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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980712014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898071201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898071201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-12
- Monat1898-07
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Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 g- spaltrn) KO^j, vor den Familtennachrichteu (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und' Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbefördrrung 70.—. Annahmeschluß fLr Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morgr «»Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zn richte«. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 92. Jahrgang. Eine Selbftentlarvung des Centrums. L2 Wie erwähnt, ist eine in der neuesten Publication v. Poschinger's enthaltene abfällige Beurtheilung des bayerischen Gesandten in Berlin Grafen Lerchenfeld zurückgezogen und durch eine andere, günstigere und zu treffendere Kritik ersetzt worden. Damit war die Sache abgethan, auch in den Augen deS Grafen Lerchenfeld und der bayerischen Regierung. Nun aber wird sie von der „Germania" wieder in einer Weise aufgegriffeu, die zu charakteristisch für die Methode und die Gesinnung deS Ultra- montaniSmuS ist, als daß sie mit Stillschweigen übergangen werden könnte. Das führende CentrumSblatt schreibt u. A.: Die liberale Presse bläst iu das gleiche Horn wie Poschiuger uud sein Hintermann, sie behandelt Bayern und bayerische Verhältnisse, sogar wenn es sich um viel höhere Personen handelt, als um einen Gesandten, gerade so niederträchtig, daß man sich nicht wundern darf, wenn sie kein Wort des Tadels für solches Beginnen hat. Die Centrumspresse aber beeilte sich mit ihrer Stellungnahme nicht, denn sie ist solche Liebenswürdigkeiten von preußischer Seite gewöhnt und sieht darin nur wieder ein Zeichen jener Haltung, die den sogenannten Reichsverdruß in Bayern geschaffen hat und der leider nicht im Schwinden, sondern im Zunehmen ist. Die „Augsburger Postztg." hat sich heute deS angegriffenen Grafen Lerchenfeld angenommen, das Morgen blatt in Regensburg läßt dagegen diesen Herrn links liegen, da cs in ihm einen eifrigen Verehrer Bismarck's sieht. Auch uns ist Graf Lerchenfeld's Person als solche nicht die Hauptsache in dieser Frage, ober wir ersehen in dem Poschinger'schen Machwerk wieder einmal die Mache jener Clique, die sich hinter einem leicht zu desavouireuden Menschen systematisch das Ver» gnügen macht, die Bedeutung der Bundesstaaten zu Gunsten Preußens zu verkleinern mit allen denkbaren Mitteln. Daß Poschinger das nicht auf eigene Faust thut, ist Nar. Hinter ihm, wie hinter dem bekannten Theil der Presse, der sich besonders Bayern gegenüber manchmal ganz unqualificirbar benimmt, stehen ganz andere Leute. Die Sache bekommt aber denn doch ein ganz anderes Gesicht, wenn man bedenkt, daß nicht nur der bayrische Gesandte, sondern auch jener Bundesrath«, aus schuß verhöhnt wird, iu dem Graf Lerchenfeld den Vorsitz führt. Da fragt nun ein Blatt, ob es wirklich ungestraft bleiben soll, daß ein untergeordneter preußischer Beamter (l) solche An griffe in die Welt setzen darf. Ja, wir sind allerdings auch der Meinung, daß die bayrische Regierung ihrer eigenen Würde halber diesem Treiben ein Ende setzen sollte, indem sie einmal hübsch Fractur spricht. Eigentlich würde sie damit Preußen selbst einen Gefallen erweisen; denn sobald einmal die lächerlichen Angriffe in der Presse fallen, so wird auch die Reichsverdrossenheit etwas zurückgehen. Bedauerlicherweise wird sich aber die bayerische Re gierung diesmal gerade so wenig aufraffen, diesen — Kühnheiten ein Ziel zu setzen, wie bisher. Dort läßt man Alles über sich er gehen, weil eS eben von Berlin kommt. Wer da Hoffnungen hat, der wartet vergeben». Wir wissen nur einen Weg, um einmal dieses Treiben officiell zu brandmarken. Der bayerische Land tag muß in seiner nächsten Tagung schonungslos diese Dinge besprechen und das Kind beim rechte» Namen nennen. Ob e» dann Poschinger oder Bismarck oder anders heißt, ist ganz gleich- giltigl Wo treiben wir denn hin, wenn ein preußischer Beamter oder eine Helfershelfer e» wagen dürfen, Len Vertreter eines Bundes staates und damit diesen selbst iu solcher Weise zu prostituiren?" Diese Zeilen enthalten kein wahres Wort und bekunden ein Raffinement der Lügenhaftigkeit, wie eS selbst vr. Sigl in langjähriger Uebung nicht erlangt hat. Herr v. Poschinger ist kein preußischer, sondern Reichsbeamter, ist auch nicht Preuße, sondern ein altbayerischer Landsmann des Grafen Lerchenfcld. DaS ist der „Germania" ebensowenig unbekannt, wie sie nicht im Stande wäre, ihre Behauptungen, daß „Preußen", daß eine „Clique", daß ein Theil der Presse die Bedeutung der Bundes staaten herabgesetzt, daß norddeutsche Zeitungen sich gegen Bayern unqualificirbar benehmen, daß hinter Poschinger's Schriften irgend ein Anderer als ihr Autor stehe, u. s. w., auch nur mit einer einzigen Thatsache zu belegen. Von Allem ist da» Gegenthell der Fall. Bayern genießt außer seinen gesetzlich gewährleisteten Neservatrechlen noch ein tat sächliches: eS wird von Berlin auS und von der preußischen Presse mit einer ausgesuchten Rücksichtnahme behandelt, wie dies z. B. die Erörterung der Frage des Militairgerichts- hofeS wieder gezeigt hat. Wenn, waS selten genug geschieht, norddeutsche Blätter die Schändlichkeiten der Münchener Preußenhetzpresse einmal beleuchten, so geschieht dies ohne Ausnahme in einer Weise, bei der Bayern, seine Regierung und seine Bevölkerung gänzlich auS dem Spiele bleiben. Die „Kühnheiten", von denen die „Germania" spricht, sind ihr Eigenthum und der eben erwähnten Presse, mit der sich die „Germania", sie noch an Bosheit und Verleumdungssucht übertreffend, zusammengefunden hat. Zn diesem Umstande liegt die Bedeutung ihrer Auslassungen. Sie zeigen jene Reichs feindschaft und jenen Preußenhaß auch deS preußischen Centrums, der Herrn FuSangel einmal sagen ließen, ein Rheinländer, der preußisch gesinnt sei, verrathe damit nur Charakterlosigkeit, und die Herrn I)r. Lieber das Wort vom Mußpreußen in den Mund legten. Daß daS ultramontane Blatt, indem eS glühenden Reichs haß athmet und schürt, sich den Anschein giebt, die „Reichsverdrofsenheit" nicht gern zu sehen, ist ein plumper Kniff, der nicht darüber täuschen kann, daß man es hier mit einem HerzenSerguß zu thun hat. Die Partei aber, die also ihre Gesinnung gegen daS Reich und gegen Preußen verrathen hat, nennt sich nicht nur die regierende, sondern ist es auch in weitem Maße. Man wird nun sehen, ob die Jesuitenschlauheit, die in die Gehässigkeiten gegen das Land und die Regierung deS Kaisers Angriffe gegen den Fürsten Bismarck wie eine captatio beuevowntirro verwoben hat, ihre Rechnung findet, oder ob die Selbst entlarvung des Centrums an den maßgebenden Stellen Ein druck hervorbringt. Deutsches Reich. Berlin, II. Juli. Von einer Seite, der man Be ziehungen zu dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten nach sagt, wird es als zweifelhaft hingestellt, ob die Absicht der preu ßischen Regierung, in der nächsten Session des Landtages das Projekt des sogenannten Mittellandkanals in Vorlage zu bringen, zur Ausführung gelangen werde. Dieser Zweisel steht im Widerspruch mit allen bisherigen Verlautbarungen über diese hochwichtige Angelegenheit. Denn es hat der „Reichs und Staatsanzeiger" am 3. Januar nachdrücklich die Befürchtung zurückgewiesen, daß die Staatsregierung „vor den Schwierig keiten, welche der Ausführung des großen Canalunternehmens zwischen Rhein und Elbe sich entgegengestellt hätten, zu capitu- liren beginne", und festgestellt, daß die Pläne und Kostenan schläge sowohl für den Hauptcanal wie auch für die Nebencanäle bereits fertiggestellt seien. Es wurde weiterhin betont, die Staatsregierung halte nach wie vor an dem Standpunkt fest, daß, nachdem ein wesentlicher Theil des großen Canals auf der Strecke Dortmund—Emden fertiggestellt und dem Verkehr über geben sei, es dabei sein Bewenden nicht haben könne und daß der von der Gesetzgebung angenommene Gesammtplan auf die eine oder andere Weise zur Ausführung gelangen solle. Die Kundgebung schloß mit der Versicherung, daß die Staatsregie rung an der Absicht festhalle, das gesammte Canalproject in der nächstfolgenden Landtagssitzung, also 1899, vorzulegen, voraus gesetzt, daß bis dahin die Verhandlungen mit den Provinzen zu einem annehmbaren Ergebniß führen würden. Diese Voraus setzung ist inzwischen in der Hauptsache erfüllt und wenn darauf hingewiesen wird, daß auch Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen bei dem Unternehmen in Betracht kommen, sso ist bisher von keinerlei Schwierigkeit die Rede gewesen, die von diesen Bundesstaaten dem Unternehmen in den Weg gelegt würden. Völlig hinfällig erscheint uns der gegen die baldige Erledigung der Canalvorlage ins Feld geführte Grund, der aus der geplan ten Veränderung der Reffortverhältnisse im preußischen Staats ministerium geschöpft wird. Diese Veränderung soll es, falls die Abtrennung des Canalwescns von dem Ministerium der öffent lichen Arbeiten zum I. April n. Js. eintrete, angeblich ver hindern, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten „noch eine so wichtige und schwierige Vorlage wie die Canal-Vorlage gegen über dem Landtag vertrete". Wir können uns dieser Deduktion nicht anschlicßen, halten vielmehr ihr Gegentheil für richtig. Die sämmtlichen Vorarbeiten für die Canalvorlage sind bekannt lich seit Jahren im Ministerium der öffentlichen Arbeiten ausge führt worden; warum soll dort die Angelegenheit nicht auch zu Ende gebracht werden? Wenn es sein müßte, so würden wir selbst eine Verschiebung der geplanten organisatorischen Maß nahmen einer weiteren Verzögerung der Canalvorlage vorziehen. Es käme Niemand dabei zu Schaden und andererseits würde ein Unternehmen endlich in die Wege geleitet, von dem sich weite Kreise des Vaterlandes die größten wirthschaftlichen Vortheile versprechen dürfen. Wir erinnern uns, daß der Cultusminister vr. Bosse wiederholt mit Bezug auf die Frage der Abtrennung der Medicinalverwaltung von seinem Reffort betont hat, auf alle Fälle müsse vorher die Medicinalreform erledigt werden, deren Vorarbeiten in seinem Ministerium ausgeführt seien. Selbst verständlich würden wir es am liebsten sehen, wenn gleich die I ganze Canalvorlage zur Erledigung käme; läßt sich das aus Feuilleton» Bizarrerien der Mode. Plauderei von C. Eysell. Nachdruck verboten. Wer daran gewöhnt ist, die Mode kritisch in ihren wechseln den Erscheinungsformen zu beobachten, erkennt auch die be stimmten Gesetze, nach denen sie sich entwickelt. Da ist nichts Willkürliches, nichts Sprunghaftes. Eines geht aus dem anderen hervor mit innerer Nothwendigkeit, wie eine Pflanze aus der Wurzel hochschießt, ihren Stamm, die Triebe, Blumen und Blätter bildet. Es ist deshalb auch ein aussichtsloses Unter nehmen, gegen eine Modeströmung, und mag sie noch so unschön sein, Stellung nehmen zu wollen: die Modewelle schwillt an und hebt sich bis zu einem bestimmten Gipfelpunkt, um dann zu sinken und einer anderen Platz zu machen. Die unbefangene Beobachterin erkennt den leitenden Mode gedanken jedoch meist erst dann, wenn er sich vollständig ausge sprochen zeigt, wenn die Höhe erreicht ist. Und nun sucht sie sich ihn zu eigen zu machen. Sie studirt ihn, um ihn für ihre Person zu nützen, sie beobachtet Formen und Farben, die Art, wie dieses oder jenes Toilettestück getragen wird, die Garnituren sind ihr von größter Wichtigkeit. Aus Allem zusammen zieht sie den Extrakt, und ist nun sicher, durchaus „nach der neuesten Mode" gekleidet zu sein. Es gehört aber ein eigenes feines Modcempfinden dazu, um bei diesem Streben nicht in Ueber- treibungen zu verfallen — es liegt so nah, das was Mod« ist, noch übertrumpfen zu wollen, oder es unabsichtlich zu thun. Die Gefahr, das rechte Maß zu verlieren, wird ja nun durch dir Industrie aufs Beste vorbereitet. Die Stofffabrikanten und ihre Modezeichner bringen, um die Concurrenz zu überbieten, oft das schier Unglaubliche auf den Markt und ihnen schließen sich die Fabrikanten von Hüten, von Sonnenschirmen, von allerlei Garniturmaterial an. Es ist ein Jrrthum, anzunehmen, daß die Mode in den „Ateliers" oder auch durch einzelne tonangebende Modedamen gemacht werde, thatsächlich sind e» die Fabrikanten, die dies thun, sie geben mit dem Material, da» sie in den Handel bringen, die Basis, ihre Zeichner bauen darauf die Art der Verwendung, die „Mode" auf, wobei der leitende Gedanke na türlich der ist: möglichst großer Verbrauch an Material. Daher die weiten Röcke mit ihrer Tendenz, breit nach unten auszuladen, wobei jede Stoffbahn nur in ihrem unteren Theile benutzt wird, die oberen Abschrägungen aber unbenutzt verfallen; daher >ir mit KreppplissS» und Spitzen bedeckten Keinen Kragen, die Hüte, die mit ihrem überreichen Blumen- und Bandschmuck die Trägerin förmlich zu Boden zu drücken scheinen; daher die Ver schwendung mit den allrrzartesten Stoffen, Mousselinchiffon, Tüll, entzückenden Seidengazen, die alle so vergänglich wie möglich sind und baldige Erneuerung verlangen. Daß dieses Uebermaß schön sei, auch nur daß eS reich oder vornehm wirke, wird Niemand behaupten wollen. Die Garnitur einer Toilette hat doch den' Zweck, die Linien der Gestalt, die Farben von Teint und Haar, den Stoff des Kleides hervorzu heben — diese Linien der modernen Garnituren jedoch, die die Figur schräg, quer, gekreuzt theilen, diese Willkürlichkeit, mit der verschiedene Stoffe, Krepp, Spitzen, Sammt, Seide, Passemen- terien nebeneinander und übereinander angebracht werden, diese crasse Brutalität in der gemeinschaftlichen Verwendung der heterogensten Farben — ist das schön? Ganz gewiß nicht. Man hat immer das Gefühl, daß auch die begeistertste Modedame sich erst einen Ruck geben, ihren Willen dahinter setzen müsse, um all' dieses Uebertriebene annehmbar zu finden. Man sehe sich solche hypermoderne Toilette einmal an! Gegen die großen Linien ist, wenn wir von dem etwas unmotivirten Ausladen der Röcke nach unten hin absehen, nicht allzuviel ein zuwenden — die Mode der Crinolinen und der Ballonärmel haben uns an Schlimmes gewöhnt! Aber schon die Art, wie die Garnituren angewendet sind, wie diese zahllosen, sehr krausen Volants sich schräg um den Rock herum winden, wie einer den anderen deckt, wie ihre Stoffmenge unten den Körper belastet, um ihn herum schlägt und ein freies Ausschreiten verhindert! Die Zusammensetzung eines fachen Volants ist ein Kunstwerk. Da werden in einem Stoffquadrat zwei Kreise consiruirt, einer, der es ganz füllt, und ein kleinerer innerer. Nachdem sie aus geschnitten, schneidet man sie an einer Seite auf und zieht sie an der inneren Seite etwas straff, wodurch sie nach unten in tiefen Tüten ausfallen. Es werden dann soviel solcher Volants an einander gereiht, bis sie, oben glatt aufgesetzt, den ganzen Rock umgeben. Nun sehe man sich aber vor Allem die modernen Farbenzusammenstellungcn an! Mir begegnete eine Dame, ganz in „süßlila" (jenen weich lichen, stark mit Rosa versetzten Fliederfarben) Foulard gekleidet, der mit einem riesengroßen, Weißen Tapetenmuster überdruckt war. DaS Kleid garnirt mit sehr vielen gelblichen Spitzen volants, durch schmale Rüschen auS schwarzem Mousselinchiffon unten abgeschlossen. Dazu ein grün und lila changirender Sonnenschirm und ein großer Hut aus lila Bast, ganz überdeckt mit großen rothen Rosen, mit reichlich grünem Laub untermischt. WaS aber das Fürchterlichste war, war hinten eine Untergarnitur aus leuchtend türkisblauem Spiegelsammt, und gleicher Sammt war für Halsbündchen und Gürtel verwendet! Die beschriebene Dame war durchaus don xenre, sie wurde auch keineswegs als etwas ExceptionelleS angesehen, kaum Einer wendete den Kopf noch ihr um, denn man ist in der großen Stadt dergleichen gewöhnt. Türkisblau, diese allersubtilste Farbe, die für abendliche GesellschaftStoilette zu einem feinen, frischen Teint ganz entzückend sein kann, die aber mit größerer Vorsicht als irgend eine andere angewendet werden muß, — sie behandelt man als „neutral", d. h. so, als passe sie zu jeder anderen. Thatsächlich paßt sie in ihrer ausgesprochenen Farbig keit nur zu neutralen Tönen, zu Weiß, Schwarz, Grau und Graugelb, widersetzt sich aber der Zusammenstellung mit jeder anderen Farbe. Trotzdem begegnet sie un» jetzt in der Verbin dung mit Grün, Roth, Blau, Gelb und, wie schon beschrieben, mit Lila. Fast dirselb« Sach« wir mit dem Türkisblau ist'S mit Biolet. Auch dies ist eine difficile Farbe, die besser zu zartem als zu lebhaftem Teint steht, überhaupt mit Tact behandelt werden muß. Eine kleine Toque, ganz aus Veilchen und einzelnen grünen Blättern zusammengesetzt und von violetten Vandschleifen über ragt, auf einem ätherischen blonden Köpfchen getragen, von dünnem Jllusionstiillschleier nur wie mit einem violetten Schimmer überhaucht, kann sehr reizend sein, vorausgesetzt, daß auch die Toilette dazu „neutral" gehalten ist. Aber wir sehen leider diesen entzückenden Veilchenhut, der nun einmal das Schooßkind der Saison ist, auch über derben, lebhaft gefärbten Gesichtern, wie sehen ihn zu Kleidern jeder Farbe, zu bunt carrirten, zu rothen, zu hellblauen! Hätte uns die Mode in den letzten Jahren nicht schon durch ihre große Farben freudigkeit um ein gut Theil abgehärtet, so würden wir diese Zusammenstellungen nicht mehr ohne eine ästhetische Gänsehaut betrachten können. Maßlos ist die jetzige Mode in jeder Beziehung. Diese kleinen Kragen, die oben nur die Schulter bedecken, die sich als nichts denn übereinandergeschichtete Spitzen und Krepprüschen prä- sentiren, die fast den Eindruck machen, als habe ein Kasten voller Rüschen seinen Inhalt zufällig über die winzige Grundform entleert; diese Nackenriischen, die trotz der sommerlichen Wärme so hoch hinaufsteigen, als habe man sich zu schämen, einen Hals und Ohren zu besitzen; diese Sonnenschirme, so sehr bepackt mit in der Farbe abstechenden Volants, mit KreppplissSs, Rüschen, Schleifen, daß sie aufgespannt ungraziös wirken, zusammengelegt zu einer formlosen Masse werden — Alles ist maßlos. Und diese Hüte! Niemals zuvor stiegen ihre seitlichen Gar nituren zu einer so enormen Höhe an, niemals sah man Reiher-, Spielhahnfedern, die Schwänze von Paradiesvögeln mit so kühnem Schwung, in so ungemessener Länge auf dem Haupte einer Dame nicken. Die Blumenfülle erinnert an die hängenden Gärten der Semiramis, die Tüllwolken, die sich um die Krempen Winken, erwecken Vorstellungen von den Gewändern leicht ge schürzter Ballerinen; dagegen sind Schnallen, Agraffen, Schmuck nadeln von einer Größe und Schwere, daß sie für jeden anderen Untergrund geeigneter erscheinen als für diesen. Hat die Mode einmal eine originelle Form hervorgebracht, wie die hohen schmalen Köpfe, so übertreibt sie sie dermaßen, daß daraus ganz eng« und ganz hohe Röhren werden, die aus der Basis wie ein Schornstein aus einem Dache aufsteigen. Dasselbe gilt von der Art, wie die Hüte getragen werden. An sich nicht allzu auf fallende flach« Formen sollen mit einem Male nicht mehr hori zontal auf dem Kopfe sitzen, sondern müssen in einem Winkel von 40 Grad sich über der Stirn erheben. Um dies zu erreichen, müssen sie hinten gestützt werden und so führt man denn über dem Haar wahre Wälle von Schleifen, Blumen, Rosetten, Tüll- puffen auf. Das Haar selbst, das früher hinten nicht straff genug emporgekämmt sein konnte, eine Anordnung, die sich aller dings nicht für jeden Kopf als kleidsam erwies, wird jetzt in einen Schopf bi» weit über den hohen Stehkragen hinab ge zogen, was weder schön, noch ordentlich und sauber aussieht. Eine halbe Handbreite unterhalb des Hutes faßt dann ein großer Schildpattkamm daS Haar zusammen. irgend welchen Gründen aber nicht ausfiihren, so sollte man zum Mindesten die Theilstrecke Dortmund-Rhein sicherstellen. Wir hoffen auch, daß das geschieht. * Berlin, II. Juli. Die Mittheilung über die in England nach wie vor zu Recht bestehende Anwendung der Prügel strafe, die verschiedentlich zu einer Nutzanwendung bezüglich der Ahndung von Roheitsverbrechen in unserm deutschen Heimathlande Veranlassung gab, ist dem Thersites unter den in deutscher Sprache erscheinenden Blättern, dem socialdemokrati schen „Vorwärts", aus unschwer erkennbaren Gründen sehr pein lich. Das genannte Organ ist indessen, wie man weiß, der Wahrheit gegenüber in der glücklichen Lage des Mannes, der da einen Schlüssel für alle Schränke besitzt, und weiß sich daher auch in diesem schwierigen Fall durch einen glücklichen Einfall aus dec Klemme zu ziehen. Er versichert seinen Lesern, in England gelte die Prügelstrafe, die an und für sich höchst unsittlich sei, als ein „unerläßliches, nothwendiges und darum allgemeines Er ziehungsmittel, dem gar nichts Entehrendes anklebe", und es werde in seiner Anwendung ein Unterschied zwischen hoch und niedrig nicht gemacht: „Der Sohn des vornebmsten Lords wird in der Schule geprügelt — oder richtiger gepeitscht (Hobeck) und muß sich an den Pfahl stellen, wo die Execution vorgenommen wird. Auch die Söhne des Monarchen werden geprügelt." Eine Kritik dieser albernen Behauptungen erübrigt sich natürlich. Doch das Blatt zieht aus denselben seinerseits gleichfalls eine Nutzanwendung, und zwar in folgender Weise: „Wenn unsre Bismarcke (!), unsre Puttkamer, unsre Mirbach, unsre Hammer stein in der Schule recht oft „an den Pfahl" gestellt worden wären, wie das im „freien" England geschehen wäre — wer weiß: der deutsche Adel hätte vielleicht einen besseren Ruf —" Diese knotenhaste Expectoration des „Vorwärts" liefert den besten Beweis dafür, daß die Nichtanwendung der Prügelstrafe für gewisse Roheitsvergehen im Deutschen Reiche als ein höchst bedauerlicher Mangel angesehen werden muß. (-) Berlin, 1l. Juli. (Telegramm.) Der Kaiser arbeitete gestern an Bord und begab sich Nachmittags von Gudwangen nach Stalheim, wo daS Abendessen ein genommen wurde, und von da wieder zurück an Bord. Heute wird die Reise nach Molde fortgesetzt. T Berlin, 11. Juli. (Telegramm.) Der Gemeinde Brotterode, die in Folge des großen Brandes eine hohe Schuldenlast zu tragen bat, ist vom Kaiser als Beitrag zu den Zinsen ein ZahreSzuschuß von 15 000 ^ bis zum Jahre 1900 bewilligt worden. 6. H. Berlin, 1l. Juli. (Privattelegramm.) Der frühere Chefredacteur der „Kreuzzeitung", Freiherr von Hammcrftcin, wird dem Vernehmen nach am 22. Juli nach Verbüßung von drei Vierteln seioer Strafe aus dem Zucht haus entlassen. ö. Berlin, 11. Juli. (Privattelegramm.) Der Centralverband der Bäcker-Innung „Germania" bat in seiner letzten Vorstandssitzung der „Nat.-Ztg." zufolge beschlossen, sofort den Hamburger Bäckermeistern eine Streik-Unterstützung in Höhe von 2000 zu gewähren. Mit Befriedigung wurde davon Kenntniß genommen, daß der Gesellenstreik bereits nahezu beendet ist, dagegen fanden sehr eingehende Erörterungen statt, wie dem Boycott energisch Auch die Schmuckstücke sind entartet. Die Uhr sichtbar ge tragen, in ein Gehäuse von Altsilber, vergoldetem Silber, Emaillemalerei gefaßt, ist allerliebst und berechtigt, ebenso ist ein kleines Flacon oder Notiztäfelchen in gleicher Arbeit wunder hübsch. Dagegen sind Flacons von ca. 15 Ccntimeter Größe, wie sie jetzt beliebt sind, entweder gerade oder in Vkr Form eines Büffelhorns einfach abscheulich; übertrieben und unpraktisch die Chatelaines, an welchen ungezählte überflüssige Gegenstände an langen Ketten herniederhängcn, bei jedem Schritt hin und her schlenkern und ein Geräusch verursachen, das liebliche Gedanken an Alpenmatten und weidende Heerden wachruft. Sogar bis auf die Badetoilette erstrecken sich die Bizarrerien der Mode. Riesige im japanischen Geschmack stilisirte Blumen, Kapuzinerkresse, Chrysantemum bedecken den Rubberstoff der Mäntel und wiederholen sich sogar auf den Badepantoffeln. Andere Mäntel, gleichfalls aus Rubberstoffen, sind ungefähr fußgroß durchcarrirt — es giebt auch solche in weiß mit blau carrirt, und sie wirken genau so, als sei ein Maskencostüm „Delfter Fliesen" beabsichtigt gewesen. Die friedliche Modeberichterstatterin hat sich in ihrer ästhe tischen Entrüstung, die bekanntlich meist die sittliche überwiegt, zu einer ungewohnten Kapuzinerpredigt aufgeschwungen; sie mag sie nicht schließen, ohne der „Gegenpartei", d. h. dem starken Geschlecht, auch eins zu versehen. Allerdings muß sie sich dabei zumeist auf Schaufensterstudien beschränken. Da erscheint ein ganzes Schaufenster in leuchtenden Terracottfarben, ein anderes im zarten Lindenblüthengrün, in das einzelne schwarze Streifen kräftige Accente bringen — leichte Tricotgewänder, die allerdings nur während ihrer Schaufensterzeit berufen sind, des Menschen Auge zu erfreuen. Da der Prinz von Wales sie „creirt" hat und mit seinem Namen deckt, würde es ein Frevel sein, überhaupt noch zu grübeln, ob schön, ob nicht schön? Praktischer Haus frauensinn kann sich jedoch der bangen Frage nicht erwehren- waschecht oder nicht? Diese spielt auch in die Bewunderung der Chemisetthemden mit ihrer Farbenpracht, ihren zum Theil sen timental in fliederfarben, beige, graugrün, zum Theil leiden schaftlich in roth, orange, gelb abgestimmten Caros, sie wirft ihrem Schatten über die bildsauberen seidenen, in allen Farben des Spcctrums carrirten Nastüchlein mit dem prächtigen blauen oder rothen Rande. Kecker Farbenzauber wohnt auch den heurigen Strohhüten inne, die eine Mischung sämmtlicher Farben, meist jedoch stark mit grün verseht bieten, und deren Kopf ein breites grüne» oder ziegelrothes Sammtband umgiebt. Denke man sich nun darunter ein großstadtbleiches Gesicht, die Augen vom Kneifer bedeckt, den Bart mittels der „Bartbinde" kühn nach oben gewöhnt, ja wohl gar durch eine „Anleihe" ver größert, denke man sich darunter den überaus hohen doppelten Umlegekragen, vorn mit dem tiefen Ausschnitt, der da» ganze anmüthige Spiel deS Kehlkopfes sicktbar werden läßt, und man wird zugeben — (oder bezweifeln?) — müssen, daß auch der Mann in seiner Erscheinung-form al» Modemensch eine« ge wissen Reizes nicht ermangelt. Wir constatiren es mit banger Sorge — was bleibt uns, wenn der Mann beginnt, unS auf unserem eigensten Feld« zu schlagen?
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