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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980808015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898080801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898080801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-08
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Aazeigen-Preis die 6gespaltme Prtitzelle LO Pfg- Reklamen unter demRedacttonsstrich («ge» spalten) 50^, vor den Familiennachricht«» (6gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Preis- ve^eichoiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Druck und Verlag von E. Pol» tu Leipzig. 92. Jahrgang Annahmeschluß für Anzeigen: Abrnd-Ausgabr: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Gxpedttia» zu richte». Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbrfürderung 70.—. Sächsische Bürgen und Schlösser. Nachdruck verboten. V. (Schluß.) Ist schon die Umgebung von Dohna äußerst reich an land schaftlichen Schönheiten, so wird sie doch noch übertroffen von den romantischen Landschaftsbildern, die sich um Schloß Weesenstein her ausbreiten. „Herz, öffne dich nur weit, nur weit; Denn all dir grüne Herrlichkeit Muß Raum in dir jetzt finden!» — Wer die ganze Herrlichkeit des stimmungsvollen Müglitzthales ganz genießen will, darf dasselbe nicht auf dem feurigen Dampf roß durchbrausen, sondern muß, mit dem Wanderstabe in der Hand, die lieblichen Reize diese« Thales, über welches die Natur diese in verschwenderischer Pracht ausgegoflen hat, voll auf sich wirken lassen und nicht versäumen, der auf luftiger Höhe thronenden, an historischen Erinnerungen reichen Bergveste Weesenstein einen Besuch abzustatten. Sowohl vom Thale als auch von den umliegenden Höhen aus gewährt Schloß Weesen stein mit seinem kühn aufstrebenden schlanken Thurme einen malerischen Anblick. Mächtig steigen aus dem Thale die steilen Wände des Schloßfelsens empor, und gar kühn baut sich das Schloß, das noch ganz das Gepräge einer alten Ritterburg ver gangener Jahrhunderte bewahrt hat, auf dem aus tiefem Thal einschnitt schroff emporsteigenden Felsen auf, im Hintergründe überragt von waldigen Bergeshöhen, die im Frühjahre mit ihrem maigrünen, im Herbste aber in allen Farbenfchattirungen pran genden Blätterschmucke ein entzückendes Bild darbieten. Bon dem stillen Dörfchen Weesenstein führt ein bequemer schattiger Bergpfad nach dem Schlosse. Zunächst gelangt man in den Vorhof, der durch eine Brücke mit dem eigentlichen Schlosse ver bunden ist. Ein mit den Wappen der Herren von Bünau und Schleinitz geschmücktes Thor führt in den zweiten Schloßhof. Dieser Theil des Schlosses stammt aus dem 16. Jahrhunderte, über ihm thront der älteste Theil des Schlosses, der nahezu auf neun Jahrhunderte zurückblicken kann. Die ganz eigenartige Bauart des Schlosses erregt die Bewunderung des Besuchers, denn bis in seine obersten Stockwerke hat man den natürlichen Felsen als Mauerwerk mit benutzt. Acht Stockwerke sind auf diese Weise aufgebaut. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts ge hörte die Bergveste Weesenstein dem übermüthigen Jeschke, Burg grafen auf Dohna; nachdem dieser vom Markgraf Wilhelm den Einäugigen besiegt, schenkte dieser die trotzige Burg einem Herrn von Bünau; 1830 gelangte es in Besitz des sächsischen Fürsten hauses und war ein besonderer Lieblingssitz des Königs Anton und des Königs Johann. Nur ungern scheidet der frohe, rüstige Wandersmann von diesem herrlichen Stück Erde, um dem Erz gebirge zuzuwandern oder dem schönen Elbflorenz. Wer das letztere wählt, erblickt an dem an malerischen Reizen so reichen Elbufer das königliche Lustschloß Pillnitz. Die Urgeschichte dieses Schlosses umhüllt tiefes Dunkel. Erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts wird es etwas licht um die Geschichte desselben. Höchstwahrscheinlich gehörte es den Burg grafen von Dohna. Nach dem großen Brande von 1818 entdeckte man bei den Aufräumungsarbeiten Spuren von einem Wall graben, einem Burgverließ und einer Zugbrücke. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kauften eS die Kurfürsten von Sachsen den Herren von Bünau ab. Unter August dem Starken ward es in sehr kurzer Zeit in eine fürstliche Sommerrefidenz umge baut, die geeignet war, die zahlreichen Fürstlichkeiten, die hier Einkehr hielten, würdig aufzunehmen. Berechtigtes Erstaunen erregt der große Speisesaal oder Venustempel, der eine große Anzahl PortraitS schöner in- und ausländischer Frauen enthielt. Der große Brand am 1. Mai 1818 vernichtete diesen Prurttbau, nur das Wasser- und Bergpalais blieben verschont. Friedrich August der Gerechte ließ sogleich mit dem Wiederaufbau seines Lieblingsschlosses beginnen. Da» „Neue Schloß" ward im Bau stil dem Wasser- und dem Bergpalais angepaßt und mit einem Thurme geziert. Das Schloß ist von einem großen Schloßgarten umgeben, der des Interessanten gar vieles bietet; aber auch die Umgebung des Schlosses ist ein« Perle von Waldeinsamkeit, be sonders zeichnet sich hier der Friedrichsgrund aus. Auch noch unterhalb Dresdens finden sich alte Burgruinen, deren malerische Lage den Besuch derselben lohnt; zu diesem gehört die zwischen Dresden und Meißen liegende Burg Scharfenberg. „Die alten Thürme fallen nieder, Di« alten Steine werden Stand, Und immer wird das Neue wieder Noch eines neuern Neuen Raub." Burg Scharfenberg liegt am linken Elbufer zwei Stunden oberhalb Meißen auf einem von drei Seiten freistehenden Berge. In Folge dieser Lage hat man von der Ruine eine prächtige Um schau, sechs Städte und zwanzig Dörfer sind deutlich zu er kennen. Der gewöhnlichen Annahme zu Folge wird Kaiser Heinrich I. als Erbauer angesehen, unter Otto I. soll sie voll endet sein. In einer Urkunde vom Jahre 1289 wird die Burg Scarphenbach genannt, damals gehörte sie dem Markgrafen von Meißen. Von ihnen kam sie an die Ritter Vitzthum von Eck- städt, dieselben befestigten das Schloß noch mehr und trieben in der Umgegend ein Raubritterleben. Als sie es Friedrich dem Streitbaren zu bunt trieben, nahm er 1416 di« Burg und Ver trieb die von Vitzthum Eckstädt. Nun erhielten sie die Ritter von Schleinitz, die sie zu Ende des 16. Jahrhunderts an die Familie von Miltitz verkauften, in deren Besitz sie bis 1854 blieb. Die Herren von Miltitz ließen die Burg fast ganz neu aufbauen, Keller und Viehställe wurden in den Felsen eingehauen. Im 18. Jahrhunderte verfiel die Burg; am 20. August 1783 traf ein Blitzstrahl die Burg; durch das entstandene Feuer ward sie in eine Ruine verwandelt. An die Burg Scharfenberg schließt sich folgende hübsche Sage: „Auf dem Hofe des Schlosses Scharfenberg bei Meißen steht heute noch das Bild eines geharnischten Mannes mit dem Wappen derer von Miltitz. Diese Statue soll den Fahnenträger einer sächsischen Besatzung vorstellen. Als dieser im Dreißigjährigen Kriege das ihm an vertraute Banner gegen die stürmenden Schweden so lange ver- theidigt hatte, bis ihn die Feinde bis auf die äußerste Spitze deS Walle? drängten, so stürzte er sich mit der Fahne vom Felsen herab, allein Gott hielt seine Hand über ihn und er kam sammt dem Banner glücklich davon". Stromabwärts, auf einer der Gcbirgshöhen, die das herrlich« Elbthal umsäumen, am Ab hange einer steilen Schlucht liegt' das sagenumwobene Schloß Siebeneichen, es ist von einem schönen Parke umgeben und bildete vordem den Mittelpunkt des sogenannten „Miltitzer Ländchens". Wenig weiß die Geschichte von dieser Burg zu berichten, doch die Sage hat einen schönen Kranz um sie geflochten. Zu Anfang des 10. Jahrhunderts herrschte auf Siebeneichen ein tapferes, kühnes, treues Geschlecht, da» mit dem Kaiser Heinrich den Finkler be freundet und diesem im Kampfe gegen Ungarn und Wenden treu zur Seite gestanden hatte. Einst kehrte Kaiser Heinrich bei dem Burgherrn Wratislav ein. Dieser stellte ihm seine sechs blühen den, ritterlichen Söhne vor und bat ihn, daß er sie in seinen Dienst stellen möge. Auf die Frage des Kaisers, ob er keinen Sohn weiter habe, verstummte der Vater und zögerte mit der Antwort; freundlich drängte der Kaiser, und der Vater gestand, daß er noch einen Sohn habe, es sei sein ältester, Miesco mit Namen, der ein Gegner des Vaters und des Kaisers sei, weil das Deutschthum solche Fortschritte machte. Der Kaiser tröstete den betrübten Vater über den Abfall des ältesten Sohnes und sprach: „Noch bleiben Euch sechs Söhne, ein Stolz deutscher Ritterschaft". Er befahl den Söhnen, ihm in den Schloßgarten zu folgen, hier mußten die Söhne sechs Eichen pflanzen und dann tüederknien; Kaiser Heinrich ertheilte ihnen den Ritterschlag und ernannte sie zu den Herren von Sechseichen. Bald erhoben sich die Sorben zu neuem Kampfe gegen die Deutschen. Wratis lav mit seinen sechs ritterlichen Söhnen stand tapfer und treu an der Seite des Kaisers. In den folgenden Kämpfen erlagen nach und nach fünf seiner Söhne den gewaltigen Streichen eines unheimlichen heidnischen Ritters, nur sein jüngster Sohn Bolcs- lav stand noch blühend an der Seite des trauernden Wratislav. Während fünf Ritter von Sechseichen in der Gruft moderten, grünten die sechs Eichen im Burggarten. Dem greisen Vater ging eine trübe Ahnung durch die Seele, er hielt den verderben bringenden heidnischen Ritter für seinen ungetreuen Sohn Miesco; die Folgezeit bestätigte es. Wratislav sank auch in die Gruft; Boleslav ward Burgherr an der Seite seiner lieblichen Gemahlin; leider war die Ehe kinderlos, so daß Boleslav als der Letzte seines Stammes galt. Jahre gingen dahin. Eines Tages begehrte auf der Burg ein verwilderter Ritter Einlaß, es war MieSco. Demüthig nahte er sich dem Burgherrn und gestand, daß er Miesco sei; er bat für sich und seine wenigen treuen Knechte, sowie für seine zwei Söhne Tugumir und Stomef um Unterkunft. Diese Bitte ward zum Verderben Boleslav's gewahrt. Als Boleslav mit Miesco einst durch den Burggarten ging, kamen sie an die sechs Eichen; Miesco verlangte ungestüm, daß er auch eine Eiche für sich pflanzen dürfe und daß das Geschlecht von nun ab den Namen „Siebeneichen" führe. Als Boleslav darauf hinwies, daß dies nur mit Genehmigung des Kaisers geschehen könne, kam es zwischen den Brüdern zum Kampfe und Boleslav sank unter dem Streiche des heimtückischen Miesco. Nun war er Herr auf Siebeneichen, doch die erzürnten Nachbarn und Landleute erstürmten di« Burg, MieSco fiel im Kampfe, seine zwei Söhne aber entkamen. Die Burg ward zerstört und lag nun viele Jahre in Trümmern. Mit gewaltiger Hand herrschte in Meißen der mächtige Markgraf Gero, doch die Sorben rings drohten, ihn zu vernichten. Unter den Feinden Geros waren auch Tugumir und Stomef, die Söhne Miesco's. Auf die neue Burg Meißen hatte Gero sämmtliche Ritter ge laden, ein allgemeines Gastgebot war in die Lande ergangen. Tugumir stellte sich mit ein, beim Mahle aber kam es zwischen den Deutschen und Sorben zum Kampfe, Tugumir wurde er schlagen, doch sterbend rief er: „Noch lebt Stomef, er wird den Fall des Bruders rächen!" Noch immer lag Siebeneichen in Trümmern, nur die sieben Eichen grünten alle Jahre von Neuem, unter ihnen besonders die des Miesco. Nach vielen Jahren kam ein greiser Bettler zu den Ruinen, unter den sieben Eichen machte er Halt; bald erschien ein Steinmetz, der ihm den Plan zu einer Capelle vorlegte. Es war der Bruder Martin; er be fahl dem Steinmetzen, die Eiche des Miesco zu fällen und sie zum Hauptbalkcn der neuen Capelle zu nehmen. Bald war der Bau errichtet. Bruder Martin lebte hier als Einsiedler; die St.-Martinscapelle, die um 1534 noch stand, ward ein Wall fahrtsort; in der Capelle lauschten die andächtigen Hörer den Worten des frommen Martin, der Thimo, der Sohn Tugumir's war. So sühnte der Letzte seines Stamme? die Schuld seiner Väter. In nächster Nähe von Siebeneichen liegt am linken Elbufer die Albrechtsburg, die Jahrhunderte lang das Dornröschen war, nun aber im Flügelschlage der neuen Zeit erneuert und verjüngt hinausschaut in die geeinten deutschen Lande. Da, wo sich die Albrechtsburg stolz erhebt, stand vordem das Markgrafenschloß, das von Heinrich I. um 930 erbaut ward. Neben diesem Schlosse erhob sich bald der ehrwürdige Dom und das bischöfliche Schloß. Manch glänzendes Fest hat dieses Schloß gesehen, aber auch manchem Sturm hat es trotzen müssen. Die Baufälligkeit des alten Markgrafenschlosses nöthigte die beiden fürstlichen Brüder Ernst und Albrecht, an Stelle der alten Burg ein neue» Schloß zu bauen. Die reichen Mittel, die der Bergbau bei Schneeberg brachte, setzte sie in die Lage, den Neubau in fürstlicher Pracht ausführen zu können. Der geniale Baumeister Arnold von Westfalen führte von 1471 bis 1483 den großartigen Bau in reiner Gothik aus. Sechs Stockwerke erhoben sich auf Felsen grund, der größere Thurm gilt als rin Kunststück gothischrn Baustils, in ihm ist die ganz eigenartige Trepp«, der große Wendelstein oder die Schnecke genannt, welche in 113 Stufen um eine hohle Spindel geführt ist. Während d«S Dreißigjährigen Krieges ward die Albrechtsburg von den Schweden (1Ä7) arg verwüstet; Kurfürst Johann Georg II. erneuerte sie 1671 und gab ihr durch fürstliche Verordnung den Namen „Albrechtsburg". Von 1710 bis 1863 dienten die herrlichen Schloßräume der Porzellanfabrik als Fabrikräume. Als diese Fabrikation an sehnliche Ueberschllsse ergab, dachte man daran, auch ein be sonderes Fabrikgebäude aufzufllhren. Dadurch trat der Wunsch nahe, die alte Fllrstenburg zeitgemäß zu erneuern und würdig auszustatten. Der Landtag bewilligte 1873 hierzu die Mittel, die Erneuerung erfolgte nach den Plänen des Geh. Hofraths I)r. Roßmann, die Weihe der n«uerstandenen Burg erfolgte am 4. September 1881. Unterhalb Meißen erhebt sich auf einem freistehenden Felsen Burg Hirschstein. Von ihr hat man eine ausgebreitete reizende Aussicht. Nach einer Urkunde vom Jahre 1262 gehörte der Hirschstein einem Ritter Wigand von Hirschstein, später kam es in Besitz derer von Carlowitz. Auf dem Hirschstein starb 1291 Markgraf Friedrich von Meißen eines unnatürlichen Todes. Es wird behauptet, daß der Bischof Witigo I. von Meißen ihm habe vergiftete Kirschen reichen lassen. Das Flachland ist weniger reich an Burgen und Schlössern, deshalb, lieber Leser, folge mir hin zur Lausitz, auf deren waldigen Höhen noch mancher Zeuge grauer Vorzeit trotzig hinabschaut in die lachende Land schaft, in das blühende Thal. Freilich sind von den ehemaligen Burgen der Oberlausitz nur noch sehr geringe Reste übrig; dieses kommt daher, daß schon im 14. und 16. Jahrhundert die Sechsstädte mit den Burgen gründlich aufräumten und, um den Aufbau zu erschweren, diese in jedem einzelnen Falle so gründlich zerstörten, daß nur geringe Reste übrig blieben. Diese hat nun im Lauf der folgenden Jahrhunderte der Zahn der Zeit so arg benagt, daß nur weniges Gemäuer die Stätte be zeichnet, an der vordem der muthige raublustige Ritter hauste. Eine Ausnahme hiervon macht nur noch der Ohbin bei Zitlau. „Jagdschloß einst, Raubburg, dann Kloster, und jetzt zur Aust nur erstiegen; Wechselt auch menschlicher Sinn, wechsellos bleibt die Natur.» Diese ganz eigenartige, herrliche Ruine erreicht man chtck bequemsten von Zittau aus, eine allerliebste Miniaturbahn fikßtt durch ein reizendes Thal bis zum Dorfe Oybin. Ein schattiger Waldweg führt zum Hausgrunde, einer Waldidylle, die selten an einem anderen Orte von gleicher Schönheit angetroffen wird. Auf diesem Wege hat der Wanderer den schönsten Blick auf Rkn Eisenbahn-Curiosa. Bon W. BerLrow (Berlin). Nacbtrack »erröten. Es ist begreiflich, daß es in einem so ausgedehnten Gebiete menschlichen Witzes und Fleißes, wie das Eisenbahnwesen, auch an Wunderlichkeiten und Merkwürdigkeiten nicht fehlen darf, an Merkwürdigkeiten des Gedankens, der Erfindungslust einer seits, an curiosen Thatsachen der Wirklichkeit andererseits. Wir brauchen, um ein Beispiel summarisch anzuführen, nur an all die Bemühungen ehrgeiziger Erfind» zu denken, den Zügen, die es recht eilig haben, das — Anhalten zu ersparen. Da er findet der Eine einen Klapp- und Wurfapparat, der den unglück lichen Fahrgast sozusagen in eine Art Pistole oder Katapult ladet und in die geöffnete Thür des vorü verfliegenden CoupSs, hoffentlich Gummizelle, hin«inschießt! Glückliche Reise! — Sin Ansatz zur Ausführung ist die sogenannte Stufenbahn, deren Nützlichkeit z. B. in Chicago und Berlin zu Au»ftellungszw«cken vewiesen wurde. Aber die Stufenbvhn bringt es kaum über die Geschwindigkeit eines Fiakers hinaus, ihre Schwerfälligkeit be schränkt sie auf den Gebrauch inten muros und ihre bitter- theure Anlage auf einen Millionenverkehr. Sin neuer Vorschlag zum Besteigen nicht haltender Züge wurde neuerlich von einem Franzosen gemacht, der die wachsende Umfangsgeschwindigkeit großer Scheiben zum Verladen seiner Reisenden benutzt. „Den Tarrousselprrron oder die Sentrifussal- verlademaschine" könnte man die THSvenot'sche Erfindung»- blüthe nennen. Der Bahnsteig ist eine langsam rotirend« Scheibe, deren Umfang in zwei Kreissektoren von den hüben und drüben paffirenden Zügen tangirt wird. Die hohle Achse der Scheibe enthält Ein- und Au»gänge de» Perrons, beim Betreten de» Letzteren macht man eine ganz langsame Drehung mit; an Leit- aeländern dem Umfang sich nähernd, geräth man in immer schnellere Bewegung, und am Rande ist die Rotationsgeschwin- digkeit mit derjenigen de» gebremsten und paffirenden Zuge» ein», man braucht bkos hinvberzusteigen. Der Gedankt ist nicht übel, aber den Passagieren wird vielleicht übel bei den Wirkungen der Eentrrfugalkraft, — hoffentlich erwischt ein Jeder gleich das paffend« ToupA, diel Zeit zum Aussuchen wird'» schwerlich geben. Aber Projekte sollen uns, mit einer einzigen Ausnahme, hier reicht weiter beschäftigen, die Wirklichkeit bietet schon de» Lurio- sen genug. Was sagt der freundliche Leser zu einer Eisenbahn im Wasser, die den Verkehr zwischen Rottingdean und Brighton unterhält, oder doch einige Zeit unterhielt? Da jede andere Ver bindung durch den schroffen Wechsel zwischen Fluth und flacher Ebbe empfindlich gestört wurde, legte man breite Gleise am Grund des Meeres, auf denen eine 23 Fuß hohe Plattform mit elektrischem Antrieb hin- und hergipg. Leider soll der erste Sturm die unterseeische Gleisanlage zerstört haben, und Verfasser kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob man die Wiederherstellung riskirt hat. Als würdiges Gegenstück dieser merkwürdigen Strecke besitzt eine kalifornische Bahn auf einer ihrer mährischsten Linien eine Gleisstrecke, die — auf Baumwipfeln ruht. Die be treffende Bahn kreuzt zwischen der „Stuartsspitze" und den „Klippermühlen" eine tiefe, von gewaltigen Rothholzbäumen er füllte Schlucht. Man mußte hinüber und wußte da» nicht besser anzufangen, als daß man dir kräftigsten Waldesriesen etwa 75 Fuß über der Wurzel absägte und ihre Stämme als Pfeiler des wunderbarsten Biaductes stehen ließ. Zunächst tragen diese Pfeiler den Oberbau mit vollkommener Sicherheit, aber ob sie lange halten werden? Vielleicht giobt es nirgends auf Erden eine Bahn mit primi tiveren Betrieb-Mitteln, al» diejenige zwischen Atami und'Oda- wara i» Japan, zwei durch eine KllstengebirgSkette getrennte Orte de» allaveg» curiosen Jnselretch». Es ist eine Schmal- spurbahn, mit einem halben Dutzend — Kuli» al» Lokomotive. Zwei bi» drei Wägelchen, von je vier, Rücken gegen Rücken sitzen de» Passagieren beseht, bilden einen Zug; die zwölfbeinige Muskelmaschine trampelt hinterdrein und schiebt den Train bergauf oder zieht zum Theil vorne an Seilen. Die Höh« ist erreicht, die Kuli» springen affenartig irgend wohin an den Wagenauhenseiten, die Bremsen werden ungezogen, die Augen geschloffen, wem es schwach wird, und mit schauerlicher Schnellig keit saust di« Eisenbahn bergab urkd der Küste entgegen. Un- glück»fällr sollen selten oder nie Vorkommen. Mit Schwebebahnen, Einschienenbahnen und dergleichen wollen wir uns hier gar nicht aufhalten, dergleichen Projekte tauchen jetzt auf, wie die Muscheln, wenn die Ebb« eintritk. Aber erwähnenSwerth ist da» neuerdings wieder lebendig wer dende Project einer Bahn, deren Lokomotive ein — Lufiballon ist. Nach früheren, zum Theil recht abenteuerlichen Alpenbähn- Projekten soll diese» System, von Bokderauer uNd Brakebusch er sonnen, 1896 bereit« in kleinem Maßstabe erprobt uüd jetzt für den Hohenstaufen d«r Ausführung nahe sein. Da» Ballonsystem ist lediglich für Bergbahnen erdacht, um den Auftrieb de» Ballon» al» Zugkraft zu Knutzen. Der Wagen soll an einer schwebenden Schiene laufen, mit hinlänglichen Bremsmitteln und für die Niederfahrt mit Wafserballast versehen sein. Der Zugballon von 20 Metern Durchmesser soll «ine Tragkraft von 1500 Kilo gramm für sein Eigengewicht, die Kuppelungen, Reibungsüber windung u. s. w. und eine überschüssige Hebekraft von 1200 Kilogramm besitzen. Bei Sturm muß der Betrieb ruhen, bei Wind kann der Wagen durch theilweise Entleerung seines Wasserballastes um 500 Kilogramm erleichtert werden. — Hier heißt es abwarten, ob die Worte Thaten werden. Warum übrigens sich an Projekte und Systeme klammern, wenn schon der Eisenbahnbetrieb des Wunderlichen so viel bietet, wie es der Fall ist? Was ist stärker, — eine Lokomotive oder ein Raupenzug? Man könnte über die Frage lächeln, aber die Wirklichkeit hat sie oft, und auf überrnschrnde Weise, beant wortet. In Tunis wurde vor einigen Jahren ein Eiscnbahnzug durch Raupen angehalten, die sich in massenhaften Schaaren auf den Schienen sammelten und durch ihre schlüpfrigen Leiber die Adhäsion der Lokomotive aufhoben. In Ungarn waren cs einmal unzählige Massen von Tausendfüßen, in Nordamerika Züge von Schmctterlingsraupen, dir dem schnaubenden Dampf roß Halt geboten. Mit ganz besonderer Hartnäckigkeit warf sich aber das kriechende Gethier auf den gefährlichen Sport, Eisen bahnzüge aufzuhalten, im vorigen, überall so raupenreichen Sommer. Auf einer französischen Strecke, zwischen Nancy und Rouillac, wurd« die Züge vier Tage lang von Raupen aufs Aergerlichste gestört. Ein Millionenheer von Raupen hatte den Wald auf einer Seite der Gleise bi» aufs Holz verschlungen und wanderte jetzt in einer 100 Meter breiten Masse über die Schienen, um sich an die Versprisung der anderen Hälft» zu machen. Jede Lokomotive, die in diesen Raupenzug tauchte, vrrsagte in ihrer Zugkraft und ging erst weiter, wenn Schienen und Räder für den Augenblick gesäubert waren. Obwohl die Raupen schnell marschirten und mehr als 100 Centimeter in der Minute zurücklegten, dauerte es doch tagelang, brvor der Zug zu Ende war. Auch die Pflanzenwelt liefert Vertreter, die dem Verkehr der Züge recht hind«rlich werden können. Auf «iner Strecke der Chicago-, Milwaukee- und St. Paul-Eisenbahn in Nordamerika nimmt da» Unkraut, in kurzen Perioden aufschießend, lästige Dimensionen für den Betrieb an. Al» da» beste Mittel zur Br- seitigung der Kraut- und GraSmengen hat man da» jährlich drei Mal nothwendig werdend« und zu trockenen Zeiten leicht au»fübrbare Abbrennen de» Unkraut» erkannt und für diesen Zweck einen besonderen Wag«n gebaut. Dieser ist unter seinem Rahmengestell mit ach: großen, nach abwärts gerichteten Bren nern versehen, die unter Anwendung von Rohpetrolemn den Bahnkörp«r mit breiten Flammen bestreichen und zum Abbrand von einer englischen Meile ein Faß Naphtha gebrauchen. Der Wagen wird ganz langsam über die Strecke gezogen und kann täglich 12 bis 16 Kilometer des Bahnkörpers vom Unkraut säu bern. Ein anderes Ungemach, mit dem die Züge und besonders die Schnellzüge mancher Strecken zu kämpfen haben, ist di« intensive Staubentwicklung, die die Maschinen und Wagen vrrdirbt und das veffnen eines Fensters zur Unmöglichkeit macht. Die Be schüttung der Strecke mit grobem Steinschlag ist ein kostspieliges, die Belegung mit Rasen ein bedenkliches, die Besprengung ein unzureichendes Mittel. Auf amerikanischen Bahnen mit starkem Schnellzugsverkchr und wenig Regen ist man neuerdkngs auf ein wunderliches, aber vielversprechendes und nicht theures Mittel zur völligen Staubbeseitigung verfallen, — auf die Strecken- imprägnirung mit Naphtha, oder vielmehr mit den zähen Rück ständen der Petroleumraffination. Die pennsylvanische Bahn hat dieses Mittel mit so gutem Erfolg angewandt, daß sie bereits einen Special-Spengwagen für Masut-Streuung gebaut hat und ihre ganzen Gleise derart behandeln will. Der Spreng wagen fährt mit der Schnelligkeit eines rüstigen Fußgängers und streut auf das Kilometer der Bahnstrecke 5700 Liter Oel aus, die 7 bis 10 Centimeter in die Bettung eirtdringen und diese für «in Jahr fest, klebrig und staubfrei machen. Ein Zwei bis dreimaliges Sprengen soll für viele Jahre reichen und neben bei auch das Unkraut beseitigen. Wieder ein Mittel, das Reisen mit der Bahn etwas angenehmer zu machen, und — eine will kommene Absahgelegenheit für die Oelquellendesitzer. Hoffentlich erinnern sich die deutschen Eisenbahnverwaltungen daran, daß es auch bei uns Schnellzüge mit unerträglicher Staubenkwickelung — und im Kaukasus geeignete Oelrückstände giebt. Zu den Merkwürdigkeiten, nicht den Curiofis, deS Eisenbahn betriebes gehören Wohl gelegentlich die Zusammenstöße, ater einmal konnte ein solcher wirklich und ohne Cynismus als Fisen- bahncuriosum bezeichnet werden. Oder wär« es nicht lächerlich gewesen, vor wenigen Jahren dreißigtausend Menschen au« allen Gebieten der Vereinigten Stckaten nach Buckeye Park (Ohio) sich begeben zu sehen, mit keinem anderen Zwecke, als — einer Eisen- bahnkataftrophe beizuwohnen? Wohloorbereitet, ließ man zwei lange Züge ohne Btsetzunq mit Schnellzugigeschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung auf demselben Gleise lo» und vor den Augen des entzückten Pöbel» zusammenrascn. Alle» derlief vor schriftsmäßig: zwei Explosionen, ein Krachrn, Splittern, Flie gen und Drechen, ein Trümmerhaufen und ein« ruinirte Strecke bezeichnete den Schauplatz des Volksvergnügens, und nicht Mik Unrecht von seinem Standpunkte aus schlug ein Zuschauer vor, di» Züge bei künftigen Wiederholungen — mit Lebensmüde» zu besetzen. Da» wäre dann schließlich auch ei» Euriofnm vom rollenden Flügelrad.
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