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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981122022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898112202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898112202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-22
- Monat1898-11
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Die Kundgebung des sreiwillig-gouvernementalen Blattes lautet in Wirklichkeit: Ein schlesisches Blatt brachte unter dem 14. d. M. eine Zuschrift aus Wien „Zur Welfcnfrage" über eine angeblich bevorstehende Thronbesteigung des SohncS Sr. königl. Hoheit des Herzogs von Cumberland, sowie über ein 1891 hierüber angeblich erzieltes Ein« verständniß. Diese Mittheilungen entbehren jeder Begründung. Freilich genügt auch der genaue Wortlaut der officiöscn Kundgebung noch nicht, um alle über den ältesten Sohn des Herbas von Cumberland von Wien auö in Umlauf gesetzten Gerüchte zum Schweigen zu bringen. Denn in der Kund gebung ist mit keiner Silbe die Ausstreuung erwähnt, daß der Erbprinz von Cumberland nach seiner am 28. d. M. cintretcnben Großjährigkeit in ein preußisches Garde regiment eintrelen werde. Warum wird nicht auch dieses Gerücht dementirt? Nach den Versuchen des neuen Curses, die Polen zu versöhnen und die Ultramontanen durch Con- cessivnen zu Trägern einer deutsch-nationalen Politik umzu wandeln, ist man nicht berechtigt, von vorn herein das Gerücht zurückzuweisen, man trage sich an maßgebender Stelle mit dem Gedanken, dem Erbprinzen von Cumberland eine Erziehung zu Theil werden zu lassen, die ihn zum Ver zicht auf Hannover veranlassen, zum Besteigen des braun schweigischen Thrones geeignet und zum Verbote der welfischen Agitationen willig machen könne. Ein solcher Versuch würde allerdings voraussichtlich dasselbe Resultat haben, wie die übrigen Versöhnungsversuche; das beweist aber noch nickt, daß er nicht unternommen werden soll. Und da die Hintermänner der „Nordd. Allgem. Ztg." die günstige Gelegenheit, auch das Gerücht von dem bevorstehenden Ein tritte des Erbprinzen von Cumberland in ein preußisches Garderegiment zum Schweigen zu bringen, versäumen, so muß man einfach abwarten, was am 28. November geschieht. Die bereits erwähnte, von der „Post" ergangene freicon- servative Absage an etwaige Schulgesctzpläne der preu- ßischenConservativen beantwortet die „Kreuzztg." mit einer Reihe akademischer Redensarten, die unsere Ansicht be stätigen, daß cs die conservative Partei nach den Lorbeeren von 1892 nicht gelüste. Die „Kreuzztg." erklärt schließlich: „Wenn eS die Verhältnisse irgend gestatten, so u. s. w." Nun, die Verhältnisse werden es in den nächsten fünf Jahren nicht gestatten, eS müßte denn sein, daß ein erklärt llerikal-conservativeS Regiment eingesetzt würbe. Dann aber würden sich Wohl Dinge zutragen, unter denen ein Zedlitz'sches Schulgesetz nur eine Nebenrolle spielen könnte. Die Regie rung des evangelischen Königs von Preußen wird eS sich doch wohl überlegen, ehe sie in einer Zeit, wo katholische Theologe» das klerikale Unterrichtswesen, wo es frei ist, aufs Schärfste verurtheilen, den Schulboden, auf dem der Staat noch mitzureden hat, dem UltramontaniSmuS abtritt. Der „Reichsbote", jder kurzsichtig und ober flächlich, wie er zum Gaudium der klerikalen Federn ist, die klerikale Schulgefahr mißachtet, genießt bei den politisch denkenden Köpfen der conservativen Partei nur das Anscheu eines guten Menschen. Hervorzuheben ist aus den Aus lassungen der „Kreuzzeitung" noch, daß sie die Behauptung bestreitet, vor sechs Äabren seien die zur Beteiligung an der Schulgesetzaction treibenden Kräfte in ihrer Fraclion die Herren von Hammerstein und Stöcker gewesen; Stöcker habe sogar Bedenken gehabt, und wenn man einen Namen nennen wolle, so müßte der Abg. v. Bu ch als der eifrigste Mitarbeiter an dem Plane des Grafen Zedlitz bezeichnet werben. DaS Letztere ist richtig, wenn man den Zeilpunct im Auge hat, von dem an die conservative Fraction zur Annahme der Schulvorlage entschlossen war. Daß aber dieser Entschluß, dem langweilige harte Kämpfe vorangingen, nickt auf Stöcker und namentlich den Herrn v Hammerstein zurückzufübren ge wesen sei, glauben wir der „Kreuzzeitung" auf ihre bloße Ab leugnung hin keineswegs. Wie der russische Fürst MeschtscherSkij, so erkennen jetzt auch die englischen „Daily News" die beneidcnswertbe internationale Stellung Deutschlands an. Sie schreiben u. A.: Die tiefe Erbitterung zwischen Frankreich uud England war Deutschland überaus günstig, Deutschland kann jetzt Frankreich gegen über dieselbe Politik verfolgen wie Rußland gegenüber, und für Eng. land ist Deutschlands Freundschaft doppelt werthvoll geworden . . . Deutschlands Diplomatie ist sich ihrer gegenwärtigen günstigen Position sehr wohl bewußt, und mit ihr liebäugeln kann deshalb nur ihre Interessen fördern — und ihr Prestige im AnSlande heben, ohne ihre Politik irgendwie zu beeinflussen. Als verlautete, der Kaiser werde die spanische Küste passiren, beschloß die französische Regierung, ihm ein Geschwader ins Mittclmeer entgegenzusendcn und ihn durch dasselbe von Italien nach Spanien begleiten zu lassen. Tie wildesten unter den Chanvinisten Frankreichs hatten gegen solche außerordentliche Ehrung des Kaisers nichts ein» zuwenden, und dieselben Leute, welche vor nicht so langer Zeit ihre Regierung hinderten, eine unvermeidliche Höflichkeitspflicht gegen den Kaiser zu erfüllen, als dieser sich in der Nähe ihrer Grenze aufhielt, erklärten jetzt die Entsendung des Geschwaders für selbstverständlich. Dieser Wechsel ward durch die Wuth wider die Engländer, nicht durch Neigung für den Kaiser herbei- geführt. . . . Wäre der Kaiser am Tage nach Lord Salisbury's Rede in Paris erschienen, er wäre mit offenem Jubel empfangen! Nachdem es so aus der Lage in seinen Beziehungen zu Frankreich profitirt, macht nun auch England ihm die Cur, wie Chamberlain's Rede beweist, die, nebenbei bemerkt, der englisch-deulsche officiöse Telegraph grade in den Deutschland betreffenden Stellen eigen- thümlich abgeschwächt übermittelte. So hat Deutschland ohne einen Federstrich die leitende Stellung wieder- gewonnen, deren es sich unter Fürst BiSmarck erfreute, denn cs ist ganz klar, daß Rußland jetzt ein doppeltes Interesse haben muß, seine Freundschaft zu Deutschland aufrecht zu erhalten. Chamberlain's schmeichelhafte Bemerkungen sind mehr als lauwarm in Berlin ausgenommen worden. Wir quittiren dankend über das Lob der „Daily News", müssen eS aber dahin gestellt sein lassen, ob Chamberlain's Rede einen „mehr als lauwarmen" Erfolg in Berlin bedeutet hat. Wenn Kaiser Wilhelm — was gleichfalls dahingestellt bleiben muß — der Ehrung der französischen Republik aus dem Wege gegangen ist, uni überschwenglichen französischen Hoffnungen die Flügel zu be schneiden, so hoffen wir, wird Deutschland sich auch von dem englischen Sirenengesang nicht fangen lassen. Wenn Deutsch land jetzt sich nach keiner Seile zu weit engagirt, kann eS seine vortheilhafte Lage nach allen Seiten ausuützen, dabei immer bedenkend, daß weder die französischen noch die eng lischen Sympathien ausrichtig gemeint sind. Frankreich ver zeiht uns nie die Wegnahme Elsaß-Lothringens, England nie, daß wir es industriell und commerzicll überflügelt haben. Seitdem die spanische Regierung zur Erkenntniß ge- ommen, daß sie gegenüber den Forderungen ter Ver einigten Staaten die Philippinen nicht mehr werde halten können, hat sie dem General Rios die Weisung ge geben, den Widerstand gegen die Aufständischen auf das geringste Maß zu beschränken und die auf den ver- ckiedenen Inseln zerstreuten kleineren Besatzungen wenn möglich ohne weitere Verluste nach einem Puncte zu- 'ammenzuziehen. Man rechnet daher mehr darauf, daß nach dem Wegfall des spanischen Widerstandes der Gegensatz zwischen Aguinaldo und den Nord amerikanern stärker hervortretcn werde, waS Wohl nicht unrichtig ist. So hatte General OtiS vor Kurzem Aguinaldo aufgefordert, die katholischen Priester und Mönche, welche er in seiner Gewalt bat, auSznlicfern. Der CKef der Aus ländischen antwortete jedoch, er werde die Geistlichen nicht eher freigeben, als bis der päpstliche Stuhl eine bindende Erklärung über die Zurückbernfung der geistlichen O'den und die Auslieferung des Kirchenvermögens ab gegeben habe. Auf eine zweite Aufforderung des Generals Olis, die Erhebung von Binnenzöllen auf die Ausfuhr und Einfuhr einzustellen, erwiderte Aguinaldo, daß die Zölle auf Grund des von der „philippinischen Generalversammlung" genehmigten Zolltarifs erhoben würden, und daß er als „militairischer Bevollmächtigter der unabhängigen philippi nischen Nation" nicht in der Lage sei, die Beschlüsse der „Assamblea" außer Wirksamkeit zu setzen. Auch andere ähnliche Vorkommnisse zeigen deutlich, daß die Aufständischen, sobald der Kampf gegen die Spanier eingestellt ist, sich mit Aufgebot ihrer ganzen Macht den Annexionsansprüchen der Nordamerikaner widersetzen dürften. Zu den V o r g ä n g e n in Korea wird uns aus Peters burg berichtet: Der neueste gegen die ausländischen Kaufleute gerichtete Erlaß der koreanischen Regierung wird in den unterrichteten Petersburger Kreisen offen als ein großer Erfolg der russischen Diplomatie bezeichnet. Es war von russischer Seite schon lange gefordert worden, dem Massenzuzug von Japanern und dem Vordringen der englischen Kaufleute in das Innere Koreas Halt zu gebieten, da durch eine solche Ent wickelung das politische Uebergewicht Rußlands völlig aus gewogen werde. Nach den Schätzungen der russischen Gesandt schaft in Söul beziffere sich die Zahl der Japaner, welche im Laufe des letzten Jahres von den dem internationalen Verkehr geöffneten Häfen aus in das Innere des Landes vorgedrungcn seien, wenigstens auf 10 000, deren Unternehmungen durch eng lische Capitalisten unterstützt würden. Mit diesen Anstrengungen könnten die wenigen russischen Kaufleute und Unternehmer den Wettbewerb nicht aufrecht erhalten, weshalb nur eine bedingungs lose Zurückweisung der Fremden aus 'dem Inneren des Landes die politische und diplomatische Vormachtstellung Rußlands retten könne. Allerdings spielt dabei die sichere Erwartung mit, daß während das Vordringen der Japaner und Engländer von den Küstenplätzen her aufgehalten werde, die russischen Kaufleute von der russisch-sibirischen Landgrenze her ihren Vormarsch un ¬ bemerkt weiter fortsetzen können." Wir fügen hinzu, daß aus Korea den Ausländern nur 5 Häfen für den Handel offen stehen. Erst vor kaum zwei Jahrzehnten wurde den Europäern der erste Hafenplatz geöffnet; es war Fusan, die an der Siidostküste belegene Stadt, welche 1879 als Vertragshafen für den Hanocl freigegeben wurde. Im folgenden Jahre, 1880, wurde der weiter nördlich gelegene Hafen Gensan und 1882 an ter Westküste Chemulpo, die Hafenstadt von Söul, dem fremden Verkehr geöffnet. Volle 15 Jahre war der Handel auf diese 3 Plätze beschränkt, erst am 1. Octobrr 1897 wurden zwei weitere an der Westküste belegene Häfen geöffnet, Tschinampo, nördlich, und Mokpo, südlich von Chemulpo. In diesem Jahre sollten 3 Hafenplätze, Sonchin, Kuns an und M a - sampo, sowie die im Innern liegende Stadt Pyöngyang dem fremden Handel geöffnet werden, um — wie cs in einer officiöscn Bekanntmachung hieß — „den Handel zu fördern und die Wohlfahrt Koreas zu heben". Es ist indessen beim Alten geblieben; die 4 genannten Plätze sind heute noch ge schlossen. Der Geschäftsverkehr in den 5 dem Handel geöffneten koreanischen Häfen ist recht erheblich. Es laufen dort jährlich an 600 Dampfer, sowie über 1000 Segler und Dschunken ein Zur Hauptsache ist das naheliegende Japan am Handelsverkehr bethcikigt, indessen auch England, Rußland uckd Deutsch land kommen in Betracht. Deutschland schloß schon im Jahr: 1882, von allen europäischen Staaten zuerst, Verträge mü Korea ab, und unter den dort verkehrenden europäischen Schiffen ist die deutsche Flagge mit am zahlreichsten vertreten. Neuerdings hat auch eine deutsche Firma im Osten des Landes recht be deutende Bergwerksconcessionen erlangt. Die deutschen Inter essen werden ohne Zweifel erheblich beeinträchtigt werden, wenn der Handelsverkehr im Innern thatsächlich khin'dert werden sollte. Deutsches Reich. -2- Leipzig, 22. November. In sächsischen und außer sächsischen Blättern werden von unverantwortlichen und, wie wir gleich hinzusügen wollen, herzlich schlecht unterrichteten Federn Nachrichten über die bevorstehenden Landtags wahlen und das sog. Kartell verbreitet, denen zu wider sprechen Pflicht ist. So läßt sich die „Köln. Ztg." aus Sachsen schreiben, daß „Man in den Kreisen der Nationallibcralen Sachsens ein ferneres zartes Rücksichtnehmen und ein Zusammen gehen mit der conservativen Partei nur in sehr bedingter Weise für ersprießlich halte und man daher in allen Wahlkreisen, in denen die nativnalliberale Partei Aussicht auf Erfolg habe, eigen« Eandidatcn aufstellen werde. Es seien das von den 35 zur Wahl stehenden Kreisen etwa 20." Die Oberflächlichkei: des Korrespondenten der „Kölnischen Zeitung" kennzeichnet sich zunächst dadurch, daß er statt der thatsächlich zur Wahl berufenen 29 Wahlkreise deren 35 angiebt. Wenn er hiervon weiter etwa 20 als solche bezeichnet, in denen nativnalliberale Eandidatcn aufgestellt weiden sollen, so muß diese Behauptung das Er gebniß einer sehr regen Phantasie sein, denn in maßgebenden nationalltberalen Kreisen ist von einer solchen Absicht nichts bekannt. Zur Sache selbst und um solchen Quertreibereien ein für alle Mal ein Ende zu bereiten wiederholen wir, daß zwar bei Schluß des letzten Landtages eine Erneuerung der sog. Cartellerklärung nicht stattgefunden hat. damit aber doch noch lange nicht gesagt ist, daß man ein Cartell allerseits nicht wünsche oder nicht mehr für nothwendig erachte. Wir glauben im Gegentherl gut unterrichtet zu sein, wenn wir sagen, daß gegenseitige Vereinbarungen im Sinne des Cartellgedankcns in maßgebenden nationallibcralen und conservativen Kreisen Die Settelmaid. 10s Roman von Fitzgerald Molloy. Nachdruck verbotkn. Eapri's Antlitz strahlte vor Vergnügen. Eine ihres Ge schlechts — Frauen urtheilen über Frauen stets strenge — hatte ihr Portrait zu schön gefunden, um aus dem Leben zu stammen. Die Worte klangen ihr wie liebliche Musik in den Ohren, denn sie schmeichelten ihrer Eitelkeit. Da näherten sich dem Phillips- schen Bilde zwei junge Leut« der ckouuesso äoreo mit stroh gelbem Haar und dummen Gesichtern, die von Kunst so viel verstand«» wie eine chinesische Pagode. Arm in Arm postirten sie sich vor „die Bettelmaid". „Ein pyramidales Mädchen, Algy!" „Ja, wenn sie modern gekleidet wäre." „Wie heißt das Bild? Sie öffneten den illustrirten Katalog und fanden nach langem Suchen die Nummer. „Die Bettelmaid", las der mit Algy Angesprochene mit schnarrender Stimme vor. „Was für Bettelmaid?" „Nun, die Geliebte des Königs Cophetua, die Geschichte ist mir nicht mehr erinnerlich." „War Cophetua ein Ausländer? Der Name klingt nicht englisch." „Selbstverständlich! Nur Ausländer können so thöricht sein, sich in Bettlerinnen zu verlieben." „Ein schönes Weib, nur für meinen Geschmack etwas zu dunkel; sie muß aus dem Süden stammen." „Mir gefällt sie, wenn ich nur wüßte, wo das Original zu finden wäre, bei Gott ich würde" „Sie zu Deiner Freundin machen", fügte der Andere lachend hinzu und zog den Freund weiter. Capri hatte die letzten Worte nicht verstanden, sie wandte sich lachend an Marc: „Das sind die Schutzpatrone der heiligen Kunst, . . . doch sieh mal nach dem Eingang des Saales! Geht dort nicht Newton Marrix mit einer stattlichen Dame? O, was die für ein kostbares Kleid trägt!" „Du bist rin echtes Weib, Capri!" »Weshalb, wenn sch fragen darf?". „Weil Dir zu allererst das Kleid auffällt." „Das war nicht so sehr weibliches als künstlerisches Beob achtungsvermögen; ich habe ein Auge für Effecte", antwortete sie mit angenommenem Unwillen, wobei sie ihre Lippen und die schöngeformten Augenbrauen kraus zog, was ihr ein ungemein kindliches Aussehen verlieh. „Wer ist sie?" fragte sie plötzlich; der schelmische Ausdruck aus ihren Augen war verschwunden. „Ich weiß es nicht." „Also nicht Frau Stonex?" „Nein, wahrlich nicht", antwortete der Maler rasch, die bloße Vermuthung schien ihm schon «in Vergehen. Newton Marrix und seine Begleiterin kamen nur langsam näher, denn er erklärte ihr jedes Bild und erzählte ihr Anekdoten über die betreffenden Künstler, denen sie aufmerksam lauschte, »plötzlich blickte Newton auf und erkannte seine Freunde, er flüsterte der Dame etwas zu und Beide näherten sich Capri. „Ah, Fräulein Capri!" begrüßte er diese, ihr die Hand reichend. „Das ist eine Ueberraschung! Du Schlaukopf", wandte er sich lächelnd an Marc, „Du hast mir ja gar nicht verrathen, daß Du heut« unsere Freundin herbringst. Mrs. Lordson, ge statten Sie, daß ich Ihnen meine Freunde verstelle: Fräulein Dankers und Herrn Marcus Phillips." „Bin hocherfreut, die Herrschaften kennen zu lernen", ent gegnete diese in der nasalen Sprechweise, die den Amerikanern eigen. Marcus erhob sich sofort und bot ihr seinen Platz auf dem Sopha an, in das sie sich auch mit jenem Behagen sinken ließ, welches alle korpulenten Leut« nach physischer Anstrengung empfinden, wenn ihnen die Ruhe winkt. „Ich danke Ihnen, denn ich bin wirklich froh, ein Weilchen sitzen zu können", sagte sie, ihr kostbares, mit einem großen Auf wand von echten Spitzen garnirtes, dunkelrothcs AtlaSkleid glättend. Mrs. W. Achilles Lordson, eine reiche amerikanische Wittwe, war nur nach England gekommen, um, wie sie offen gestand, die „Gesellschaft" Londons kennen zu lernen. Sie hatte sich vor genommen, mit den Mitgliedern der oberen Zehntausend in Ver bindung zu treten, die berühmten Männer und Frauen von An gesicht zu Angesicht zu sehen und zu sprechen, kurz, in die Mysterien der vornehmen Welt einzudringen. Die Tochter der Republik setzte eben ihren Ehrgeiz darin, „noble" Bekannt schaften zu machen. Der vor zwei Jahren verschiedene W. Achilles Lordson hatte sich durch Schweineschlächterei «in unermeßliches Vermögen erworben, das er seiner kinderlosen Wittwe zur alleinigen Verwaltung und Benutzung hinterließ, und das sic in die angenehme Lage versetzte, den größten Luxus treiben zu können. Von dem unerwarteten Tode des Gatten niedergebeugt, mußte sie eine Erholungsreise antreten. Da eine Anzahl ihrer Bekannten sich nach Europa einschifften, schloß sie sich ihnen an. Sie hatte einen Winter still in Florenz verlebt und sich dann etwas getröstet von ihren Freunden getrennt, um Rom kennen zu lernen. Won da war sie nach Frankreich gegangen und hatte vier Monat« in Paris verbracht, aber „ich liebe die Ausländer nicht, man versteht nie, was sie sprechen, denn sie schwatzen und kreischen wie die Affen", erzählte sie Newton in ihrer lebhaften Weise. Vor Kurzem war ihr die Idee gekommen, England mit ihrer An wesenheit zu beglücken und vorläufig London zu ihrem Wohnort zu erwählen. In dem vornehmen Mayfair richtete sie sich ein ele gantes Heim ein. Nach einer vierzehntägigen Anwesenheit in der Stadt führte ihr der Zufall Newton Marrix in den Weg. Ein gemeinsamer Bekannter, auf dem Sprunge, nach Norwegen zu reisen, machte sie miteinander bekannt und ersuchte Newton, Mrs. Lordson in alle Mysterien der Saison einzuweihen, was er auch bereitwillig versprach. Di«Amerikanerin sah in dem liebenswürdigen jungen Schrift steller, der wie ein Schmetterling in der Gesellschaft «in- und ausflog, von Jedermann gekannt wurde und Jedermann kannte, einen Menschen, der ihr vielfach nützlich sein konnte. Newton hinwieder war klug genug, sofort den Schluß zu ziehen, daß ihm die Freundschaft der in dem ungeheuren Häusermeer Londons g«- strandeten reichen Wittwe, deren Sucht nach Bekanntschaften er leicht zu befriedigen vermochte, große Vortheile bieten konnte. In diesem, wenn auch unausgesprochenen Bewußtsein, einander Dienste leisten zu können, gestaltete sich ihr Verkehr sehr an genehm. Mrs. Lordson, hoch gewachsen, wi« fast alle ihr« Lands männinnen, war vielleicht etwas zu stark und rundlich. Ihrem Gesicht, das bei warmem W«tt«r wie polirt aussah, hatte die Natur den Stempel der Gutmüthigkeit aufgedrückt, weiternder auch nichts. Die meisten Männer würden sie trotz ihrer etwas auffallenden Erscheinung und ihres Mittelalters für ein hübsches Weib erklärt haben. Wenn sie ging, warf sie ihr Haupt zurück, ihre Haltung drückte «ine gewiss« Freihrit der Bewegungen und Energie aus, die sehr angenehm wirkte. Frau Lordson legte eine Vorliebe für bunte Farben und viel Schmuck an den Tag, auch alte Spitzen erschienen ihr für eine Dame von Wrlt unentbehrlich. Ihr dunkelrothes Seidenkleid, dessen echt« Pointen «in kleines Vermögen gekostet, bedeckte di« verschüchterte Capri, die noch niemals solche Pracht in der Näh« gesehen. „Mr. Phillips ist der Maler, der Nummer 79 gemalt hat", bemerkte Newton nicht ohne Absicht. „Wirklich?" rief die Dame erfreut aus, und rtwas wie Ehr furcht beschlich sie bei dem Gedanken, einem anerkannten Künstler gegenüberzustehen. Ein angenehmes Lächeln verschönte sein offenes, ehrliches Gesicht, aus d«m zwei blaue Augensterne ihr entgegcnstrahlten, die ihr gefielen. „Und Miß Dankers ist das Original zur „Brttelmaid"", fuhr Newton fort, nachdem er der Dame genügend Zeit gelassen, sich von ihrem Erstaunen zu erholen. „Ist das Ihr Ernst?" fragte sie jetzt noch mehr überrascht und blickte von Newton auf das Bild und von diesem auf Capri, der die Scene bereits Spaß machte. „Wahrhaftig, Sie haben Recht", rief sie aus, nachdem si« dos Antlitz d«s Mädchens mit dem der „Bettelmaid" vrrglich«». Sie erhob sich mit einiger Anstrengung vom Divan, trat dicht an das Gemälde heran, dann wieder vor Capri und fixirt« Beide. „Sieht «s mir ähnlich?" rief Capri gutgelaunt. „Das will ich meinen!" „Ein« Thatsache, die Niemand leugnen kann", bemerkte Newton trocken. „Es wäre für mich auch nicht sehr schmeichelhaft, wenn man es könnte", warf jetzt Marcus Phillips ein. O, es ist wundervoll!" sagte die Amerikanerin begeistert, „ebenso wundervoll wi« das Original selbst." Sie nahm wieder auf dem Divan Platz und dankte dem Schriftsteller im Süllen, daß er sic mit so bemerkenswertsten Personen bekannt gemacht. Capri's Augm fielen zufällig auf die massive goldene Kette, an d«r viele Bijoux baumelten, und wandert«» dann weiter auf das gutmüthige Gesicht der Dam«. Ihre Augen begegneten sich und Capri lächelte ihr vergnügt zu. Dieses sonnige, gewinnende Lächeln drang direct in Mrs. Lordson's Herz und erwärmte es wie ein Sonnenstrahl. ' « „Wie schön Sie sind!" bemerkte sie in einer plumpmütterlichen Weise und starrte Capri bewundernd ins Gesicht. „Herr Phillips hat mich auf dem Bilde sehr idcalifirt", ant wortete diese bescheiden. Sie ließ das vertraute „Marc" fallen, that, als ob die Complimente dem Bilde und nicht ihr gälten. Die Amerikanerin war sich nicht recht klar, >vas Capri unter dem Worte „idealisiren" verstand und nahm sich vor, Newton Marrix, den sie bereits als ihren Mentor betrachtete, bei nächster Gelegenheit, wenn sie unter vier Augen mit ihm sein würde, darnach zu fragen. e „Wir gehen jetzt in em« andere Abtheilung der .Galerie, um
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