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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189811067
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18981106
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18981106
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-06
- Monat1898-11
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1898
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Größere Schriften laut unserem Preis« derzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderua, >l> 60.—, mit Postbeförderung X 70.—. Iinnahmefchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4UhL Lei den Filialen und Annahmestellen je «in« halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 5l>3. Sonntag dm 6. November 1898. 92. Jahrgang. Aus -er Woche. Das Kaiserpaar befindet sich in Beirut und wird bald seine groß« Fahrt beendet haben, glücklicherweise, ohne daß sich eine der daran geknüpften Befürchtungen für da» Wohl ergehen der hohen Reisenden erfüllt hätte. Wa» die gehegten politischen Besorgnisse anlangt, so ist es vielleicht nur die zwiefache Abkürzung der Reise, die sie nicht rechtfertigt. Jedenfalls findet der Kaiser die bei seiner Ausfahrt ernste Weltlage ernster gestaltet wieder. Für die innere Politik schreibt man dem Aufenthalt im heiligen Lande eine Be deutung zu, die möglicherweise auch besteht. Nur ist e» merkwürdig, daß der Zweck der Fahrt, die Bekundung de» protestantischen Bewußtsein», in der Erörterung zurück tritt hinter die außerordentlichen Huldbewkise, die die katho lische Kirche bei dem Anlässe erfahren hat. Man ist nirgend» in Deutschland unbefriedigt von dem kaiserlichen Ent gegenkommen gegen die Katholiken. Ebensowenig scheint man sich aber an irgend einer evangelischen Stelle von der hier wiederholt ausgesprochenen Ansicht auszuschließen, daß ffer UltramontaniSmu» seine Gefühle und seine Politik gegen das deutsche Reich auch jetzt nicht wandeln werde. Die in Palästina vollzogenen Acte sind mehr demonstrativer Natur, vorher aber und seit Jahren hat man dem Klerikali«- mu» Zugeständnisse höchst realer Natur gemacht, ohne daß er seine politische Physiognomie verändert hätte. Die Formen seines Auftretens freilich sind nicht stet» die alten, aber der Wechsel erinnert nur au die Fabel von dem Reisenden, dem die Sonne den Mantel abschmeichelt, den er gegen den Wind zu bewahren gewußt. Der Besitz deS Mantels aber ist wichtiger als die augenblickliche Erleichterung. Ueder das Unheimliche zu theuer erkaufter kleiner Erfolge läßt sich ein denkender Politiker iu einer gediegenen Betrachtung, die die »Berliner Börsenzeilung" veröffentlicht, mit nur zu viel Berechtigung also auS: „Unsere deutsche Geschichte ist eigentlich »in ewiges Auf uud Ab de» Erringen» uud deS — Ausverkauf». Ja ihrer Glanzperiode mühen sich di« Karolinger wie die Salier, die Hohenstaufen wie die Habsburger, um immer neue Materialien zusammrnzutragen, die zum Bau und zur Stärkung der Centralgewalt sich eignen. Im Zeitalter deS Niederganges werden dann die schwächlichen Com- promifse geschlossen. Da wird dem Episkopat Dies, dem unbot- mäßigen Theilsürstenthum Jenes, den Städten rin Dritte» zu- gestauden, wo nicht gar um schnöde» Geld verschachert, uur damit sie die Kaisergewalt an und für sich anerkennen. Andere Zeiten, andere Verhältnisse!" Aber: „Im neuen wie im alten Reiche wird di« Staatsleitong immer drrsrlb« Versuchung ausgesetzt sein, um den Preis dauernder Zu- gestäadniss« auf Kosten der Lentralgewalt einen vorübergehenden Werth der Anerkennung für dies« selbst einzuhandeln. Je reicher die Materialien, welch« in der Glanzperiode gesammelt waren, desto weutgrr wird von den breiteren politischen Kreisen die eine oder «adere Veräußerung al» ei» Merkmal de» „Ausverkaufs" erkannt werden. Ja, selbst die AlltagSweisheit der Staatsleitung selbst mag gelegentlich wohl in dem Glauben befangen sein, daß in einer solchen Veräußerung nichts Bedenkliche» liege. „Ein- mal ist keinmal." Wir möchten aber einen Wendepunkt der inneren Entwickelung, wie den gegenwärtigen, nicht vor- übergehen lassen, ohne aus» Nachdrücklichste davor zu warnen. Was wir im harte» Kampfe mit der Hierarchie erstritten und was in sorgsamer Verhandlung durch den ehrlichen Makler zwischen Fürsten- grwalt uad Leutralgrwalt als Grundlage der Bundesgemeiuschaft vereiubart worden, e» ist in allen Stücken werth, erhalten zu bleiben. Die neue Zeit, in die wir hinübertreten, wird ihre Größe darin zu suchen haben, daß sie nicht nur Len „Ausverkauf" ihrerseits in aller Entschiedenheit von sich weist, sondern auch zurückzuerwerben trachtet, wa» seit der unseligen Franckenstein'schen Klausel dahingegeben worden, um heute das Centrum, morgen die Polen, rin anderes Mal die „Reservatstaaten" für nationale Augenblicksbedürsnisse zu gänglich zu machen. Die Größe der Staatskunst mag sich nach dieser Seite hin besonders auch in der Weise äußern, daß Geduld geübt wird. Bon einem Zielpuncte Abstand nehmen, wenn er ohne Zugeständniß an Particularisten oder Klerikale zeitweise nicht er reichbar, ist sogar «in hervorragendes Kennzeichen staatsmännischer Größe, während jede Ungeduld nur als ein verrätherisches Merkmal der Schwäche erscheint. DaS Reich, wie der preußische Staat ist aber dermaßen mit bewährten Einrichtungen gesättigt, daß beide sehr viel Zeit zum Warten haben, wo Neues nicht anders erreichbar, als um deu Preis von schwächlichen Zugeständnissen." Zn diesen trefflichen Sätzen fehlt nur der Hinweis auf den Eintausch von AeußerUchkeiteu gegen Werlhe in der auswärtigen und in der Colouialpolitik. Auf diesem Gebiete ist der „Ausverkauf" bei un» besonder« gut gegangen und leider noch nicht abgeschlossen. Von dem afrikanischen Ab kommen mit England ist es in der deutschen Presse ziemlich still geworden, was jedoch nicht als ein Zeichen geminderter Besoraniß angesehen werden darf. Zm Gegentheil. Jetzt tritt sogar die „Post", die anfänglich in den gegen die Kritiker beliebten CorporalSton mit eingestimmt Halle, in die Reihen der Beunruhigten. Sie findet es „beachlenSwerth, wie sich in fast allen britischen Enthüllungen über das deutsch-englische Abkommen der eine Puncl findet, daß Deutschland einen Streifen seines afrikanischen Gebietes an England abtrete, damit dieses die gewünschte Verbindung zwischen dem Sudan und Südafrika („von Kairo bis zum Cap") Herstellen könne". DaS wäre also ein Zugeständniß, von dem die bestdressirten Osficiösen nicht sagen könnten, man hätte nur die Wahl zwischen ihm und dem Kriege mit England gehabt, eine faule Ausrede, mit der man bekannt lich die Preisgabe der Delagoabai als etwas Unvermeidliches zu rechtfertigen gesucht hat. Ob die Meldung richtig ist, vaß Frankreich Einspruch gegen den Uebergang des Schlüssels des Oranje Freistaates und der südafrikanischen Republik an Großbritannien Einspruch erhoben hat, muß heute noch dahingestellt bleiben. Jedenfalls stellt die „Post" der deutschen Diplomatie kein gutes Zeugniß aus, wenn sie bemerkt, in England ärgere man sich natürlich sehr über den angeblichen französischen Protest, aber „im Bewußtsein, mit Deutschland ein vortheilhaftes Uebereinkommen betreffs Afrikas getroffen zu haben,setzt man sich politisch über die französischen Unfreundlichkeiten leicht hinweg." Demnach stellt man sich in England und stellt sich die „Post" Deutschlands Nolle in Afrika als die eines Schwcizergardisten der Briten vor, der sich aber von seinen Vorgängern dadurch unterscheidet, daß er den Be schützten auch noch lohnt und für seine Person so gut wie leer ausgeht. Die englische Presse schreibt freilich plötzlich der uns anscheinend zugedachten — versandenden und nach der Er richtung der Hafenanlagen von Swakopmund werthlosen — Walfischbai „eine enorme Wichtigkeit für Deutschland" zu. Es ist aber die Gewohnheit der Engländer, so lange sie die fremde „Hose" noch nicht im Kleiderschranke haben, ihren dafür angeborenen „Hosenknopf" als ein Kleinod an zupreisen. Wenn in der oben angeführten Preßstimme zur eifer süchtigen Wahrung der Reckte der deutschen Centralgewalt gemahnt wird, so zeigt schon die Erinnerung an den ehrlichen Makler Bismarck, daß der Verfasser die Rechte der Fürsten nicht minder bochgehalten wissen will. Daß in der lippischen Angelegenheit, mit der freilich nicht die Central gewalt, sondern lediglich die Person ihres Trägers etwas zu thun hat, dieser Pflicht Rechnung getragen werden müsse, ist eine Forderung, die immer allgemeiner, immer lauter er hoben wird. Selbst ein Blatt wie die „Kreuzztg." äußert schwere Bedenken gegen die Beunruhigung deS kleinen Fürsten- thumS. Hier und da bekommt man allerdings zu lesen, die Sache habe eigentlich nur sür die Juristen ein Interesse und die politische Presse thäte besser, sich nicht darum zu kümmern. Aber vor oder nach dieser Empfehlung findet sich fast regelmäßig die Anerkennung der Thatsache, daß durch den lippischen Fall 'das Vertrauen auf die preußische Führung von Erschütterungen bedroht sei. Mit dieser Möglichkeit haben aber, sollte man meinen, auch die Nicht-' juristen in Deutschland sich ebenso zu befassen, wie mit ver ändern, daß Preußen in dieser ohne Noth von ihm, wenn nicht aufgeworfenen,s so doch großgezogenen Frage einer Majorisirung im Bundesrath unterläge. Mit Grund be fürchtet man auch von diesem AuSgang üble Folgen sür da» Reick. Es ist höchste Zeit, daß diese unheilschwangere An gelegenheit auS der Welt geschafft wird. Schon die üble Stimmung in Lippe drängt dazu; die geringe Zahl der dortigen Bevölkerung drückt die reichspolitische Bedeutung der tiefgehenden Entrüstung keineswegs herab. Denn diese dehnt sich nach allen Seiten aus, wird ohne Zweifel zum Theil auch mit böswilliger Beflissenheit weiter geleitet. Aber die reichsfeindlichen Ausbeuter des Streites sind nur durch dessen gereckte Beendigung zu entwaffnen. Bon verschiedenen Formen der Chicanirung des Ländchens soll übrigens ohne Grund berichtet worden sein. So heißt eS jetzt, mit der Vereitelung von Eisenbahnanschlüssen und mit der Fortverlegung der Garnison von Detmold sei nicht gedroht worden. Es bleibt aber noch genug Verbitterungsstoff übrig. Der Trierer Bischof Korum— eine offenbar auS katholisch theologischen Kreisen stammende Mittheilung der ,Iöln. Z." zerstreut jeden Zweifel — wird nun doch den Vatikan gegen den Würzburger Professor Schell mobil zu machen suchen. Die von einem Münchner klerikalen Blatte geäußerte Erwartung, daß aus einer Censur gegen Schell nichts werden würde, dürfte sich also als eine trügerische erweisen. Und wenn auch nicht, Rom steht thatsächlich auf Seite de« Jesuitismus, der in Herrn Korum incarnirt ist, und die auf eine freiere geistige Bewegung in der katholischen Lehre ge richteten Bestrebungen Schell's und seiner wenigen Mitstreiter sind hoffnungslos. Mit dieser Hoffnung aber schwindet auch die auf eine Versöhnung des Klerikalismus mit dem Reiche, wider die sich die von den Jesuiten geförderte geistige Ab schließung der Geistlichkeit gegen den wissenschaftlichen Luft strom vor allen Dingen richtet. In den „Seminarien" ge nannten Drillanstalten waltet der Geist der Liviltü cattolica, der der eigentliche Schöpfer deS Zweibundes ist und seinem grenzenlosen Teutschenhasse nur unter den größten An strengungen Zügel anzulegen weiß. Für die von diesem Geiste Beherrschten wiegen die Zugeständnisse und Aufmerksam keiten des deutschen Kaisers federleicht. Herr Liebknecht hat in einer Veröffentlichung von Er innerungen an sein Flüchtlingsleben in Genf den bekannten Karl Vogt der Denunciation be zichtigt und dabei bemerkt, daß dieser Mann bei mehrfachen Gelegenheiten „eine sehr schosele Rolle" gespielt habe. Mag eS zehnmal Herr Liebknecht sein, der dies sagt, man wird ihm glauben. Ader man erinnert sich dabei auch, daß die deutschen Socialisten während des Krieges 1870 nichts gegen Vogt's Treiben einzuwenden hatten und sogar für die Weilerverbreitung von Artikeln sorgten, die dieser geborene Deutsche in einem eigens zur Bekämpfung Das Licht als Heilmittel. Ein La-ttel au» der «»»ernsten Medicin. Bon vr. Curt Rudolf Kreusner (Graz). Nachdruck vrrdott». Daß Licht nicht allein «in Heilmittel, sondern geradezu gleichbedeutend ist mit Leben, Blühen und Gedeihen, ist eine so fundamentale Wahrheit, daß man fast Bedenken tragen muß, einen den Heilwirkungen des Lichte- auf den kranken Organismus gewidmeten Aufsatz mit einem solchen Gemeinplatz zu über schreiben. Nicht nur die Pflanzenwelt verdankt ihre Existenz den belebenden Strahlen der Sonne, sondern ebenso, ja fast in noch höherem Grade sind Thier und Mensch auf das Licht deS Tages al» ewig fließende Quelle ihrer Existenz angewiesen und müßten verkümmern und schließlich zu Grunde gehen, wenn ihnen jene» entzogen wird. Allerdings macht die Natur von diesem biologischen Grundsätze auch Ausnahmen, indem sie Tbiere und Pflanzen bestehen läßt, welche nie oder höchst selten dem Lichte ausgesetzt sind. In den Höhlen des Karstes lebt ein Sala mander, -der unter dem Namen Olm bekannt ist, in ewiger Nacht, und seine Augen, die ihm nie zum Sehen dienen, liegen als verkümmerte Organe, dem Laien kaum erkennbar, unter der Haut verborgen. Die edelsten Speisepilze, die Trüffel und der Champignon, gedeihen am üppigsten in lichtlosen Kellern, ver lassenen Eisenbahntunneln und ähnlichen dunklen Räumen. Aber diese Beispiele sind nur scheinbare Ausnahmen von der allgemeinen Regel. Die in steter Finsterniß lebenden Thiere, deren es übrigen» auch in der Tiefe de» Meeres eine große Zahl giebt, haben sich in unberechenbar langen Zeiträumen den außergewöhnlichen Existenzbedingungen angepaßt und nehmen in der entwickelung-geschichtlichen Reihe der Formen eben doch eine verhältnißmäßig niedere Stufe ein, über welche sie gerade wegen des Mangel» an Licht nie Hinaufstetgen können. Die genannten Pflanzen aber führen nicht die Ernährungsweise, Wie sie im Pflanzenreich Regel ist, welches den Kohlenstoff de» Pflanzenleibes mit Hilfe de» Sonnenlichte» au» der in der atmosphärischen Luft enthaltenen Kohlensäure assimilirt, sondern haben die Lebensweise der Thiere angenommen, indem sie fertige organische Stoffe und Eiweißverbindungen, als Schmarotzer, direkt au» dem an verwesenden Stoffen reichen Wachsthums- boden aufsäugen. Für die weitaus meisten Organismen ist das Licht eine Grundbedingung der Existenz, und zwar um so mehr, je höher sie auf der entwickelungsgeschichtlichen Stufenleiter stehen. Es ist daher nur natürlich, daß der Mensch am allermeisten von den Einwirkungen de» Lichte» in seinem Befinden in gesunden wie kranken Tagen beeinflußt wird. Schon ein längere Zeit hindurch bedeckter Himmel übt auf die meisten Menschen einen immerhin bemerkbaren deprimirenden Einfluß au». Es mag dahingestellt bleiben, ob der Spleen, welchen man nicht ganz mit Unrecht unseren Stammesvettern jenseits de« Aetmrlcanals al» nationale Eigenthümlichkrit nachsagi, eine Folge der ver schrieenen Wochen- und monatelang»» Nebel de» britischen JnftlreicheS ist; Thaisach« ist «» aber, daß auch bei un» sich männiglich beklagt, wenn sich die Sonne einmal ungewöhnlich lange hinter Wolken verbirgt. Nur «ine geringe Minderzahl von Menschen bevorzugt in folge einer ganz besonders nervös-hysterischen Schwäche in excesstver Weise die Dunkelheit und flüchtet, wo es möglich ist, vor jedem grelleren Lichte in den Schatten ihrer künstlich ver dunkelten Wohnungen; es sind dies alle Individuen mit an geborener Schwäche des Nervensystems und des Blutes, für welch« eine intensive Bestrahlung ein Reiz von unerträglicher Heftigkeit ist; für die Mehrheit aber ist ein gewisses Maß von Belichtung und Erwärmung, das sich natürlich nicht bis zur Verbrennung und zum Sonnenstich steigern darf, höchst wohl- thuend und anregend, und man braucht nicht erst zu den Lazzaronis italienischer Häfen zu gehen, welche sich auf den Steinfliesen der Quais stundenlang von der Sonne bescheinen lassen, sondern kann sich von der Wahrheit dieser Thatsache im Sommer in jeder deutschen Badeanstalt überzeugen, wo unsere liebe Jugend in ausgiebigster Weise von jeher von den Luft- und Sonnenbädern Gebrauch macht, die seit Kurzem wieder in der Medicin einmal sehr in Mode gekommen sind. Der berühmte Physiologe Moleschott sagte schon vor mehreren Decennien auf di« Reizbarkeit der „Nerven": „Thiere, die im Lichte aufbewahrt wurden, besitzen eine weit größere Reizbarkeit der Nerven und größere Leistungsfähigkeit der Muskeln als solche, die unter gleichen Verhältnissen des Geschlechts, der Größe, der Ernährung, der Zeit und der Wärme den Einfluß des Lichts entbehrten." Der Grund für diese Erhöhung der Lebens- thätigkeit ist heut« kein Gehermniß mehr. Wir wissen durch zahlreiche einwandfrei« Experimente, daß das Licht, namentlich wenn e» die unbedeckte Körperoberfläche trifft, die Thätigkeit aller Zellen belebt, und damit den gesammten Stoffwechsel auf da» Ausgiebigste erhöht, und daß umgekehrt bei Lichtmangel den verschiedensten Krankheiten Thür und Thor geöffnet wird. Kinder, welche andauernd in dunklen Hof- und Kellerwohnungen, wie sie in unseren Großstädten leider noch in viel zu großer Zahl bestehen, zu leben gezwungen sind, verfallen mit ziemlicher Sicherheit der Skrophülose; Verkäuferinnen und Cassirerinnen, welche von Früh bi» Abend in dunklen Geschäftsräumen thätig sind, bekommen rin wachsbleiches kalkartiges Aussehen und ver- rathen damit, daß in Folge des Lichtmangels die Gefahr der Bleichsucht oder der noch viel schlimmeren, oft tödtlichen Leu kämie im Anrücken ist; ja die unverkennbare Degeneration der gesammten Bevölkerung alpiner St«ilschlucht«n, wie des Bergells und des Aostathalrs, ist nur auf Rechnung des dort seit Jahr tausenden auf dem Geschlechte lastenden Mangels an Licht zu setzen. Ebenso wichtig ist die Wirkung deS Lichte» für die Reinigung der durch den Athmungsproceß von Thier und Mensch verun reinigten Athmosphäre. Mit jedem Athemzuge entweichen dem Organismus nicht nur erhebliche Mengen von Kohlensäure, sondern auch höchst giftige Zersetzunasproducte von gasförmiger Beschaffenheit, welche mit den Ptomarismen der Leichen verwesung große Aehnlichkeit hoben. Diese ungemein schädlichen Substanzen, welche der Luft lichtloser Räume und den über füllten Wohnstuben de» Proletariat» ihren dumpfig«» und ekel haft muffigen Geruch verleihen, weiden am sichersten durch die chemische Wirkung d«r Sonnenstrahlen zerstört. Aerzte und Hhgierniker erheben daher schon seit langem ihre warnende Stimme gegen den allgemein verbreiteten Brauch, die schönsten, größten und hellsten Zimmer der Wohnung zu Paraderäumen zu gestalten, zur sogenannten „guten Stube", deren Pforten sich nur vor dem fremden Besucher öffnen, während sich die oft zahlreiche Familie zum Wohnen und Schlafen in enge Hinter zimmer zusammendrängt, welchen nur ein bescheidenes Maß von Tageslicht zugemessen ist. In ein ganz neues, bedeutungsvolles Stadium sind unsere Kenntnisse von der Heilwirkung des Lichtes aber erst in neuester Zeit durch die Studien über die bakteriellen Lebewesen, die chemisch wirksamen Lichtstrahlen und die Röntgenstrahlen ge treten. Wie bekannt, ist das weiße Licht der Sonne ein aus den verschiedensten farbigen Lichtstrahlen zusammengesetztes Licht, welches wir in einfachster Weise in seine verschiedenen Bestand- theile zerlegen können, wenn wir einen Sonnenstrahl durch ein Glasprisma treten lassen. Wenn wir diese Lichtstrahlen auf einem weißen Schirm auffangen, gewahren wir sämmtliche Farben des Regenbogens von Roch angefangen durch Gelb, Orange, Grün und Blau bis zum Violett. Jenseits des Rothes giebt es aber ebenso wie jenseits des Violetts noch Strahlen, welche zwar dem Auge noch unsichtbar sind und von denen die ersteren jedoch mit dem rothen Licht die Eigenschaft gemeinsam haben, Träger der Wärme zu sein, während die violetten und ultravioletten Strahlen eine besonders intensive chemische Energie haben, wie ja jeder Amateurphotograph vom Hantiren mit seinen lichtempfindlichen Platten weih, welche er ängstlich vor dem Eindringen jedes unbefugten Lichtstrahles schützen muß, und nur im Lichte der Rubinglaslampe entwickeln darf. Dieses chemisch wirksame Licht hat sich nun als ingrimmiger Feind jener kleinen Lebewesen, der Bakterien, erwiesen, welche die gefürchteten Träger fast aller menschlichen Todtkrankheiten sind. Die Bazillen des Typhus, des Milzbrandes, der Cholera, der Tuberkulose, der Pest und vieler anderer Infektionskrank heiten weiden durch Licht in ihrer Entwickelung gehemmt und bei längerer Einwirkung derselben getödtet und die Erfahrungen, welche man b«im Laboratoriumsoersuche mit den in Gläsern dem elektrischen, vorwiegend aus chemischen Strahlen bestehenden Lichte ausgesetzten Bakterienculturen machte, behalten ihre Giltigkeit auch bei dem durch Bakterieninfection erkrankten Menschen. Ur. Gebhard stellte sich auf der letzten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig zu der artigen Versuchen mit feiner «igenen Person zur Verfügung, indem er vorschlug, man sollte ihn mit Bakterienculturen giftigster Art impfen, und er weide in seinen künstlichen Licht kästen Schädigungen leicht überwinden. Diese wunderbare Heilwirkung des Lichts wäre geradezu unerklärlich, wenn wir nicht seit einiger Zeit wüßten, daß die chemischen Strahlen, ähnlich wie die Röntgenstrahlen, in die Tiefe von Körpern einzudringen vermögen, welch« der land läufigen Betrachtungsweise als undurchsichtig oder — um es correcter auszudrücken — als für Licht undurchlässig gelten. Namentlich sind es die Haut- und die tiefer liegenden Gewebe des lebenden Thier- und Menschenkörpers, in welche sich das Licht bei genügender Intensität bis tief hinein Zutritt verschafft. Die rothen Blutkörperchen, deren der gesunde Mensch in einem Kubikmillimeter nicht weniger als durchschnittlich fünf Millionen besitzt, ziehen sich unter der Einwirkung der chemischen Licht strahlen auf das Augenfälligste zusammen und pressen giftig« Substanzen, welche sich beim Stoffwechsel ohnehin stets bilden, im kranken Körper aber in besonders hohem Maße vorhanden sind und durch ihre Anhäufung di« Krankheit-erscheinungen Hervorrufen, in den freien Blutsaft, das Serum aus, in welchem diese Giftstoffe durch dieMydirenden Eigenschaften des Lichtes in einfachere und vor allen unschädliche Stoffe zerlegt werden, welche sich auf den normalen Wegen aus dem Körper aus scheiden. Sitzt der Krankheitsproceß tiefer, also beispielsweise in den Knochen oder Bändern oder Gelenken des Körpers, so gilt es, von diesen Stellen das Blut zu entfernen, welches ein wesentliches Hinderniß für das Eindringen der chemischen Strahlen bildet, was mit Hilfe von durchsichtigen Druckgläsern, welche man über den erkrankten Stellen auf der Oberhaut auf setzt, leicht gelingt. Der große Werth dieser gegenwärtig von allen mevicinischen Autoritäten allgemein anerkannten Heilmethode liegt darin, daß er nicht nur für vie bakteriellen Infektionskrankheiten, welche oben genannt wurden, sondern auch in jenen hartnäckigen Krank heitszuständen anwendbar ist, welche man als chronische Ano malien des Stoffwechsels zu bezeichnen pflegt. Es ist nicht blos Reclame medicinischer Privatanftalten, welche sich die Application von Lichtbädern mit einem nur von reichen Leuten erschwinglichen Preise bezahlen lassen, sondern buchstäbliche Wahrheit, daß Fett suchtsfälle, welche jeder Banting-, Schweninger- oder Oertelcur, dem Gebrauche von Karlsbader Wasser, und dem Genuß von Schilddrüsentabletten trotzten, durch elektrische Lichtbäder in kurzer Zeit gebessert und geheilt weiden können. Werthvoller als für die Corpulenten, welche zunächst ja nur unter einer über mäßigen Leibesfülle stöhnen und schwitzen, aber an keiner Organ erkrankung leiden, sind Licht- und Sonnenbäder aber für das Heer der Gichtleidendcn, Rheumatiker, Zuckerkranken, Nieren leidenden und Asthmatiker, für die an Flechten, Lupus, Kar bunkeln, Unterschenkelgeschwüren oder an localen Nerven erkrankungen Leidenden. Hier entfaltet das Licht seine exqui siteste Heilwirkung, indem es nicht nur die Folgezustände, die im Körper bereits angerichteten Verheerungen, soweit es überhaupt noch denkbar und möglich, sondern auch die uns leider trotz allen Studiums zum Theil noch immer unbekannten Grundursachen der Leiden behebt. Professor Niels R. Finsen in Kopenhagen, welcher die wissenschaftliche Begründung und den Ausbau der Lichtcuren in ähnlich bahnbrechender W«is« gefördert hat, wie dies seitens unseres Koch mit der Baktrrienwissenschaft geschehen ist, hat uns mit der höchst sonderbaren Thatsache bekannt gemacht, daß bei einer Krankheit die chemischen Strahlen, statt zu heilen, schädlich wirken. Es sind dies die Blattern, welch« jetzt in Deutschland zwar außerordentlich eingeschränkt sind, einstmals aber eine der gefürchtetsten VolkSkrankheiten waren. Dies« Krank heit verläuft bedeutend schneller und mikder, wenn man die Patienten in Räumen behandelt, in welchen die chemischen Strahlen ausgeschlossen sied, indem man das Tageslicht dichte rothr Stoffe oder rothe Glasscheiben passiren läßt. Nament lich das sogenannte Suppurationsstadium mit seinen schweren und unbehaglichen Folgen "der so entstellenden Pockennarben wird dabei gänzlich vermieden. Finsen's „rothes Zimmer" ist seitdem in allen Culturländern bei Blatternkranken mit Erfolg ange wendet worden. Ob es noch andere Krankheiten giebt, bei welchen da- chemisch« Licht nachteilig wirkt, muß dir Detail forschung der nächsten Zeit feststellen.
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