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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980714018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898071401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898071401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-14
- Monat1898-07
- Jahr1898
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Bezugs-Prei? der Hauptexpedition oder den im Stadt- bezirk und den Vororten errichteten Äus- vabcstellen ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ./s 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Directe tägliche Kxeuzbandsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. Re-action und Expedition: IohltnncSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöfsnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktto Klcmm'S Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KönigSplatz 7. Morgen-Ausgabe. WMer JagMM Anzeiger. Amtsvtatt des königlichen Land- «nd Ättüsgerichtes Leipzig, -es Ralhes nn- Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. 351. Donnerstag den 14. Juli 1898. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demRedactionSstrich (4ge» spalten) bO^H, vor den Familiennachrtchlea (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unjerein Preis» veTzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. vrtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännalimeschluß für Änzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Die Ergebnisse der Neichstagswahlen im Königreich Sachsen. * Tas „Dresdner Journal" hat, wie wir bereits mit- tbeilten, nunmehr auf Grund der amtlichen Ermittelungen eine statistische Uebersicht über die Ergebnisse der letzten NeichStagSwahlen veröffentlicht. Diese Wahlen bieten in ganz besonderem Maße viel des Interessanten und Lehr reichen, namentlich über das Verhältniß der bürgerlichen Parteien zu einander. Zunächst lassen wir hier die Stimmen zahlen folgen, wie solche auf die Candidaten der verschiedenen Parteien bei den Hauptwahlen am 16. Juni und bei den engeren Wahlen am 23. und 24. Juni entfielen. Die Er gebnisse sind nachstehende: Wahlkreis Wahl- berechtigte Gütige St absolut immen Proc. Conservat (bz. Reichs- Partei) National, liberale Deutsch- social« Reform partei Deutsch sreisinnige National, sociale Centrum Social demo kraten 1. Zittau 25 712 19 324 75,2 — 5 815 — 5 685 —- — 7 814 Engere Wahl - 2l 356 83,1 —— 10 412 —— — —— —- 10 944 2. Löbau 25118 16410 65,3 6 768 —— — 3 793 — 90 5 745 Engere Wahl - 19 330 76.2 9 677 —— — —- — 9 653 3. Bautzen-Kamenz.... 30035 16 058 53,5 71 —— 10 026 — — 1070 4806 4. Dresden-Neustadt . . . 49133 37 725 76,8 10 248 4196 5 014 —. 153 18 094 Engere Wahl - 40 387 82,2 18 658 — —— — — —— 21 729 5. Dresden-Altstadt. . . . 47 337 35 969 76,0 9 372 — 8 986 34 443 17113 Engere Wahl 38186 80,7 18 539 — — — — 19 647 6. Dippoldiswalde .... 50 718 40 774 80,4 9 659 — 8 626 — — 98 22 335 7. Meißen-Großenhain . . 29 925 23 341 78,0 6 426 -—- 6 522 — 10 332 Engere Wahl - 24 274 80,8 —— 12 707 — — 49 11567 8. Pirna 30442 21 789 71,6 — — 11118 652 — 10007 9. Freiberg 26 215 19 473 74,3 11883 — — — —- —— 7 523 10. Döbeln-Nossen .... 26 262 21 115 80,4 5 406 5 938 — — — 9 758 Engere Wahl 22 606 86,1 .— 11925 »»» »» — — —— 10681 11. Oschatz-Wurzen .... 24 853 18 334 73,8 10568 — — 1870 — — 5 861 12. Leipzig-Stadt 39 825 30 710 77,1 — 11876 6 061 196 809 — 11739 Engere Wahl 31 464 79,0 — 17 057 — — — — 14 407 13. Leipzig-Land 77 294 60 004 77,6 —— 16 596 2098 221 2050 —— 38 933 14. Borna-Pegau 25 613 17 417 68,0 9 332 — 1431 — — — 6 640 15. Mittweida-Frankenberg . 32 407 24 796 76,5 — 12 888 — — —— —— 11898 16. Chemnitz 54 323 39 651 74,8 — 14 734 — — —— —— 24 772 17. Glauchau-Meerane . . . 3l 824 22151 69,6 — 8 690 — — — — 13 437 18. Zwickau-Crimmitschau. . 42 116 30367 72,1 11986 — —— - ' M —— — 18362 19. Stollberg-Schneeberg . . 32 046 22 945 71,6 —— 9 209 — » - — 13730 20. Zschopau-Marienberg . . 26411 19 409 78,4 6 066 — 4 336 — — 8 999 Engere Wahl 20 424 76,6 10162 —— — — —— 10 262 21. Annaberg-Schwarzenberg. 26 593 18026 67,8 — 9 627 — — — —- 8 394 22. Reichenbach 33 780 24 750 73,3 — 11588 —— - — — 13154 23. Plauen 34 667 24 290 70,1 11 582 — — 2 962 —— — 9 744 Engere Wahl 28198 81,0 14 358 — — — — — 13 840 Hauptwahlen Summa 1898 822 649 604 828 73,5 109417 101 948 73 427 I54I3 2859 1903 299 190 desgl. 1893 741204 592 435 81,6 147 772 44 633 98 285 30 203 — 518 270 654 Mehr oder weniger 1898 78 445 12 393 8,1 38 355 57 315 24 858 14 790 2859 1385 28 536 mehr mehr wenig. weniger mehr we Niger Weniger mehr mehr mehr Das hervorstechendste Moment in dem Endergebniß liegt in dem bedauerlichen Rückgänge der Wahlbetheiligung, dann aber nicht minder in dem steten, in gewissem Sinne gefahrvollen Anwachsen der socialdemokratischen Stimmen. Was zunächst die Wahlbetheiligung anbetrifft, so betrug die Zahl der Wabl- lcrechtigten ab,regel'enen giltigen Stimmen in Procenten 1887 . . . 656 214 519 358 79,1 1890 . . . 701230 572 426 81,6 1893 . . . 744 204 592 435 79,6 1898 . . . 822 649 604 828 73,5 Die Wahlbetheiligung, die in Sachsen übrigens stärker ist als durchschnittlich im Reiche, batte also im Jahre 1890 mit 81,6 Proc. ihren Höhepunct erreicht (im Reiche dagegen 1887 mit 77,2 Proc.); seitdem ist sie gesunken und stand im Jahre 1898 um volle 8 Proc. tiefer. Sind nun auch, wie schon oben erwähnt, die sächsischen Ziffern gegenüber den Ziffern im Reiche noch gute, so werden doch bei künftigen Wahlen die bürgerlichen Parteien ihr Hauptaugenmerk darauf zu richten haben, ihre Angehörigen zu einer stärkeren Wahl- bcthciligung zu bewegen. Ganz besonders wird man dabei auf die Festigung und die Ausbreitung der Partei organisationen bedacht sein müssen, denn eine gute Organisation wird immer der Kern der Agitation und somit der Gewinnung von Stimmen sein. Ueber die Stärke der Parteien in demselben Zeit räume giebt die folgende Uebersicht Aufschluß. ES erhielten Stimmen: 1887 1890 1893 1898 Konservative , . . . 124 586 129 341 126 341 109 417 Reichspartei .... . . 53 931 31066 21045 — Nationalliberale . . . . 161348 112 514 44 633 101 948 Deutschsociale . . . — 4 788 98 285 73 427 Deutschfreisinnige . . . . 29 873 52 776 30203 15413 Centrum . . 28 202 518 1903 Nationalsociale . . —- —— — 2859 Bürgerliche Parteien überhaupt . . . . 370 088 331239 321 781 305 638 Socialdemokraten . . 149 270 241187 270654 299 190 Seit den Wahlen deS Jahres 1887, die von einem vater ländischen Geiste beherrscht wurden, haben die bürgerlichen Parteien einen Rückgang von 64 500 Stimmen erlitten, die Socialdemokratie dagegen einen Zuwachs von 150 000 Stimmen erfahren. Hiervon kommen allerdings 92 000 Stimmen auf den 3jährigen Zeitraum von 1887—1890 und nur 58 000 Stimmen auf den 8 jährigen Zeitraum von 1890—1898, aber dieses geringere Umsichgreifen der Social demokratie ändert doch an der Thatsache nichts, daß die Rührigkeit von 1887 unter den bürgerlichen Parteien einer geradezu gefahrbringenden Lauheit gewichen ist. Eine Bogel- Strauß-Politik wäre diesen Verhältnissen gegenüber das Aller ¬ verkehrteste, und ebenso falsch wäre eS, für die Zukunft darauf die Rechnung aufzubauen, daß vielleicht bei der nächsten Wahl der Wahlzwang eingeführt sein werde. So lebhaft seine Einführung von mancher Seite befürwortet wird, so schwere Bedenken stehen ihr entgegen. Es wird deshalb die eigene Aufgabe der bürgerlichen Parteien sein, ihre An bänger zur Erkenntniß der heiligen Pflicht zu bringen: am Wahltage die Stimme abzugeben. Dieses eine Opfer im Zeiträume von fünf Jahren muß die Erhaltung des Reiches wahrlich jedem Deutschen Werth sein! Wir gehen nunmehr zur Betrachtung des Wahlergebnisses von 1898 über. WaS in erster Linie dir nationalliberale Partei betrifft, so hat sie erfreulicher Weise einen Zuwachs von 57 315 Stimmen zu verzeichnen. Aber wie vor fünf Jahren der Berlust von 67 881 Stimmen, so entspringt auch jetzt der Gewinn in der Hauptsache aus vem zwischen der national liberalen und der conservativen Partei aufrecht erhaltenen Cartell. Dasselbe hat im Wahlkreise Leipzig-Stadt, wo die Conservativen mit den Nationalliberalen sich auf einen Candidaten vereinigten, sich wieder glänzend bewährt. Die conservative Partei (bez. in einem Falle auch die deutsch sociale) haben sodann bei der diesjährigen Wahl in drei Wahlkreisen keinen Candidaten ausgestellt, sondern dieselben den Nationalliberalen abgetreten. Diese drei Wahlkreise sind: 1886 Nationalliberal 15. Mittweida . . 12 888 16. Chemnitz... 14 734 22. Reichenbach . . 11588 IM! konservativ Deutschsocial 12 532 — 9 321 4955 11325 — Zusammen 39 210 33 178 4955 In diesen drei Wahlkreisen haben die Nationalliberalen gegenüber den im Jahre 1893 für Conservative und Deutsch sociale abgegebenen Stimmen ein PluS von mehr als 1000 Stimmen zu verzeichnen und es ist der Wahlkreis Mitt weida durch den erzielten Stimmenzuwachs einerseits, wie durch den Rückgang der socialdemokratischen Stimmen anderer seits niit einem Mehr von 990 Stimmen für die OrdnungS- parteien robert worden. Weiter haben die Nationalliberalen dadurch gewonnen, daß imLeipzigerLandkreisedieConservativen nicht (wie 1893) die deutschsociale, sondern die nationalliberale Candidatur unterstützten, sowie daß die Deutschsocialen und Deutschfrei sinnigen im Annaberger Wahlkreis von der Aufstellung aussichtsloser Candidaturen absahen und wenigstens theilweise ihre Stimmen zur Vermeidung einer Stichwahl dem national liberalen Candidaten zuführten. Zum ersten Male mit einer eigenen Candidatur traten die Nationalliberalen im Wahlkreise DreSden-Neustadt auf. Der Erfolg (4200 Stimmen) war ein günstiger. Wenn der seit 1893 in den Händen der Teutschsocialen befindliche Wahlkreis in der Stichwahl an die Socialdemvkraten ver loren ging, so lag daS zweifellos an anderen Ursachen, als an der Aufstellung der gedachten Sondercandidatur. Sodann sind die Nationalliberalen mit großer Energie im Wahlkreise Döbeln-Nossen in die Agitation getreten, und sie kamen mit 5938 Stimmen (4860 mehr als 1893) in die Stichwahl, während der conservative bez. der vom Bund der Landwirthe aufgestellte Mitbewerber mit 5406 Stimmen aussiel. Die Stichwahl endete mit einem glänzenden Siege der Nationalliberalen gegenüber den Socialdemokraten. Der Wahlkreis selbst war von 1871—1887 deutschfrcisinnig, 1887—1890 nationalliberal, sowie 1890—1898 conservativ vertreten. Er gehört also zu den „umstrittenen" und kann nicht als eiserner Besitzstand einer Partei angesehen werden. Eine kleine Einbuße (1840 Stimmen) erlitt die national liberale Partei im 1. Wahlkreise (Zittau); im 2. Wahl kreise (Löbau), wo sie 1893 1658 Stimmen erhalten hatte, sah sie von der Ausstellung einer Candidatur ab. Die conservative Partei hat — unter Einrechnung der Neichspartei, deren beide letzten Wahlkreise Freiberg und Zwickau von ihr besetzt wurden — einen Verlust von 38 355 Stimmen zu verzeichnen. Davon kommen 33 178 Stimmen auf die schon erwähnten drei Wahlkreise Mittweida, Chemnitz und Reichenbach, welche die Conservativen an die Nationalliberalen abgetreten haben. Weiter ist der 19. Wahl kreis (Stollberg-Schneeberg), indem die Conservativen 1893 9048 Stimmen erhielten, an die Deutschsvcialen abge treten worden. Dann haben die Conservativen im 3. Wahl kreise (Bautzen) überhaupt nicht an der Wahl theilgenommen, während sie 1893 dort 5685 Stimmen erzielten. Hierdurch sank die Wahlbetheiligung in diesem Wahlkreise allerdings von 71,4 Proc. auf 53,5 Proc., und es kann nickt als nack- ahmenswertb bezeichnet werden, daß die Angehörigen einer Partei der Wahl überhaupt fern bleiben. Endlich hat die Partei Verluste erlitten in Döbeln-Nossen (3886 Stimmen), sowie in Zschopau-Marienberg (4225 Stimmen) durch den Einbruch der deutsch-socialen Reformpartei. An Gewinnen hat die conservative Partei zu ver zeichnen: Dresden-Neustadt (-f- 1581 Stimmen), DreSden-Altstadt (-f- 3245 Stimmen) und Dippoldis walde (-f- 4795 Stimmen). Diese Gewinne in Höhe von 9600 Stimmen wurden den Teutschsocialen abgenommen. Ein Mehr von 3500 Stimmen wurde außerdem im Frei berger Wahlkreis dadurch erzielt, daß dort die Deutsch socialen von der Aufstellung einer besonderen Candidatur zu Gunsten der Conservativen absahen. Ein sehr großes Interesse bieten die Verhältnisse der deutschsocialen Reformpartei. Diese Partei schwoll von 1890 zu 1893 von 4788 auf 98 285 Stimmen an, ein plötzlicher Erfolg, wie er in der Geschichte der Parteien in normalen Zeiten nicht gar häufig verkommt. Und nun, 1898, wieder ein Rückschlag von 24 858 Stimmen. Woher daS? In der Hauptsache, weil sich die conservative Partei in den Dresdner Bezirken zum Kampf gegen die deutschsociale Reformpartei entschloß. Die Gründe, welche die erstere hierzu veranlaßten, dürften zu einem guten Theile von dem Gebote der Selbsterhaltung dictirt sein; zu einem äußeren Erfolge — Erringung von Mandaten — bat dieses Vorgehen nicht geführt, denn Dresden und Umgegend ist den Socialdemokraten, welche ein starkes Anschwellen von Stimmen zu verzeichnen hatten, zugefallen. Nachstehend geben wir eine Gegenüberstellung der 1893 und 1898 für die deutschsociale Reformpartei abgegebenen Stimmen: 1888 4 955 3 068 9209 4 336 6 061 2098 1434 (— 1016) (— 7048) 10026 5014 8 986 8 626 6 522 11118 1893 6318 10 572 11151 13 805 11780 7 692 7 805 4 921 7 077 9146 (— 546) (— 6137) (— 4819) (— 3154) (— 1170) (4- 3313) 9. 12. 13. 14. 16. 19. 20. 21. 2. Löbau . I ! 3. Bautzen-Kamenz . . . 4. Dresden-Neustadt . . 5. Dresden-Altstadt . . . 6. Dippoldiswalde . . . 7. Meißen-Großenhain. . 8. Pirna Freiberg Leipzig-Stadt .... Leipzig-Land . . . . Borna-Pegau .... Chemnitz Stollberg-Schneeberg . Zschopau-Marienberg . Annaberg-Schwarzenberg Durch die mit anderen Parteien getroffenen Verein barungen (Verzicht auf vier Wahlkreise) erlitten die Deutschsocialcn einen Verlust von 19 262 Stimmen, denen aber ein Gewinn durch Ueberlassung des 19. Wahlkreises, sowie Neuaufstellung von Candidaten im 14. und 20. Wahl kreise in Gesammthöhe von 14 976 Stimmen gegenübersteht. Darnach verbliebe nur ein Verlust von 4286 Stimmen. Im Kampfe mit den Cartcllparteien (vorzugsweise mit den Con servativen) verloren sie jedoch weiter 23 890 Stimmen, denen nur im 8. Kreise ein Zuwachs von 3315 Stimmen (Deutschsrei sinnige) gegenüberstebt. So verbleibt als Endergebniß ein Ver lust von nahezu 25 000 Stimmen. Das ist nach dem mächtigen Emporschnellen der Partei im Jahre 1893 gewiß sehr hart, wenn aber — wie es von Seiten der Socialdemokraten ge schieht — die deutschsociale Reformpartei in Sachsen nun gleich zu den „Todten" gezählt wird, so dürfte daS doch den thatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen. Mit viel mehr Recht kann man den Deutsch freisinn in Sachsen als abzethan betrachten. Nachdem ihm noch bei der vorigen Wahl durch die Gunst der Umstände zwei Fenilletsn» Zwischen zwei Feuern. Humoreske aus dem österreichischen Dorfleben. Von Theodor von SoSnoSky (Kremsmüster). Nachdruck verboten. In Rohrbach war Feuerwehrfest. Die dortige Feuerwehr beging das fünfundzwanzigjährige Jubiläum ihres Bestehens. Der Aufmarsch mit Musik, die Parade, das Amt in der Kirche, die üblichen Ansprachen und der Frühschoppen waren vorüber. Die Helden des Tages saßen im schattigen Garten des Gast hauses „Zum goldenen Lamm" und ließen sich Speise und Trank nach Herzenslust schmecken. Obwohl die alten Kastanienbäume über ihnen keinen Sonnen strahl durchlicßen, sahen sie fast Alle aus, als ob sie unmittelbar unter den glühenden Strahlen der Mittagssonne säßen, die draußen unbarmherzig vom wolkenlosen Himmel niedersengte. Aber die in der Augusthitze überstandenen Ceremonien und Evo lutionen, die ganze festliche Aufregung und nicht zum Wenigsten der reichliche Frühschoppen hatte sie heiß gemacht. Es war daher nicht zu verwundern, daß sie den Brand in ihrem Innern durch fleißiges Begießen mit kaltem Bier und Wein zu löschen trachteten. Nur Einer von der Tafelrunde, der Oberlehrer Hörmann, that dies nicht, trotzdem auch ihm sehr heiß war. Er hatte seinen guten Grund dazu, denn was ihn heiß machte, war die Tischrede, die er halten wollte und immer wieder im Stillen memorirte. Zu seiner großen Befriedigung hatte er sie sehr gut inne und brannte darauf, sie von Stapel lasten zu können. Als der Kalbsbraten unter Dach gebracht worden war, schien ihm endlich der richtige Zeitpunct da. Er erhob sich und schlug an sein Glas. In pathetischem Brusttöne begann er: „Meine hochverehrten Herren und Mitbürger! Wohlthätig ist des Feuers Macht, Wenn fit der Mensch bezähmt, bewacht; Doch furchtbar wird die Himmelskrast, Wenn fic der Fesseln fich entlasst, Einhertritt auf der eig nen Spur, Die freie Tochter der Natur. . . . . Wie unübertrefflich hat unser unsterblicher Schiller mit diesen wunderbaren Worten die furchtbare Mackl des entfesselten Elementes geschildert! Fürwahr, liebe Freunde, das Feuer ist eine furchtbare Macht!" Und nun beoann der Herr Oberlehrer, der als eifriger Wagnerianer auf die sorgsam ausgewählten Alliterationen seiner Worte ganz stolz war, auch seinerseits die Schrecken des Feuers zu schildern, und zwar mit Hilfe zahlreicher Reminiscenzen aus der „Glocke" und aus seiner Zeitungslectüre. Von der Macht des Elementes kam er auf die Ohnmacht des Widerstandes zu sprechen. Der einzelne Mensch vermöge nichts, nur der ver einten Kraft Bieler gelinge die Abwehr. Drum seien jene treff lichen Männer hoch zu preisen, die vor 25 Jahren ihren Heimathsort mit der segensreichen Einrichtung einer Feuerwehr beglückt hatten. Und nun stimmte er auf sie, die hier fast voll zählig versammelt waren, im Besonderen und auf die Feuerwehr im Allgemeinen einen schwungvollen Dithyrambus an: „Ja, meine Herren, für das Militair wirft man Millionen über Millionen hinaus, für uns hat man keinen Kreuzer. Ich aber frage Sie, meine Herren: wer ist mehr wrrth, das Militair oder wir? Der Soldat gehorcht nur dem Zwange, wir folgen der Menschenliebe; der Soldat dient um Sold, wir freiwillig; der Soldat kämpft gegen Menschen, wir gegen ein schädliches Element; der Soldat braucht nur zu bestimmten Zeiten oder Anlässen bereit zu sein, wir aber müssen zu jeder Stunde des Tages und der Nacht des Alarmrufes gewärtig sein, müssen am Tage unsere Arbeit verlassen und Nachts die traute Gattin an unserer Seite... Ja, meine Herren, nicht die Soldaten, nein, wir sind die wahren Helsen der Pflicht!" Nach diesen mit großer Emphase gesprochenen Worten machte der Redner eine Pause, um den Athem wiederzufinden, der ihm infolge seines Eifers abhanden gekommen war, und, forschte bei dieser Gelegenheit nach dem Eindruck seiner Worte. Er durfte zufrieden sein, denn auf den Gesichtern der An wesenden glänzte die höchste Befriedigung über das ihnen ge spendete Lob. Jeder von der Tafelrunde fühlte sich als „Held der Pflicht" und fand, daß der Oberlehrer ein vorzüglicher Redner und überhaupt ein höllisch gescheckter Mann sei; selbst die fanden das, die ihm sonst nicht hold waren und sich über ihn und sein „G'scheidtthun" lustig zu machen pflegten. Er wollte, vollauf befriedigt, in seiner Rede fortfahren, da wurde draußen lebhaftes Durcheinanderrufen laut und gleich darauf kam der Wirth hereingestürzt. „Es brennt!" rief er athemlos. „Es brennt!" Dieses Wort wirkte auf die Tafelrunde wie ein kalter Wasser strahl. Einige blieben erstarrt sitzen, die Anderen sprangen be stürzt auf. Feuer?! Gerade jetzt, wo sie so behaglich beisammen saßen, wo die Kellnerin und ein Kcllnerbursche eben das Haupt gericht auftrugen: zwei mächtige Schüsseln mit jungen Reb hühnern, deren appetitlicher Duft verheißend ihren Nasen schmeichelte! Und diesen Leckerbissen sollten sie im Stiche lassen, sollten in die glühende Mittagssonne hinaus, weiß Gott, wohin, und sich im Schweiße ihres Angesichtes abrackern, dem stickigen Rauchqualm und sengenden Flammen und stürzenden Balken aussetzen! Das war doch wirklich zu dumm! . . . Und es blieb ihnen zu ihrem Leidwesen nichts Anderes übrig, denn sie waren ja „Helden der Pflicht"! Ach, wie gerne hätten sie jetzt auf diesen schönen Titel verzichtet, wenn sie sich damit das Recht, hier zu bleiben und weiter zu essen, hätten erkaufen können! Wenn es doch wenigstens nicht allzu nahe brannte, so daß sie eine Ausrede hatten, nicht hinzufahrcn! Aber zu ihrem großen Kummer hieß es jetzt, daß es in Neudorf brenne, also kaum eine Stunde weit. Immerhin suchten sie sich im Stillen damit zu trösten, daß dies ein Jrrthum sein könne, zumal da Brände über ihre Entfernung arg zu täuschen pflegen. Es galt, sich mit eige nen Augen davon zu überzeugen. Alles strömte hinaus, unter den letzten der Bäckermeister Hinterleithner, der die Würde des Commandanten der Feuer wehr bekleidete. Mit einem schweren Seufzer hob er seinen um fangreichen Leib vom Sessel und verließ den Tisch mit einem schmerzlichen Abschicdsblick auf die duftenden, gebräunten Reb- hübner. Zweifellos erschien ihm die Trennung von ihnen viel bitterer, als ihm gegebenen Falles die von seiner „trauten" Gattin erschienen wäre, was der Oberlehrer in seiner Rede als das Schwerste bezeichnet hatte. Er nahm sich nicht, wie die Anderen, die Mühe, die Anhöhe zu erklimmen, die sich hinter dem Garten erhob, noch stieg er auf den Bodenraum des Gasthofes hinauf, sondern zog es vor, im Schatten der Kastanien zu bleiben und sich hierher rapportiren zu lassen. „Alsdann, wo brennt's?" rief er zu einem seiner „Mann schaft" hinauf, der, die Hand schirmartig vor die Augen gelegt, von der Anhöhe nach der Feuerstätte spähte. „In Neudorf," lautete die wenig tröstliche Antwort. „Js' 's aber a g'wiß aso? Täuschen S' Ihnen net?" „Na, ma' siachi's ganz deutli', — 's is das oanschichtige Häusl ober der Kirchen." „Himmelsacrement, könnt's denn net a anderstwo brennen!" brummte der Kommandant zornig vor sich hin. Jetzt blieb nichts Anderes übrig, als anspannen zu lassen. Schon rief man nach der Spritze, Allen voran der Schneidergeselle Suppan, der bei
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