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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980920024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898092002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898092002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-20
- Monat1898-09
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Sroßere Schriften laut nuferem Preis« Verzeichnis. Tabellarifcher und Zisserusatz nach höherem Tarif. Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen«Ausgabe, ohne Poslbesörderuug 60.—, mlt Postbeforderullg 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend «Ausgabe: Bonniriags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polj in Leipzig, 478. Dienstag den 20. September 1898. 82. AühlMNg. '"'M. ——MS !. ; >>> !—!ü? Wahlaufruf -er ualioualliberalen Partei. Drr schon skizzirte Wahlaufruf der Landesversammlung der nationallibrralea Partei in Preußen hat folgenden Wortlaut: Di« Reichstagswahlen haben gezeigt, daß weite Kreis« deS Volke» den von drr oationallibrralen Partei vertrrtrnen Grundsätzen und festgrhaltenen Idealen treu anhängen. Wir richt«» nunmehr die Mahnung an unsere Freunde im Lande, sich durch rege Arbeit au den bevorstehenden Laudtagswahlen zu betheiltgen und so unseren berechtigten Einfluß auch in den Etuzellandtagrn zur Geltung zu bringen. Ohne Rücksicht auf Partei-Interessen haben unsere Freunde im Reiche den nach den Rüstungen anderer Staaten unvermeidlichen Forderungen der nationalen Wehrkraft unter möglichster Schonung drr Strurrkraft stets entsprochen. Unser oberstes Ziel war e« jederzeit, die nationale Unabhängigkeit zu sichern und eine kraftvolle Politik nach Außen zu ermögliche». Hieran werden wir unerschütterlich festhalten. Maßregeln, welche dieses Ziel nicht be« einträchtigen und dennoch die den Völkern aufrrlegten Wehrlasten erleichtern, würden wir mit Genugthuung begrüßen. Die Parteikämpse im Reiche wirken auch auf die politischen Wahlen in den Einzelstaaten zurück. Die ultramontane Be gehrlichkeit erstrebt im Einzelstaat, namentlich in Preußen, die Gegenleistung für ihre Mitwirkung an den Aufgaben der Reichs politik. Die wtrthschaftlichen Interessengruppen suche» mit ihren Forderungen in den Einzelstaaten durchzudringru, w.nn sie Im Reiche abgewiesen sind. Unser Bemühen ist es seit Jahren gewesen, die Staatsregierung der Herrschaft und dem Zwange solcher einseitigen Bestrebungen zu entziehen. Wir haben den Kamps gegen extreme wirthschaslliche Forderungen namentlich gegen die Verstaatlichung des Getreidehandels und die Umwälzung unserer aus gesicherter Grundlage beruhenden Währungs verhältnisse, ausnehmen müssen. So erst wurde der Weg frei für eine besonnene und praktische Erwägung der bedrängten Lage und für eine wahrhaft wirksame Unterstützung unserer Land- wirthschast. In voller Würdigung berechtigter Klagen und der daraus hervorgehenden Forderungen, werden wir auf diesem Wege weiterschreiten und wir erwarten, daß auch bei dem Abschluß neuer Handelsverträge unter Wahrung der Interessen von Industrie, Handel und Gewerbe die Landwirthschaft volle Berücksichtigung findet. Den Kampf gegen den Ullramontanismus und seine Versuche, unsere katholischen Mitbürger mit einer abgesonderten Organisation zu umspannen und dadurch einen Staat im Staate zu schaffen, haben wir geführt und wollen wir auch in Zukunft nur führen auf dem Boden der in Preußens Geschichte unwandelbar be- gründeten religiösen Toleranz. Der Ullramontanismus ist es, der sie gefährdet. Begünstigt durch die Verwirrung im deutschen Parteileben ist er seinem Ziele, wie bei dem Zedlitz'schen Schul- gesrtzentwurf, oft nahe genug gewesen. Unsere Bemühungen, die Negierung von drr Gefahr solcher Zugeständnisse zu überzeugen, waren nicht ohne Erfolg. Daß die Behauptungen einer Zurücksetzung der katholischen Staatsbürger bet Besetzung der staatlichen Aemtet der Wahrheit entbehre» und nur zur Schiirung einer unzufriedenen Stimmung fortdauernd wiederholt werden, haben wir überzeugend nachgewiesen. Wir hoffen und wünschen lebhaft, daß unsere Politik der Gleichberechtigung aller Confessionen im Staatsleben, aber der Ablehnung aller mit dem Gesammtwohl nicht verträglichen hier ¬ archischen Ansprüche, zum Heile deS inneren Frieden- immer mehr I Anerkennung finden wird. Weite Kreise unserer, ihrem katholischen I Glauben treu auhängrnden Mitbürger, fühlen sich in diesen Grund- > ätzen sowie überhaupt in ihren nationalen und liberalen Gesinuungen mit uns ein«. Unser Staat hat di« Ausgabe, als Wacht für Gesammtdeutsch- land das herausfordernde Verhalten und das Vordringen des Polenthums abzuwehren. ZurErsüllung dieser nationalen Pflicht haben wir der Regierung die für die deutsche Colonisation in den Ostmarkro geforderten großen Summen bewilligt. Auch unseren Freunden in drr Nordmark werdrn wir in ihrem Kampfe gegen die Dänen kräftig zur Seite stehen. Alle Maßnahmen zur Stärkung des DeutschthulnS werden wir unterstützen, erwarten aber auch, daß die Politik der Regierung konsequent und fest bleibt. Die aus der socialdemokratischen Agitation mit ihren revolutionären Zielen hervorgehenden Gefahren für Staat und Gesellschaft, Monarchie und Religion verkennt Niemand unter uns. Wir sind diesen Gefahren stets entschlossen rntgegengctreten und werden es auch in Zukunft thun. In der dem Landtag vorgelegten Vrreinsgesetznovrlle vermochten wir aber rin geeignetes Mittel zur Bekämpfung dieser Gefahren nickt zu erblicken. Tie Vorlage wandte sich in ihrer Wirkung zugleich gegen alle der jeweilig herr schenden Richtung unbequemen bürgerlichen Parteien und hätte diese in der freien Entfaltung ihrer Kräfte gegen die socialdemo kratischen Bestrebungen gelähmt, nicht aber dir agitatorische Kraft des Gegners. Den sogenannten Assessorenparagraphen habe» wir zurück weisen müssen, getragen von der festen Ueberzeuguug, daß die in der Verfassung gewährleistete Gleichberechtigung aller Staatsbürger nicht angetastet werden darf. Um so bereitwilliger haben wir denjenigen Gesetzesvorschlägen der Regierung unsere Unterstützung zu Theil werden lassen, welche sich als Verwirklichung unserer eigenen, seit Jahren vorgebrachten An regungen und Forderungen darstellen. So ist unter unserer Mit wirkung das Lehrerbesoldungsgesetz zu Stande gekommen, die Beamten sind in ihrem Diensteinkommen ausgebessert, die Pensionen für ihre Hinterbliebenen sind erhöht, die Gehaltsverhältnisse der Geistlichen sind neu geregelt, und zur Befriedigung des besonders gearteten Creditbedürfnisses der Landwirthschaft und der kleinen Gewerbetreibenden ist die Centralgenossenschaftscasse ein gerichtet. In gleicher Weise konnte durch reichlich zur Verfügung stehende Mittel die Ausdehnung unserer Schienenwege, der Ban von Kleinbahnen, die Erleichterung von landwirthschastlichen Meliorationen, die Milderung der durch Hochwasser ver- ursachten Schäden, die Errichtung von Kornlagerhäusern und die Schaffung geeigneter Arbeiterwohnungen für die Staats- betriebe nach den Forderungen der Regierung bewilligt werden. Unser Finanzwesen ist wohlgeordnet. Es hat durch die Couvertirung der Anleihen, durch Wiedereinführung einer obliga torischen Schuldentilgung und durch die Aufstellung bestimmter Grundsätze für den Staatshaushalt (Comptabilitätsgesetz) eine noch festere Grundlage gewonnen. Aber unerläßlich ist die weitere Sicherung gegen die Schwankungen, dir stets wiederkehren müssen, so lange die Finanzen der Einzelstaaten von denen des Reiches abhängig sind und die Ueberschüsse der Eisenbahnen uneingeschränkt und unmittelbar für allgemeine Staatszwecke vcr- wandt werden. Wir betonen aufS Neue unsere Forderung einer ausgedehnteren Trennung und festen Abgrenzung im Interesse der finanzielle» Ordnung und der volkswirthschaftlichen Aufgaben des Staatsbahnstistems. Die infolge der Steuerresormgesetze eingctretenen Verschiebungen des Wahlrechts in Staat und Gemeinde lassen die Forderung einer, der Gerechtigkeit entsprechenden Reform immer dringlicher heroortreten. Wir verlangen ferner eine sichere Abgrenzung der Befugnisse der staatlichen Polizeigewalt gegenüber den Rechten der Selbst verwaltung wie deS einzelnen Bürgers. Insoweit es sich um sociale und wirthschaftliche Aufgaben handelt, hoffen wir auch in der folgenden Legislaturperiode die Regierung n fördernder Mitarbeit unterstützen zu können. Zunächst möge sic das Versprechen der Ausbesserung des Diensteinkommens der Unter- beamten ersüllen. Wir werden nicht ruhen, bis hier das Erforder liche erreicht ist. Ebenso vertreten wir die Forderung einer gesetzlichen Fürsorge ür die Hinterbliebenen der VolkSschullehrer. WaS in den Staatsbetrieben zur Verbesserung der Lage drr Arbeiter geschehen kann, bedarf um so mehr der steten sorgsamen Erwägung, als der Einzelstaat wesentlich die Aufgabe hat, Lurch das Mittel einer wirksamen Arbeitcrsürsorge die auf die Bewahrung des socialen Friedens gerichtete» Bestrebungen der Neichsgesetzgebung zu ergänzen. Geeignete Maßnahmen der Staatsregierung zur größeren Sicherung dec iu den Bergwerksbetrieben beschäftigten Personen werden mir unterstützen. Unter aufmerksamer Beobachtung der wirthschaftlichen Eutwickc- lung muß auch im Eiuzclstaat darauf Bedacht genommen werden, einen gesunden Mittelstand in Handwerk, Gewerbe und Handel zu erhalten und thatkrüstig zu fördern. Die von unserer Partei ausgegangene Anregung eines Schutzes der Bauhand werker in den größeren Städten ist weiter zu verfolgen. Tie Steuerreform, die aus der Selbsteinschätzung beruhend eine gerechtere Vertheilung der Steuerlasten bewirkt hat, erachten wir in den grundsätzlichen Bestimmungen für abgeschlossen; wir werden aber den bureaukratischen Belästigungen bei der Handhabung dieser Gesetze auch in Zukunft entgegentreten. Für die Durch führung der Communalsteucrreform muß behufs besserer An passung au die besonderen Verhältnisse und Interessen der einzelnen Gemeinden ein entsprechend größerer Spielraum gewonnen werden. Biele Gemeinden, namentlich Land- und kleinere Stadt gemeinden, sind noch immer, zum Theil in gefahrdrohender Art, überlastet; ihnen haben die bisherigen Maßnahmen bei Weitem nicht hinreichende Erleichterung gebracht. Hier ist die Abhilfe in der Laslenverlhcilung aus breitere und kräftigere Verbände für Schulen und Armenpflege zu suchen. Die Bestimmungen über die Unterhaltung der Volks schule sind vielfach veraltet und entsprechen weder der Leistungs fähigkeit der Verpflichteten, noch den Anschauungen von Recht und Billigkeit, sie müssen durch Gesetz geändert werden. Die Entwickelung unseres Eisenbahnwesens bedarf eines schnelleren und energischeren Ganges und darf nicht durch fiskalische Rücksichten gehemmt werden. Tie Sicherheit des Betriebes und die Anpassung an die Verkehrsbedürfnisse stehen in erster Linie. Ebenso verlangt unsere Verkehrsentwickelung dringend den weiteren Ausbon der Wasserstraßen; die planmäßige Ausführung großer dem wirthschaftlichen Interesse deS Landes dienender Canäle muß als , ne der wichtigsten Ausgaben der nächsten Zukunft angesehen werden. Die oft zurückgestellte, für alle Volkskreise wichtige Medicinal- resorm hat der nächste Landtag endlich zum Ziele zu bringen. Bei der von unS dringlich betonten Förderung der allgemeinen Wohlfahrt dürfen wir auch nicht geizen, die Culturbedürsnisse zu pflegen, und so die Grundlagen deS volkswirthjchastlicheu Gedeihens zu festigen. Unsere Universitäten und technischen Hochschulen, unsere höheren und niederen Schulen und unser Fach- und Fortbildungs schulwesen für Stadt und Land haben bei der gesteigerten Leistungs- ähigkeit des Staates vollen Anspruch aus verstärkte Beihilfe. Im deutschen Reich ist der Einzelstaat zur Pflege höchster idealer Aus- gaben besonders berufen, und wir haben in ihm der Wissenschaft und dec freie» Entfaltung ihrer Kräfte die Stätte zu sichern und zu erweitern. Auch die Kunst auf allen ihren Gebieten haben wir zu fördern in der Lösung ihrer hohen Ausgabe, unser Volksleben zu veredeln und unsere glanzvolle Geschichte ausleben zu lassen. So möge unsere Arbeit dahin gerichtet fei», die Kräfte des Volkes zu sammeln, das Erreichte auszubauen und die socialen und wirthschaftlichen Forderungen der Gegenwart zu erfassen und ihrer Lösung cntgcgenzuführen. Dazu bedarf eS vor Allem deS gesicherten Einflusses, den die liberale Mittelpartei bisher geltend machen konnte. Sache der Wähler ist es, Lurch Wahl von unabhängigen Männern diesen Einfluß zu erhalten und zu verstärken. Ernste Hindernisse sind zu überwinden. Im Reichstag will da- Centrum die „regierende Partei" sein. Bon dort aus bedrückt es die Gesetzgebung wie die Landesverwaltung in Preußen. Und im Abgeordneteiihanse selbst haben die Conservativen schon jetzt beinahe die Mehrheit. Rückläufigen Bestrebungen ist Thür und Thor geöffnet! Um dieser Gefährdung einer ruhigen inneren Entwickelung vor- zubeugen, fordern wir unsere Freunde im Lande auf, entschlossenen Sinnes und voll Zuversicht in den Wahlkamps rinzutreten und treue Anhänger der nationalliberalen Partei zu wählen. Handle Jeder aus seinem Posten nach besten Kräften zum Segen des Lande«! Berlin, den 18. September 1898. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. September. Unter den deutschen Bergleuten ist in den letzten Jahren eine verhetzende Agitation besonders thälig gewesen. In dessen wird die Ttcigkrung vrr Löhltc iiu Nuhrkohlenrevier auch von dem „Bergknappen", dem Organ der christlichen Bergarbeiter, anerkannt und erklärt, daß thatsächlich die Berg arbeiter im Ganzen zufrieden seien. „Es freut nnS, constaiiten ;n können", so sagt das Blatt in Anknüpfung an die Ergeb nisse der amtlichen Statistik, „daß die Bergarbeiterlöhne noch wieder etwas gestiegen sind und gegenwärtig eine Höhe erreicht haben wie noch nie zuvor. ES soll hiermit natürlich nicht gesagt sein, daß für die Bergarbeiter nun nichts niehr in Bezug ans die Löhne zu wünschen übrig sein. Im Gegentheil; wir hoffen, daß dieselben auch für die Folge dem gewerblichen Aufschwünge entsprechend ausgebesserl werden. Und wenn daS ohne agitatorisches Zuthun geschieht, dann um so besser. Wir glauben auch constatiren zu können, daß die Bergleute im Allgemeinen mit der Steigerung der Löhne zufrieden sind (wir sagen im Allgemeinen, besondere Wünsche betreffend die Vertheilung der Löhne werden immer noch in Mengö vorhanden sein) und auch, wenn es so weiter geht, zufrieden bleiben werden." Fenilletsn. Henny Hurrah! I7j Roman von Ernst Clausen. Nicbtrnck vkrbeten. Der Zug hatte sich in Bewegung gesetzt und passirte durch einen Einschnitt die alten Wälle der Stadt, um eine kurze Strecke neben der Chaussee herzulaufen, auf der eine Infanterie- Compagnie marschirte. Die Soldaten sangen aus voller Kehle: „Mein Schatz hat mich Verla—a—ssen" „Ich such' auf allen Ga—a—ssen" „Philipp!" rief Dora und warf sich ihm an die Brust, „Philipp, das — das vergesse ich Dir nicht, mein ganzes Leben lang — und — und ihr auch nicht!" „Fräulein Sternfeld soll sehr krank sein", sagte er. Dora sah ihn lange an, setzte sich still wieder auf ihren Platz und senkte den Kopf. „Ich wollte Dir auch sagen, Dora, daß ich jetzt gut vor wärts komme. In der Werkstatt brauche ich kaum noch Hand anzulegen, so gern ich es thue. Jetzt habe ich die ganzen Schmiedearbeiten für ein großes Schloß am Rhein erhalten. Alles Renaissance. Ich sitze von früh bis Abends hinter dem Reißbrett. Wenn Du mich in einem halben Jahre besuchst, kann ich Dir Vieles zeigen." „DaS freut mich von Herzen, Philipp, Du wirst schon vor wärts kommen, und hast doch das Meiste cruS Dir selbst." Sir sprachen wenig miteinander in den nächsten Stunden. Als der Zug in den Lehrter Bahnhof einlief, nahm st« noch ein Mal seine Hand. „So — jetzt bin ich damit fertig und stark fühle ich mich auch. Danken will ich es Euch, ihr und Dir, darauf kannst Du Dich verlassen." „Schon gut, Dora, ich glaub« Dir." Dann hielt der Zug. * * * Die Bahnfahrt von Hamburg her hotte Axel nervös ge macht; er freute sich auf das Wiedersehen mit Hedwig und darauf, ihr Alles erzählen, ihr all seine neuen hoffnungsreichen Pläne mittheilen zu können. Er fühlte sich ja so glücklich, so «rdeitSlustig, und war deshalb enttäuscht, auf dem Bahnhof nicht Hedwig's Gesicht zu sehen, obgleich er seine Ankunft tele graphisch gemeldet hatte. Statt dessen kam Lotte auf ihn zu in schwarzen Kleidern und mit gar keinem fröhlichen Gesicht. Erst auf der Fahrt im Wagen nach seiner Wohnung erfuhr er das Nähere. Er sowohl wie Lotte konnten sich die Veranlassung zu Hedwig's Krankheit nicht erklären. Dieser Empfang hatte ihn sehr deprimirt, und als er dann an Hedwig's Bett trat mit erzwungenem freudigen Gesicht und sich über sie beugte, starrte sie ihn fremd und verständnißlos an, ohne eine Miene zu verziehen, so daß ihm ein Frösteln durch die Glieder kroch und die Ahnung in ihm aufstieg, als sei dies keine vorübergehende Nervenkrankheit! — Sie that keine Frage nach seiner Reise und feinem Befinden, sondern, nachdem er mehrere Male gebeten hatte: „So sprich doch, Hedwig, hast Du Schmerzen?" fragt« sie ganz mechanisch: „Axel, hast Du Dein« Sünden bereut? Hast Du schon gebetet?" Er sah sich, zusammenschauernd, um. Hinter ihm stand Lotte mit Thronen in den Augen und flüsterte: „Komm, Axel!" Da ging er mit ihr ins Wohnzimmer. Um Gottes willen, was war daS? Noch an demselben Tage suchte er den Arzt auf. „Mein lieber Sternfeld! Solche Zustände sind unberechen bar! Vielleicht entwickelt sich daraus, sagen wir günstigstcn Falls, ein Nervenfieber. Ihr Fräulein Schwester hat mir schon im Frühling Sorge gemacht; solche Naturen können nur im Schooß einer Familie vor Schlimmem bewahrt werden. Sie haben kein WerHeug, geistig und körperlich, um auf eigenen Füßen zu stehen. — Zunächst heißt eS abwarten und jede Ge- müthserregung fern halten." — Daraus war wenig Trost zu nehmen. Axel begann seinen Schulunterricht und brütete in der freien Zeit thatenloS, stumpf sinnig vor sich hin. Der Kontrast zwischen seinen hochfliegenden Plänen und der grauen, hoffnungslosen Zukunft war zu groß! Aber er bkieb freundlich und liebevoll gegen Hedwig und eS schien ihm bald, al« ob sich ihr Zustand etwas besserte und sie anfing.', Interesse an Außendingen zu nehmen. Lotte Tressing war wieder zu ihren Eltern gegangen, da Hedwig keiner unausgesetzten Pflege bedurfte. So blieb er allein mit der Schwester und erfuhr von ihr, daß sie in Neu- bruch Dora König kennen gelernt und daß sie jeden Verkehr mit derselben hätte abbrechen müssen, als sie von drr Tante erfuhr, wer diese Dora König sei! — Er mochte nicht nach Details fragen, aber er ahnte den Zusammenhang. — Und obgleich er ehrlich genug war, sich zu sagen, daß «s ebenfalls seine Pflicht gewesen sein würde, der Schwester Aufklärung Uber das Verhältnis von Dora König mit Uexhus zu geben, so konnte er doch den Groll gegen Frau von Tressing Nicht überwinden. Sie hatte es sicherlich in ihrer hochmütigen Art gethan! — Diese Frau erschien ihm in sein:,', pessimistischen Gedanken wie die Verkörperung all der Vor- urtheile, die ihm und Hedwig das Leben verbitterten und von denen er selbst noch nicht loskommen konnte. Am nächsten Sonntag, Hedwig war noch nicht aufgestanden, kam Philipp König zn Axel. — Er hatte wohl erfahren, daß dessen Schwester krank sei, wußte aber nichts Näheres, und war nun sehr erstaunt, daß Axel, der in seiner verzweifelten Stimmung schon mit sich selbst haderte, ihn sofort mit maßlosen Vorwürfen überschüttete. Darauf war Philipp nicht vorbereitet gewesen; er bekam einen heißen Kopf und meinte: „Ich weiß gar nicht, was Sie wollen, Sternfeld! Sie scheinen zu denken, daß die ganze Welt nur dazu da ist, um auf verwöhnte Prinzen und Prinzessinnen Rücksicht zu nehmen." „Das sind Rücksichten, die überhaupt anständige Menschen auf einander nehmen! Wenn's nicht ein Anderer gethan, so wäre es meine Pflicht gewesen; ich hätte nicht schweigen dürfen." Er hielt erschrocken inne, plötzlich bemerkend, daß König kreideweiß wurde. „Anständige Menschen! sagten Sie? Es kommt noch darauf an, wer anständiger war, die Frau von Tressing, die Ihrer Schwester Alles sagte, oder meine Schwester, die um unsertwillen jenes Verhöltniß crbbrach, od«r auch ich, der ich Ihrer Schwester diesen Schlag ersparen wollte, nachdem es zu spät war, die Be kanntschaft zu hindern. — Um Ihre Begriffe von Anstand zu verstehen, muß ein vernünftiger Mensch auf den Händen laufen und mit den Stiefelabsätzen denken!" Ach, welch« Wohlthat, daß dieser Mann auch wüthend werden konnte. — Axel wurde dadurch ruhiger und sah ein, daß er dem ehrlichen Manne Unrecht gethan hatte. „König! Nehmen Sie es mir nicht übel! Wenn Sie wüßten, mit welchen Hoffnungen ich hier ankam und nun dieses!" Er warf sich auf einen Stuhl uckd stützte den Kopf auf die Faust. „Ein verdammtes, elende« Leben! Nun kann ich wieder die Karre ziehen wie ein stumpfsinniger Gaul!" Philipp König fühlte Mitleid bei diesem Ausbruch der Ver zweiflung. „Verlieren Sie doch nicht den Kopf, Sternfeld! Vielleicht wird noch Alle» gut!" Aber Axel antwortete nicht. — Philipp zögerte, ging daun hinaus und kam gleich darauf mit einem in Papier gewickelten Gegenstand wieder herein, den er vorher auf dem Flur gelassen hatte. „Glauben Sie, daß Ihre Schwester sich darüber freuen würde? Ich habe es selbst gemacht!" Er nahm die Hülle ab und stellt« eine kleine Truhe auf den Tisch, ein Meisterwerk der Schmiedetunst, was die wundervollen Beschläge des Deckels betraf. Axel blickte auf und ein freund- licher Ausdruck trat in seine Züge. „Das ist schön, wunderschön! König, das ist ja ein Kunst werk! Meine Schwester kann es gar nicht annehmen!" „Wollen Sie es ihr geben und sie von mir grüßen?" meint: König und strich mit der breiten Hand über den Deckel der Truhe. „Aber nun adieu! Ich habe heute keine Zeit mehr!" Wie ein verlegener Junge rannte er zur Thür hinaus. — Hedwig nahm das Geschenk in Empfang; Axel schien es, als erröthe sie, und als er am Nachmittag in ihr Zimmer kam, saß sie im Lehnstuhl, die Truhe auf den Knien und spielte mit dem Deckel! Sie sah heiterer und frischer aus. — Der Arzt verlangte, daß Hedwig in eine Nervenanstalt über führt werden solle. „Auch das noch!" Das war Axel's einziger Gedanke! Und er ging und bat den alten Seefried um Vorschuß, um die großen Kosten, di« daraus erwuchsen, zu decken. — Er war außer sich; kein Mensch konnte etwas mit ihm anfangen, nicht einmal der Graf Uexhus. „Der hat einen KNax weg fürs Leben", sagte Letzterer zu Lotte, als er mit ihr zum Bahnhof ging, um Henny zu em pfangen. „Es giebt eben Naturen, oft sogar sind es die kräf tigsten, die über die Pflicht nicht wegkommen und die sich an ihrer eigenen anständigen Gesinnung den Schädel einrennen!" Weltscheu, verbissen verkroch sich Axel vor den Menschen; er bog Bekannten auf der Straße aus dem Wege, er ging nicht zu Seefried's, nicht zu Dressings, selbst die Kunde von Hennys Rückkehr vermochte nicht ihn herauszureihen. Er ging nichi einmal hin, sie zu begrüßen, als schämte er sich wie ein Kind, das Versprechungen gemacht und sie nicht gehalten hat! Fast jeden Tag machte er weite Spaziergänge auf einsamen Lano straßen, und als er eines Abends, durch das Neuthor kommend, den Wall hinaufschritt, unter dessen riesigen Kastanienbäumen schon Dämmerung herrschte, begegnete er einer Dame. Er stürmte vorüber, ohne dieselbe anzusehen, und hört« dann plötzlich seinen Namen rufen.
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