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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980808022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898080802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898080802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-08
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,7 llhe, die Abrnd-Au-gabe Wochentag- um 5 Uhr. Nedartion und Trpe-ition: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Übend- 1 UhL Filialen: Otto Klemm'S Sortlm. (Alfred Hahn), Universitatsstraße 3 (Paulinur»), Loni» Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. BezugS-PrelS tn der Hauptexpedition oder den f« Ttadd» vezirr und den Vororten errichteten Au-- gobestellen abgeholt: vierteljährlich^-.«), bet zweimaligrr täglicher Zustellnng <n- Haus ^iä.LO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich ^l 6.—. Direkte tägliche Kreuzbaudsrndung in- Ausland: monatlich 7.bO. Wbend-Ausgabe. MpMerIaMatt Anzeiger. MMM W KNigkichen Land- «nd Ämksgenchtes Leipzig des Rathes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadi Leipzig. Anzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg.' Reklamen unter demRedactionSstrich (-ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/^- Gröhere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit »er Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung So.—, mit Postbrsürderung 70.—. ^nnahmeschluß fir Iiyeige«: Abend-Au-gabe: Bormittsg- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeige« stad stet» an die Expedition zu richten. - I Druck und Verlag von E. Lolz in Leipzig. 92. Jahrgang. Montag den 8. August 1898. SM Äm Schluß der Trauerwoche. Der gestrige Sonntag war in der Reich-Hauptstadt sowohl wie im Reiche dazu au-ersehen, da- Andenken de- Fürsten Bi-marck durch würdige und erhebende Gedächtniß» feiern zu ehren. Zahllose Meldungen liegen über sie vor. Nicht nur in den Städten, deren Ehrenbürger Bi-marck war, hat man seiner beim Gottesdienste und in öffentlichen Trauer kundgebungen gedacht, sondern überall in Stadt und Dorf, wo deutsch gedacht und deutsch empfunden wird, hat man sich selbst geehrt, indem man dem Schmerz um den Verlust deö größten deutschen Bürgers Au-druck gab. Wir müssen uns leider in der Mittheiluna über diese Trauerkundgebuagen auf folgende Auswahl beschranken. Berlin, 7. August. Heute Mittag fand im großen Theater saal des Neuen Königlichen OperntheatrrS (Kroll) eine vom Berliner BiSmarck-Au-schuß veranstaltete Trauerfrier für den Fürsten Bismarck statt, deren Anordnung, Besuch und Verlauf sich überaus würde- und weihevoll gestaltete. Einladungen hierzu waren nicht ergangen, der Saal war von einer durchweg in Trauerkleidern erschienenen Versammlung aus allen Kreisen dicht gefüllt. Wände und Balconbrüstung waren schwarz ausgeschlagen und mit Laubaewinden und goldenen Kränzen geschmückt. Zu Seiten der Bühne hingen zwei schwarze Velarien herab, deren Inschriften lauteten: „1815. Schönhausen. Heil dem Hau- und seinem Stern. Lobet den Herrn:" „1888. FriedrichSruh. Du nahmst ihn uns, Herr. Wir beugen unS." Nach dem Vortrag des TrauermarschcS aus Beethoven'» Eroika durch die königliche Capelle theilte sich der Vorhang. In der Mitte der Bühne zeigte sich auf hohem Postament eine schöne BiSmarck-Büste inmitten eine» Haines lebender Palmen und Lorbeerbäume, von Blumencandelabern flankirt, weit im Hintergründe zeigte sich im Abendroth ein phantastisches Schloß. Zu Füßen des Postamentes lag ein großer goldener Kranz mit schwarzer Florschleife. Ernst von Wildenbruch trat vor und sprach folgende von ihm verfaßte Verse mit großer Wärme und von Herzen kommender Empfindung: Unser Bi-marck. Sprecht eS nicht laut in dir Welt hinaus, Redet leis, es ist Trauer im Hau-, Trauer im Hause Deutschland und Noth — — Bismarck ist todt, Unser Bi-marck ist todt. Leise, bis daß wir in Einsamkeiten Fertig geworden mit unserem Leid, Mit dem blutigen Riß in der Brust, Mit der Vernichtung, mit dem Verlust. Daß nicht in Lieser heiligen Stunde Lästernd ein Ton uns von draußen verwunde» Schadenfrruend an unserer Noth Bismarck ist todt, Euer Bi-marck ist todt. Ja, er ist todt, dahin unser Held, Sagt es den Deutschen in aller Welt, Denen hier drinnen im Vaterland, Denen dort drüben über dem Strand; Sagt e» dem Mann, der den Acker beschreitet. Dem der in Städten sein Handwerk bereitet, Sagt eS den Fürsten auf ihren Thronen, Denen, die draußen am Zaune wohnen; Sagt'» den Unwifienden, sagt e» den Weisen, Reichen und Armen, Kindern und Greisen, Männern de» Schwertes, Männern der Feder, Höre und wisse und fühle rin jeder: Er ist dahin — tief unsere Noth — -- Bismarck ist todt, Unser Bi-marck ist todt. ' Will«, der niemals im Wollen erschlafft, Sorge, nie rastende, schaffend« Kraft, Zündende» Wort, tiefgründiger Rach, Weise- Erwägen, schlagend« Thal. Immer beansprucht, »immer »ergeben-, Immerdar wirkend« Quelle de- Leben», All' dieser Retchthum, all' dies« Welt, Ganz nur für Deutschland zum Dienst« gestellt, All'dies« Fülle, die uu» gemessen, Die vir »och gestern — noch gestern besessen, Heute dahin in zermalmendem Schlage, Heut' noch Erinnerung, morgen schon Sage — Deutschland sei wach, fühl' deine Nothl Bi-marck ist todt, Dein Bi-marck ist todt! Deutschland sei wachl Wahr' Deine Sach', Wahre Dein Lebe», werd« nicht schwach l Kyffhäuser-Raben, die da entschliefen, Steigen krächzend au» nächtigen Tiefen, Himmel sind dunkel, die Luft wird schwer, Eckart der Treue scheucht sie nicht mehr. Eckart der Treue ruht au» von Thaten, — Kann nicht mehr helfen, kann nicht mehr rathea. Hilf Dir selber la Deiner Noth, Sonst ist er todt, Bi-marck für immer Dir todt. Laß nicht den Bi-marck sterben in Diri Gieb eS nicht her, da» errung'ne Panier! Laß in Vergessen« Erbärmlichkeit Nicht versinken die heilige Zeit, Dir un» den Kaiser gab and den Vater: Wilhelm und Bi-marck, seinen Berather. Siehst Du die Feinde? Hörst Du sie flüstern, Wie sie die Beute schleichend umlüstern? Straf« sie Lügen, mach' st« zu Schänd', Wolle Dich selber, deutsche» Land! Wolle Dich selbst, zwinge dl« Noth! Bi-marck war todt, ist nicht mehr todt. In Deiner Seel«, die sich erhebt, Steht er Dir auf, kommt wieder und lebt, Kommt und ist da, allgegenwärtig und nah, Deutschlaad, Dein Bi-marck er lebt!" Hiernach sang der königliche Oprrnchor das „Wke sie so sanft ruh'n" au« Brahm'S deutschem Requiem. Geb. Justiz- rath Prof. vr. Kahl hielt die Gedächtnißrede: „Bi-marck habe selbst Berlin seine Hrimath genannt, so sei diese Feier am Platze. Wa- sterblich gewesen an ihm, sei verloren, Un sterbliches sei un» geblieben, er möge fortleben als daS Ge wissen de- deutschen Volke«. Erhalten möge un- bleiben die Größe seiue- politischen Charakter-, die reine Höhe seiner Vaterlandsliebe, die sittliche Kraft seine- ganzen vaterländischen ThunS — deutsch wie er, thatenmäßig wie er, maßvoll wie er, wahrhaftig und treu wie er, daS sei unser Vorbild. Daran mögen die Epigonen messen, ob die Bahn vorwärts und aufwärts, führe. Dies BiSmarckerbe sei mit Gut und Blut gehütet, allezeit treu bereit für des ReicheS Herrlichkeit." — Die ganze Versammlung erhob sich nunmehr und sang E. M. Arndt'S „Geht nun hin und grabt mein Grab." Der Trauermarsch au» Siegfried'- Tod von Richard Wagner schloß die erhebende Frier. Bei der Feier in Köln war der große Gürzenichsaal bis auf den letzten Platz besetzt von Festtheilnehmern au- allen Berufsständen. Eingeleitet wurde die Feier durch Orchester- und Gesang-vorträge. Die Gedächtnißrede hielt Geheimrath Vr. O. Jäger, welcher den Fürsten Bis marck als wahrhaft großen Mann feierte. Durch den gemeinsamen Gesang von „Deutschland, Deutschland über Alle-" wurde die Feier geschloffen. — In Wiesbaden fand um 12 Uhr vor dem Ratbhause ebenfalls «ine große Trauer feier statt, an der die Spitzen der Behörden, da- grsammte Officiercorps und Tausende von Bürgern thrilnabmen. Oberrealschuldirector vr. Kaiser hielt die Gedächtniß- rede. — Auch in Braunschweig wurde dem An denken des Heimgegangenen Fürsten eine erhebende Trauerfeier gewidmet, bei welcher Professor Koldewey in packender Rede die Verdienste des Fürsten hervorhob. — In Potsdam fand in der St. Nikolai-Kirche rin Trauergottrsdienst für den Fürsten Bismarck statt. Die Spitzen der Behörden, sowie der Magistrat und die Stadt verordneten waren anwesend. Morgen Abend wird vom Magistrat eine Trauerfeier im Concerthause veranstaltet, an welcher Vertreter der Reichs-, Staats- und Stadt behörden theilnehmen werden. — In Weißenfels fand ebenfalls in der Stadtkirche ein Trauergottesdienst statt. Herr Oberpfarrer Superintendent Vr. Lorenz gab auf Grund des Bibelwortes Matth. 23, 10, „Der Größte unter Euch soll Euer Diener sein" in packender Predigt ein Bild von dem Altreichskanzler. An den Gottesdienst schloß sich eine Kundgebung der städtischen Körperschaften in Gemein schaft der städtischen Beamten^ bei welcher Stadtverordneten vorsteher Heyland in einer kernigen Gedächtnißrede die mannig fachen Verdienste deS Fürsten Bismarck würdigte und Bürger meister Wadelm noch in einem Schlußworte erwähnte, wie des hohen Dahingeschiedenen Wirken viel zur Hebung der Städte beigetragen hätte, weshalb es wohl zu verstehen sei, daß so viele Städte ihn zu ihrem Ehrenbürger erwählt hätten. — Bei der von der Universi tät in Tübingen ver anstalteten Trauerfeier hielt Professor Busch von der philosophischen Fakultät die Gedächtnißrede. In gedanken reicher Sprache würdigte er die großen Verdienste Bismarck'». Er schloß mit den Worten: „Mit Bismarck erlischt eine gewaltige Zeit, der er Inhalt und Raum gegeben. Das alte Jahrhundert, nicht bloS der Zeitrechnung nach, geht gur Rüste, das neue rieht herauf. Möge das neue nicht klein gefunden werden! ES schied von uns der sterbliche Mensch, doch unsterblich lebt der große fort in seinem Werk. Sollte dieses Schaden leiden, so ist das deutsche Volk nicht mehr Werth, unter der Sonne zu wandeln. Aber nicht nur sein Werk, daS allem Feind zum Trotz dauern wird, bleibt, eS bleibt uns auch sein Vorbild. So blicken wir vom Todtenlager hinaus in eine lichte Zukunft, mit dem Gelöbniß: „Deutschland über AlleS!" Mit dem von der Stadtcapelle vvrgetragenen „Russischen Abendgebet" fand die erhebende Feier ihren Abschluß. — Bei einer Feier der Königsgesellschaft würdigte Universitäts kanzler Geheimrath von Weizsäcker BiSmarck'S Wirken und Leben in längerer eindrucksvoller Rede; er schloß mit der Mahnung: ein jeder Deutsche, der einen Beruf habe, ob groß ob klein, solle daran Lenken, daS Vorbild des großen Bismarck allezeit vor Augen zu haben. Das Ende des Krieges. * Spanien hat, wie wir schon kurz meldeten, die von den Vereinigten Staaten gestellten Friedensbedingungen angenommen. Bi- in die Abendstunden des gestrigen Sonntags hatte der Ministerrath verhandelt und schließlich die zustimmende Antwort Spaniens an die Union definitiv gut geheißen. Die Note ist sofort telegraphisch an Cambon übermittelt worden, und die Regierung hält an der Auffassung fest, daß dieselbe den Vereinigten Staaten keine« Anlaß mehr zu einer Antwort bieten werde, d. h. also, man hat nach einigem Sträuben klein beigegeben und den sauren Apfel mit Rumpf und Stumpf hinuntrrgewürgt. Die dem endgiltigen Beschluß voraufgegangeneu Meldungen lassen wir hier folgen: * Madrid, 7. August, 10 Uhr 30 Minuten Vormittags. Nach Meldungen au- guter Quelle wird Spanien die Grund züge der amerikanischen Note annehmen und wird nur bemerken, um zu verineiden, daß die definitiven Friedens verhandlungen durch Zwischenfälle de» Krieges gestört würden, sei es angebracht, zuvor dir Einstellung der Feind seligkeiten zu vereinbaren. — Wie verlautet, sollen der Herzog Almodovar und der Graf Mrrry del Bal zu Friedens unterhändlern ernannt werden. — Sagasta conferirt gegen- wärtig mit der Königin-Regenti«, um den Entwurf der Antwort auf die amerikanische Note ihrer Genehmigung zu unter breiten. * Madrid, 7. August. Die Königin hat die Grundzügr der spanischen Antwortnote gebilligt. Die Regierung glaubt, daß di« Vereinigten Staaten die Antwort Spanien», die bi» nächsten Dienstag sicherlich im Weißen Hause zu Washington vorliegen wird, acceptiren werden und daß in Verfolg der Annahme dieser Antwort dann die Feindseligkeiten sofort eingestellt werdrn. DaS wäre also daS jämmerliche Ende diese- jämmer lichen Krieges. Die FrievenSbedingungen sind gewiß keine leichten; sie drücken Spanien zu einer Macht zweiten Range- herab und raube» ihm nicht nur da- unruhige, ver wüstete, mit Blut und Trümmern bedeckte Cuba, jdaS sich stets wider die spanische Herrschaft aufgelehnt, sondern auch das blühende, getreue Puerto Rico, daS für den spanischen Staatsschatz eine ergiebige Hilfsquelle war. Aber Spanien hatte keine Wahl. Es »st trotz der anerkannten Tapferkeit seiner Seeleute und Soldaten bei jedem Zusammenstöße geschlagen worden und eS besitzt keine Flotte mehr, welche den Antillen oder den Philippinen Hilfe bringen könnte. Die Siege von Cavite und Santiago de Cuba haben Spaniens Seemacht zerstört. Was noch davon übrig ist, hat sich unter dem Befehl des Admirals Camara im Hafen von Cadiz verkrochen. Wollte dies letzte Geschwader» über das Spanien verfügt, sich herauSwaaen, so würde es von den weit überlegenen amerikanischen Seestreitkräften ausgesucht und vernichtet. In Havanna herrscht bereit» Hunger, di« Freiwilligen, deren Hingebung von Marschall Blanko noch kürzlich ebenso gerühmt ward, wie früher von Martinez CampoS oder Weyler, haben gegen den Oberbefehls haber demonstrirt: sie wollten nicht mit leerem Magen fechten; aufPuertoRico hat die Bevölkerung derStädte, obwohl sie nie wider die spanische Regierung revoltirte, die einrÜcken- den Amerikaner mit offenen Armen ausgenommen. WaS Spanien erlitten hat, ist nicht bloS eine militairische Niederlage, es ist ein vollständiger Zusammenbruch, wie ihn bei Unglück im Felde jene Staate« erleben, deren inner« Verhält nisse morsch sind. Bei ihnen bedarf eS, wie bei alten Gebäuden, nur einer Erschütterung von außen — und Alle- bröckelt und bricht. Das Kräfteverhältniß der beiden kriegführenden Parteien entsprach keineswegs der Bevölkerungsziffer. Spanien hatte auf Cuba ein Heer, vier Mal so stark wie die ganze reguläre Armee der Vereinigten Staaten, und seine Flotte war, was die Zahl der Schiffe betrifft, wenig schwächer, als die amerikanische. Man konnte, als der Krieg begann, aller- Feirilletsn. In -er Lrandnng -es Lebens. 2s Roman aus dem amerikanischen Westen. Bon Theodor Eicke. NaLderck vrrbelm. „Sie belästigen mich durchaus nicht — es wird mir rin Vergnügen sein", erwiderte er, und nahm auf ihre Aufforderung hin ihr gegenüber Platz. „Wir haben Verspätung, nicht wahr?" fragte sie. „Ja, sehr bedeutend; der Aufwärter sagte, wir wären durch eine brennende Achse aufgehalten worden." „Ich dachte mir so etwas. Der Zug hielt fortwährend an während der Nacht, und so oft ich erwachte, hörte ich, daß sie an einem Wagen arbeiteten." „Ich hört« es auch", sagte Brant, der sich an da» Häufige Anhalten des Zuges wie an etwa- halb Vergessene» erinnerte, „es fällt mir jetzt wieder ein — übrigen» bin ich hungrig." Sie lachte und bekannte, daß e» ihr ebenso ginge. „Ich bin gleichfalls hungrig, und gad mich gerade der Hoffnung auf zwei Dinge hin — rin gutes Frühstück und Zeit, e- zu genießen." „An dem Ersten wird's wohl nicht fehlen, aber mit der Zeit wird es, fürchte ich, in Folge unserer Verspätung etwa» knapp sein. Wenn e» Ihnen recht ist, gehen wir auf die vordere Platt form, um gleich bei der Hand zu sein." Sie willigte ein, und so gingen sie hinaus auf die Plattform. Die Schwingungen des Wagen» waren so stark, daß di« Füße keinen festen Halt fanden, und er legte dt»halb seine Hand auf ihren Arm, um sie zu stützen. Sie duldete es ruhig; sie war zu unschuldig und zu harmlo», um nur da» Geringste darin zu finden. Und Brant? Wäre sie ein Engel de» Licht» gewesen, der dem abgehärteten Sünder au» den Goldfeldern Reue und Buße predigte, Nicht», wa» sie hätten sagen oder thun können, würde ibn so gerührt haben, wie diese stillschweigende Annahme seine» Schutzes. Dann aber kam e» ihm auch qualvoll zum Bewußtsein, welche große Kluft den ritterlichen Gentleman, wie er in ihren Miidchewträumen lebte, von George Brant trennte, dem bisherigen Farobankhalter. Er hatte da» alte Leben bei Seite legen wollen, wie «in Kleidungsstück, da» seinen Dienst gethan hat; und jetzt schon, gerade am Anfänge der Reise in «in bessere» Land, fand er sich von quälenden Gedanken bedrückt. Wie würde diese» unschul- dige, junge Weib vor ihm zurückschaudern, wenn sie nur ahnen könnte, wa» für eine Art Mann er war! Ehrliche Scham über seine Erniedrigung erfüllte ihn bei diesem Gedanken; und soweit solche Gefühle einen Mann moralisch heben können, blieben sie auch auf Brant nicht ohne Wirkung. Dennoch war er froh, als der Zug langsam in die Frühstückilstation einfuhr und die Forderungen der Gegenwart die Vergangenheit mit ihren trüben Erinnerungen zurückdrängten. Brant und seine Schutzbefohlene waren die Ersten, die den Speisesaal erreichten; sie hatten sich einen Tisch ausgesucht und ihr Frühstück bestellt, ehe die anderen Sitze eingenommen waren. Natürlich wurde Brant'» Auftrag auch zuerst erledigt, und da erregte den Zorn eine» ihm gegenübersitzenden Manne» in einem leinenen Staubmantel und einer Sportmütze. „Da» ist der Fluch diese» Trinkgeldsystem»!" polterte er, indem er Brant von der Seite ansah, aber eigentlich Niemand anredete. „Ich bin im Princip dagegen, und jeder Mensch, der vor sich selbst Respect hat, sollt« mithelfen, daß es beseitigt wird." Brant blickte den Mann grimmig an und dachte daRk, wie lange er wohl unter Goldgräbern so hätte reden dürfen. Die Sache wäre vielleicht vorbei gewesen, wenn der Mann nicht Brant's Blick gesehen hätte und dadurch von Neuem gereizt wor- den wäre. „Jawohl, mein Herr, ich meinte Sie", sagte er, indem er weiter hervorsprudelte: „Ich frage die ganze Gesellschaft, ob e» anständig von Ihnen ist, die Bedienung allein in Anspruch zu nehmen, während All« hungrig sind?" „Sie müssen schon entschuldigen", sagte Brant ruhig, „wenn ich eine Unterhaltung mit Ihnen über diese Frage avlehne. Wir waren zurrst hier, und mein Auftrag war ertheilt, ehe Eie über haupt saßen." „Wa» ich sagte", erwidert« der Andere, der notiwendig da« letzte Wort haben mußte, „hat nicht» damit zu schaffen, wer der Erste war. Ich wandte mich nur gegen die Unterstützung der Bedienung durch Trinkgelder." Brant, der sich de» ihm zur Last gelegten Vergehen» bisher nicht schuldig gemacht hatte, benubte vie Gelegenheit, den Kellner, der ihn bedient hatte, herbeizurusen und ihn recht demonstrativ, daß die ganze Tafel e» sehen konnte, zu belohnen. Der Mann mit der Sportmütze bezeugte durch laute» Brummen fein Miß fallen, sagte aber nicht». Brant gratulirte sich noch im Stillen zu seiner Großmuth, al- die Reibereien pon Neuem lo-gingen. Die jung« Dame hatte ihr Frühstück beendigt, nahm aber auf Brant'» Zureden noch eine -weite Lasse Kaffee. Al» sie ae- bracht wurde, beanspruchte sie der aegenübersitzende Mann für sich; Brant verweigerte sie, und der Andere bestand daraus. Ei gab eine heftige Auseinandersetzung zwischen den Beiden, wäh rend welcher die junge Dame aufstand und den Tisch verließ. Das gab Brant's Geduld den Rest. Er stand schnell auf, nahm die Tasse Kaffee dem Kellner aus der Hand und s<üttete ihren Inhalt dem Streitsüchtigen ins Gesicht. Dann eilte er seiner Begleiterin nach und war aus dem Speisesaale verschwun den, ehe der Andere wieder zu Athem kommen konnte. Brant ging mit seiner Schutzbefohlenen direkt zu dem Waggon, aber ehe sie ihn erreicht hatten, schämte er sich herzlich über sich selbst und wäre froh gewesen, einen Vorwurf zu hören. Aber es wurde kein Wort zwischen ihnen gewechselt. Im In neren des Wagens that Brant sein Möglichstes, sich zu ent schuldigen. „Ich bitte nicht um ihre Verzeihung", sagte er, „ich weiß, daß ich diese nicht verdiene; ich bitte Sie nur, mich ein Wort zu meiner Äertheidigung sagen zu lassen. Seit drei Jahren lebe ich in dielen Bergen, esse an Tischen, wo jenem Manne seine Unverschämtheit da» Leben kosten würde. So vergaß ich mich einen Augenblick vergaß, wa» ich Ihnen schuldig war. Ich will jetzt da» Einzige thun, womit ich mein Vergehen wieder etwas gut machen kann und für den Rest des Tages au» Ihren Augen verschwinden." Und schnell, ehe sie etwa» erwidern konnte, war er fort. III. Brant verbrachte den Tag so gut er konnte, indem er zahl lose Cigarren rauchte und seine Gedanken in die ungewisse Zu kunft schweifen ließ. Im Lichte seines letzten Rückfalle» war diese Thätigkeit nicht gerade erfreulich, aber sie erfüllte ihren Zweck, die Zeit zu tödten, und die Schwierigkeiten, die sich ihm auf dem Wege zur Besserung entgegenstellten, weckten alle« Gut«, da» m ihm schlummerte. Trotz de» schlechten Anfanges war er fest ent schlossen, sich wieder zur Ehrbarkeit durchzukämpfen, kost« e», wa» e» wolle. Hoffentlich kam noch ein Tag, wo er nicht ge zwungen war, die Länge eines Eisrnbahnwaggon» zwischen sich und «in edle» Weib zu schieben. Nach einem der vielen Aufenthalte, die von der schadhaften Achse verursacht wurden, kam der Schaffner in da- Rauch- coupS und setzte sich dort nieder. De« Manne» Gesicht kam Brant bekannt vor und er nickt« ihm zu. „Ist wohl heißer Dienst heute?" fragte er. „Das wollt' ich meinen. Und dann kann'» Einem gerade passen, wenn so'n närrischer Kerl noch drüber lo-zieht, daß unsereiner zu wenig zu thun hat." „That denn da» einer?" „Jawohl, gleich heute Morgen — großer Kerl in einem leinenen Staubrock und Sportmütze — derselbe, der —" Der Schaffner hielt plötzlich inne, wie Einer, der bemerkt, daß er auf gefährlichem Boden geht. „Nur zu", sagte Brant ermuthigend. „Na, wissen Sie, ich meine den Kerl, der den Streit mit Ihnen hatte. Mein Gott, war der in Wuth!" „Wirklich? Ich leider auch!" „Na, der viel mehr. Kam aus dem Speisezimmer 'raus gestürzt und brüllte wie'n Ochse; sagte, er wollte Sie ins Ge- fängniß bringen, und verlangte vom Alten, er solle nach 'nem Polizisten telegraphiren." „Der Alte, wer ist denn da»? Der Zugführer?" „Natürlich; der sagt ihm denn, da» ginge nicht, weil der Streit nicht im Zuge passirt wäre; er wüßte auch gar nicht, wer Sie wären. Da mischte ich mich 'rein, und sagte, Sie wären der brave George, der Mann, der die sechs Burschen 'raus befördert hätte, die die Bank von Silverette überfallen wollten. Heiliger Qualm! Sie hätten sehen sollen, wie er klein wurde, als ich das erzählte." Der Schaffner brüllte vor Lachen, und Brant seufzte im Geiste tief auf, als er wieder wahrnehmen mußte, wie seine Vergangenheit ihn verfolgte. „Wo endet Ihre Fahrt?" fragte er. „In Voltamo, der zweitnächsten Station." „Dann kommen Sie also nicht bi» Denver?" „Nein." „Aber vielleicht später doch einmal. In dem Falle würde es gut für Sie sein, wenn Sie vergäßen, was Sie zufällig von mir wissen. Verstehen Sie mich?" „Verlassen Sie sich d'rauf. Kann den Mund schon halten, wenn's sein muß." „Gut denn! Da — nehmen Sie eine Cigarre und vergessen Sie nicht, was ich Ihnen sagte." Der Schaffner nahm die angebotene Cigarre und ging hinaus, während Brant mit seinen Gedanken allein blieb. Der Zug bekam immer mehr Verspätung, und an der für das Mittagessen bestimmten Station wurde «in frühzeitige» Abend brot» servirt. Brant ging mit den anderen Passagieren in den Speisesaal, und als er seine Gefährtin vom Morgen dort nicht sah, schickte er ihr durch den Aufwärter «ine Lasse The« und kalte Speisen. „Hätte e» mir denken können", sagte er zu sich, al» er wieder in dem Rauchcoupß saß. „Sie getraute sich nicht, mit mir in denselben Speisesaal zu kommen. Weshalb konnte ich mich nicht «in« Minute länger beherrschen? So muh ich hin nun den
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