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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981015013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898101501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898101501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-15
- Monat1898-10
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Reclamrn unter dem Redactionsstrich (4ge> spalten) 50^, vor den Familiennachrichtr» (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Preis« ve^zeichniß. Tabellarischer und Zissernjatz nach höherem Taris. Vxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung ^il 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stet» an dse Expedition zu richten. ' d 'S—— Druck uud Verlag von E. P olz in Leipzig. 92. Jahrgang. Die deutschen Creditgenoffenschaften. Die Bedeutung der deutschen Kreditgenossenschaften für «unsere Erwerbs- und Wirthschaftsverhälinisse steigert sich von Jahr zu Jahr; für 'die Kleingewerbetreibenden in Handel und Handwerk, für die Landwirthe werden die Kreditgenossenschaften mehr und mehr zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel; durch sie sind ganze Clasien von Erwerdsthätigen kreditfähig und in den Stand gesetzt 'worden, der Concurrenz des Großkapitals zu be gegnen, sich konkurrenzfähig zu erhalten. Das „Jahrbuch" des Allgemeinen Verbandes der deutschen Erwerbs- und Wirthschafts- genossenschaften für 1897 gestattet vermittelst seiner statistischen Tabellen einen Einblick in die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes der deutschen Kreditgenossenschaften, eine Schätzung ihrer großen Bedeutung. Nach den Listen des „Jahrbuches" bestanden in Deutschland am 30. April d. I. 10 259 Kreditgenossenschaften; davon muß allerdings ein« nicht unbeträchtliche Zahl aus die jenigen genossenschaftlichen Bildungen gerechnet werden, welche infolge der in Preußen betriebenen staatlichen Agitation der letzten Jahre gegründet worden sind, um Kredit in Anspruch zu nehmen, den die preußische Centralgenossenschaftscasse, jenes mit 50 Millionen Mark Staatsgeldern errichtete Staatsinstitut, ihnen zur Verfügung stellte. Meist waren es schwächliche Ge bilde, Scheingenossenschaften, die auf diese Weise entstanden; eine ganze Anzahl davon hat einen Geschäftsbetrieb überhaupt nicht eröffnet, steht nur auf dem Papier. An der Zahl der bestehenden Kreditgenossenschaften vermögen Wir daher nicht die Bedeutung der deutschen Kreditgenossenschaften zu erkennen — es befindet sich auch Spreu darunter —, wohl aber an den Zahlen über die Geschäftsergebn'isse, welche die Statistik des „Jahrbuches" des Allgemeinen Verbandes enthält. Wir ver mögen auch Vergleiche mit den Geschäftsergebnissen der Genossen schaften anderer deutscher Genossenschaftsverbände anzustellen, über welche Mittheilungen in dem „Jahrbuch" enthalten sind, wobei allerdings wegen Mangels genauer Angaben in einigen Fällen Schätzungen angestellt werden müssen. An weitaus erster Stelle in Betreff der Kreditgewährung stehen die Kreditgenossenschaften des Allgemeinen Verbandes der deutschen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften (Sckulze-Delitzsch). 872 Verbandscreditgenossenschaften be richteten zu der Statistik des „Jahrbuches" für 1897; sie ge währten ihren 490 924 allen Berufskreiscn angehörigen Mit gliedern (30 Proc. sind davon Landwirthe, 26 Proc. selbst ständige Handwerker) im Jahre 1897: iz Milliarden Mark Kredite; von 7 anderen, meist ländliche Genossenschaften um fassenden Verbänden liegen zahlenmäßige Mittheilungen vor; nur zwei, der Allgemeine Verband der deutschen landwirthschaft- kichen Genossenschaften (Offenbach) und der Bayerische Landes verband ländlicher Darlehnscassenvereine (München) machen An gaben über die von ihren Genossenschaften den Mitgliedern gewährten Kredite; der erstere giebt den Betrag auf 57»/s Mil lionen Mark, der letztere auf 16Z Millionen Mark an. Eine Schätzung der gewährten Kredit« nach den mitgetheilten Umsatz zahlen der Genossenschaften der anderen 5 Verbände — des Verbandes schlesischer ländlicher Genossenschaften in Neiße, des Rheinischen Revisionsverbandes zu Kempen, des Verbandes länd licher Genossenschaften der Provinz Westfalen zu Münster, des Verbandes landwirthfchaftlicher Kreditgenossenschaften in Würt temberg, des Generalanwaltschaftsverbandes ländlicher Genossen schaften für Deutschland in Neuwied — läßt den Betrag der selben auf rund 86 Millionen Mark annehmen. Danach würden die von rund 6000 Kreditgenossenschaften, Darlehnscassen rc. dieser 7 Verbände ländlicher Genossenschaften ihren rund l 492 000 Mitgliedern gewährten Kredite rund 160 Millionen f Mark betragen; dazu die rund 1783 Millionen Mark der 872 berichtenden Kreditgenossenschaften des Allgemeinen Ver bandes der deutschen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, ergiebt rund 2 Milliarden Mark Kredite, welche von rund 6900 deutschen Kreditgenossenschaften ihren zum weitaus größten Theil dem kleinen Gewerbebetrieb, dem kleinen Landwirthschafts- betrieb angehörenden 983 000 Mitgliedern gewährt wurden. Nimmt man an, daß die Leistungen der rund 3300 Kredit genossenschaften, von denen statistische MittheUungen nicht vor liegen, diejenigen der berichtenden Creditgenossmschaften nur zur Hälfte erreichen, so würde obigen Zahlen etwa der vierte Theil hinzuzurechnen sein; man kann danach die Zahl der Mitglieder der deutschen Kreditgenossenschaften auf rund IH 'Millionen,, der ihnen im Jahre 1897 gewährten Kredite auf rund 2H Mil liarden Mark annehmen. Die Ersetzung -er Auslan-stationen der deutschen Marine. Das Ausland wird bekanntlich für die Verwendung unserer Kriegsschiffe in Stationen getheilt, und zwar unterscheidet man die ostastatische, die australische, die ostamerikanische, die west amerikanische, die ostafrikanische, die westafrikanische und die Mittelmeerstation. Auf diesen Stationen sollen sich dauernd kleine Kreuzer und Kanonenboote befinden, üm die deutschen Interessen zu wahren und in unseren Colonien Ruhe und Ordnung unter den Eingeborenen aufrecht zu erhalten. Wird für diese Aufgaben zeitweise eine größere Machtentfaltung noth- wendig, so sollen einige Schiffe größerer Gefechtsstärke nach der betreffenden Station entsandt werden. Außerdem werden vor übergehend einige Auslandsstationen von den Schulschiffen be sucht. Augenblicklich befinden sich im Auslande: 1) Auf der o st a s i a ti s ch e n Station dauernd der kleine Kreuzer „Kormoran", sowie ferner das Kreuzergeschwader unter dem Befehl des Diceadmirals o. Diederichs. Es besteht aus dem Panzerkreuzer „Kaiser", den Kreuzern „Irene", „Prinzeß Wilhelm" und „Arkona", die die erste Division bilden, und aus der unter dem Befehl des Contreadmirals Prinz Heinrich stehenden zweiten Division, gebildet aus dem Panzerkreuzer „Deutschland" als Flaggschiff und den Kreuzern „Kaiserin Auguste" und „Gefion". 2) Auf der australischen Station befinden sich die beiden kleinen Kreuzer „Bussard" und „Falte". Diese haben Reisen nach Samoa („Bussard") und Jaluit, sowie („Falke") nach Australien (Sydney) ausgeführt. Das Vermessungsfahrzeug „Möwe" hat sich mit verschiedenen Vermesiungsarbciten in jenen Stationsgebieten befaßt. Zur australischen Station soll im Winterhalbjahr 1898/99 noch der augenblicklich auf ostamerika nischer Station befindliche Kreuzer „Geier" treten. 3) Auf der ost afrikanischen Station befinden sich die beiden kleinen Kreuzer „Kondor" und „Schwalbe", welch letzterer den „Seeadler" abgelöst hat. 4) Auf der west afrikanischen Station sind die beiden Kanonenboote „Habicht" und „Wolf" statlonirt, die Fahrten zwischen Kamerun und Loando unternommen haben. 5) Die ost amerikanische Station ist zur Zeit mit dem Kreuzer „Geier" besetzt, der während des spanisch-amerika- I ntschen Krieges außerordentlich in Anspruch genommen ist; I an seine Stelle tritt für das Winterhalbjahr der Kreuzer „Hertha", der sich bekanntlich zur Zeit über Konstantinopel auf der Palästinafahrt befindet. , , 6) Die west amerikanische Station ist, wie seit langen Jahren, zur Zeit immer noch unbesetzt, und auch für das Winterhalbjahr ist noch kein Schiff für dieselbe vorgesehen. 7) Die Mittelmeerstation wird ständig von dem eigens zu diesem Zwecke aptirten, s. Z. von England gekauften Fahrzeug, einer ehemaligen Privatyacht, der „Loreley", besetzt gehalten. Sie ankert im Bosporus, unweit des goldenen Horn, und tritt gelegentliche Rundfahrten im östlichen Mittelmeer an. Im klebrigen steht sie zur Verfügung des deutschen Botschafters in Konstantinopel. Außerdem befinden sich folgende Schulschiffe zur Zeit im Auslande: „Charlotte" (Kommandant Capitain zur See Bullers), „Stosch" (Kommandant Corvettencapitain Ehrlich) und „Moltke" (Kommandant Corvettencapitain Schröder), als Cadettenschulschiff, und zwar zur Zeit noch im östlichen Atlantik; ferner das Schiffsjungenschulschiff „Sophie" (Kommandant Corvettencapitain Kretschmann) und „Nixe" (Kommandant Corvettencapitain v. Basse) ebenfalls im Atlantischen Ocean zur Uebungsfahrt nach der amerikanischen Küste. Somit hat das Reich zur Wahrnehmung der Seeinteressen und zu- den Uebungsfahrten augenblicklich 2 große Kreuzer, 11 kleine Kreuzer, 3 Kanonenboote, 1 Stationsschiff und 5 Schulschiffe in Dienst. Nach dem neuen Flottengesetz sollen für die ersteren Zwecke, Wahrnehmung der Seeinteressen, dis ponibel sein: 3 große Kreuzer, und zwar 2 in Ostasien, 1 in Mittel- und Südamerika; 10 kleine Kreuzer, und zwar 3 in Ostasien, 3 in Mittel- und Südamerika, 2 in Ostafrika, 2 in der Südsee; 4 Kanonenboote, und zwar 2 in Ostasien, 2 in Westafrika und 1 Stationsschiff. Aus obiger Aufzählung geht hervor, daß uns hieran zur Zeit noch 1 großer, kein kleiner Kreuzer und 1 Kanonenboot fehlen, für den fehlenden großen Kreuzer aber ein kleiner Kreuzer (11 statt 10) fungirt. Di« Bereitstellung der Kreuzer für den Auslandsdienst konnte nur daurch ermöglicht werden, daß der heimischen Schlachtflotte die besten und brauchbarsten der vor handenen Aufklärungsschiffe entzogen wurden. An einer Materialreserve von Schiffen, aus der eventuell Verstärkungen für die Auslandsstationen entnommen werden könnten, fehlt es immer noch in dem erforderlichen Umfange. Deutsches Reich. U Berlin, 14. October. Es kann nickt geleugnet werden, daß ein großer Theil der bestehenden Innungen sich sckon bisher gegen die Zwangsinnung entschieden hat und daß ein weiterer dies nock in der Zeit, bis zu welcker die neuen Bestimmungen des Handwerksorganisationsgesetzcs über die freien Innungen in die Innungösatzunaeu ausgenommen sein müssen, thun wird. Es wäre aber verkehrt, wollte man daraus schließen, daß die Zwangsorganisation in einem großen Theile deS früher schon corporirt gewesenen Handwerks auf einen dauernden Widerstand gestoßen wäre. Die Ursache für die Ent scheidungen gegen die Annahme des Zwangsinnungscharakters liegt meist darin, daß die Innungsmitglieder erstabwarten wollen, wie sich die Zwangsinnungen in den Fällen, wo sie neu errichtet oder aus alten Innungen hervorgegangen find, bewähren werden. Man will eine alte bewährte Einrichtung nicht aufgeben, ehe man sich über die praktischen Vortheile der neuen genau unterrichten kann, und so wird man denn auch über die Aufnahme, welche die Zwangsorganisation in den Kreisen des corporirten Handwerks erfährt, erst zutreffend urtheilen können, wenn eine längere Zeit vergangen sein wird. Selbstverständlich werden die freien Innungen, welche sich bekanntlich bis zum 1. April n. I. den neuen Vorschriften im Handwerksorganisationsgesetz angepaßt haben müssen, sich auch nach diesem Zeitpuncte in Zwangsinnungen umwandeln können, wenn die sonstigen, dafür vom Gesetze vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt werden. Es scheint übrigens auch, als ob ein großer Theil der Handwerker von den Zwangsinnungen Thätigkeiten erwarte, die nickt zu ihrer Competenz gehören. Einen großen Theil dieser Erwartungen sollen die Handwerkskammern erfüllen. Sie werden nament lich für die Lösung der bedeutenderen Aufgaben im Hand werke maßgebend werden. Wenn die Handelskammern ge bildet und in Thätigkeit getreten sein werden, wird sich dem gemäß auch eine richtigere Auffassung von dem Wesen der ganzen Organisation im Allgemeinen und dem der ZwangS- innung im Besonderen innerhalb deS früher schon corporirt gewesenen Handwerks bilden und ihren Einfluß auf die Ent schließungen über die durch das Gesetz vom 26. Juli 1897 gebotene Neuorganisation auöüben. L. Berlin, 14. October. (Unabhängige Männer.) Der Bund der Landwirthe scheint einzuschen, daß seine Forderung, daß Beamte nicht in den Landtag gewählt werden sollten, sich nicht Wohl verwirklichen läßt und daß, wenn diese Forderung aufrecht erhalten würde, die couserva- tive Partei erheblichen Schaden und der Bund selbst sicherlich keinen Vortheil davvntragen würde. Deshalb erklärt die „Deutsche Tagesztg.", man dürfe sehr wohl Beamte, auch Landräthe, in die Volksvertretung wählen, man müsse sich nur vergewissern, daß der Candidat Festigkeit genug habe, um gegebenenfalls auch in Opposition zu der Negierung zu treten. Das Recept, wie man Herz und Nieren des Beamten derart prüfen soll, um sicher zu sein, daß er bei etwaigen Regierungsvorlagen, die man ja einstweilen noch gar nicht kennt, nicht „umsällt", wird leider nicht ange geben. Um' die Auffassung, als ob durch das Ver langen, daß nur unabhängige Männer gewählt werden dürften, die Beamten ausgeschlossen werden sollten, noch mehr abzuschwäcken, erklärt das Organ deS Bundes, daß eine andere Abhängigkeit noch viel bedenklicher wäre, als die der Beamten: die Abhängigkeit nämlich von Auftrag gebern oder von der Laune der Masse. Sehr richtig, aber man hätte gerade von dem Organe des Bundes diese Aus lassung nickt erwarten sollen. Denn wann hat eö je einen strengeren Auftraggeber gegeben als den Bund? Er hat ja doch die Unterstützung von Candidaten davon ab hängig gemacht, daß sie sich durch Unterschrift ver pflichteten, im Sinne des Programms des Bundes der Landwirthe abzustimmen. Eine solche Abhängigkeit ist aller dings bedenklicher, als die eines Beamten, weil der Beamte, der der Regierung opponirt, im schlimmsten Falle seine Stellung guittiren kann, ohne dadurch Schaden an feiner Ehre zu erleiden, während Derjenige, der sich mit einer aus drücklich von ihm einzegangenen Verpflichtung in Widerspruch setzt, dadurch mit feiner Ehre in den schwersten Eonflict gc- räth. Es läßt sich gar nicht leugnen, daß durch die Auf erlegung derartiger Verpflichtungen und durch die Bindung des freien Willens daS Ansehen einer Volksvertretung noch mehr leidet, als wenn in ihr nur gehorsame Diener der Regierung säßen. Denn bei der Regierung ist doch wenigstens die Fiction vorhanden, daß sie die Interessen Feuilleton. Äuf dem allen Friedhof in Arnstadt. Von E. Hofmann. Kein Reisehandbuch, kein Fremdenführer Weitz von ihm zu sagen, und doch ist ein Durchwandern diefes alten Gottesackers, der keine Leiche mehr aufnimmt, so lohnend. „Störet nicht die Ruhe der Tobten und ehret den Schmerz der Hinterbliebenen", so steht am Eingang. Tritt man durch das alte Thor, so sieht man linker Hand die Gottesacker-Kirche. Sie stammt aus b«m vorigen Jahrhundert, wurde 1813 als Laza- reth benutzt und ist jetzt nur noch einmal im Jahre geöffnet. Am Himmelfahrtstage sind di« übrigen Kirchen Arnstadts ge schlossen und nur in der 'Kirche auf dem alten Friedhof ist Gottesdienst. Rechts vom Eingang des Thores wohnt der Friedhofswärter Franz, d«m der alte Gottesacker zum Paradies geworden ist, wie er selbst sagt. «Neber und unter -er Erde ist er thätig, Altes, längst Vergangenes der Nachwelt zu erhalten. Mit seltenem Verständnis weiß er Werthvolle» zu entdecken. In seinem Haus liegt ein geschmackvoll ausgestattetes Buch au», in nxlcheS di« Be sucher des Friedhofs ihre Namen schreiben. Wanderte da vor langen Jahren ein kleines Mädchen zwischen b«n Gräbern, di« ihr« eigene Sprache reden, hin. WaS kaum les bar war, entziffert« dir Kleine; auf eingesunkenen Hügeln träumte sie und hing den eigenen, porsievollen -Phantastin noch. Der alt« "Friedhof ward zum Märchenland» für st«. Besonders an den Gräbern von jung verstorbenen Müttern und Kindern konnte sie stundenlang sitzen, jätete dort und legt« selbfigebundene Kränze auf die vergessenen Gräber. Ihre junge, phantasievoll« Kmder- se«le liebte die still« W«lt der Tobten und der Wunsch mag da mals schon in dem Kinde gelebt haben, dereinst auch hier zu ruhen. Das Geschick hat diesen Herzenswunsch erfüllt; seit dem 25. Juni 1887 ruht E. Marlitt neben ihrem über All«» ge liebten Vater auf dem alten Friedhof zu Arnstadt. Ueber dem Doppelhügel wölbt sich «in« Gartenlaube, von dem da» Grab mit Pietät und stolzer Verehrung hütenden Fviedhofswärter Franz erbaut. E. Marlitt schrieb nur für die „Gartenlaub«", so sollte sie auch ruhen unter einer Laube im Garten -der Tobten. Unweit vom Grab der Marlitt befindet sich, ebenfalls an der Mauer, das vonWilibald Alexis (GeorgWilhelmHäring). Der brandenburgische „Walter Scott" lebte lange Jahre in Arn stadt und starb daselbst am 16. Drcember 1871. Seine Be- deutung in der Literatur wurzelt vor Allem in seinen vater ländischen Romanen, welche die Entwickelung der Hohenzollern in der Mark und Persönlichkeiten und Begebenheiten der preu ßischen Geschichte zum Hintergrund haben. Reihenweise ziehen sich auf dem Friedhöfe klein« Häuser hin, Erbbegräbnisse. Die hier ruhen, verwesen nicht, sondern trocknen zu Mumien ein. Mehr als ein Jahrhundert schlafen sie da unten, und thut sich einmal einer der dunklen Holzsärge auf, so flackert das Licht der Laterne über die zu Mumien ein getrockneten Todten, deren Kleidungsstücke noch alle wohlerhalten sind. Doch zurück auS den modernden Grüften an das Sonnen licht. Da liegt, von eisernem Gitter umgeben, die blumen geschmückte Fürstengruft. In ihr ruhen Prinz Alexander, als Kind gestorben, Erbprinz«sstn Marie, als junges Mädchen heim gegangen, und die beiden Fürstinnen Caroline und Mathilde, welche als Greisinnen starben. Nicht weit von der Fürstengruft liegt das Epheu umrankte Grab einer Hofdame, eines Fräulein von Witzleben. Keines der Gräber aber ist so auf ewig von Poesie umgeben, so rührend, als das hinter der Gottesacker-Kirche gelegene, in welchem jene Spielersfrau ruht, di« E. Marlitt zur Mutter der Felicitas machte. Auf dem grauen, von Immergrün umrankten Stein steht die Inschrift: Hier ruhet Frau von Lin Ski, g«b. von Müller, geb. 1806 zu Kopenhagen. Getödtet durch «inen Flintenschuß am 8. November 1829 in Arnstadt. Wer erinnert sich nicht deS tragischen Ereignisses, mit dem „Das Gcheimniß der alten Mamsell" beginnt? Bei einer Vor stellung ihre» Gatten, d«S polnischen EdelmanneS Louis von Linsky, der durch Deutschland reiste, um „mechanische und physikalische Kunststücke" zu zeigen, wurde di« junge, bildschön« Emil« von LinSky am 8. November 1829 Mittags -12 Uhr im Arnstädtrr Rathhaussaal von einem Soldaten versehentlich er schossen. So ist es in den Justizamtsacten zu lesen. Da sie, aus reicher, angesehener Fcrmilt« stammend, den polnischen Edel mann gegen den Willen ihrer Eltern gehetrathet hatte, war st« von ihrem Vater verflucht worden. Dieser Fluch galt auch der Todten. Ohne Sang und Klang wurde das arme, unglückliche Weib hinter der Kircke begraben. „Kein Stein soll ihre Ruhe statt bezeichnen, und Dornen sollen aus ihrem Grab« wachsen!" Schnee umhüllt« da» Grab des armen Spi«lrrweibeS, da-, fern der Heimath, in fremder Erde schlummerte. Da kam der Frühling, und aus d«m Grabe hinter der Kirche wuchs «in Rosen stock, ein dornenlos«r! Der Rosenstock steht noch heute und blüht alljährlich reich und herrlich. So geschehen noch Wunder, und Fluch kann sich in Segen wandeln. Ein ungedrucktes Lied Scheffel's. (Danziger Zeitg.) Wandert man heute in Ilmenau, einer der Perlen Thüringens, die breite Straße entlang, di« vom Bahnhofe durch die Haupttheile der Stadt nach dem Wirthshause am Gabelbache führt, so gelangt man etwa in der Mitte des Ortes an einen Punct, wo links eine breite neue Straße nach unten, rechts eine alte nach oben führt. Jene führt den Namen „Schwanitzstraße", und am Ende dieser liegt der Markt und das alte großherzogliche Schloß, in dem der Geheime Justizrach Karl Schwanitz wohnt, d«r Mittelpunct vieler Interessen und der Gegenstand vielen Interesses in Ilmenau. Als Gemeindevorsteher der Gemcinde Gabelbach hat er diefes fröhliche Idyll zu einer deutschen Be rühmtheit gemacht, und in der Literatur und Geistesgeschicht« unseres Volkes hat er sich ein dauerndes Denkmal gesetzt als der treue, langjährige Freund Scheffel's, dem wir auch die frühe Verbreitung jetzt ganz bekannter Lieder Scheffel's verdanken. In den sonnigen, heiter-ernsten Jugendtagen waren Bride eifrige Burschenschafter in Heidelberg und Jena, und die Erinnerung an diese Zeit hat z. B. die Lieder „Walfisch zu ASkalon", „Ichthyosaurus" und „Guanolied" hervorgerufen. Als nämlich am 28. Februar 1855 die Burschenschaft Teutonia in Jena ihr zehnjähriges Stiftungsfest feierte, sandte Scheffel an Schwanitz, der von Eisenach aus daran theilnahm, auf den Wunsch des Letzteren die genannten drei Lieder al» Festbeitrag. Damals zuerst in hundert Exemplaren lithographisch vervielfältigt, haben st« bald ihre Runde durch ganz Deutschland gemacht. Auf der Suche nach Einzelheiten über Scheffel'sche Lieder, pilgert« ich nun im letzten Juli di« Straße nach dem alten Schlosse in Ilmenau hinan, um bei Karl Schwanitz anzuklopfen. Aufs Liebenswürdigste empfangen, fand ich dort mehr, als ich er wartet hatte, denn der Mann, der durch «ine mehr als vierzig jährige ungetrübte Freundschaft mit Scheffel verbunden gewesen ist, besitzt wahr« Schätze an Material von Bildern, Briefen und eigenhändigen Aufzeichnungen Scheffel's, und ich durfte eine köstliche Stunde verleben im Gespräche mit dem geistvollen Be sitzer dieser Schätze, d«r sie bereitwillig vor mir ausbreitete. Da stand er plötzlich wieder auf, kam bald mit einem alten, vergilbten Büchlein zurück und sagte: „Da habe ich aber noch etwas, was Sie gewiß auch interessiren wird. Sie sind doch aus Danzig. Hier in diese mein« Brieftasche hat Scheffel mir eigenhändig ein Gedicht eingeschrieben, als ich ihn im September 1850 in Säckingen besuchte. Es heißt „Der untreu« Schäfer" und handelt von einem Schäfer bei Danzig. Bekannt geworden und gedruckt ist es noch nicht." Ich lauschte und hörte ein Lied, aus dem der ganze feucht-fröhlich« Humor Scheffel'» spricht und zugleich di« Sicherheit, womit er den balladenmächtigen Volkston zu treffen weiß. Auf eine spätere Bitte, anfangs wagte ich es nicht, sie auszusprechen, ist es mir von dem Besitzer bereitwilligst zugestellt worden zugleich mit der Erlaubniß, es zu veröffentlichen. Und das soll hiermit geschehen, hoffentlich zur Freude aller Verehrer Scheffel's und unserer Landsleute im Besonderen. Der untreue Schäfer. Mel.: Ich bin der Doctor Eisenbart. Ein Schäfer zog mit seiner Hecrd' -Auf uno ab bei Danzig. Dem Schäfer war fein' Ehr nichts Werth, Namentlich bei Danzig. Ter Schäfer sein« tzeerd' verlauft Auf und ab bei Danzig. Und alles Geld in Schnaps versauft, Namentlich bei Danzig. Und als das Geld vertrunken war Auf und ab bei Danzig. Trank er auf Pump noch sieben Jahr, Namentlich bei Danzig. Dann floh er zu ei'm Schiffscap'tain Auf und ab bei Danzig. Und wollte fort nach Grönland geh'n, Namentlich bei Danzig. Doch als er kam in' kleinen Sund Auf und ab bei Danzig. Bracht' ihn der Scorbut auf den Hund, Namentlich bei Danzig. Und als er kam in' großen Belt Auf und ab bei Danzig. Da starb er weg au» dieser Welt, Namentlich bei Danzig. Da nagelt man aus ein Brett ihn an Auf und ab bei Danzig. » .. Und schmiß ihn in den Ocean, Namentlich dei Danzig. Ein Haistsch kam und schnappt ihn weg Auf und ab dei Danzig. Jetzt hatt' des Schäfers Seel den Dreck, Namentlich bei Danzig. Und die Moral von der «Beschicht Auf und ab bei Danzig? Versauf du keine Lämmer nicht, Namentlich bei Danzig. 1850 BK«»« Scheffel. p.
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