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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980830024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898083002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898083002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-30
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Größere Schriften laut unserem Preis« vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen«Ausgabe, ohne Postbesörderunz 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. Avnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Msrgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 439. Dienstag den 30. August 1898. 82. Jahrgang. Der russische Vorschlag. . —S- 2m Allgemeinen faßt die deutsche Presse den Friedens ¬ appell des Zaren in dem Sinne unserer Auslassungen zu der hochbedeutsamen Angelegenheit auf. Ueberall freudiges Erstaunen, Aeußerungen der Sympathie für den edelmüthigen Fürsten auf dem russischen Zareuthron und der herzliche Wunsch, daß sein hehres Ideal sich verwirklichen möge, aber überall auch die bald versteckte, bald sehr offen ausgesprochene Besorgniß, daß das Ziel zu hoch sei, als daß cs mit menschlichen Mitteln sich erreichen lasse. Tie Ansicht, daß in der Hauptsache Alles auf die Haltung unserer unruhige», rachedürstigen Nachbarn im Westen ankommen werde, finden wir ausnahmslos aus gesprochen. Auch nach den uns heute vorliegenden Pariser Telegrammen hat daS Schreiben des Zaren in Frankreich im höchsten Grade allarmirend gewirkt. Man ist fassungslos und ringt nach Athen,. Am Sonnabend begab sich der Minister des Aeußeren Delcassö, der an diesem Tage offenbar schon im Besitze des Rundschreibens war, nach Havre und hatte dort eine Unterredung mit dem Präsidenten Faure. Erst am Montag kehrte er nach Paris zurück. Man trifft wohl mit der Annahme nicht daneben, daß der Schritt des Zaren der Gegenstand ernster und eingehender Unterhandlungen zwischen beiden Staatsmännern war. Nach dem „Eclair" wird der Ministerrath sich demnächst mit dem Ereignis) beschäftigen und Drumont kündigt an, er werde den Minister des Aeußern sofort nach demZusamuientritte der Kammer über die auswärtige Politik interpelliren. Daß bei dieser Gelegenheit die Wogen der Leidenschaft hochgchen werden und Zwischenfälle sensationellster Art nicht ausgeschlossen sind, versteht sich von selbst. Die Blätter besprechen fortgesetzt den Borschlag. Fast alle erklären, Frankreich müsse dem Princip der Eonferenz zustimmen, viele meinen jedoch, dem AbrüstungS- project müsse eine Umgestaltung Europas vorangehen. „Malin" bemerkt, diese Umgestaltung sei eine Utopie, folglich se, eS auch die Abrüstung und der „Gaulois" sagt: „Zwei Fragen müssen vorher geregelt werden, die elf äs fisch e und die egyptische." Der Zar wird sich Wohl nicht verhehlen, daß er mit seinem Vorschlag in ein Hornissennest gestochen hat, das, wenn überhaupt, nicht sobald sich beruhigen wird. Er setzt viel aufs Spiel, denn er riSkire einen Bruch der intimen Beziehungen der Republik zum Zarenreiche, ja irgend Jemand hat cs schon ausgesprochen, er provocire ihn, um von Frankreich lcSzukoinmeu, mit Oesterreich und Deutschland ein neues Drei-Kaiser-Bündniß aufzurichten und so der Welt eine noch größere Garantie für den Weltfrieden zu geben, als es an der Seite der ruhelosen Republik möglich war. Man vergißt dabei nur eines. Ein Abrücken Rußlands von Frank reich würde sofort eine Annäherung Englands an den süd lichen Nachbar zur Folge haben, der dann sicher gegen geeignete, gern gewährte Concessionen und Versprechungen für die „Zukunft" zu einem Verzicht auf Egypten zu bewegen wäre. Dann wäre England aus seiner splenckick Isolation heraus, Rußland hätte seinen letzten Trumpf aus der Hand gegeben und müßte außerdem noch mit der Wahrscheinlich keit rechnen, auch die Vereinigten Staaten und Japan auf Seite F-ttilletsn. In der Gründung des Lebens. 21 j Roman aus dem amerikanischen Westen. Bon Theodor Eicke. Nachdruck verboten. XXX. Als Antoine Voltamo um 2 Uhr Morgens erreichte, war sein Erstes, den Telegraphisten in Denver anzurufen und sich Bericht erstatten zu lassen über die Konferenz bei Forsyth. Der Richter hatte sein Versprechen gehalten und dem Beamten einen umständlichen Bericht gegeben von Allem, waS vorge gangen war; und Antoine schloß die telegraphische Unterhaltung mit leichterem Herzen, als er es seit diklen Tagen gehabt hatte. Allerdings hing ja noch Alles von der Ergreifung Gaffet's ab, aber darüber setzte sich der gesegnete Optimismus der Jugend leicht hinweg. Inzwischen hatte das Netz, das so prompt durch den Telegraphen ausgeworfen worden war, den Mörder schon in seinen Maschen. Gasset hatte sein Schicksal der Bestimmung des Zufalles an vertraut, indem er ein Geldstück in die Luft warf. Lag der Kopf oben, so wollte er sich in der bunten Menge verlieren, welch« die Straßen und Gassen von Leadville bevölkert; warf er Wappen, so wollte er auf einer einsamen Station in den Bergen aus steigen, von wo er zu Fuß seinen Weg nach einer der entlegenen Anst velungen machen konnte. Kopf gewann, und al» er am zweiten Tage seines Aufenthaltes in Leadville aus den Zeitungen erfuhr, daß sein schlecht gezielter Schuß ihn von einem höchst unbequemen Spießgesellen befreit hatte, ohne sein« beabsichtigte Rach« an Brant zu verderben, da triumphirte er offen und zeigte sich vor allen Leuten, in der festen Ueberzeugung, daß er seiner bösen Stunde glücklich entronnen wäre. Indessen war das Telegramm, das eine Belohnung für seine Verhaftung aussetzte, kaum «ine Stunde in Leadville, als ein seines HauptgegnerS zu -treffen. Alle diese Erwägungen be stärken uns in der Ueberzeugung, daß die gute Absicht des Zaren ohne nennenSwerthen Erfolg bleiben wird. Der „Pester Lloyd", der durch die Kungebung im Petersburger „Regierungsboten" sehr enthusiasmirt ist — wir geben seine Aeußerungen an anderer Stelle ausführlicher wieder — sagt am Schluffe seines Eominentars: „Wenn man eine Macht wie Rußland für die FricdenSidee ein treten sieht, so zeigt daS, daß diese bisher in daS Reich der Träume verwiesene Idee mindestens spruchreif geworden ist." Das ist richtig, aber wir fürchten: spruchreif nicht nach der positiven, sondern nach der negativen Seite. Gelingt es dem Zaren nicht, die Abrüstungsidee zu verwirk lichen — und eS wird ihm schwerlich gelingen — dann ist sie überhaupt für immer abgethan. Aber vielleicht wächst sogar aus der schönen Saat noch eine schlimme Ernte. Die Pariser „Aurore" bemerkt, „daß von allen Mächten gegenwärtig Rußland den meisten Grund besitze, einen bewaffneten Conflict zu scheuen". Daran ist etwas Wahres. Niemand wird bestreiten, daß das A und O der russischen Politik in den letzten fünf Jahren darin bestanden hat, jeden kriegerischen Zusammenstoß, namentlich aber den Entscheidungs gang mit England so lange hinauszuschieben, bis seine großartig angelegten nothwendigen Rüstungen vollendet sind, wozu auch der Ausbau der transsibirischen Bahn ge hört. Verbreitet sich in England die schon ausgesprochene Annahme, daß Rußland im gegenwärtigen Augenblick einen Entscheidungskampf fürchte, und daß,um ihn hintaizzuhalten, der Zar die Weltfriedensglocke läute, so kann der Stein eher ins Rollen kommen, als man bisher, namentlich auch in Peters burg, angenommen batte. Die FriedenSconferenz wird ja wohl zu Stande kommen und auch Deutschland wird sie beschicken, aber wir werden sicherlich nicht die ersten sein, die abrüsten. Das wäre Sache Derer, welche fortgesetzt eine Bedrohung des Weltfriedens sind, und um deren willen wir, der Noth gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, bis au die Zähne bewaffnet auf dem gui vivo stehen. Von einer Herausgabe Elsaß-Lothringens kann, wie wir schon gestern ausführten, absolut keine Rede sein, aber angenommen selbst den unmög lichen Fall, Deutschland würde sich dazu verstehen, das, WaS eS nach Recht und Gerechtigkeit in seinem großen Kriege erstritten, wieder auSzuliefeäi, würde dann, so fragen wir mit der „Kölnischen Zeitung", nicht mit demselben Scheine des Rechts wie Frankreich eine ganze Reihe andere Staaten aus den Plan treten und Rückerstattung ihres ehe maligen Eigenthums fordern? Würde nicht Spanien ver langen können, daß ihm Cuba, Puerto Rico und die Philippinen als Eigenthum bleiben, und China, daß Japan ihm Formosa herauSgebe; würden dann nicht folgerichtig alle Friedens verträge der letzten 25 Jahre revidirt werden müssen? Und warum, nachdem der Anfang einmal gemacht wäre, bei diesem Zeitraum stehen bleiben? Mit welcher Berechtigung ließe sich dann die Forderung abweisen, daß die an der Schwelle des neuen Jahrhunderts zusammentretende Conferenz deS Welt friedens gleich daS Werk des ganzen verflossenen Jahrhunderts revidire, so daß am Ende Preußen aus Petersburg ärger Polizeibeamter ein friedliches Kartenspiel in einer bekannten Spelunke störte und den Gewinner, einen starkknochigen Mann in einem schäbigen Anzuge von Pfeffer- und salzfarbigem Stoffe, festnahm. Gasset übergab sich vertrauensvoll, da er die Anklage, die man gegen ihn erhob, nicht kannte, und da er die Möglichkeit der Flucht nicht aus dem Auge ließ, so leistete er keinen Widerstand, der die Handschellen in Anwendung gebracht haben würde. Alles ging gut, bis der Beamte, der weniger discret war als sein Ge fangener, diesem erzählte, wessen man ihn beschuldigte, worauf dann der Einbrecher die Zähne zusammendiß, seinem Begleiter einen geschickt geführten Faustschlag ins Gesicht versetzte und in wilder Flucht davonstürzte. Der Polizist nahm, ohne auf seinen gebrochenen Unterkiefer zu achten, schleunigst die Verfolgung auf und feuerte schnell mehrere Schüsse hinter dem Flüchtling her, doch Gasset entkam unverletzt und verlor sich in den Gaffen und Winkeln der unteren Stadt. Als die Verfolgung schließlich allgemein wurde, war er schon aus der Stadt heraus und in den nahen Bergen ver schwunden. Hier hätte er ruhig etwas rasten können, doch er eilte weiter über den Höhenzug fort auf die andere Seite, bis er endlich matt und athemlos in einem Fichtenwäldchen, dicht bei der Eisenbahnstation Malta, landete. Nachdem er so di« unmittelbare Gefahr hinter sich hatte, warf er sich unter den Bäumen nieder, um sich mit der Frage seiner gefahrvollen Zukunft zu beschäftigen. Verschiedene Wege standen ihm offen, und nach längerem Nachdenken beschloß er, sich der Eisenbahn anzuvertrauen, indem er die Möglichkeit besseren Fortkommens und die geringeren Entbehrungen höher anschlug als die größere Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und Ver haftung. Ein nach dem Osten gehender Güterzug, der gerade langsam durch die Ebene der Station zukroch, beschleunigte seine Ent scheidung; er eilte zu der Station und kletterte unbemerkt in einen leeren Gepäckwagen hinein. Augenblicklich dachte er nur daran, eine möglichst große Ent fernung zwischen sich und seinen letzten Aufenthaltsort zu bringen, aber al» die Morgensonne die westlichen BergeSgipfel zerzaust nach Hause käme als von Olmütz oder Tilsit? Es ist also schon der unabsehbaren Folgen wegen, die eine Revision deS Frankfurter Vertrages nach sich ziehen würde, ausgeschlossen, daß eine Conferenz, die „eine Weihe der Grund sätze LeS Rechts und der Gerechtigkeit" sein soll, Frankreich und den Franzosen eine Bevorzugung gewähre, die sie andern vorcnthaltcn muß. Aus Berlin wird unS noch zu dem russischen Ab- rüstnngsvorschlag geschrieben: zz Vor etwckvacht Tagen hat ein westdeutsches Blatt seiner patriotischen Beklemmung über die angebliche Thatsache, daß das Berliner Auswärtige Amt während oder wegen der Ab wesenheit des Stcratssecretairs v. Bülow im tiefsten Sommer schlafe liege, Ausdruck geben zu müssen geglaubt. Die Klage schien von vornherein unbegründet, Urlaubsreisen von Diplo maten bringen die Diplomatie nicht zum Stillstand, auf Er kundigungen an unterrichteter deutscher Stelle wurde aber sogar die überraschende Auskunft, daß im geraden Gegentheil zu der jenem vublicistischen Bedauern zu Grunde liegenden Vorstellung die auswärtige Politik außergewöhnlich bewegt sei und wichtige Dinge sich vorbereiteten. Gemeint war ohne Zweifel oer nun mehr erfolgte und der Öffentlichkeit bekannt gegebene Vor schlag der russischen Regierung auf Berufung einer — ein richtiges Wort ist, weil die Bestimmung noch nicht ganz klar ist, schwer zu finden — internationalen Wehrbemessungsconferenz, und aus den erwähnten Andeutungen von deutscher Seite läßt sich — um das vorweg zu nehmen — der Schluß ziehen, daß unsere Regierung von der russischen Einladung nicht überrascht worden ist. Ueber die Tragweite und den etwaigen weltpolitischen Hintergrund der russischen Action Speculationen anzustellen, er klären wir uns außer Stande. Es kann sich in diesem Augen blick nur darum handeln, eine unbefangene Commentirung der „Mittheilung" an die auswärtigen Vertreter in Petersburg zu versuchen, und auch in Erfüllung dieser Aufgabe wird man sich hüten müssen, in das ohne Frage hochbedeutsame Aktenstück nach subjectiven Eindrücken „hinein zu geheimnissen". Vielleicht — die Anregung wird ja ausdrücklich auf den Zaren, einen jugend lichen Herrscher, zurückgefiihrt — steht die Welt heute lediglich vor einem Ausfluß idealistischer Weltanschauung, vor der Hand lung edlen Ehrgeizes eines mächtigen Fürsten, der durch die Ver wirklichung des großen Gedankens des „Weltfriedens" dem „kommenden Jahrhundert" den Stempel seines Namens auf zudrücken versucht und sich bescheidet, wenn das für den hoben Zweck empfohlene Mittel sich als unanwcndbar oder untauglich erweist. Indessen der Plan, zu einer Verständigung über den Um fang der Rüstung jedes einzelnen Großstaates zu gelangen, hängt zu eng mit den universalen Machtfragen zusammen, als daß die Vermuthung naheläge, die Berather des Zaren Nikolaus hätten für den Fall der Ablehnung seines Vorschlages oder den eines ergebnißlosen Ausganges der beantragten Conferenz die Anerkennung des diplomatischen 8tat»8 czuo ante in Aussicht genommen. Die vollkommen ungetrübte Zuversicht, daß der Zweck der Einladung werde erreicht werden, vermag man aber aus dcm Wortlaute der russischen Note nicht herauszulesen. Wenn auch die Ueberzeugung ausgesprochen wird, dos erhabene End ziel der Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens und der möglichen Herabsetzung der übermäßigen Rüstungen entspreche den „wesentlichsten Interessen und den berechtigten Wünschen aller Mächte", so heißt es doch vorher, diese beiden Ziele stellten sich der ganzen Welt als Ideal dar, auf das die Bemühungen aller Regierungen gerichtet sein „müßten". Da der Telegraph den Wortlaut der Note in der directen Rede mit- getheilt hat, so liegt dem Verlassen der bestimmten Aussage weise dort, wo die Regierungen der „ganzen Welt" gegenüber gestellt werden, wohl ein Zweifel zu Grunde, und da dieser Stelle die Versicherung folgt, „das humane und hochherzige vergoldete, dachte er daran, daß er nicht hoffen konnte, noch lange in dem Wagen uncntdeckt zu bleiben. Er beschloß deshalb, den Zug bei der nächsten Haltestelle zu verlassen und dort auf den nach Osten gehenden Personenzug zu warten. Das that er auch, wobei es ihm glückte, wieder unbemerkt zu bleiben und sich bis zur Ankunft des Zuges zu verbergen, in den er dann schnell ein stieg. Er sollte aber nicht lange in Ruhe bleiben. Der Zug führer sah ihn mit verdächtigen Augen an, nahm sein Fahrgeld und kam bald darauf zurück, um sich mit Gasset in ein freund schaftliches Gespräch einzulassen, das sich indessen zu einer Art von Kreuzverhör gestaltete, das den Flüchtling mit Furcht erfüllte. Schließlich ging der Zugführer seinen Geschäften nach, aber Gasset bemerkte mit Schrecken, daß der Schaffner sich sofort vorn in dem Wagen aufstellte, ein Vorgehen, aus dem er schloß, daß er schon unter Beobachtung stand. Seine Annahme war voll kommen richtig. Seit dem frühen Morgen waren die Drähte in Thätigkeit, und da die Eisenbahn für einen Flüchtling in erster Linie in Frage kommt, so war jeder Bahnbeamte auf den Aus guck nach Gaffet, und der Zugführer, der wußte, was für eine Belohnung ausgesetzt war, gratulirte sich schon zu seinem Glück. Voltamo war die nächste Station, wo rin Polizribeamter war, und dorthin telegraphirte er bei erster Gelegenheit. Antoine war im Telegraphenbureau, als die Botschaft an kam, und er übernahm es sofort selbst, dafür zu sorgen, daß der Sheriff der Stadt mit einigen Beigeordneten bei Ankunft deS Zuges auf dem Bahnhofe war. Ein kleiner Haufen von Neugierigen, die wußten, was vor gehen sollte, hatte sich mit dem Sheriff und seinen Beigeordneten eingefunden, und Aller Augen waren auf den herannahenden Zug gerichtet. Am oberen Ende der Station lag auch noch ein nach dem Westen bestimmter Güterzug, der nur darauf wartete, daß der Personenzug vorbei war. Der letzter« lief langsam ein, und der Zugführer sprang herunter und lief auf den Sheriff zu. „Ich habe ihn! Er ist im vordere» End« de» Rauchwagens!" rief er, und der Sheriff stürzte nach der «inen Grit« des Wagens, während die Beigeordneten den ander«» Ausgang brsrtzten. In dessen, sehr zum Erstaunen der drei Leute, trafen sie sich in der Streben des Zaren sei ganz dieser Aufgabe gewidmet", so ist es nicht ausgeschlossen, daß hier auf das Bestehen eines Con- trastes hingedeutet werden soll. Doch kann Letzteres nur Gegenstand einer Vermuthung sein, wie es auch nicht klar ist, ob der Satz: „Sie (die Conferenz) würde in einem mächtigen Bündel die Bestrebungen aller Staaten vereinigen, welche aufrichtig bemüht sind, die großen Gedanken des Weltfriedens triumphiren zu lassen über alle Elemente des Unfriedens und der Zwietracht, in der That alle Staaten im Auge hat, oder ob er einen Unterschied macht zwischen Staaten, welche aufrichtig um den Welt frieden bemüht sind, und Staaten, von denen dies nicht gelten soll, und die vielleicht sogar den Elementen des Unfriedens und der Zwietracht zugezählt werden könnten. Die Sprache der „Mittheilung" zeigt vom Anfang bis zum Ende eine sehr lebhafte Färbung. Dieser Umstand dürfte es aber doch nicht ausreichend erklären, daß das diplomatische Akten stück dazu schreitet, die Gefahr, welche in der Kriegsstofs ansammlung liege, mit pathetischem Nachdruck hervorzuheben und für den Fall, daß die „Lage sich noch weiter so hinzieht", ein- „jeden Menschen schon bei dem bloßen Gedanken schaudern machende" kriegerische Katastrophe, nicht etwa als möglich sondern als u n v e r m e i d l i ch zu bezeichnen. Dieser Gedanke ist schon häufig laut geworden, aber in dem Rundschreiben einer der stärksten Großmächte an die Regierungen ausgesprochen, ge winnt er den Charakter einer inhaltsschweren politischen Er klärung. Welche Umstände der russischen Regierung den gegenwärtigen Augenblick als einen für internationale Vereinbarungen über die Kriegsmacht der europäischen Staaten „äußerst günstigen" er scheinen lassen, ist nicht bekannt. Graf Murcewjew hat wohl gute Anhaltspuncte für diese seine Annahme und sicher ist jeden falls so viel, daß die eng begrenzten HeereSreformcn, welche die deutsche Regierung in Angriff zu nehmen im Begriffe siebt, kein Hinderniß für künftige Abmachungen bilden, denn in Deutschland handelt es sich zur Zeit nur um Ergänzungen inner halb des bestehenden militairischen Rahmens. Es liegt übrigens auch gar nicht im Bereiche der Möglichkeit, daß die russische Re gierung die Absicht haben könnte, die Ausführung gefaßter inncrpolitischec Entschließungen den Deutschen zu erschweren, und dies selbst dann nicht, wenn die den weiteren Neubau von Kriegsschiffen beabsichtigende nordisch- Großmacht nicht zufällig sich in derselben Lage wie Deutschland befände. Bestehende Pläne werden der Gunst des Augenblicks, wie sie die russische Regierung erkannt haben will, überhaupt nicht im Wege stehen können. Aber auch mit dieser Beschränkung ist die Möglichkeit, daß nicht alle Regierungen den jetzigen Zeitpunkt für Rüstungsabmachungen geeignet erachten, sehr wohl vereinbar. Es stehen solchen Vereinbarungen große Schwierig keiten entgegen, und von diesen spricht die „Mittheilung" des Grafen Murawjew überhaupt nicht. Vor allen Dingen kommt die Länge der aus geographischen oder politischen Ür fachen schutzbedürftigen Grenzen in Betracht. In dieser Hinsicht ist bekanntlich kein festländischer Großstaat gün stiger gelegen als Rußland und Frankreich, keiner ungünstiger alc> das deutsche Reich. Gleicherweise stellt die Sicherheit der Küsten die verschiedenen Staaten, insbesondere aber die Staaten mit großem überseeischen Besitz vor verschiedene Auf gaben. Wenn nun eine internationale „Herabsetzung" oder auch nur die Herbeiführung eines Stillstandes in den Rüstungen — die Note faßt Beides ins Auge — ver einbart werden soll, was irgend ein Staat um seines Bestandes willen nicht zugestehen darf, so ist unter so manchen anderen Möglichkeiten auch die gegeben, daß man diesen Staat als einen vor der ganzen Welt ins Unrecht gesetzten Unfri-dfertigcn behandelt. Die von der russischen Note dem Arsenal der Friedenskongresse entlehnte, im Tone stark demokratisirende und in der Sache übertreibende Schilderung der durch die gegenwärtigen Rüstungen geschaffenen Lage der Nationen verbietet es förmlich an diese Eventualität nicht zu denken. Die Schilderung liest sich wie ein Appell an die öffentliche Meinung der Welt, Mitte des Wagens ohne ihre Beute. Da war etwa ein Dutzend Passagiere auf den Bänken, aber keiner entsprach nur entfernt dem Steckbrief. Der Sheriff zog ein Fenster auf und rief dem Zugführer zu: „Kommen Sie her und zeigen Sie uns den Mann!" Der Zugführer eilte schnell herbei. „Bei Gott! Er ist fort! Da auf der zweiten Bank hat er noch gesessen, zwei Minuten, ehe wir einfuhren!" „Jetzt ist er jedenfalls nicht mehr hier", sagte ärgerlich der Sheriff, „lassen Sie den Zug warten, bis wir ihn durchsucht haben." Da in Voltamo die Maschine gewechselt wurde, so hatten Vie Beamten Zeit genug, jedes nur mögliche Versteck in dem Zuge abzusuchen, aber vergeblich. Antoine war wüthend über die Nachlässigkeit des Zugführers und fuhr ihn hart an; dann wandte er sich an den Sheriff: „Es thut mir leid, daß ich Sie vergeblich herausgeholk habe. Was mag nur aus dcm Kerl geworden sein? Oder meinen Sie, er sei überhaupt nicht dagewesen?" „O doch, er war ganz gewiß da; ich sprach mit verschiedenen Passagieren, die ihn alle gesehen haben. Aber sehen Sie doch mal dorthin — fällt der Mann eben vom Magen herunter und thut sich nichts dabei!" Antoine blickte sich um und sah viel mehr als der Sheriff. Der Güterzug hatte gewartet, bis der Personenzug ausgefahren war. Gerade als der Sheriff zu Antoine sprach, zog er an, und infolge des plötzlichen Ruckes flog ein Mann, der sich oben auf dem Dache festgehalten hatte, im Bogen hinunter. Sofort war er aber wieder auf den Füßen und stürzte auf eine Draisine los, die auf einem Seitengleise stand. Als Antoine das sah, schrie er: „Das ist unser Mann! Schießen Sie ihn flügellahm oder er entwischt uns — dort am anderen Ende ist eine Sicherhritsweiche!" Inzwischen hatte sich der Mann in rasender Schnelligkeit auf die Draisine geschwungen und die Maschine in schnellste Be wegung gesetzt, während der Sheriff und seine Beigeordneten in aller Ruhe ihre Revolver zogen und hoben. Sie brauchten sich izjicht zu eilen, der Flüchtling kam ja an ihnen vorbei, und sie
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