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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980813026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898081302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898081302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-13
- Monat1898-08
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Reklamen unter demRedartionsstrich (4ae- spalten) vor den Familieniiachrichten (6 gespalten) 40 iL. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung -4 60.—, mit Postbefürderung 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Ex-editts» zu richten. —«o— Druck und Versag von S. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. Die Unterzeichnung des Friedensprotokolls. —p. Nachdem, wie Wirschon in einemTheil deS heutigen Morgenblattes meldeten, der französische Botschafter in Washington gestern Nachmittag ein Telegramm der Madrider Regierung bekommen batte, durch welches er unbeschränkte Vollmacht erhielt, daS Präliminar-FriedenSprotokoll zu unter schreiben, erfolgte Nachmittags 4 Uhr die Unter zeichnung im Weißen Hause. DaS Protokoll wird gleich zeitig in den amtlichen Zeitungen in Madrid und Washington veröffentlicht werden. Der vom Staatssecretair Day in der Presse mitgetheilte kurze Auszug aus dem Protokolle des Präliminar friedens besagt: Das Protokoll ordnet an: 1) Spanien verzichtet auf die Souverainität CubaS. L) Puerto Nico und andere spanische Inseln von den Antillen und den Ladronen werden nach Wahl der Ver einigten Staaten abgetreten. 3) Die Vereinigten Staaten werden während des Abschlusses des Friedensvertrages, welcher Controle und die Negierung der Philippinen genau bestimmen wird, die Stadt, die Bucht und den Hasen von Manila besetzt halten. 4) Cuba, Puerto Rico und die anderen Antillen werden un verzüglich geräumt werden. Die Commissare, die binnen zehn Tagen ernannt werden müssen, werden in Cuba und San Juan binnen 30 Tagen nach Unterzeichnung des Protokolles zusammen treten, um die Einzelheiten der Räumung zu vereinbaren. 5) Die Vereinigten Staaten und Spanien werden, jede der beiden Mächte höchstens 5 Commissare zn den Verhandlungen über den Abschluß des Friedensvertrages ernennen. Diese werden spätestens am l. Oktober in Paris zusammentretcn. 6) Sobald das Protokoll unterzeichnet ist, werden die Feind seligkeiten eingestellt. Eine entsprechende Anordnung wird so bald wie möglich durch die beiden Regierungen an die Commandeure der Land- und Seestreitkräfte ergehen. Hiermit schließt das Protokoll ab. Marinesecretair Long telegraphirte allen Flottenbesehls- babern, die Streitigkeiten einzu st eilen. KriegSsecretair Alger zeigte sämmtlichen Commanbeuren der amerikanischen Truppen telegraphisch die Unterzeichnung des Protokolls an und gab ebenfalls Befehl, die Feindseligkeiten einzustellen. Das Gefühl der Befriedigung darüber, daß das Blut vergießen in einem frevelhaft heraufbeschworenen Kriege nun endlich aufhören wird, ist zweifellos allgemein aber wir atbmen auch mit unfern Lesern auf, daß der Faden der Be- richterstnng, den mühselig zu spinnen und dem mitunter ge langweilt zu folgen, gleiche Ueberwindung kostete, nun doch ehr, als vielfach angenommen wurde, abläuft. Der AuSgang des Krieges ist der längst voransgesehene. Spanien ist unterlegen, unterlegen infolge schwerer unglaub licher Bersäumniß seiner Negierungen, eö blickt auf den Verlust feiner gejammten kricgsfähigen Flotte und verliert auch den letzten Rest seines einst so stolzen amerikanischen Kolonialbesitzes. Das Einzige, waS ihm davon übrig bleibt, ist die Asche des Columbus! Aber man sollte sie lieber nicht nach Madrid überführen, denn sie ist doch nur ein klägliches Symbol vergangener, auf immer entschwundener Größe. Spanien hat glorreiche Zeiten gesehen, da der Blick seiner Staatsmänner die Welt umspannte und der Arm seiner Feld herrn sie beherrschte, heute ist eS zu einer Macht dritten Ranges herabgedrückt, da es sich unwürdig gezeigt, das Erbe der Vergangenheit zu bewahren. Seit einem Jahrhundert und länger war seine Politik nur die der Ausbeulung des einst Gewonnenen, ein AuSruhen auf den Lorbeeren seiner großen Männer und im Uebrigen stolze Pose ohne wirkliche Kraft, hohle Phrase ohne thatsächlichen Inhalt. WaS die Einzelheiten deS PräliminarprotokolleS anlangt, so ist es nebensächlich, daß Amerika sich nicht mit Cuba und Puerto Rico begnügt, sondern auch noch die kleineren Antillen und die Ladronen mit Beschlag belegt. Sie haben keine Be deutung mehr, wenn die beiden Perlen Cuba und Puerto Rico verloren sind. Letzteres werden die Amerikaner besetzen und den Vereinigten Staaten angliedern. Was aus Cuba werden wird, ist noch nicht klar. Nach Mac Kinley'S Versprechen müßte die Insel als selbstständige Republik er klärt, nach dem Wunsche der Amerikaner aber ein integrirender Bestandtheil der Union werden. Letzteres scheint auch Spanien einer selbstständigen Regierung der Insurgenten vorzuziehen, denn man befürchtet, daß diese, wenn sie auf Cuba uach Belieben schalten können, an den dort verbleibenden Spaniern furchtbare Rache nehmen werden. Zweideutig bleibt indessen noch die Haltung, welche die Insurgenten der Union gegenüber einnehmen werden. Darüber, daß Spanien die Staatsschuld CubaS und Puerto RicoS auf seine Rechnung nehmen solle — eigentlich der Hauptdifferenzpunct bei den ganzen FriedenSverhand- lungen — schweigt das Protokoll. Es scheint also doch, daß die Washingtoner Diplomaten die Unmöglichkeit der Ueber- nahme solch bedeutender Passiva durch einen ohnehin schon bankerotten Staat eingesehen haben. Die „unverzügliche" Räumung der beiden Inseln wird doch so langsam vor sich gehen, daß etwas besonders Entwürdigen des für Spanien nicht darin erblickt werden kann. Dies Moment kann überhaupt kaum mehr in Betracht kommen, nach dem Spanien sich einmal unter das Protokoll deS Washingtoner Ministerrathes gebeugt bat, gebeugt in einem Augenblick, wo weder Havanna, noch San Juan, noch Manila gefallen waren. Spanien hat die Antillen preisgegeben. Daher sollte schon daS Schamgefühl zu schleunigster Räumung drängen. Die Philippinen sollen unter der Oberhoheit Spaniens bleiben, aber die Thatsache, daß Amerika ununterbrochen in San Francisco neue Truppen dort hin einschisft, scheint darauf hinzudeuten, daß die jenige amerikanische Partei, die von Erwerbungen auch außerhalb Amerikas träumt, die Oberhand behalten bat, und daß eine vollständige Räumung der Philippinen nicht zu erwarten ist. In irgend einer Weise werden die Ameri kaner sich dort auf einer oder der anderen der Inseln fest setzen, und Spanien ist jedenfalls nicht im Stande, ihnen Widerstand zu leisten. Diejenige Macht, die an den Philip pinen daS meiste Interesse hat, Frankreich, ist offenbar nicht gewillt, sein Wort hier in die Waagschale zu werfen, und die anderen Mächte, Deutschland inbegriffen, werden noch weniger geneigt sein, sich in die Verhandlungen zwischen Amerika und Spanien einzumischen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. August. Eine „Ironie der 'Zeitgeschichte" hat man eS genannt, daß am Sarge Bismarck s zwei Vertreter der Partei das Beileid des Reichstages zu übermitteln unternommen haben, die ihm zu Lebzeiten die geziemende Ehrung versagten. Die Parteikritik an dieser Fahrt der Centrumsabgeordneten vr. Spahn und vr. Bachem nach FriedrichSruh hat sich nun zu einer staatsrechtlichen Erörterung ausgewachsen, nämlich über die Frage, in welcher Weise überhaupt am richtigsten der Reichstag vertreten wird in einer Zeit, wo ein ReichStagS-Präfidtum überhaupt nicht vorhanden ist, weder ein altes noch ein neues, also wie jetzt nach er folgten Neuwahlen. Die „Franks. Ztg." vertritt darin folgende Auffassung, in der ihr die „Germania" zustimmt: „Man muß sich von vornherein klar machen", schreibt das ge nannte Blatt, „daß unter Umständen der jetzt gewählte Ausweg nicht möglich sein wird, nämlich dann, wenn kein Mitglied des alten Reichstags-Präsidiums wieder in den neuen Reichs tag gewählt wird. Woher also in solchen Fällen die geeignete Vertretung des Reichstags hernehmen? Bel der Beantwortung dieser Frage hat man ganz Len Ausweg übersehen, der uns der einzig gebotene zu sein scheint. Mau hat nämlich nicht daran gedacht, daß jeder Reichstag, auch vor seiner Constituirung, einen geborenen Präsidenten hat: das ist der Alterspräsident. Dieser hat die Verhandlungen bis zur Präsidentenwahl zu leiten, und dieser muß zweifellos auch nach «»ßen hin bis dahin als Reichs tagspräsident gelten. Augenblicklich bedarf es gar nicht erst der be sonderen Feststellung, wer der Alterspräsident des neuen Reichstags ist. Es ist der Centrumsabgeordnete Dieden, der schon seit Jahren als Alterspräsident fungirt hat, geboren am 17. Deccmber 1810. Herr Dieden ist in seinem alten Wahlkreise Wittlich-Bernkastel wieder- gewühlt, in ihm hat der neue Reichstag den wirklichen Repräsen tanten des Präsidiums, und er hat die unbestreitbare Befugniß, in geeigneten Fällen die Anordnungen zu treffen, welche eine nöthig werdende repräsentative Vertretung des Reichstages erheischt. Der Hinweis auf den Alterspräsidenten ist ein ganz gn'er Finoe-zeig kür die Zulunft, wenn auch Fälle, wie der in Rede stehende, sich nicht so leicht wiederholen werden." Die Behauptung, daß der Centrumsabgeordnete Dieden der wirkliche Repräsentant des neuen Reichstags sei und die unbestreitbare Befugniß, entsprechende Anordnungen zu treffen habe, ist doch recht anfechtbar, wie die „Magdeb. Ztg." zu treffend bemerkt, denn, wer zum Amte eines Alterspräsi denten berechtigt ist, kann auch nur in öffentlicher Sitzung des Reichstags und nicht auf Grund bloßer Zeitungsangaben festgestellt werden. Auch würden die Befugnisse des Alterspräsidenten damit erheblich erweitert werden. Der jetzige Vorgang und die angeführten Möglich keiten zeigen in jedem Fall, daß die Geschäftsordnung des Reichstags eine Lücke enthält, die ausgefüllt werden muß. So lange das nicht geschehen ist, und auch darin stimmen wir diesem Blatte zu, verdient der Abg. Spahn gewiß mehr Anerkennung als Tadel, wenn er, nachdem der frühere Präsident des Reichstags, Freiherr von Buol, kein Mandat mehr angenommen hatte und der frühere erste Vicepräsident Schmidt am Erscheinen in Berlin behindert war, in seiner Eigenschaft als zweiter Vicepräsident des Reichstags es auf sich genommen hat, dafür zu sorgen, daß nicht der Reichstag 'am Sarge deS großen Mitbegründers deS Reichs unvertreten bliebe. Seine Reise nach FriedrichSruh und die von ihm übernommene Mission mag formell anfechtbar sein, materiell ist sie berechtigt gewesen. Und die Jncorrectbeit, die durch die Lücke in der Geschäftsordnung hinreichend entschuldigt wird, kann durch eine nachträgliche Zustimmung des neuen Neicbstags leichter wieder gut gemacht werden, als das Fehlen des Reichstags bei Trauerkundgebungen, an denen sich die ganze Welt betheiligt hat. Die von uns mitgetheilte Eingabe der Deutschen Colonialgesellschaft an den Reichskanzler in Be treff unserer wcstafrtkanischcn Besitzungen stellt sich in ihrem ersten Theile als eine Kritik der englisch-französischen Ab machungen, in ihrem zweiten Thtile als Ausdruck von Wünschen und Forderungen dar, welche bezüglich der Begrenzung unserer Togo - Colonie und des deutschen Handels im Niger-Gebiet in colonialpolitischen Kreisen ge hegt werden. Leider wird man gestehen müssen, daß der erste Theil der Eingabe gewissermaßen post tostum kommt. Es ist gewiß richtig, daß die absolute Außerachtlassung der deutschen Ansprüche bei dem Austausche des auf dem linken Nigerufer gelegenen Gebietes von Gandu seitens der Engländer gegen ein bisher französisches Gebiet eine Rück sichtslosigkeit der Engländer darstellt, die nicht scharf genug getadelt werden kann. Trotzdem hegen wir nicht die in der Eingabe ausgesprochene Erwartung, baß die Neichsregierung gegen dieses Vorgehen Einspruch erheben wird. Der Zeit punkt dazu scheint uns nun einmal verpaßt zu sein. Die Versäumnisse, welche die Leitung unserer colo nialen Angelegenheit bis vor wenigen Jahren sich in Bezug auf die Sicherung der aus perfekten Verträgen zu folgernden deutschen Ansprüche in Gandu hat zn Schulden kommen lassen, lassen sich nicht wieder gut machen. Ein um so größeres Gewicht glauben wir aber auf die Wahrung unserer Interessen im Westen unserer Togo-Colonie legen zu sollen. Die von der deutschen Colonial gesellschaft ausgesprochene Erwartung, daß das bisherige neutrale Gebiet von Salaga und Aendi Deutschland zu gesprochen werden wird, halten wir "im Grunde genommen für selbstverständlich; auch die nördlicher gelegenen Gebiete von Gambaga und können unter dieser V, sctzung nur Deutschland zufalle». Worauf wir Hinweisen möchten, ist die Notbwendigkeit der Erwerbung des unteren linken Volta-UferS, um das uns die Engländer s. Z. förmlich geprellt haben. Dieses Gebiet hat für uns eine so außer ordentliche Wichtigkeit, daß daS Hauptaugenmerk unserer Unterhändler auf seinen Besitz gerichtet werden muß. Ohne den Volta würden die weiteren Erwerbungen im Togo-Hinter lande erheblich an Werth verlieren. Auf die im September bevorstehende Krönung der Königin der Niederlande, Wilhelmine, wird durch die aus Amsterdam kommenden Nachrichten leider ein Schatten geworfen. Wie wir meldeten, ist dort ein Ausstand unter den Arbeitern, insbesondere Zimmergesellen, auSgebrocken, welche bei den Vorbereitungen zu den KrönungS-Festlichkeiten beschäftigt sind. Der AuSstanv kommt nicht plötzlich, er scheint vielmehr sorgfältig vorbereitet. Socialistische Einflüsse spielen dabei eine hervorragende Nolle, da der Secretair des Streik-Comitös ein bekannter Socialdemokrat ist und die Socialisten im Lande allenthalben Meetings abhalten und eine lebhafte Agitation entwickeln. Handelt sickS um eine Lohnfrage oder um eine antidynastische Demon stration? Beides geht Wohl in diesem Falle, wie eS scheint, Hand in Hand; vornehmlich jedoch dürfte eine Störung Fenilletsir. In der Lrandung des Lebens. 7j Roman aus dem amerikanischen Westen. Von Theodor Eicke. Nachdruck verboten. XI. Dorothy war eben so wenig ein Freund von Geheimnissen wie ihr Vater, und seit jenem Abende, da Brant fortgegangen war, um den Verlorenen zu suchen, zeigten sich ihr Geheimnisse an allen Ecken und Enden. Sie fingen an mit Brant's kurzem Besuch und plötzlichem Fortgehen. Sie hatte seine Stimme in der Halle gehört und das Rauschen von Kleidern, als Jemand — ihre Mutter, wie sie vermuthcte — gegangen war, um ihn zu begrüßen. Von dem, was sich im Empfangszimmer zugctragen hatte, wußte sie gar nichts; ein paar Minuten später, als sie hinuntergegangen war, um die Beiden zu treffen, war er aus dem Zimmer herauS- zestürzt, hatte Rock und Hut vom Ständer gerissen und da- Haus, ohne sich noch einmal umzusehen, verlassen. So viel hatte Dorothy von ihrem Platze auf der Treppe gesehen, und*sie hatte auch wahrgenommen, daß e» erregt war. und daß sein Gesicht ausgesehen hatte wie das eines Mannes, über den plötz.'.ches Un heil gekommen ist. Als sie das Thor hinter ihm hatte zufallen hören, war sie in das Empfangszimmer gegangen und hatte es leer gefunden, und das, was ihr schon seltsam erschienen war, wurde ihr nun ganz unverständlich. War es denn möglich, daß er Anstoß daran genommen hatte, daß man ihn hatte warten lassen? Dorothy dacht« zunächst nicht darüber nach, ober als ein Tag nach dem anderen verging, ohne daß er wiederlam, wurde sie neugierig und richtete versteckte Fragen an ihr« Mutter. Sie empfing aus weichende Antworten, indem Mrs. Langford im Gefühl ihrer mütterlichen Ueberlegenheit es für unnöthig hielt, eine ihrer Töchter in die Angelegenheiten Brant's «inzuweihen. So wuchs Dorothy's Erstaunen immer mehr, und sie ver suchte mit unschuldigen kleinen Kniffen aus ihrem Vater etwas hcrauszulocken, der aber auch immer schweigsamer wurde. Bei Antoine hatte sie keinen besseren Erfolg, zumal sie ihr Glück an jenem Abend bei ihm versuchte, als er auf Isabel wartete, um sein Schicksal zu erfahren. Sie hörte nur, daß Brant noch in der Stadt sei und nicht daran denke, sie zu verlassen. Nach diesen Fehlschlägen machte sich Dorothy an ihren Bru der Will heran. Sie ging vorsichtig zu Werke, da sie Will's sonderbares Wesen kannte, war aber im höchsten Grade über rascht durch seine abweisende Haltung. „Aha!" sagte er höhnisch, „Du wunderst Dich, wo Mr. Brant bleibt. Geht Dich gar nichts an." „Aber, Will —" „Gieb Dir nur keine Mühe; ich weiß nicht, wo er ist, und kümmere mich auch nicht darum, so lange er sich von hier fern hält." „Aber Will, Du mußt doch einen Grund haben —" „Grund genug!" fiel er grob ein, „und damit ist's gut." Dann zündete er sich eine neu« Cigarette an und entzog sich schleunigst weiteren Fragen. Da Dorothy nichts von Harding's Erzählung wußte, so schrieb sie ihres Bruders Aerger einem natürlichen Gefühle des Grolls gegen einen verhältnißmäßig Fremden zu, der sich in seine Privatangeleg«nheiten gemischt hatte. Nichtsdestoweniger trug dieser Vorfall nur dazu bei, das Geheimniß, das den In genieur umgab, noch zu vergrößern und Dorothy's Interesse und Neugier zu steigern. Um diese Zeit bemerkte sie, daß eine auffallende Veränderung an Isabel vorging. Während die jüngere Schwester sonst das lebhafteste Mitglied der Familie war, begann sie jetzt eine Schweigsamkeit zu entfalten, di« nur noch von Will's Ver schlossenheit übertroffen wurde. Von Tag zu Tag verbrachte sie weniger Zeit an ihrer Staffelei, und zwei Mal hatte Dorothy sie überrascht, wie ihre Augen roth waren von Thränen. Auf der Schwester eindringliches Fragen gab sie keine genügende Antwort. Als die Spannung fortwährend zunahm, ging Do rothy wieder zu ihrer Mutter, entschlossen, der Sache mit Be harrlichkeit auf den Grund zu kommen. Sie wählte die Zeit so, daß die Mutter ihr nicht ausweichen konnte. „Wie soll ich dos wissen, Kind?" war der Mutter Antwort auf die Frage wegen Jsab«l's. „Ich habe nichts Auffallendes an ihr bemerkt." „Aber es ist etwas auffallend", wiederholte Dorothy, „sie ist seit einiger Zeit ganz antxrs. Sie sieht bekümmert auS, si« malt nicht mehr, und zwei Mal habe ich sie weinen sehen." „Nun, ihr wird wohl wieder einmal ein Gemälde Kopf zerbrechen machen", antwortete MrS. Langford wenig theil- nahmsvoll. „Wenn sich das Kind doch damit nicht so quälen wollte! Etwas Fertigkeit ist ja ganz hübsch, aber sie muß es nicht übertreiben. Für Harry genügt es vollkommen." Dorothy war davon allerdings nicht so ganz überzeugt, aber sie ging nicht weiter darauf ein, und fragte im Anschlüsse an Antoine's Erwähnung: „Weißt Du nicht, ob sie mit Antoine Streit gehabt hat?" „Das ist schon möglich, das war ja schon immer so seit ihrer Kindheit." „Aber es könnte einmal ernstlich geworden sein." „Unbesorgt", sagte die Mutter leichthin. „Isabel hält viel mehr von ihm, als sie jemals zugegeben hat; und was Harry anbe trifft, so würde ich eher glauben, dw Welt ginge unter, als daß er sie aufgäbe." Dorothy schwieg hierüber, wenn sie auch nicht überzeugt war. „Das war das Eine, worüber ich zu sprechen wünschte, Mama", sagte sie dann, „aber es giebt noch mehr. Ich möchte wissen, was letzthin über untz Alle gekommen ist. Wir scheinen uns Alle im Dunklen zu bewegen und Einer vor dem Anderen etwas zu verbergen. Wo liegt das Geheimniß und weshalb darf ich es nicht wissen?" „Geheimniß! Unsinn, Kind, es giebt kein Geheimniß!" „Doch, Mama", sagte Dorothy. „Mr. Brant erweist uns eine Freundlichkeit und verläßt uns an demselben Tage; wenn ich darüber mein Erstaunen ausspreche, weisest Du mich ab, Vater ist taub und Will wird grob. Auf eine höfliche Frage an Harry bekomme ich auch eine abstoßende Antwort. Jetzt macht Isabel ein Kummergesicht und sagt nichts, kurz, wir scheinen uns Alle zu einer Familie von Grillenfängern zu ent wickeln. Was bedeutet das Alles? Warum kommt Mr. Brant nicht mehr zu uns?" Mrs. Langford zog ein vielsagendes Lächeln auf. „Mr. Brant hat wahrscheinlich seine eigenen' Gründe, daß er nicht kommt, und sie sind zweifellos gut." „Weshalb meinst Du das? Kennst Du sie denn?" fragte Dorothy, entschlossen, nicht locker zu lassen. Die Frage war klar und deutlich, aber die Mutter wich ihr geschickt aus. „Ich! Welch' eine Frage. Mr. Brant wird mich doch nicht in seine Geheimnisse einweihen." Für einen Augenblick hatte Dorothy das Gefühl, als ob sie aus Mücken Elephanten gemacht hätte, und sie zog sich zurück. Als sie aber allein war, nahmen dir Verlegenheiten wieder die alte Gestalt an. Isabel sollte ihr schließlich den Schlüssel zu einer überraschenden Lösung des Geheimnisse- geben. Die Schwestern hatten nebeneinander liegende Schlafzimmer, die durch eine Thür mit einer PortiSre verbunden waren. AIS Dorothy von ihrer Mutter Zimmer zu ihrem eigenen ging, fand sie die PortiSre herabgelassen, was nie vorher geschehen war. Dorothy fühlte sich verletzt, aber sie war zu stolz, eine An näherung zu versuchen, di« nicht gewünscht war. Mit thränen- den Augen ging sie zu Bett und mit einer wunden Stelle in ihrem Herzen, in dem der Schmerz viel größer war, als sie äußerlich zeigte. Gerade als sie einschlafen wollte, sah sie, wie die PortiSre sich bewegte und Isabel in das Zimmer schlich und leise an der Seite ihres Bettes niedcrkniete. Dorothy rührte sich zuerst gar nicht, aber als ihre Schwester ihr Gesicht in die Kissen ihres Bettes vergrub und zu schluchzen begann, fand ihr Mit gefühl schnell Worte. „Was fehlt Dir, Isabel?" fragte sie und schlang einen Arm um ihrer Schwester Hals. „Alles", sagte Isabel. „Aber was denn, mein Herz? Kannst Du es mir nicht an vertrauen?" Isabel schüttelte den Kopf. „Bist Du in Noth wegen eines Gemäldes?" „Ach nein, es ist viel schlimmer", sagte Isabel traurig. „Dann muß es wohl wirklich schlimm sein. So erzähl' mir doch, mein liebes Herz." „Da ist nicht viel zu erzählen. Er ist gegangen — ich habe ihn fortgeschickt, und er wird nie wiederkommen", sagte mit tiefem Schluchzen Isabel. Dorothy seufzte erleichtert auf. So war es also nichts als ein Zwist zwischen Isabel und Harry — der letzte von so vielen vorhergehenden, vielleicht etwas ernstlicher, aber schließlich doch nicht mehr. Die Wunde würde schon von selbst heilen; dennoch beeilte sie sich, den Wein und das Oel des Mitgefühls hinein- zugießen. „Weine nicht, Liebste, er wird wiederkommen", sagte sie. Isabel schüttelte heftig den Kopf. „Nein, er wird es nicht — der Mann nicht, den ich fort schickte. Harry, der gutmllthigc und eigensinnige Junge, mit dem wir unseren Scherz hatten, der wäre wohl wiedergekommen, aber dies war nicht Harry, dieser stolz« Mann, den ich jetzt erst kennen gelernt habe. Der wird es nicht mit einem Lachen von sich abschütteln und wiedcrkommen, als wenn nichts passirt wäre; ich weiß es gewiß." So sprach Isabel und dachte dabei nur an die Veränderung, die bei ihrem schnellen Stimmungswechsel mit ihrem Liebhaber vorgegangen war; und Dorothy, die plötzlich eine wesenlose Furcht mit kaltem Schauder erfüllte, konnte nur mechanisch wiederholen: „Er wird wiederkommen — fürchte nichts, Bella." „Ich möchte, ich könnte es glauben, aber ich kann es nicht. O, Dorothy, wenn Du sein Gesicht gesehen hättest, als er fort ging! Ich werde seinen Blick nicht vergessen — auch nicht, wenn ich hundert Jahre alt würde!" Vor Dorothy's Augen tauchte daS Bild einer Mannes auf,
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