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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981107026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-07
- Monat1898-11
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen lgefalzt), nar mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun» 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bonnrttsg» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die SrtzetzitiB» zu richten. Druck und Verlag von E. Pol, in Leipzig, Montag den 7. November 1898. 92. Jahrgang. 585. Delagoa-Schiedsgericht. * Ueber den gegenwärtigen Stand der einem internationalen Schiedsgerichte m Bern überwiesenen Streitfrage der Delagoa-Eisenbahn sind in jüngster Zeit in der Presse, namentlich in der englischen und südafrikanischen, Mit theilungen erschienen, auS denen hervorgehen würde, daß die bevorstehende Entscheidung deS Schiedsgerichte» durch daS im April veröffentlichte Expertengutachten bereit» so gut wie präjudicirt sei, und zwar zu Ungunsten Portugals, das eiue bedeutende, für dieses Land unerschwingliche Summe zu zahlen habe. Dieselbe soll sich auf 40—50 Millionen Francs belaufen, die nur durch Verpfändung, Verpachtung oder Abtretung der südafrikanischen Colonien Portugals aufgebracht werden könnten. Da aus das an gebliche Präjudiz deS Expertengutachtens sich auch die mannig fachen Mulhmaßungen über den Inhalt des deutsch-eng- jischen Abkommens gründen, ist eS von hervorragendem Interesse zu erfahren, wie man in Berner maßgebenden Kreisen über die Sache denkt. Nach Erkundigungen eines Berner Gewährsmannes der offi- ciösen „Pol. Corr.", die nach der Erklärung desselben von zuver lässigster Stelle eingebolt wurden, entbehren dieVorauS- sagen über die Nolhwendigkeit der Aufgabe des portu giesischen Colonialbcsitzes vor der Hand jeder sicheren Grundlage. Die derzeitige Lage des ProcesseS gestattet überhaupt noch keinerlei Prognostiken über den Ausgang der Sache, der Stand der Angelegenheit ist vielmehr folgender: Der erste Tbeil des schiedsrichterlichen Verfahrens, der Schriftenwechsel (Klage, Antwort, Replik und Duplik) nahm ungefähr vier Jahre in Anspruch, was nicht als übermäßig erscheine» wird, wenn man bedenkt, daß jede der Parteien für die Eingabe der sehr umfangreichen Schriften wiederholt Fristverlängerungen verlangt und er halten hat, mit Rücksicht darauf, daß das Streitobjekt, die Eisenbahn von Lourentzv-MarquöS nach der Grenze deS Transvaal, vom Sitze der betheiligten Parteien weitab gelegen ist. Nach Schluß des Schriftenwechsels versammelte sich das Schiedsgericht im Frühjahre 1896, behufs Fixirung der durch Beweisaufnahme oder Expertise klar- znstellenden Thatsachen. Das Schiedsgericht faßte dann einen Zwischenentscheid über die Beweisaufnahme und die Expertise, ohne dabei vorerst, wie dies zuweilen geschieht, die dem Falle zu Grunde liegenden Rechtsfragen zu prüfen. DaS Schieds gericht hat mit anderen Worten für die Beweisaufnahme oder zur Expertise unterschiedslos alle Thatsachen berück sichtigt, die unter dem einen oder anderen möglicher Weise zutreffenden juridischen Gesichtspunkte al» erheblich erscheinen konnten; demzufolge hat eS denn auch fast alle Fragen zu gelassen, welche von der einen und anderen der Parteien von diametral entgegengesetzten juridischen Gesichtspunkten auS gestellt wurden, ein Beweis, daß dieser Zwischenentscheiv den Ausgang de» ProcesseS weder präjudicirte, noch präjudi- ciren wollte. ES wurden drei Experten bestellt: die Herren Steckalper, Dietler und Nicele. Der letztere Experte verreiste im Herbste 1896 nach Südafrika und kehrte im Frühjahre 1897 zurück. Auf Grund der von Herrn Nicele an Ort und Stelle gesammelten Fakten arbeiteten dann die drei Experten gemeinsam ihren umfangreichen, 243 Folioseiten umfassenden Bericht aus, der im April laufenden Jahres publicirt wurde. Dieser Bericht wurde unverzüglich, durch Präsidial-Ver- fügung vom 4. Mai 1898, den Proceßparteien zugcstellt, mit der Einladung, sich über denselben auszusprechen und allfällige ErgänzungSfragen zu formuliren, die sie an die Experten zu stellen hätten. Beide Parteien machten von diesem Rechte Gebrauch: die klägerische Partei (Großbritannien und die Vereinigten Staaten), indem sie sechs Zusatzfragen stellten, und Portugal, indem es fünf Er läuterungsfragen formulirte und den Anlaß benützte, um an den Bemerkungen der Experten einige Kritik zu üben. Unter dem 13. Juni 1898 erließ sodann der Obmann des Schieds gerichtes eine Verfügung, durch die er die Parteien benach richtigte, daß das Schiedsgericht demnächst zusammentreten werde, um darüber zu beschließen, ob es angezeigt sei, eine nochmalige kontradiktorische Befragung der Parteien zu ver anlassen, betreffend hie Begehren auf Vervollständigung der Expertise, und ob eS angezeigt sei, die Experten einzuladen, ihren Bericht in diesen oder jenen genau zu umschreibenden Punkten zu ergänzen. Diese Sitzung des Gerichtes, die zuerst auf den Monat Juli, dann auf August angesetzt war, konnte jedoch nicht statt finden und die Angelegenheit ist in diesem Stadium stehen geblieben. Diese unliebsame Unterbrechung hatte ihren Grund darin, daß einer der drei Schiedsrichter, Herr Professor Heusler in Basel, sich während der Sommerferien auf einem Ausfluge im Canton Wallis eine äußerst schwere infektiöse Krankheit zugezogen hatte. Wochenlang schwebte der hervor ragende Rechtsgelehrte zwischen Leben und Tod, seine Genesung schreitet auch jetzt nur langsam vorwärts, und es ist kaum zu hoffen, daß Professor Heusler seine Arbeiten vor December oder Januar wieder aufnehmen könne. Die Organe des Herrn Cecil Rhodes, die so kühn waren, diese Krankheit als „Gefällig- keitS-Krankbeit" zu bezeichnen, werden sich Wohl oder übel in den Aufschub schicken müssen. Die „South African Review" verstieg sich zu der Insinuation, die Krankheit des Herrn Heusler sei nicht ernst zu nehmen und werde ver schwinden an dem Tage, wo eS Portugal conveniren werde, die Publikation des schiedsrichterlichen Spruches, der seinem Wesen nach ja durch den Expertenbericht bereits gefällt sei, nicht länger zu hintertreiben Diese verleumderischen, für die Schiedsrichter wie für den schweizerischen Bundesrath, der sie ernannt hat, in höchstem Grade beleidigenden Insinuationen beweisen nur das Eine: Daß die für Herrn Cecil Rhodes arbeitende Publicistik sich von den Pflichten und der BerufSehre der Staatsmänner und Gerichtsräthe Vorstellungen macht, die von den in der Schweiz geltenden wesentlich differirt. Es hieße sich am Weltrufe, den Herr Professor Heusler genießt, versündigen, wenn man ein Wort weiter zu seiner Rechtfertigung bei fügen wollte. Wichtiger ist die Frage, ob wirklich der Bericht der Ex perten den AuSgang des SchiedSprocesses bereits entschieden habe, und ob wirklich jetzt schon feststehe, daß Portugal eine Summe von 50 Millionen zu zahlen haben wird. Die englische und südafrikanische Presse be hauptet dies allerdings. „Es erhellt mehr und mehr" — sagt die „South African Review" in einer ihrer letzten Nummern — „auS den zu unserer Kenntniß gebrachten Thatsachen, aus den Kundgebungen deS Schiedsgerichtes (tlio proeeeckings ok ttro tridunnl) und seiner Experten-Commission, daß aller Wahr scheinlichkeit zufolge Portugal, um dem schiedsrichterlichen Spruche nachzukommen, sich wird umseben müssen, wie es die beträchtliche Summe von 1 700 000 bis 2 400 000 Pfund Sterling (42l/, bis 59 Millionen Francs) aufbringen kann." Diese und andere ähnliche Auslassungen haben nur den Fehler, daß sie Wunsch und Wirklichkeit verwechseln. Die Wahrheit ist, daß auch nicht eine Spur von irgend einem „xrooo ockinx" des Schiedsgerichtes existirt, das gestatten könnte, auf die Ansichten des Schiedsgerichtes zu schließen. Um ein Prognostikon aufzustellen, müßte man vor Allem wissen, ob die von Portugal verfügte Zurückziehung der der englischen Gesellschaft ertheilten Concession wirklich, wie die portugiesische Regierung behauptet, ein durch die Concessions- Bestimniungen, sowie durch die portugiesische Gesetzgebung gerechtfertigter Act, oder aber, wie die gegnerischen Parteien erklären, ein ungesetzlicher, ja ein geradezu doloser Act ge wesen ist, welcher Portugal zum Schadenersatz im weitesten Sinne des Wortes, d. h. sowohl zur Vergütung deS „ciamnum emor86N8", als auch zur Bezahlung des „luerum osssang", verpflichte. Nun hat sich aber das Gericht bis auf den heutigen Tag noch nie über diese Grundfrage ausgesprochen. Und selbst angenommen, diese Frage sei in dem einen oder anderen Sinne entschieden, so bleibt doch immer noch eine ganze Reihe weiterer Rechtsfragen zu lösen, z. B.: Was soll vergütet werden? Der reelle Werth der Bauten und des Materials (6 370 000 Francs nach den Angaben der Experten, wovon 1 630 000 Francs von Portugal geliefert), der Nominalwerth oder der EmissionSwerth der Aktien und Obligationen oder der industrielle Werth der Linie? Stellt man sich auf letzteren Standpunct, so drängen sich wieder die Fragen auf: Soll die Berechnung dieses WertheS erfolgen auf Basis der Bedingungen des Ertrages, wie sie zur Zeit der Zurückziehung der Concession, im Jahre 1889, bestanden und damals geschätzt wurden, oder muß man der Entwickelung, die der Verkehr in Folge des geradezu erstaunlichen Auf schwunges des Transvaal genommen bat, Rechnung tragen, und wenn ja, in welchem Maße? Ferner: Ist die Ent schädigungssumme festzusetzen auf Grund des Ertrages des gesammten Anlagekapitals (Actiencapital und Obligationen- capital) oder nur auf Grund des Gesellschaftscapitals, d. h. unter Abrechnung der zur siebenprocentigen Verzinsung der Obligationen erforderlichen Summe? Ferner: hat Portugal Anspruch'auf einen Antbeil am Rückkaufswertbe, indem es, wie es behauptet, zum Ertrag der Bahn beigetragen habe, sei es durch die Vollendung der Linie, sei es durch die Ver bindung derselben mit Transvaal, welche, wie von portugie sischer Seite versichert wird, ohne den Machtspruch Portugals (die Annullirung der Concession) niemals erreicht worden wäre, und ohne welche der Ertragswerth der Linie, nach den Angaben der Experten, gleich Null und die Linie vielleicht sogar passiv wäre? Es ist eine erkleckliche Anzahl Fragen — und sie ließen sich noch vermehren — von deren Lösung das Endurthcil abhängt. Nun ist aber noch keine dieser Fragen in dem einen oder andern Sinne entschieden oder präjudicirt oder überhaupt nur je im Schooße deS Schiedsgerichtes discutirt worden. AuS allem dem geht klar hervor, daß, bei dem gegenwärtigen Stand der Angelegenheit, noch alle juridischen Hypothesen zulässig sind; den Zeitungen, der einen wie der anderen Partei, ist es unbenommen, die ihnen beliebenden Hypothesen zu verfechten, vorausgesetzt, daß sie sich hüten, ihre Vorbersagunzen auf angebliche „proceockinzs" des Schiedsgerichtes zu stützen. politische Tagesschau. * Leipzig, 7. November. Angeblich aus Leipzig wird der „Franks. Ztg." gemeldet, daß dem in Aachen in das preußische Ageordneten- haus gewählte» ReichsgerichtSrath Spahn der zur Aus übung dieses Mandats nachgesuckle Urlaub abermals verweigert worden sei. Wir wissen nicht, ob Herr Reichsgerichtsrath Spahn ein zweites, definitives Urlaubsgesuch eingereicht hat, würden eS aber für selbstverständlich halten, wenn daraufhin ein definitiv ablehnender Bescheid erfolgt wäre. Von einem Mitglieds des Reichsgerichts wird uns geschrieben: „In den Erörterungen der Presse über den Fall Spahn — soweit ich sie verfolgt habe — ist ein Punkt über gangen oder doch nicht ins rechte Licht gerückt worden, der für die Frage der Urlaubsverweigerung von ausschlaggebender Bedeutung ist, nämlich das Interesse desReichSgerichts und der Rechtsprechung. Nach dem GerichtSversassungszcsetz ist die Zuziehung von Hilssrichtern unzulässig; das Ausfallen eines Mitgliedes hat mithin die Folge, daß dessen Arbeils- antheil von den anderen Mitgliedern mitübernommen werden muß, d. h. nicht von allen übrigen 73 Näthen, sondern von den fünf bis sechs Senatscollegen des Ausgefallenen. Was daS ausmacht, läßt sich bei der bekannten Ueber- lastung des Reichsgerichts wohl auch für Ferner stehende vermutben; die ReichsgerichtSräthe wissen daS aus der Erfahrung bei Krankheitsfällen und Vakanzen ganz genau. Keinem von ihnen ist eS deshalb seit der Ver mehrung der Geschäfte bisher in den Sinn gekommen, ein Reichslagsmandat anzunehmen und seine amtliche Arbeit den College» zu überlassen, obschon es an Anträgen von Man daten wahrlich nicht gefehlt bat und es zum Eintritt in den Reichstag keines Urlaubs bedarf. An die Möglichkeit gar, sich in einen Landtag wählen zu lasse», hat Keiner auch nur gedacht — Einen Fall ausgenommen, wo ganz besondere Verhältnisse einen solchen Gedanken aufdrängten, der dann aber glücklicher Weise und zur Be friedigung deS Betreffenden alsbald dadurch erstickt wurde, daß der Reichskanzler — eS war Graf Caprivi — auf Anfrage erklärte, niemals dazu Urlaub zu ertheilen. Wo hin sollten wir auch im Reichsgericht gelangen, wenn durch solche Urlaubsbewilligung daS Signal gegeben würde, die Landtage und den Reichstag zu bevölkern und die Recht sprechung Rechtsprechung sein zu lassen! WaS dem Einen recht, ist dem Andern billig, ein Urlaub müßte andre nach sich ziehen; an Anträgen von Candidaturen würde eS nicht fehlen, und wenn von oben her sogar daS Candidiren zum Landtage freigegeben würde, warum sollte dies dann für den Reichstag ausgeschlagen werden müssen? Bisher freilich, wie gesagt, war es Stil, am Reichsgericht die amtlichen Pflichten dieser Art von politischen Pflichten voranzustellen, und bei der Mehrzahl wird es wohl auch so bleiben; aber möglich sind verschiedene Ansichten darüber, möglich sind sogar Fälle, wo ein Mitglied mehrere parlamentarische Mandate aunähme ev. auf diese Weise dem Reichsgericht nicht viel länger als für die Gerichtsferien zur Verfügung bliebe." Mit den politischen Aufgaben der nahenden parlamenta rischen Session hat man es vielfach in Verbindung gebracht, daß der Reichskanzler Fürst Hohenlohe, der sich zum Aller- scelcnfcst nach der Ruhestätte seiner Gemahlin in Schillings fürst begeben hatte, von da nach Baden-Baden zum Besuch deS Grvßherzogs von Baden gereist war. In der Thal ist eS nicht unwahrscheinlich, daß der leitende Staatsmann seinen Aufenthalt im Süden gern benutzt bat, um mit dem Großherzog, dem er von seiner Straßburger Zeit her persönlich nabe stebt und den der Kaiser in manchen Beziehungen mit seiner Stellvertretung betraut zu haben scheint, die schwebenden Fragen zu besprechen. Wenn eS richtig ist, daß Feuilleton. Die kleine Lulu. 80s Seeroman von Clark Russell. Nachdruck vrrbotm. Es war meine Absicht, wenn möglich, die Brigg ohne Blut vergießen wieder zu nehmen. Dies mußte ausführbar sein, wenn die Leute ihr Programm, welche» ich ihnen selbst vorgezeichnet hatte, nicht änderten. Ich will gestehen, daß ich, trotz meines ehrlichen Abscheus vor ihren piratifchen und mörderischen Thaten, doch eine freundliche Gesinnung für sie hegte. Sie waren meine Tischgenofsen gewesen; ich hatte mich an ihren Scherzen be iheiligt, über ihre Erzählungen gelacht; wir hatten viel schwere Arbeit und böses Wetter zusammen ertragen, und ich hatte ge meinsam mit ihnen unter einer widerwärtigen und unerträglichen Tyrannei gelitten. Die Art, in welcher sie an dem Capitain und dem Maat Rache genommen hatten, war unmenschlich und bar barisch gewesen; aber mußte man nicht auch hier ihre rohen Naturen, ihre Unwissenheit, ihre Erbitterung, die durch keine Freundlichkeit je gemildert war, in Rechnung ziehen? Ihr Leben war, bei ärmlicher Bezahlung, ein« Reihenfolge niederträchtigster Bedrückungen und harter Wort« gewesen, Uebermuth und grau same Behandlung hatten ihnen dasselbe oft zur Hölle gemacht. Dies Alles in Betracht ziehend, mußte füglich auch der strengste Richter die angewandt« Selbsthilfe nachsichtig beurtheilen. Ist es nicht ebenso verbrecherisch, Andere zu Verbrechen an zureizen, als selbst solche zu begehen? — Der Capitain hätte seine Leut« auf ehrlichen Wegen erhalten können, wenn er sie mit Güte behandelte. Statt dessen machte er sie durch sein harte», lieblose», keiner milderen Regung fähige» Wesen zu Mördern. S«in Verbrechen war kaum kleiner al» da» ihrige. Al» Banyard um Mitternacht auf Deck kam, um mich ab- zulösrn, blieb ich noch eine halb« Stunde im Gespräch bei ihm stehen. Nachdem ich meinen Platz so gewählt hatte, daß keine Silbe unserer geflüstert«» Unterhaltung erlauscht werden konnte, erklärte ich ihm meinen Plan und bezeichnete ihm die Rolle, die er dabei zu übernehmen haben würde. Der alte Kerl war ganz begeistert von der Schlauheit, mit der ich Alles bedacht hatte. „S«i künn'n sik up mi verlaten, a» wenn ik Ehr Schadden wirr", sagte er. „Blot äwer e i n Der! von de Sak möten wi un» noch verstännigen: Wat fall ut mi Warden, wenn Sei de Brigg taurügg nahmen hebben und wi an bat Land kämmen?" Unter dem Eindruck, daß er für seine Hilfe eine Belohnung erwarte, rief ich: „Ei, zum Henker, Mann! Ist es nicht genug für Sie, wenn Sie Ihren Hals sicher aus der Schlinge ziehen und in Ruhe zu Ihrem Geld« in der Sparbank zurücttehren können?" „Ja, ja, dat is ganz wohr; äwer mit wat för ein Ort von Tügniß fall ik an't Land gähn? Dat müggt ik weiten." „Mit dem besten Zeugniß, das Sie nur verlangen können, mit dem Zeugniß, daß Sie mir geholfen haben, werthvolles Eigcnthum den Händen einer Rotte gesetzwidriger Meuterer zu entreißen." „Dat is genaug", sagte er vergnügt. „Dormit bün ik tau- freden. Mit dat Tügniß ward ik en anner Schipp finn'n. Holl'n Sei daran fast, Mister, un Sei Warden mi as Ehren Schadden finn'n, wo Sei mi nödig hebben." Dies brachte unser Gespräch zum Abschluß, aber ehe ich nach unten ging, nahm ich das Nachtglas, stieg noch einmal ins Takel werk und untersuchte sorgfältig die blasse Fläche der See. Darauf empfahl ich Banyard, scharfen Ausguck zu halten «und mich augenblicklich zu rufen, wenn Land in Sicht kommen sollt«. — Man kann seiner Berechnungen niemals ganz sicher sein. Die geringste Ungenauigkeit des Chronometers, des Compasses oder Sextanten kann Einen um viele Meilen irre führen, und es würde ein schwerer Schlag für mich gewesen sein, wenn mir die Insel Teapy im Dunkel entgangen wäre. Vier Stunden Schlaf war Alles, was ich mir für die nächsten vrerundzwanzig Stunden versprach; — und sogar diese kurze Zeit der Ruhe war mir versagt, denn meine Angst war groß, mein Gehim so geschäftig, daß es vier Glasen war, ehe ich meine Augen schloß, und zwei Stunden darauf war ich wieder auf Deck. Der Wind war nach Norden herumgegangen; die Brigg neigte ihre Masten über das stille Wasser, in welchem sie geräusch los dahinglitt, ein Kielwasser von Blasen hinter sich zurücklassend. Ich schritt auf dem Deck entlang, bis die Sterne ver schwanden und d«r östliche Himmel sich zu färben anfing. Bald stieg die Sonne empor, der Wind wurde wärmer und stärker und unser scharfer Vordersteven schöpfte den weißen Schaum aus den krystallklaren Fluthen. Da ich den Schönen erblickte, der sich über daS Vorder geländer beugte und seine Augen auf den Horizont gerichtet hatte, rief ich ihn zu mir, gab ihm das Glas und sagte, er möchte von der Dor-Oberbram-Raa aus nach Land ausspähen. Nach langer und sorgfältiger Prüfung rief er: „Dor rs nicks von Land, so wied ik kieken kann!" Wir warfen nunmehr da» Logg au», wobei Billy da» Logg-Gla» hielt. Die Messung ergab sieben Knoten Fahrt. Nach kurzer Berechnung sagte ich: „Hält die Brise an, so müssen wir ungefähr um zwei Uhr Land in Sicht bekommen." „Sei meinen doch de Insel?" sagte der Schöne „Gewiß", antwortete ich; „welches andere Land erwartet Ihr zu finden?" „Un wenn sei nich da is?" fragte Billy kurz. „Da sie auf der Karte nicht verzeichnet ist, habe ich nicht viel Hoffnung, daß sie vorhanden ist." „Nau seggen Sei nicks mihr dorgegen", knurrte Blunt. „Sei stüern doch ok richtig dorup tau?" Dabei schielte er mich mit gerunzelter Stirn argwöhnisch an. Statt aller Antwort holte ich die Karte aus der Cajüte. „Nun seht 'mal genau her und paßt auf!" sagte ich. „Hier ist die Brigg gegenwärtig. Dieses Bleistiftzeichen ist die Stelle, wo Deacon seine Insel finden wollte. Wie ist die Richtung von dem Zeichen nach dem Punkte, auf dem die Brigg sich befindet? Legt dieses Lineal darauf und denkt es Euch verlängert bis zu dem Kompaß dort in der Ecke. Nun sagt, welche Richtung ist das?" „West-Nord-West", antwortete Billy, welcher den Compaß lesen konnte, wenngleich Gedrucktes zu hoch für ihn war. „Wie ist die Spitze der Brigg?" rief ich Suds zu, der am Rade stand. „West-Nord-West", lautete die Antwort. Die Leute waren ganz zufrieden und sprachen mit leiser Stimme untereinander. Einige kleine Wolken trieben von Norden her auf uns zu, und dies betrachtete ich als ein günstige» Zeichen dafür, daß die Brise anhalten würde. „Es wäre gut", sagte ich zum Schönen, „wenn die Mann schaft nach dem Frühstück nach hinten käme, das Quarterboot zum Niederlaflen bereit machte und die leeren Wasserfässer hineinstautc. Es schadet niemals etwas, zu früh fertig zu sein; und was noch mehr ist, ich kann ja weiter gekommen sein, als ich wollte, oder Deacon kann sich um einige Meilen geirrt haben, so daß es möglich wäre, daß die Insel in jedem Augenblick zum Vorschein kommt. Wer soll denn mit dem Boot an Land gehen?" „Ik ward de Führung äwernahmen", antwortete Blunt. „Hast Du Deacon'» Zeichnung von der Insel?" .Nein." „Ohne diese kannst Du nicht gehen. Woran willst Du er kennen, daß es seine Insel ist, wenn Du nicht die Skizze von der Gestalt der Bucht bei Dir hast?" „Ik will mi hängen laten, wenn ik doran dacht hädd", schrie Billy und sah die Anderen an. „Ich werde sie gleich holen und Euch ausführliche In structionen geben", fuhr ich fort. „Aus wem wird di« Besatzung des Bootes bestehen? — Versteht mich recht, — ich wünsche, daß Ihr die Besten unter Euch nehmt, — die Gescheitesten. Wir, die wir Zurückbleiben, sind vollständig in Euren Händen. Wenn die Insel bewohnt ist und Einer von Euch verräth sich, dürften wir rasch bewaffnete Leute hier an Bord haben." „Ik will Niemand geraden hebben, Dummheiten tau reden", sagte der Schöne mit leiser Stimme, während er funkelnden Auges seine Hand an das Heft seines Matrosenmessers legte. „Wer sind Deine Leute?" fragte ich. „Da bün ik, un Wclchy, un Billy. Wenn Jim noch am Leben wier, da wier de unser Mann", antwortete Blunt. „Aewer Sam künn'n wi ok vertrugen, un nau brukcn wi blot noch ein." „Savings?" „Ne, wi wull'n Suds nahmen." „So wäre das also abgemachl", sagte ich, und alle Feierlich keit aufbietend, die ick nur irgend anzunehmen im Stande war, und dabei meine Hand auf di« Schulter des Schönen legend, fuhr ich mit Parhos fort: „Wir, die wir Zurückbleiben, vertrauen Dir, als dem Befehlshaber des Bootes, daß Du uns vor Vcr- rätherei schützen wirst. Mein Leben, noch mehr als das der ganzen Mannschaft, hängt von Eurer Ehrlichkeit ab. Wenn Ihr gefragt werdet und Einer von Euch schwatzt, so muß ich zuerst büßen, denn den Capitain, d«n die Meuterer gewählt haben, würden sie hängen, selbst wenn sie keinen Anderen hingen. Maat», ich vertraue mich Euern Händen an. Ich habo-ehrlich an Euch gehandelt und Euch sicher dahin gebracht, wohin Ihr wolltet. Ich erwarte, daß Ihr dessen eingedenk bleiben und darnach handeln werdet." „Paß up, Jack, wat ik segg", rief der Schöne in einem düster drohenden Tone. „Wenn ein Mann unner uns wier, de sik as en Slang utwieste, so würd' ik sien Hart mit mien Metz sinnen, un wenn düsend Schandoren Um «m wiren. — Un wenn ik in en Afgrund springen müßt', Um em tau fangen, un wenn her hunnert Leben in sien Liew hädd, sei füllt sei all' hergewen." Diese wilden Worte erhielten noch ihren besonderen Nachdruck durch die schauerlichen Flüche, mit denen er sie bekräftigte. Sie machten auf mich einen tieferen Eindruck, als «r ahnen konnte, denn sie gaben mir einen Begriff von d«r Gnade, die ich zu er» warten hatte, wenn mein Plan mißlang und ich in ihrer Ge walt blieb.
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