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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960418020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896041802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896041802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-18
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Von vorn herein gingen aber die Meinungen darüber auseinander, ob ein detaillirtes Gesetz zu schaffen sei, welches jede einzelne Hauptmöglichkeit und Form der ooncurrenco Modale aufzählt und zu fasten sucht, oder ob man sich mit einer allgemeinen Be stimmung der Schadenersatzpflicht, ähnlich wie im französischen Recht, begnügen sollte. In Frankreich befindet man sich dabei ziemlich wohl; aber es fällt schwer ins Gewicht, daß dort eine langjährige Rechtsprechung und Gerichtspraxis bereits festen Boden und leidlich sichere Grenzen geschaffen hat, die bei uns fehlen würden. So bemüht sich das vorliegende Gesetz, dem Richter im Einzelnen bestimmte Unterlagen zu schaffen; das Hauptgewicht wird auf die Statuirung der Ersatzpflicht gelegt, daneben werden aber auch Strafen ein geführt. Eine wichtige Aenderung wurde nun gleich bei dem grund legenden tz 1 beschlossen, der ziemlich erschöpfend den Kreis der Gegenstände und Verhältnisse, auf welche die unwahre Reclamc sich bezieht, umschreibt; der Reichstag fügte auf Antrag seiner Commission eine sogenannte Generalklausel ein, durch welche dieAufzählungder zu treffenden Fälle des unlauterenWettbewerbs nur als eine beispielsweise erscheint und daneben allgemein unwahre Angaben über „geschäftliche Verhältnisse" unter Ver bot und Schadenersatz gestellt werden können. Die ver bündeten Regierungen bekämpften diese Einfügung; „geschäft liche Verhältnisse" sei ein zu unsicherer Begriff, dadurch werde die Praxis eine sehr schwankende und der Grundgedanke um gestoßen, wonach man dem Richter Specialvorschristen machen wollte. Aber das Haus setzte sich über diese Bedenken hinweg und votirte die allgemeine Bestimmung, daß unlauterer Wett bewerb in unwahren Reclamen „über geschäftliche Verhält nisse" strafbar sein könne. Damit wird demRichter ein ungemein weiter Spielraum gegeben und man wird nun abwarten müssen, wie sich die Sache in der Praxis macht und ob eine formalistische Auffassung den verwerflichen Wettbewerb von der strebsamen redlichen Concurrenz sicher zu scheiden vermag. Die zweite Aenderung kommt dem Zeitungs wesen zu Gute, das nach der Regierungsvorlage in steter Gefahr war, auch bei peinlicher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit dem Gesetze wegen Aufnahme von Geschäftsanzeigen zu verfallen, wenn diese auch ohne Wissen des Redacteurs der unlauteren Reclame dienten. Mit der jetzigen Bestimmung wird sich leben lassen, ebenso mit der Abänderung, wonach handelsgebräuchliche Namen, wie „Frank furter Würstchen", „Berliner Blau", die zur Benennung gewisser Waaren dienen, ohne deren Herkunft bezeichnen zu sollen, nicht unter die unwahre Reclame des tz 1 fallen sollen. Wichtig und befriedigend ist ferner der Beschluß, daß der tz 5, der dem BundeSrath das Recht giebt, gegen „Gewichts verschleierungen" einzuschreiten, sich nicht auf Waaren, die in Hohlmaßen (Wein und Bier) verkauft werden, bezieht, sondern nur aus solche, die in Einheiten der Zahl, der Länge und des Gewichts feilgeboten werden (gemeint sind z. B. Posamentierwaaren, Garn, Colonialwaaren, Stahl federn rc ). Damit ist verschiedenen Eingaben von Interessenten Rechnung getragen worden, die sich gegen die Anwendung dieses Paragraphen auf ihr Geschäft gewendet hatten. An den § 9 der Vorlage, der die Angestellten von Geschäften wegen nach Ablauf des Dienstvertrags bewirkter Verwerthung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen mit Strafe bedroht, war vielfach die Befürchtung geknüpft worden, daß das Gesetz scheitern werde, da die Commission dem aus einem Geschäfte Au-geschiedenen die volle Freiheit, seine Kenntnisse und Erfahrungen zu nützen, belassen wollte und die Regierung bei der ersten Lesung gegen diese Belassung protestirt batte. Gestern aber ließ sie durch den Mund des Unterstaats- secretairs Rothe ihre Meinung dahin aussprechen, daß der von der Commission einfach gestrichene Absatz über die Verwerthung von Geheimnissen nach Ablauf des Dienstvertrags „einiges Bedenkliche" an sich gehabt habe. Die Strafbarkeit der während der Dauer des Dienst vertrages verschuldeten Preisgebung von Geschäftsgeheim nissen hat die Commission nicht nur belasten, sondern noch insoweit ausgedehnt, als nicht nur Mittbeilungen zum Zwecke des Wettbewerbs, sondern auch die in der Absicht, dem Inhaber des Geschäfts Schaden zuzufügen, gemachten bestraft werden. Die Commission hat weiter die Strafe auf Ver leitung eines Angestellten zum Verratb von Geschäfts- gebeimnissen (H 10) von 1500 auf 3000 bezw. von 6 Monaten auf ein Jahr Gefängniß erhöht. In der Debatte über beide Paragraphen machten nur die Vertreter jener Parteien, die Fälschung und Treubruch zu den geheiligtsten Rechten der Menschheit zählen, grundsätzliche Einwendungen; die Mehr heit des Hauses aber trat der Commission bei und nahm die tzK 9 und 10 nach den Commissionsanträgen und hierauf den Rest der Vorlage an, deren definitive Annahme, wie gesagt, nunmehr sicher ist. Einen Fortschritt zum Besseren wird oas Gesetz trotz der „Generalklausel" und trotz des Umstandes, daß auch künftig ein Angestellter nur Las Dienst- verhältniß zu lösen braucht, um jeder Verpflichtung zur Ver schwiegenheit enthoben zu sein, jedenfalls bedeuten. Trotz der Versicherung unseres Berliner 6. K.-Corre- spondenten der weitaus größere Theil der BerlinerArbeit- geber werde sich von der Socialdemokratie die Feier des ersten Mat durch Arbeitsruhe nicht abtrotzen lasten, gewinnt es immer mehr den Anschein, als ob das Bürger- thum der Reichshauptstadt am 1. Mai vor der Socialdemo kratie capituliren und in die von einem internationalen Socialistencongreste für diesen Tag angeordnete ArbeitSruhe theils stillschweigend, theils ausdrücklich willigen würde. Man spricht zwar — schreibt beute die „Nat.-Lib.-Corr." — nur von einem „großen Tbeil von Unternehmern", der den proletarischen Weltfeiertag einzusetzen gedenke, und von einem anderen Theil ist es sicher, daß er sich nicht beugen wird. So z. B. hat derVerbandBerlinerMetall-Jndustriellersicheinstimmigundmit aller wünschenswerthen Entschiedenheit gegen die Freigabe des 1. Mai erklärt. Aber auf ein größeres oder geringeres Mehr von Nachgiebigen kommt es nicht an, der Mangel an Ge schlossenheit der Berliner Arbeitgeber würde vollkommen hin reichen, um im ganzen Reiche den von den Erfindern der Maifeier beabsichtigten Eindruck eines großen socialdemokra tischen Sieges hervorzubringen. Daß dieser Effect den anderen nach sich zöge, in Berlin wie anderwärts das Ver- hältniß zwischen Arbeitgebern und Arbeitern schwieriger, als es zur Zeit schon ist, zu gestalten, liegt auf der Hand und wird übrigens von den Metall-Industriellen noch ausdrücklich hervorgehoben. Der Verband weist in einem Rundschreiben darauf hin, wie die socialdemokratische Presse und gleichgesinnte Agitatoren cs erreicht, „daß ein großer Tbeil der Arbeitnehmer sich zusammenschloß, um in ein- müthigem Vorgehen unberechtigte und unerfüllbare Forderungen zu erzwingen." Dir Gährung in den Reihen der Arbeiter, heißt es weiter, nimmt von Tag zu Tag zu und läßt es „jetzt wichtiger denn je" erscheinen, ge schloffen zusammenrusteben, „um von Neuem zu beweisen, daß Einigkeit stark macht". Eine imposante ArbeitSruhe am 1. Mai — die unter allen Umständen, auch wo sie formell als eine be willigte erscheint, tbatsäcblich eine erzwungene sein wird — muß selbstverständlich der Geneigtheit, (ich von der als Ueberwin- derin eines fünfjährigen bürgerlichen Widerstandes dastehenden Socialdemokratie gegen die Arbeitgeber führen zu lasten, in den Kreisen der Arbeiter weitere Verbreitung verschaffen. Die Freigabe des 1. Mai wäre demnach, wo sie wegen der „Conjunctur" erfolgt, auf die die Socialdemokratie ihre Er wartungen setzt, ein Ausfluß bornirter Gewinnsucht, die das eigene Interesse nicht über den nächsten Tag hinaus zu Rathe zu ziehen vermag. Der „Vorwärts" droht jetzt den Arbeit gebern, „die die Arbeiter den 1. Mai in den giflgeschwängerten Sälen der Fabriken vertrauern lassen" wollen. Sollte es Unternehmer geben, die den in diesen Worten zum Ausdruck gelangenden Haß gegen die im Dienste eines Anderen verrichtete Arbeit durch die Freigabe des 1. Mai ent waffnen zu können glauben? Für die socialdemokra- tischcn Agitatoren ist jede Fabrik giftgeschwängert, jede Arbeitszeit vertrauert, jeder Arbeitslohn zu niedrig. Und der Arbeiter schenkt ihnen desto mehr Glauben, je mehr er sich überzeugt, daß Unternehmer vor ihren Drohworten zurückschrecken. Daß in Berlin die Maifeier mit der Eröffnung der Ausstellung zusammenfällt, wird den Arbeiter nicht abhalten, in dem Gelingen der socialdemo kratischen Veranstaltung einen Triumph seiner Führer über das Arbeitgeberthum zu erblicken. Die Eröffnungsfeier lichkeit ist auch in der That nicht geeignet, den Entschluß des Widerstandes gegen das socialdemokratische Macht gebot, wo er vorhanden ist, ins Schwanken zu bringen. Wenn es aber ander« wäre, so müßte die Reichshaupt stadt dennoch Festigkeit al» Ehrenpflicht betrachten. Noch zittert die Empörung nach, mit der hie Socialdemokratie durch verruchte Schmähungen des theueren Kaisers Wilhelm I. und der für uns gestorbenen Tobten von 1870/71 ganz Deutschland erfüllt haben, und Berlin, das durch diesen Kaiser und diese Todten an die Spitze Deutschlands gestellte Berlin, sollte sich einem Gebote unterwerfen, das von jenen Schändern des deutschen Namens ergangen ist? Kommt es aber dabin, so werden die Räthe des Kaisers aus der That- sache, daß die Eröffnung der Berliner Ausstellung mir der Kundgebung zu Ehren der internationalen Socialdemokratie in Eins zusammenfließt, Consequenzen zu ziehen haben. Die in Sachen des österreichisch ungarischen Ausgleichs gefaßten Beschlüsse der ungar ischenQuoten-Deputation haben, wie sich erwarten ließ, in Wien sehr unangenehm be rührt. Die cisleitbanische Quoten - Deputation hatte die ungarische Gesammtleistung zu den gemeinsamen Ausgaben de« Reiches auf 43,16 Proc. incl. des von Ungarn allein zu tragenden Präcipuums für die Militairgrenze (2 Proc.) ver anschlagt, so daß auf Oesterreich 56,84 Proc. entfielen. Die un- garffcbeQuoten-Deputation will aber an dem gegenwärtigen An- theil von 31,4 Proc. festbalten. Die Differenz zwischen dem öster reichischen und dem ungarischen Vorschläge beträgt daher nicht weniger als 11,76 Procent. Der Unterschied zwischen beiden Anträgen wird noch klarer, wenn a» Stelle der procentuellen die absoluten Ziffern angeführt werden. Das gesammte ordentliche, außerordentliche und bosnische Netto-Erforderniß für die gemeinsamen Angelegenheiten beträgt nach den Dele gations-Beschlüssen für 1896 108,06 Millionen Gulden Ungarn hätte nach dem Vorschläge der österreichischen Ouoten-Deputation künftig davon zu bezahlen 43,16 Procent oder 46,63 Millionen, nach dem Vorschläge der ungarischen Quolen-Deputalion dagegen 31,4 Procent oder 33,93 Millionen Gulden. ES bliebe also eine Differenz von 12,70 Millionen. Mit Recht fragt man in Wien: Kann Ungarn mit Ehrlichkeit und Offenheit behaupten, daß es noch derselbe arme Staat ist, dem Oesterreich im Jahre 1867 die Theilung der gemein samen Ausgaben im Verhältnisse von siebzig zu dreißig Procenk zugestehen mußte? Damals konnte diese Concession gebilligt werden, da Oesterreich gleichzeitig äußerst schwierige Ver handlungen über den ungarischen Beitrag zur Staatsschuld zu führen hatte, da das dringende Bedürfniß vorhanden war, die auf dem Schlacbtfelde geschlagene Monarchie durch den inneren Frieden zu kräftigen, und da Ungarn ein schwacher, im Weltverkehre unbekannter und seiner eigenen großen Hilfsmittel noch nicht bewußter Agrarstaat war. Ist es nicht die höchste Ungerechtigkeit, daß auch das heutige blühende und mächtige Ungarn dieselbe Begünstigung fordert wie vor dreißig Jahren? Zumal da Ungarn durch die geänderte Abrechnung der Verzehrungssteuern 2 Millionen Gulden gewinnt. In Abessinien sind in aller Stille die Vorbereitungen für die Befreiung von Adigrat getroffen worden. Sie wurden ermöglicht durch die Waffencrfolge Stevani's bei Kassala. Diese, die man anfangs zu verkleinern suchte, sind doch so bedeutend gewesen, daß die Mahdisten sich über Osobri bis jenseits des Atbara zurückzogen. Von ihrer Seite ist äugen blicklick etwas Ernstliches nicht zu befürchten, so daß die Divisionen der Generale Hensch und Maino nach Süden vorgeben und vorläufig nördlich von Adigrat bei Adicaje Stellung nehmen konnte. Weiler wird uns aus Kassala gemeldet, baß Oberst Stevani dort eine starke Garnison gelassen und den Rest seinerColonne staffelweise zwischenKheren undKastala auf gestellt habe. Auch das deutet darauf hin, daß der Schwerpunkt der Operationen von Kassala nach Tigre zu verschoben werden soll. Die Lage Adigrats, welches seit dem 1. März belagert wird, scheint in der letzten Zeit eine sehr kritische geworden zu sein, so daß sich schon aus diesem Grund die Nothwenbig- keit des Entsatzes aufbrängte, wollte man nicht eine neue Katastrophe heranfbeschwören. Die Aussichten eines Vor stoßes scheinen diesmal allerdings für die Italiener weit günstiger: heute stehen, wie wenigstens mehrfach gemeldet wurde, in Tigre höchstens 15—20 000 Mann unter Ras Mangascha, RaS Alula und Ras Sebat, während die Italiener immerhin über 30—34 000 Mann verfügen; dazu kommt, daß an die Stelle des leichtsinnigen und wohl auch geistig anormalen Baratieri der kluge, vorsichtige und energische Baldissera getreten ist, der für eine umsichtige und erfolg reiche Kriegführung bürgt. Dennoch ist eS selbstverständlich, daß eine Befreiung Adigrats, zumal angesichts der beginnen den ungünstigen Jahreszeit keine Kleinigkeit ist und die äußerste Vorsicht erfordert. Daß man aus italienischer Seite nicht blind gegen die Schwierigkeiten ist, geht aus folgender Meldung hervor: * Massaua, 16. April. (Von Assab nach Perlm durch Packet- boot übermittelt.) Die Lage in Adigrat ist beruhigend. Es ist gelungen, Medikamente in da« Fort zu schaffen. Die tigrinischen Ras, welche gegenwärtig einig sind, haben alle ihre Truppen ver- einigt. Die militairischen Verhältnisse der Italiener sind befriedigend: aber wegen der wachjenden Schwierigkeiten der Verproviantirung von Massaua her, sowie wegen des Wasjermangels können die Feuilleton. Gottbegnadet. 27) Roman von Konrad Telmann. Nachdruck verboten. „Vor Allem: wie fühlen Sie sich?" wiederholte er, .ängstlich in ihren Mienen forschend und alle ihre Bewegungen be obachtend. „Ziemlich gut. Nur wie zerschlagen vor Mattigkeit. Ich weiß nickt, wie ich nach Hause kommen werde." „Darüber machen Sie sich keine Sorge! Ihre Leute, die ich gerufen habe^ sind schon gegangen, Ihren Wagen zu holen. Wenn Sie nur sicher keinen Schaden genommen haben I" „Ick glaube kaum. Ein paar leichte Contusionen vielleicht. Aber nun erklären Sie mir nur — Sie hat mir der Himmel offenbar im rechten Slugenblick in den Weg geführt. Sonst... Sie bebte leicht zusammen und blickte nach dem Pferde. Das arme Thier. Es war wir wahnsinnig." „Es hat beide Beine gebrochen", sagte er. „Ich glaube kaum, daß es zu retten sein wird. Aber das mögen Ihre Leute entscheiden. Ich würde ohnedies nicht viel Erbarmen mit ibm haben. Wenn eS mein Pferd wäre . . ." Er deutete leicht auf seine Brusttasche, au« der die Mündung eine« Revolvers hervorsah. „Mir haben Sir nicht »u danken", fuhr er idann fort, und sie sah erst jetzt, wie bleich er war vor Aufregung, daß ibm dabei die Hellen Tropfen auf der Stirn standen und hin und wieder rin nervöse« Zittern seinen Körper durchlief, „eS war ja kein Verdienst meinerseits, nur ein Zufall, den ich glücklich preise, denn e» war wohl wirklich ein Moment höchster Gefahr für Sie, und ich durfte Sie grade noch auf fangen, als . . ." Er trocknete sich die Stirn und athmet» schwer, wie wenn er unter der Erinnerung an jenen Moment, den er jetzt wieder vor sich sah, zu leiden hätte. Auch Thea war zusammengeschauert. Ihre Augen gingen in die Ferne hinaus. „Ich verdanke Ihnen mein Leben", sagte sie leise, unwillkürlich, „ich weiß, dafür giebt e« ja aber keinen Dank. Es waren grauenhafte Minuten." Sie schüttelte sich. „Da kommt der Wagen schon." Eberhard deutete auf den Weg hinunter. Es lag jetzt etwa- Finstere« in seinen Augen. „Wie kamen Sie uverbaupt dierber?" fragte Tbea, ebne ihn anzusehen. „Reiten Sie öfters hier in der Gegend spazieren? Ich wußte gar nicht, daß ich so nahe bei Lensihn sei". „Ja", sagte er mit etwas gepreßtem Ton, „ich komme öfters hier vorüber. Uebrigens war ich beute auf dem Wege zu Ihnen. Dort unten hab ich mein Pferd. Denken Sie sich mein Entsetzen, al« ich Sie von dort auf Ihrem durch gehenden Thier, nur noch halb im Sattel hängend, gewahrte. Es war ein Anblick, den man wohl nie wieder vergißt." Sie blieb stumm, und er athmete ein paar Malawi« auS zusam mengeschnürter Brust mühsam auf. Dann beugte er sich etwas gegen sie vor und brachte halblaut, mit leicht zitternder Stimme hervor: Wenn Sie mir gewähren wollten, über Ihnen zu wachen, Frau Thea — immer, immer . . ." Es ging wie rin schmerzhafter Ruck durch Thea s Herz. Also doch! Also wirklich! mußte sie denken. Ein heißes, tiefes Wehegesühl durchdrang sie. Und gerade jetzt, wo er ihr das Leben gerettet, wo er daß seine für sie in die Schanze ge schlagen hatte, sollte sie ihm sagen, daß er nicht« zu hoffen habe — auch jetzt nicht, er so wenig wie irgend ein Anderer. Weshalb tbat er ihr das an? Weshalb kannte er sie so wenig, daß er sie hierzu nock erst zwang? Und sie hätte ihn sich so gern als Freund erhalten, sie war ihm so von Herzen wohlgesinnt. Wie traurig, wie peinvoll war da- Alles! „Sagen Sie mir jetzt nichts", setzte Eberhard noch leiser, noch zitternder binzu, als sie schwieg und mit sich rang, „ich weiß za, waS Sie sagen könnten. Und ich möchte auch nicht, daß Sie sich in dieser Stunde von den Gefühlen der Dank barkeit leiten ließen, oder überhaupt in der Erregung de- Augenblicks sich überrumpeln ließen. Ich werde eines Tage- kommen und mir Ihre Antwort holen. Sie sollen Zeit behalten, Alle» zu überlegen. Bis dabin will ich weiter bescheiden aus der Ferne Sie verehren und schon im Anblick des Hause«, wo sie wohnen, weiter Glück empfinden . . ." Er war rasch ausgestanden, um nach dem Wagen zu sehen, der eben um die Wege-Ecke bog, aber bis an die Stelle, wo Thea lag, nicht beraufkommen konnte. „Der Wagen ist da", sagte er. „Werden Sie bis dorthin gehen können? Sonst trage ich Sie herab. Thea war heiß erglüht. Sie versuchte mit seiner Hilfe sich aufzurichten, fühlte aber nun erst ganz ihre Schwäche und zugleich neben den stechenden Schmerzen in der Brust- seite solche in der Sckläfengegend, die ihr einen unwillkür lichen Weberuf entpreßten. Al« sie mit den beiden Händen dabin griff, umschlang Eberhard rasch ibren Leib und bob sie an seine Schulter herauf, um sie so mit raschen Schritten dem unten wartenden Wagen zuzutragen. Und Tbea sträubte sich nicht, sie fühlte, daß sie nicht hätte gehen können. Sie fckloß die Augen. Erschauernd dachte sie: Ein Wort von mir, und er trägt mich so durchs Leben — sicher, ruhig, glücklich. Aber sie würde dies Wort nicht sprechen, sie konnte nicht. Eberhard hob sie in den Wagen, den der alte Parsenow selber hierher gelenkt hatte. Das hätte er sich um keinen Preis nehmen lasten. Sein Gesicht strahlte, al- er seine Herrin dem Anschein nach unverletzt sab und in den Armen des LandratbS. AuS dem Lächeln, mit dem er bald diesen, bald sie selber betrachtete, entnahm Tbea unschwer, daß er gegen einen HeirathSantraa von dieser Seite sich nicht feind lich aufzulehnen gesonnen sei. Auch dieser alte Getreue batte die Ueherzeugung, eS werde ihr Glück sein. Und vielleicht wär e« das ja gewesen. Nur daß sie eben nicht konnte, nicht durfte . . . „Auf Wiedersehen, gnädige Frau!" Eberhard verneigte sich mit ruhiger Förmlichkeit. Sie hielt seine Hand fest. „Auf Wiedersehen, lieber Freund! Und nochmals: Dank! Tausend Dank!" Parsenow ließ die Peitsche über den Köpfen der Füchse sausen. Der Wagen rollte davon. 14. So alücklich wie Thea gehofft und Eberhard wenigsten- für möglich gehalten, ging der Unfall, der die Gut-Herrin von Lensihn betroffen hatte, denn doch nicht ab. Schon während der Heimfahrt, so vorsichtig der alte Parsenow auch den Wagen lenkte, verspürte Tbea immer heftiger» Schmerzen, und als man sie vor dem Gut-Hause aus dem Wagen hob, wurde sie trotz aller Willensanstrengung, sich aufrecht zu erhalten, ohnmächtig. Nachts trat bitzige- Fieber mit Delirien ein, so daß man den Arzt auS Altstadt kommen lasten mußte und an Thea'S Eltern trlegraphirtr. Der Arzt konnte alsbald außer der Grhirnerschütterung, deren Folgen man noch nicht abzusehen vermochte, eine Entzündung deS Rippenfells constatiren, dir in Verbindung mit der hoch gradigen nervösen Erregung der Patientin immerhin nicht unbedenklich erschien und sicher auch im günstigen Fall «in längeres Krankenlager Hervorrufen mußte. Glücklicherweise konnte Frau Marcella, die sofort auf Parsenow'« Telegramm hin gekommen war, wenigsten« wäh rend der ersten schweren Zeit auf Lenfibn bleiben, um Tbca'S Pflege selber zu übernehmen. Und das erschien um so noth- wcndiger, als sich zu der inneren Entzündung auch noch ein Nervcnfieber gesellte, da- während mehrerer Tage Thea s Leben ernstlich in Frage stellte und nach der Ueberwindung der Krise eine Schwäche zurückließ, welche die größte Vorsicht erheischte. ES waren bange Wochen, die Frau Marcella aus Lensihn verlebte. Als ihre Pflichten sie dann zu ibrem Gatten zurückriesen, konnte sie unbesorgten Herzens gehen. Tbea war wieder vom Krankenlager erstanden und außer aller Gefahr. Tie Genesung machte, nachdem sie einmal begonnen hatte, rasche Fortschritte, die kraftvoll-gesunde Natur der Patientin kam zum Durchbruch, und man hatte jetzt nur noch daran zu denken, ihr die nöthige Stärkung zu verschaffen und sie zur Selbstschonung zu veranlassen, zu der sie wenig geneigt war Der Arzt kam denn auch vornehmlich au« dem letzteren Grunde zu dem Schluß, Thea müsse Lensihn verlassen. Keinesfalls sollte sie den Winter hier zubringen, sondern, schon um jeden letzten Rest des entzündlichen Zustande« aus zuheilrn und ihren Nerven vollkommene Ruhe zu gönnen, ein südliche- Klima aufsuchen. Tbea wollte lang» nicht- davon hören. Sie war mir allen Wurzeln ihre- Sein- zu fest mit Lensihn verwachsen, sie fand zuviel Befriedigung in ihrer rastlosen Tbätigkeil hier und si« fürchtete sich zu sehr vor der Berührung mit den Menschen. Ueberall in der Welt traf man ja Bekannte und gerade meist solche, di» man lieber nicht gesehen hätte, überall wurde man an da» erinnert, was man vergessen wollte und mußte. Aber der Arzt nahm seine Zuflucht zu ibrer Mutterliebe. Er stellte ihr ibren Zustand ernster dar, al- er ihn in Wirklichkrit beurtheilte, und erklärte eS für ihre Pflicht, sich ibrem vaterlosen Kinde zu erhalten. Diesem Argument fügte sich Thea. Ihr immer noch zurückgebliebenes Schwächegefühl, da« ihre thätiae Natur schmerzlicher empfand als jeder ander», ließ sie drn Wort«» deS Arzte« um so eher Glauben schenken. U»ber dem allen war der Herbst herangekommen, ein milder, sonniger Herbst, wie er mit gleich wehmüthigem Zauber vielleicht nirgend« mehr waltet, als über dem norddeutschen Flachland. Tbea saß an diesen stillen, blauen Tagen unter den alten Ulmen an der Gartenseite de« GuiSbause« und sah den ersten nirderschwebenden, welken Blättern und den vorüberfliegenden weißen Tommerfäden zu. Zu ihren Füßen spielte die kleine Lydia. Tbea batte rin Buch oder eine Handarbeit im Schoß, aber sie war viel
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