeiten ins Unrecht zu setzen. So enthält die letzte Nummer des „Globe" eine sensationell gehaltene Notiz über Kriegs rüstungen der südafrikanischen Republik, über Anlage von 8 neuen Forts in der Umgebung Pretorias, wozu die Pläne von deutschen Ingenieuren entworfen worden sein sollen. Der angeblich über die Grenze der südafrikanischen Republik eingeschmuggelten verkleideten „Ulanen" haben wir schon vor einigen Tagen gedacht; jetzt bringt nun die „St. James Gazette" eine neue und vermehrte Auflage dieses Blöd sinns, indem das Blatt seine Leser mit einem Briefe regalirt, dessen Urheber in Südafrika wohnhaft sein soll und schon für nächsten Monat Ueberraschungen in Transvaal an kündigt, unter beziehungsvollem Hinweis auf den Umstand, daß letzthin 500 deutsche Osficiere und Soldaten dorthin „importirt" seien. Wenn man nicht annehmen will, daß mit Bezug auf Südafrika das Lügen jenseits des Canals zum Selbstzweck erhoben worden ist, so entsteht als bald die Frage: wozu diese systematische Irreführung der öffentlichen Meinung, wenn nicht englischerseitS Tinge vorbereitet werden, die das Licht zu scheuen alle Ursache haben ? Man gerätb dabei auf ganz cigenthümliche Muthmaßungen Uber die Aufstandsbeweaüng, die angeblich den Engländern so viel zu schaffen macht, sich dabei in Gegenden abspielt, die so isolirt von jeglicher Verbindung mit der Welt sind, daß aus ihnen nur das herübersickert, was der englische Nachrichtendienst weiter geben will, so daß gar keine Möglichkeit vorliegt, den Fall nun doch darauf bin zu prüfen, ob man eS nicht blos mit einer Finte zu thun habe, die den Engländern gestattet, unter einem unverfänglichen Vorwande nnd gleickzeitigerVerdäcktigung der deutschen Politik ihre Streitkräfte in den kritischen Gegenden zu vervollständigen, zu disponiren und, wenn alle Vorbereitungen fertig sind, das Fiasco des Iameson'schen „HeldenrittS" wieder gut zu machen. Man wolle noch beachten, daß Cecil Rhodes nun schon seit Wochen in den kritischen Gegenden Südafrikas weilt und zwar nicht als harmloser Tourist, und man wird die Frage nicht unterdrücken können, wohin das Alles noch hinaus soll. Nach den letzten Meldungen stellt sich das Ergebniß der spanischen Corteswahlen vom 12. d. M. folgendermaßen: es sind gewählt 318 ministerielle Conservative, 87 Liberale, 10 Carlisten, 3 Republikaner, 11 Unabhängige, 5 conservative Dissidenten der Gruppe Silvela. Die Kammer zählt im Ganzen 432 Sitze. Zum Vergleich sei hier der Erfolg der letzten, im März 1893 unter dem liberalen Cabinet Sagasta vollzogenen Wahlen angeführt; es wurden damals ge wählt: 296 Liberale, 60 Conservative, 50 Republikaner, 16 Carlisten und 10 cubanische Autonomisteu Es bat sich also in dem Stärkeverbältniß der beiden großen Parteien des Landes, Dank der üblichen Beeinflussung der Wahlen durch die Regierung, ein vollständiger Wandel vollzogen- Ungemein heftig war der Wahlkampf in brr Hauptstadt Madrid, und noch jetzt gehen die Wogen der Parleileidenschaft gewaltig auf und nieder. In Madrid trat nämlich der liberale Marquis de C ab rin a na, der Ankläger deS früheren Ministers Bosch und der ungetreuen Verwalter des Gemeindevermögens, als Bewerber aus, von Bosck, Romero Robleto und deren Anhang käuflicher Gcmeinde- räthe leidenschaftlich bekämpft. Die ganze liberale, republi kanische und unabhängige Presse, der Gewerbeverein und die Bereinigung der Kaufleute traten um so eifriger für Cabrinana'S Wahl ein. Trotzdem ist Cabrinana unterlegen, und selten sind in der Madrider Bevölkerung so einmüthize Proteste gegen den Wablausfall erhoben worden, wie eS dies mal geschieht- Besonders in den Vorstädten und in der Bürger schaft, die für den MarqmS de Cabrinana gestimmt hat, werden heftige Kundgebungen gegen die Regierung vorbereitet, der man die Begünstigung von Wahlfälschungen vorwirfl. Sagasta fordert, daß im Namen der Würde und der Rechte der Madrider Bevölkerung sämmtiiche Wahlen der Hauptstadt für ungiftig zu erklären seien. Ebenso fordern die liberalen Blätter die Ungiltigkeitserklärung der auf den Antillen unter General Weiler's Oberleitung vollzogenen Wahlen. Es sind dort unter dem Druck der spanischen Generale ausschließlich reactio- näre Bewerber aus der Wahl dervorgegangen, während die Hauptparteien der Antillen-Inseln, die Autonomisten und Reformisten, keinen einzigen Vertreter in die Kammer ent senden. Auch die Republikaner, die unter Sagasta 50 Mann stark waren, sind jetzt fast gänzlich aus der Kammer aus geschlossen; nur Castelar und einige Possibilisten sind gewählt. Für den 26. April sind die Wahlen zum Senat festgesetzt, am 11. Mai werden die Cortes eröffnet. FrniHetsir. Gottbegnadet. 26) Noman von Konrad Telmann. Nachdruck »erboten. Sir war beute zum ersten Mal diesem Unerwarteten und Widrigen gegenüber seltsam rathlos, fast verwirrt. So war es ihr lieb, daß gerade heute Onkel Hans von Modrow herüberkam. Es war doch ein Mensch, mit dem sie sich auS- sprechen tonnte, und sie fühlte das Bcdürfniß dazu in sich. Hans Wietzlow war in der letzten Zeit seltener und seltener erschienen, Thea wußte nickt, warum? Ein wunder licher Heiliger war er ja überhaupt und recht klug war nie aus ihm zu werden. Sicherlich war er die Güte und da« Wohlwollen gegen sie in Person und sie verdankte ihm und seinen Ratbscklägen viel, besonder» in der ersten Zeit, wo sie ziemlich hilflos und unerfahren gewesen war und ohne sein thatkräftigeS Eingreifen manchmal nicht aus noch ein gewußt hätte. Aber dann batte er sich wieder oft barsch und unzugänglich gezeigt, war lange Wochen fortgeblieben, batte, wenn er kam, über Gott und die Welt geschimpft und seine bärbeißigste Miene gezeigt, am meisten gegen sie selber, auf ihre Frage aber, ob sie ihm etwas zu Leide gethan, mit Schimpfworten gegen seine eigene Person geantwortet. So war er nun einmal nnd man konnte ihn jetzt, wo sein Haar zu ergrauen anfing, nicht mehr anders machen. Am besten war's eben, hatte er gemeint, er bliebe ganz fort. Und das hatte er denn auch durch lange Wochen gethan. Nun war er aber doch wieder da und niemals war er Thea willkommener gewesen, obgleich Parsenow ihn mit einer wahren Leichenbittermiene anmeldete. Daß der Alte neuerdings HanS Wietzlow nicht mehr leiden konnte, während er früher für ihn durch- Feuer gegangen wäre, schon weil er der vertraute Freund seines angebetenen Herrn von Dörenberg gewesen, gekörte auch zu den für Thea un begreiflichen Dingen, über die sie sich aber den Kopf nickt mehr zerbrach Der Alte sprach von Onkel HanS jetzt immer nur mit verbissenem Ingrimm. Al« er ihr jetzt sagte, daß er gekommen sei, klang es so, al« wenn er von einer lange erwartenden Epidemie spräche, die nun wirklick im Dorf auSaebrochen set. Han« Wietzlow selber machte auf Thea heute einen merk würdigen Eindruck. Er war viel sorgfältiger gekleidet als sonst, und hatte etwas beinahe Feierliche« in seinem Wesen und Auftreten, waS aber wieder durch eine Art von Selbst verspottung, die er an den Tag legte, gedämpft wurde. Dabei blickte er immer an Thea vorüber und redete ziemlich wirres Zeug — vom Stande der Ernte, von Getreidezöllen, von der Restaurirung seines halb verfallenen GutShauses, von langen, einsamen Winterabenden, von seiner Abneigung gegen Spielen und Trinken, vom russischen Handelsvertrag — alles durcheinander. Währenddessen wühlte er unablässig in seinem wuchernden Vollbart oder trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte, neben der er stand. WaS er wohl eigentlich wollen mag? dachte Thea, die aus dem Allem nicht klug wurde und gar keine Gelegenheit fand, selbst zum Worte zu kommen. „Dann fehlt Dir zu Allem jetzt eigentlich Wohl nur noch die Fray, Onkel HanS", warf sie in seine Schilderung, wie behaglich eS seit dem Neubau auf Modrow geworden sei, endlich ein und sie seufzte leicht hintennach, weil eine gewisse Ungeduld sich ihrer zu bemächtigen begann. Hans Wietzlow sprang plötzlich auf und schlug mit der Faust ans den Tisch. „Donnerwetter, na ja! Sonst hätt's ja auck gar keinen Sinn gehabt mit der Restaurirung des alten Kastens. Aber 'ne verfluchte Dummheit bleibl's, was? So 'n alter Knabe und eingeteufelter Iunggesell wie ich! Schämen muß man sich, verkriechen muß man sich bis über alle beide Ohren vor Scham. Und ob's zum Guten auS- schlägt; ist ja auch noch stark die Frage. So einen wie ich — wie kann denn den eine nehmen? Ist ja der reine Unsinn, ist ja 'ne faustdicke Dummheit!" „Nun, nun", fiel Thea lächelnd ein, die jetzt wenigstens bti dieser völlig unerwarteten Eröffnung den Schlüssel für Han« Wietzlows wunderliches Wesen in der Hand zu haben glaubte, „daS käme doch wohl noch darauf an". Thea batte die Worte so hingesprochen, innerlich ganz mit dem beschäftigt, WaS in ihr wühlte, aber im nächsten Augen blick bereute sie sie schon wieder; denn HanS Wietzlow war plötzlich auf sie zugesprungen, hatte mit beiden Händen ihre Arme wie mit eisernen Schrauben umklammert, rüttelte ihre Gestalt hin und her und schrie ihr inS Gesicht: „Ist daS Ernst, Du — Du? Ist daS Ernst? Du wolltest wirklich—? Mich alten Knaben? Mich ungeleckten Bären? Mich häßliches, ungehobeltes, verbauertes Monstrum? Mich? Du? SagS doch! SagS dock! Mach mich doch nicht ganz verrückt — halb bin ick« ja schon — seit Langem — seit — seit... — > ' !! Nun, tausendmillionen Donnerwetter, wozu soll icks Dir denn erst sagen? Du weißtS ja — Alles weißt Du — bist ja gescheit genug dazu — grad so gescheit, wie ich rhinoceros- mäßig dumm bin. — Und wir zwei . . ." Thea war zu Anfang über das Unerhörte, das da auf sie hereinbrach, so fassungslos erstarrt, daß sie weder Worte der Abwehr finden noch überhaupt sich nur bewegen konnte. Sie hatte secnndenlang das Gefühl des rettungslosen Ver sinken«. Dann schossen ihr die Gedanken wirbelnd durchs Hirn. Das also wars gewesen! Deshalb all seine Wunderlich keiten, und deshalb der Haß des alten Parsenow, der hell sichtiger gewesen war als sie selber, gegen ihn. Aber daS konnte, durfte ja nicht sein, das mußte za mit einem einzigen Wort wieder . . . Nun plötzlich konnte sie sprechen. Und mehr noch als ihre Worte sagten ihm ihre Miene», ihre er schreckten, fast entgeisterten Züge, die in so seltsamem Contrast standen zu dem, was sie mit so gutmüthiger, beinahe liebe voller Stimme verbrachte. „Onkel HanS", sagte sie, und da seine Arme nun plötzlich schlaff herabsanken, streichelte sie ihm beruhigend über die Wangen hin, „lieber, guter Onkel HanS". Eigentlich sagte daS ja genug. Es lag so viel Verweisendes und Begütigendes zugleich in diesem Zureden. Aber Tbca setzte auch noch mehr hinzu. Sie sagte: „Du kannst ja eine tausendmal bessere haben, Onkel HauS — jede, jede. Ver stehst Du? Ich wär' die rechte nicht, selbst wenn ick frei wäre. Ich bin ja aber nickt frei. Und deshalb — nicht wahr, Onkel HanS? — deshalb reden wir nicht mehr vavon. Aber Freunde — die besten Freunde bleiben wir um des willen doch . . ." Sie konnte nicht weiter. Er hatte sichtlich mit ungeheurer Anstrengung seine furchtbare Enttäuschung, in die sich Scham und Weh und Selbstverspottung mischten, berunterzuwürgen versucht, ob er gleich daran ersticken zu müssen glaubte. Nun aber kam ein gurgelnder Ton, halb Lacken und halb grollende Entrüstung aus seiner Keble und mit einem blaurothen Gesicht und verquellenden Augen stieß er herauS: „DaS — daS mußt Du nickt sagen, hörst Du? Alles andere, aber das nicht. Nicht frei! Du nicht frei! Sag mir, daß ich ein alter Esel bin — dann hast Du recht. Oder Schlimmere« : ein Narr, ein Geck, ein Affe — reicht alles noch nicht, ist alles noch viel zu wenig. — Aber daß Du deshalb nickt auf meine Verrücklbeit ringehen kannst und willst, weil Du nickt frei bist — da- sag nickt — da- ist eine Lüge. — Und Du brauchst nicht zu lügen. Dem — dem anderen gegenüber wirst Du diesen Vorwand wohl nicht haben. — Oder meinst Du'S so, Du wärest nicht frei, weil Du ihm schon versprochen hast — dann ließ ichS gelten. Sonst . . ." „Dem andern?" wiederholte Thea, aus deren Antlitz jetzt die Farbe kam und ging, während ein heißes Erschrecken in ihren Augen lag. „Welchem ankern?" Wieder dies gurgelnde Lachen aus Hans Wietzlow'« Keble. Welchem Andern! Er schlug mit der Faust auf die Tisch platte, daß sie zu bersten drohte, und lachte abermals, jetzt rauh und heiser. Wie sie alle zu heucheln wissen, die Wewer — alle, alle! Welchem Andern? Und das schwänzelt und tänzelt seit Wochen — seit Monaten um sie herum und ver brennt sich die Flügel und schmilzt hin wie Butter an der Sonne, vor lauter Verliebtheit. Hat man denn keine Augen im Kopf? Meinst Du denn, man wäre blind, weil mau im Ucbrigen so toll und verdreht ist? Ach nein, liebes Kind, solche Verrücktheit macht sogar sehr klaräugig, und in diesem Fall war das gar nickt mal nöthig. Mit dem Stock fühlen kann man's. Und so ein feine«, adeliges Hcrrlein muß es ja natürlich zum zweiten Male sein, ohne das gebl's nicht. Begreifst Du denn nicht, daß mich da- allein so weit gebracht hat, zu reden? Daß ick sonst fein das Maul gehalten hätte trotz Allem und Allem? So viel Scham und Selbsterkenutniß und Selbst achtung besitzt unsereiner mitten in aller Rage denn dock noch. So aber, wie die Dinge nun 'mal standen, mußt' es ja zum Klappen kommen, so ging's nicht weiter. Ter oder ich! Na, und nun hab' ich mein Theil und bab'S nicht besser verdient unk Alles ist gut. Und von Nachtragen ist auch keine Rede, kenn ich an Deiner Stelle hätt's genau ebenso gemacht wie Du. Aber Dich verstellen und mir waS vor heucheln wollen — nein» das ist nicht schön, das solltest Du nicht. Das hat auch gar keinen Zweck, mein Kind. Und damit: Gott befohlen! Wenn Du kannst, vergiß diese greuliche Stunde — so bald wie möglich! Adieu " Und er ging-init dröhnenden Schritten kavon. Lhea blieb wie in einer Betäubung zurück Sie griff sich mit ter Hand an die Stirn, wie um sich zu überzeugen. Laß sie nicht träume. WaS war da« alles gewesen, waS sie da hatte hören muffen? Sprach aus jenen Worten mebr als grollende Enttäuschung und blinde, neidische Eifersucht? Das glaubte man? Aber waS war am Ende dabei zu ver wundern? Asta von Flügge glaubte es ja auch und alle Welt, wenn man ib-en Worten trauen durfte. Daran lag im Grund» nichi«. Nur, wenn es wirklich so gewesen wäre, wenn alle kiese Recht batten? Aber nein, nein, da« konnte nicht sein. Wenn Eberhard Asten immer noch nicht über-
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