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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980917018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898091701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898091701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-17
- Monat1898-09
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Lrößer» Schriften laut unsere« Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und Ztfsernsatz nach höherem Tarif. Extra»Beilagen (gesalzt), au« mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbrförderuug 60.-, mit Postbesördrrung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ilbend«Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anreisen sind stet» an di, Expeditta» zu richten. Druck und Verlag von E. Poltz tu Leipzig 472. Sonnabend den 17. September 1898. 82. Jahrgang. Ein bedenklicher Schritt. K Das aus Anlaß der Ermordung der Kaiserin Elisabeth von den Vorständen vier großer industrieller Vereinigungen an den Kaiser gerichtete Telegramm hat mehr Befremden erregt, als aus der Presse bisher ersichtlich geworden ist. Die anfängliche Zurückhaltung der Zeitungen ist erklärlich genug. Jene Kundgebung ist aus der Empörung über die Genfer Echandtthat und aus der gerechtfertigten Besorgniß vor der Wiederholung ähnlicher Verbrechen herausgewachsen; sie ent sprang somit Gefühlen, die allen Nichtrevolutionären der Welt gemeinsam sind. Das von den Herren v. Haßler, ServarS, Lueg und Jencke unterzeichnete Telegramm regt jedoch Fragen an, die jenem Anlaß so fremd sind, daß Einwendungen die Har monie des LölkerschmerzeS und des Völkerzornes nicht zu stören vermögen. In der Sache kann es auf sich beruhen, wie die Industriellen, in deren Auftrag die genannten Herren sich an die Krone gewendet haben, den Kampf wider die Feinde der staatlichen und sittlichen Ordnung, den sie zu unterstützen geloben, ungefähr sich vorstellen. Denken sie an internationale Polizeimaßnahmen gegen die Anarchisten, so wird es vermuthlich ihrer Beihilfe selbst dann nicht be dürfen, wenn die Jnternirung notorischer einheimischer Anhänger der Propaganda der Tbat in Aussicht genommen sein sollte, also der Reichstag mit zu sprechen hätte. Und schwebt den Vorständen der vier Jndustriellenvereinigungen ein Socialistengesetz, mithin die Auslösung des Reichstags vor, so kann einen solchen Plan auch der würdigen, der sich von seiner Inangriffnahme keinen Erfolg verspricht. Soweit also solche Ziele in Betracht kommen, ist eine Kritik zur Zeit nicht von Nötben. Das Telegramm an den Kaiser bedient sich aber Formen, die, wenn im öffentlichen Leben eingebürgert, unerfreuliche Folgen, vor Allem für das Bürger- thuin im engeren Sinne, mit sich bringen müßten. Seine Urheber wenden sich in einer Frage der Gesetzgebung unmittelbar und unter Umgehung des verantwortlichen Reichs kanzlers an den Monarchen. Dieses Verfahren, gänzlich un bekannt unter Kaiser Wilhelm I. und Bismarck, ist auch unter dem neuen Curse bisher niemals von Personen beobachtet worden, denen so unzweifelhaft politische Bildung zur Seite steht, wie den Absendern des Telegramms an den Kaiser. Was bis tief in die Kreise hinein, die ursprünglich Gegner eines VersassunzSstaates gewesen, seit Jahren bitter beklagt wird, die Außerachtlassung der unentbehrlichen konstitutionellen Gepflogenheiten, die vier Herren sanctioniren es auS dem Lande heraus und laden damit eine Verantwortung auf sich, die sie unmöglich zu tragen im Stande sind. Die Wahl des Weges liefert aber den Beweis, daß sie nicht im Namen der Mehrheit oder auch nur einer starken Minderheit der deutschen Industriellen sprechen. Denn auch in diesen Schichten hat man das Gefährliche der Beiseiteschiebung der Minister erkannt, nicht zum Wenigsten aufmerksam gemacht und gewarnt durch den Fürsten Bismarck, in dessen praktische Weisheit und patriotische Fürsorge doch auch der Eentralverband deutscher Industrieller mit den Mitunterzeichnern des Telegramms keinen Zweifel gesetzt hat. Mit der Aufmunterung zum Fvrtschreiten auf der Bahn der Zerstörung des VerantwortlichkcitssystemS bringen sich die telegraphirenden Vereinsvorstände in schroffen Gegensatz zum Bürgerthum, und in noch stärkerem Grade geschieht dies durch die Versicherung, „im unverbrüchlichen Vertrauen auf die Kraft und Weisheit des Kaisers alle Maßnahmen zu l unterstützen", die der Monarch zur Aufrechterhaltung der I bedrohten Autorität des Staates für gut erachten wird, j Solcher Verzicht auf das eigene Urtheil in innerpolitischen Angelegenheiten ist unerhört im deutschen politischen Leben — auch der vorconstitutionellrn Zeit —, er ist selbst von der Partei, die der erste Kanzler des Reiche» die treueste Förderin seiner Pläne genannt hat, diesem Bewährten gegenüber niemals geleistet worben, und wir glauben auch nicht, daß Fürst Bismarck in einer Partei oder Gruppt, Vie ihm so, wie die Vorstände der Industriellen vereine gethan, Blankowechsel ausgestellt habe» würde, eine brauchbare Stütze erblickt hätte. ES ist tief zu beklagen, daß es Angehörige deS Bürgerstandes, des social am höchsten stehenden TheileS des deutschen Bürgerstandes sind, die sich dergestalt eine» Rechtes entäußern, das außerhalb Rußlands und des orientalischen Despotismus für unentbehrlich gehalten wird. Die Junker, man weiß es, sind auch bereit, den König absolut regieren zu lassen, „wenn er ihren Willen thut". Aber selbst unter dieser Voraussetzung würden die Kröcher, die Kleist, die Arnim nicht unter schrieben haben, was die politisch wie wirthschastlich auf den Schultern einer konstitutionell denkenden Gene ration stehenden vier gedachten Herren ohne Bedenken von sich geben. Die Saat, die sie ausstreuen, wird auf nur zu fruchtbaren Boden fallen, das erste gefällige Echo auf den Ruf, dem Kaiser „durch Dick und Dünn zu folgen", ist er schallt, und es ist sehr wahrscheinlich, daß der Tag der Ab sendung des Telegramms im deutschen Kalender schwarz an gestrichen sein wird. Deutsches Reich. * Leipzig, 16. September. Wir werden von geschätzter Seite darauf aufmerksam gemacht, daß sich in unseren Schlußbericht über den Deutschen Juristentag mehrfache Jrrthümer eiugeschlichen haben, welche wir hiermit berich tigen: 1) Der Referent in der Deportationsfrage war vr. Korn, nicht Horn, der Preisträger der Holtzcndorff- Stiftung über dieselbe Frage. 2) Von den Namen der stän digen Deputation sind folgende unrichtig: I)r. Reatz ist Rechtsanwalt, nicht Professor, vr. von Stößer, nicht Stoeve, Geh. Rath VierhauS, nicht Kerhaus. 3) Herr Reichsgerichtsrath vr. Stenglein schied nicht von der Deputation aus, sondern unterlag nach den Statuten als Präsident des diesjährigen Juristenlages und deshalb Ehren präsident des JuristentageS nicht der Wiederwahl. * Berlins 16. September. Es ist eine beachtenswerthe, aus dem Ergebnisse der C r i m i n a l st a t i st i k hervorgehende Thatsache, daß die Anwendung milderer Straf arten bei den deutschen Gerichten von Jahr zu Jahr steigt, besonders nimmt der Antheil der Geldstrafe und des Verweises ständig zu, während die zu Gefängniß und Zuchthaus Verurtheilten im Verhältniß zur Gesammtzahl der Verurtheilten immer mehr zurückgehen. Man könnte geneigt sein, den Rück gang der schweren Strafarten ohne Weiteres und in vollem Um fange auf eine mehr und mehr um sich greifende mildere Beurtheilung der Strafthaten seitens der Gerichte zurückzuführen; cs können aber, wie die amtliche Criminalstatistik mit Recht hervorhebt, auch verschiedene andere Umstände mit in Betracht kommen, insbesondere eine entsprechend gesteigerte Zunahme der leichteren Arten der strafbaren Handlungen, eine umfassendere Strafverfolgung gegenüber derartigen leichten Delikten, sowie Aenderungen in der Gesetzgebung. Die Statistik selbst vermag einen vollständigen Aufschluß nach dieser Richtung hin nicht zu geben. Dieverhältniß- mäßige Abnahme der Zuchthausstrafe wird, wenigstens zum Theil, ihren Grund darin haben, daß unter den wegen Ver brechen Verurtheilten der Antheil der Jugendlichen und damit der Personen, gegen die auf Zuchthaus nicht erkannt werden kann, gestiegen ist. Diese Zunahme der Verurtheilungcn Jugendlicher bietet auch ohne Weiteres eine Erklärung für die häufigere Anwendung des Verweises. Der Rückgang der Ge- fängnißstrafe wird vermuthlich zu einem nicht geringen Theil in der Verminderung der Verurtheilungcn wegen Eigenthumsvergehen, insbesondere wegen Diebstahls, seinen Grund haben. Die wachsende Häufigkeit der Geldstrafen beruht nicht zum mindesten darauf, daß die neuere Gesetzgebung eine ganze Anzahl von Straf- vorschriften getroffen hat, deren Verletzung vorzugs weise durch Geldstrafe geahndet wird. Dahin ge hören besonders Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen über die Sonntagsruhe. Allerdings läßt sich auch nicht leugnen, daß die Gerichte im Großen und Ganzen in Fällen, in denen ihnen die Wahl zwischen mehreren Strafarten freisteht, mehr und mehr zur Wahl der milderen Strafart hinneigen. Der jüngste Jahrgang der Criminalstatistik bringt hierfür zwar keine ziffermäßigen Beweise, aber der Jahrgang 1894 enthält sehr lehrreiche Tabellen, aus denen, nach der „Voss. Zig.", be sonders hervorgeht, daß die Gewährung mildernder Umstände in auffälligem Steigen begriffen ist. Dies zeigt sich auch, wenn man die Delictsarten untersucht, bei denen Gefängniß und Geld strafe wahlweise angedroht ist. Einen Grund für die fort schreitende mildere Auffassung der Gerichte kann man zum Theil wohl darin finden, daß sich auch in den Kreisen der praktischen Juristen mehr und mehr eine Abneigung gegen die Anwendung kurzzeitiger Freiheits st rasen geltend macht, nachdem die wissenschaftliche Jurisprudenz schon seit langen Jahren gegen diese Strafart kämpft. Im klebrigen glaubt die „Voss. Ztg." nicht, daß ein von anderen Seiten em pfohlener häufigerer Wechsel im Personal der Strafrichter, so lvünschenswerth sie ihn sonst auch hält, auf die Höhe der Strafen einen Einfluß ausüben würde, da der eine Richter durch lang jährige kriminalistische Praxis in der Beurtheilung der Ver brecher schärfer, der andere milder wird. Auch bedürfte es, wenn man in der größeren Milde der Gerichte eine Gefahr für die Allgemeinheit sehen wollte, erst des Beweises, daß die Ver brecher sich die geringeren Strafen zu Nutzen machten, daß also die Criminalität zunehme. Aber gerade das Gegentheil ist, wie die Statistik der letzten Jahre beweist, der Fall. * Berlin, 16. September. Das Amtsblatt des Reichs Postamts bringt folgenden Erlaß: „Die Wochenschrift „Deutscher Postbote", die von einem aus dem Dienste entlassenen Postassistenten herausgegeben wird, hat mehr und mehr eine Haltung angenommen, die geeignet ist, bei den Unterbeamten das Vertrauen zu den Vorgesetzten zu erschüttern und Unzufriedenheit mit dem gewählten LebenSberufe zu erregen. Unter der Angabe, die Interessen der Unterbeamten zu vertreten, reizt sie diese zu einem agitatorischen Vorgehen gegen die Verwaltung auf. Eins der Hauptziele meiner Amtsthätlgkeit ist es, für das Wohl meiner Untergebenen zu wirken. Dafür beanspruche ich aber auch volles Vertraue» zu mir und zu meiner Verwaltung und Fernhalten von den durch den „Deutschen Postboten" angeregten Bestrebungen, die in keiner Weise geeignet sind, den Unterbeamten die Erfüllung ihrer Wünsche zu bringen. Ich sehe mich de-halb veranlaßt, vor dem „Deutschen Postboten" ausdrücklich zu warnen, uud hoffe, daß die Unterbeamten sich fernerhin der Unterstützung jenes Blattes enthalten werden. Das Lesen eines Fachblatte», daS den Unter« beanitenstand berührende Fragen in sachgemäßer und nicht verhetzender Weise erörtert, soll selbstverständlich keinem Unterbeamten verwehrt sein. Dieser Erlaß ist durch die Vorsteher der Berkehrtanstalten persönlich sämmtlichen Unterbeamten gegen Anerkenntniß bekannt zu geben, von Podbielski." V. Berlin, 16. September. (Privattelegramm.) Der Kaiser unternahm heute Vormittag einen Spazierritt und hörte von 9 Uhr ab den Vortrag deS Kriegsministers v. Goßler. V. Berlin, 16. September. (Telegramm.) Prinz August Wilhelm von Preußen ist fast vollständig wieder bergestellt und hat feit gestern Spaziergänge im Freien begonnen. (-) Berlin, 16. September. (Telegramm.) Der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge wird der Reichskanzler beute Abend in Wien eintrcsfen, dort morgen den Kaiser Wilhelm empfangen und der Beisetzung der Kaiserin beiwohnen. (-) Berlin, 16. September. ( Telegram m.) Der „Reichs-Anzeiger" melket: Für die Wahlen rur 19. Legis laturperiode des preußischen Abgeordnetenhauses ist für die Wahl der Wahlmänner der 27. October und für die Wahl der Abgeordneten der 3. November festgesetzt worden. L. Berlin, 16. September. (Privattelegramm.) Ein Berichterstatter schreibt der „Nat.-Ztg.": Polizeilich scharf überwacht werden gegenwärtig die hiesigen Anarchisten, selbst solche Personen, welche schon seit einiger Zeit nicht mehr observirt wurden, unterstehen gegenwärtig wieder der amtlichen Controle. Ein besonderes Augenmerk bat die Polizei auf die Ausländer, da sich diese vielfach unter falschen Namen hier aufhalten. Es sind übrigens in den letzten Tagen mehrfach ausländische Anarchisten von Berlin abgereist, da sie der Gefahr einer Ausweisung entgehen wollten. Wie verlautet, sollen übrigen« alle zweifelhaften Individuen demnächst, soweit sie Ausländer find, aus Berlin ausgewiesen werden. — Der Kaiser besichtigte gestern Nachmittag nach der Rückkehr von Prenzlau im Atelier des Professors Reinhold Begas den Entwurf zum Bismarck-Sarkophage für den Dom, die Statue zu dem Bismarck-Denkmal vor dem Reichstagsgebäude und andere Kunstwerke. — Der Gouverneur von Deutsch - Ostasrika, Generalmajor Liebert, wird angesichts der von England und Belgien in Angriff genommenen, beziehungsweise ge planten Anlegung von Telegraphen- und Eisenbahnlinien einen größeren Zug nach dem Westen behufs der definitiven Festlegung der dortigen Grenzen Deutsch-OstafrikaS unter nehmen. — Der „Magdeb. Ztg." zufolge versicherte der Director der Colonialabtheilung Geheimrath von Buchka, daß jeder Anlaß zur Beunruhigung über die Frage der Delagoabai fehle. — Aus London wird dem „Berl. Tagebl." geschrieben: Unter den heutigen Buchhändleranzeigen wird für den nächsten Freitag die Veröffentlichung des nachstehenden dreibändigen Werkes angekündigt: „Bismarck, einige Geheim blätter seiner Geschichte, ein während 25 Jahre Der Schluß der südafrikanischen Völkerwanderung. Von vr. Han» Wagner. Nachdruck versoten. Der Tod des Sultans Quawa von Uheh« hat nicht nur ein politisches, sondern auch ein erhebliches ethnographisches Interesse. Mit ihm ist der letzte der afrikanischen Napoleon« dahingegangen, die aus Ehrgeiz und despotischer Grausamkeit zu Völkerwanderungen im schwarzen Erdtheil den Anlaß gaben. Es ist damit eine Episode in der Geschichte dieses Kontinents ab geschlossen, die im 15. Jahrhundert ihren Anfang nahm. Der Türkensturm, der im 14. und 15. Jahrhundert llbetr Asien und Europa dahinbrauste, ließ auch das nordöstliche Afrika nicht verschont. Er störte die Galla und Massai auf, die in das Osthorn von Afrika und nach Süden über den Tanafluß drangen. Dadurch geriethen nun wieder die Bantustämmc in Bewegung, die das äquatoriale Afrika und besonders die Gebiete des jetzigen Deutschostafrika bewohnten. Ein Theil dieser Völker blieb im Lande, wurde an die Küste gedrängt, wo sie dem arabischen Einfluß verfielen, die Suaheli, dagegen wurden die Dschappa im Zwischenseegebiet vertrieben, sie wanderten nach Westen und kamen im vergangenen Jahrhundert nach dem portugiesischen Loanda. Die Wasimba zogen nach dem Zambesi, kehrten aber wieder um und zogen an der Küste entlang wieder nach Norden in das Gebiet von Malindi. Diese Völker führten dann ein friedliches Dasein. Von größerem Einfluß auf die Geschichte des Continents im Süden wurde die Wanderung der Käufern (d. h. Un gläubige). Nach Nordwesten konnten sie dem Andrang der Galla und Massai nicht ausbiegen, denn bis tief in das äqua toriale Afrika hinein schoben sich dort die arabischen Reiche. Sie wanderten daher nach Süden über den Zambesi und brachen in die Reiche der Hottentotten und Zwerge ein, die sie auseinander warfen und nach Nondwesten zur Auswanderung zwangen. So geht die Völkerwanderung im Halbkreise herum, von Ost afrika nach Westafrika. Die Wanderung der Kaffern vollzieht sich nicht in steter Folge. Jahrzehnte hindurch rasten sie in einem Lande, das ihnen wohlgefällt. Dann taucht von Zeit zu Zeit ein schwarzer Napoleon unter ihnen auf, der sich durch besondere» Feldherrntalent hervorthut und di« einzelnen Stämme unter sein Gebot zwingt. Aber sein Ehrgeiz und seine despotische Grausamkeit nöthigen bald wieder Theile seines Volkes zur Secession. Sie wandern weiter, stören ihrerseits friedfertige Völker auf und bringen so jedesmal Südafrika in Bewegung. Die gelben und schwarzen Rassen sind ja zu einer aus dem Volke herauswachsen den Bewegung nicht fähig, sie sind ein Haufen Nullen, an dessen Spitze das Schicksal von Zeit zu Zeit eine Eins stellt. Ihre für den Despotismus geschaffene Natur neigt'sich willig dem Gebot des aus ihnen erstehenden Helden, sie nehmen gänzlich und ohne Widerspruch den Geist ihres Cäsaren in sich auf und dann sehen wir eine gewaltige Völkerfluth dem Willen eines Einzigen zu Liöbe sich über die Lande ergießen und Noth und Schrecken verbreiten. Stirbt der Cäsar, dann erstirbt sein Geist im Volke, das wieder zu seinem früheren Stumpfsinn zurücksinkt. So war eS mit Dschingiskhan's jetzt verkommenem Mongolen stamme, so war es mit dem Volke Tschaka's, des südafrika nischen Napoleon. Dieses Zulufürsten, dessen Erscheinung ein Markstein in der Geschichte Südafrikas ist, müssen wir ausführ licher gedenken. Im Beginn dieses Jahrhunderts hatte sich der Häuptling Tschako auf den Streifzügen der Zulus durch sein Feld herrntalent die Oberherrschaft über seine Stammesangehörigen zu erzwingen gewußt. Er organisirte sein Volk in militairischer Weise. Seinen Kriegern verbot er den verweichlichenden ehelichen Verkehr, um sie freizügiger zu machen, und ersetzte die Ehe durch den freien Verkehr der Geschlechter. Sein Heer theilte er in 30 Regimenter zu 1500 Mann. Jedes Regiment zerfiel in 3 Abtheilungen, die jungen Männer al» Linie, die älteren als Reserve und den Troß. Die einzelnen Regimenter wurden durch ihren Feder- und Schildschmuck unterschieden. Bogen und Pfeile, sowie Wurfspieße ersetzte er durch Schlacht- und Hand speere. Das bedingte natürlich eine veränderte Taktik, er führte also di« geschlossene Kampfesweise in Phalanx ein, wodurch ja auch die Wahehe ihr« Erfolge erzielten. Dieser Zwang zum Nahkampf, der dem Neger sonst nicht sympathisch ist, erforderte einen besonderen Muth, um ihn zu heben, versuchte Tschaka den Blutdurst seiner Krieger zu reizen. Bei jeder festlichen Gelegenheit ließ er Hunderte seines Volke» oder Gefangene niedermetzeln. Als seine Mutten starb, zwang er bei der Trauerfeier 1000 seiner Krieger, sich selbst den Tod »u geben und sterbend sein Lob zu singen, dann ließ er 1000 frischmilchende Kühe tödten, damit die Kälber verhungernd fühlen sollten, welch' ein Schmerz e» ist, eine Mutter zu var iieren. So äußerte sich die Kinderliebe in dieser Bestie. Wie alle' Despotien, so plagte auch ihn die Furcht vor dem Nach folger, er ließ alle Mädchen seines Umganges tödten. Tschaka's Eroberungszüge begannen im Jahre 1816. Es ge lang ihm, das ganze Südostafrika sich zu unterwerfen, das heutige Transvaal, Natal, Basutoland und den Oranjefreistaat (natürlich vor Einwanderung der Buren). Seine Heere trieben die Völker tckis aufgescheuchtes Wild vor sich her, und warfen sie durch einander, so daß die Völkerkarte des südlichen Afrika jetzt ein sonderbares Mosaik bildete. Die Pest gebot aber schon im Jahre 1828 seinem Siegeszuge Halt, sie vernichtete den größten Theil seines Heeres, und er selbst fiel dem Mordstahl seines Bruders Dingaan zum Opfer. Tschaka's Epigonen, besonders der Brudermörder Dingaan hatten zwar seine Grausamkeit, nicht aber sein Herrscher talent geerbt. Sie hatten zudem das Unglück, mit einer anderen Völkerwanderung zusammcnzutreffen, die mächtiger war als die ihre: mit der der Buren. Die politischen Vorgänge im Caplande hatten die trotzigen Buren zur Secession bewogen; sie machten im Jahre 1836 ihren ersten großen Treck. Dabei stießen sie zuerst mit der Avantgarde des Zulustammes zusam men, den Häuptlingen, welche sich dem Regiment Tschaka's nicht hatten unterwerfen wollen, sondern sich von dem Hauptstamme losgesagt und ihre eigenen Weidegrllnde aufgesucht hatten. Es ist da besonders zu nennen der blutdürstige Zuluhäuptling Ma- silikatse, der nach schweren Kämpfen besiegt wird, dessen Nach folger Lo Bengula nordwärts zieht, das Matabeleland erobert, aber der Chartered-Compagnie anheimfällt. Die Bewegung der Buren hat auch nach Nordwesten Folgen, die sich jetzt noch in unserer südwestafrikanischen Kolonie be merkbar machen. Die Buren waren vielfach mit Hottentotten mädchen Verbindungen eingegangen, aus denen eine Mischrasse entstand. Diese Bastards wurden jedoch von den Buren in die Verbannung gestoßen, sie wanderten nordwärts über den Oranje in das jetzt deutsche Gebiet, wurden Christen und eroberten sich in langjährigen Kämpfen gegen die Herero ihre neuen Wohnsitze. Diese Bastarde haben auch den Deutschen nicht unerheblich zu schaffen gemacht, wie die Kämpfe mit den Witbois lehren. Sie nahmen ihren Schimpfnamen Ooilam, d. h. altes, unbrauchbares Mutterschaf, als Volksbezeichnung an. (Sehr höflich sind die Südafrikaner überhaupt nicht in ihren Stammesbezeichnungen, Hottentotten heißt z. B. etwa schmutzige Hanswürste, Maschona bedeutet Schweine u. s. w.) Die Burenbewegung und die im Laufe der Jahre ihr folgende englische Politik brach die Wogen der Zulufluth. Der Meuchelmord, den Dingaan im Jahr« 1838 an 61 zwecks Lin- gehung von Verträgen ihn besuchenden Buren beging, gab den Anstoß zu einem Jahrzehnte langen Ringen, in dem nach mancherlei Wechselfällen die europäische Macht doch obsiegte. Im Verlauf dieser Kämpfe wurden einzelne Zulustämme wieder nach der Himmelsgegend zurückgeworfen, aus der sie her gekommen waren: nach Nordnordosten., Diese Horden nannten sich Mazitu, Angoni, Watute und Wahehe. In den 60er Jahren überschritten sie den Rowuma. Die Angoni und Jao ließen sich nordwärts vom Rowuma nieder, die Wahehe suchten das Hochland am Oberlaufe des Rufidji auf Ihre völkerstörende Gewohnheit haben diese Völker auch nach ihrer Rückkehr in ihre Urheimath sich bewahrt. Als v. d. Decken im Jahre 1860 drn südlichen Theil unserer jetzigen Colonie durch zog, war dieses Gebiet noch gut paffirbar, die Landwirthschaft blühte, arabische Dschamben zogen sich fast bis zum Nyaffasee hin. Als Livingstone sieben Jahre später den Rowuma hinauf in das Bangweologebiet zog, hörte er von aus dem Süden gekommenen Banden, die sich Mazitu nannten und das ganze Gebiet bis an den Rufidji überschwemmten und verwüsteten. So wurde durch diese Zuluhorden, di« mit ihrem Namen zugleich viele unter worfene Stämme deckten, die Handelsstraß« von der Zanzibar küste nach dem Nyaffasee vollständig gesperrt. Bis nach Baga- moyo haben sie ihre Streifzüge ausgedehnt, wie aus der Ge schichte unserer jungen Colonie zur Genüge bekannt ist. Nach Norden konnten sich di« Wahehe nicht ausdehnen, denn dort stießen sie auf die kriegstüchtigen Stämme der Waniamwesi und Massai — ein eigenthümlicher Kreislauf der Geschichte —, auf dasselbe Volk, daß vor Jahrhunderten den Anstoß zu der Wanderung der Kaffernstämme gegeben hatte. Mit Quawa's Tod ist wohl der letzte der schwarzen Napoleone dahingeschieden — einen neuen würde die deutsche Politik dort nicht mehr aufkommen lassen. Dieser Negerfllrst hat das typisch« Schicksal aller afrikanischen Despoten erlitten: vom Dorfhäuptling schwang er sich zum unumschränkten Ge bieter des südlichen Deutschafrika auf; seine KriegLzüge zogen blutige Kreise durch die Bevölkerung des deutschen Ostafrika, bis sein Glück sich an der Macht der weißen Eindringlinge brach. Er wäre ihr so bald nicht erlegen, auch in Deutschland hätt« er noch mehr Thränen fließen lassen, wenn er nicht selbst sein An sehen durch seine Grausamkeit untergraben hätte — sein Bei name Mahinja, d. h. Schlächter, sagt genug. Hoffentlich ist mit seinem Tode das letzte beunruhigende Element aus unserer Colonie verschwunden, und e» beginnt nun eine neue, aber frieden- und culturbringende Invasion, die de« deutschen Bauern.
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