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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.12.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981202018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898120201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898120201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-02
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung -M 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» SUHL, vri den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an ds« Expedttia» zu richten. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig «l» Freitag den 2. December 1898. 92. Jahrgang. Fürst Lismarck's Gedanken und Erinnerungen. V. Das zweite Capitel ist dem Jahre 1848 gewidmet. Es ist weniger reich an neuen Mittheilungen zur Geschichte der Berliner Märzbewegung, als an Erzählungen von dem persön lichen Antheil, den Bismarck an den Dingen nahm. Auch der Humor kommt zu seinem Rechte. So gleich zu Anfang in dem Berichte von der Abfertigung, die die Schönhauser Bauern auf den Rath ihres „gnädigen" Herrn den Deputaten aus Tangermünde zu Theil werden ließen, die unter Androhung von Gewalt die Entfaltung der schwarz-roth-goldenen Fahne erzwingen wollten: unter eifrigster Betheiligung der Weiber wurden die Städter aus dem Dorfe gejagt und auf dem Thurme zum Zeichen der lönigstreuen Gesinnung der Bauern eine noch heute vorhandene weiße Fahne mit schwarzem Kreuze aufgezogen. Charakteristisch ist Bismarck's Bemerkung, daß er von vorn herein für die politische Tragweite der Berliner Vorgänge nicht so empfänglich gewesen sei, wie für die Erbitterung über die Ermordung preußischer Soldaten in den Straßen. Er war überzeugt, daß das preußische Königthum des Aufstandes ohne große Mühe Herr werden würde, wenn man nur dem Könige die Freiheit der Bewegung zurückgäbe. Auf die nachher zu Tage tretende Schwäche des Königs, der auf den Rath feiger oder verrätherischer Minister vor der Revolution capitulirte in dem Augenblicke, da er durch die todesmuthige Tapferkeit seiner Soldaten des Sieges über den Aufruhr sicher war, ist er offenbar nicht gefaßt gewesen, und sehr sonderbar mußte es ihn, den königstreuen Mann, berühren, daß innerhalb der könig lichen Familie selbst Pläne erwogen wurden, die die Abdankung des Königs und den Verzicht des Prinzen von Preußen auf die Krone zur Voraussetzung hatten: aus dem Munde der Prinzessin Augusta mußte er vernehmen, daß sie es für ihre wichtigste Pflicht halte, die Rechte ihres Sohnes zu wahren. Wie er diese Bestrebungen auffaßte, lehrt die schroffe Abweisung, die er der sondirenden Frage Georg v. Vincke's zu Theil werden ließ, ob die Rechte in der Kammer einen Antrag auf Herstellung einer Regentschaft der Prinzessin Augusta für ihren minderjährigen Sohn unterstützen werde: er erklärte, einen Antrag dieses Inhalts mit dem Anträge auf gerichtliches Verfahren wegen Hochverrathes zu beantworten, und bewirkte dadurch, daß die Linke ihren Plan fallen ließ. Bismarck hat nie erfahren, ob, wie man ihm damals versicherte, der Prinz von Preußen mit den politischen Bestrebungen seiner Gemahlin einverstanden gewesen ist, ob die eventuelle Verzichtserklärung des Prinzen, auf die man sich damals berief, jemals existirt hat. Zwischen den Zeilen liest inan den Zweifel. Um so höher ist die Verschwiegenheit zu ehren, die Bismarck über seine damaligen Erlebnisse seinem hohen Herrn gegenüber auch in späteren Zeiten bewahrt hat, als er „in der Königin Augusta den Gegner erkennen mußte, der seine Fähigkeit, zu vertreten, was er für seine Pflicht hielt, auf die schwerste Probe gestellt hat". Die politische Lage war an sich für Preußen bis zum 19. März nicht ungünstig. Der König hatte den Auf stand niedergeschlagen. Wenn er ihn nicht wieder aufkommen ließ, so würde eine durch Preußen bewirkte haltbare Organisation Deutschlands nach Bismarck's Meinung bei dem Zaren Nikolaus keine Schwierigkeiten gefunden haben, da dessen politische Sym pathien ursprünglich mehr nach Berlin als nach Wien gerichtet waren. Indem aber der König den Abzug der Truppen befahl und durch den Umzug in den Farben der Burschenschaft die Tendenzen förmlich anerkannte, gegen die seine Truppen gekämpft und gesiegt hatten, verdarb er die Situation zum Nachtheile Preußens: in den Augen der Welt und vor Allem auch in den Augen der deutschen Fürsten, die eben noch in ihrer eigenen Bedrängniß Schutz bei dem starken Preußenkönig gesucht hatten, stand er fortan an der Spitze der Barrikadenkämpfer. Freilich sind Bismarck's Zweifel wohlberechtigt, ob es Friedrich Wilhelm's IV. weicher, gegen jeden Druck nachgiebiger Natur gelungen sein würde, eine haltbare Einheit des deutschen Volkes zu schaffen. Seiner Verstimmung über die selbstverschuldete Niederlage des Königthums gab er bei seinem ersten Besuche in Sanssouci Ausdruck, als er ganz gegen seine Erwartung zum Könige befohlen ward und der Einladung widerwillig folgte, da des Königs Liebenswürdigkeit ihm keine Ausflucht gestattete Aber die Güte Friedrich Wilhelm's IV., der indirect die Fehler seiner Politik zugab, der der thätigen Hingebung aber mehr zu bedürfen erklärte, als der Kritik, entwaffnete den Grollenden, und während er in der Stimmung eines Frondeurs gekommen war, dem es gerade recht gewesen wäre, wenn der König ihn ungnädig fortgeschickt hätte, ging er mit dem Entschlüsse, seinem Könige nach bester Ueberzeugung zu dienen. Freilich, zu einer festen Wahrnehmung seiner Macht gegenüber der National versammlung vermochte er den König fürs Erste nicht zu be wegen. Bismarck vermuthet, daß der König dabei nicht sowohl durch den Zweifel an seiner Macht geleitet worden sei, als durch die Hintergedanken, „ob nicht die Berliner Versammlung und der Friede mit ihr und ihrem Rechtsboden unter irgend welchen Konstellationen direct oder indirect nützlich werden könne, sei es in Combinationen mit dem Frankfurter Parlamente oder gegen dasselbe, sei es, um nach anderen Seiten hin in der deutschen Frage einen Druck auszuüben, und ob der formale Bruch mit der preußischen Volksvertretung die deutschen Aussichten compro- mittiren könne". Erst als die Entwickelung der Dinge keine Gelegenheit bot, die Berliner Versammlung für die deutsche Sache nutzbar zu machen, ihre Uebergriffe dagegen mit jedem Tage wuchsen, reifte bei dem Könige der Gedanke, sie an einen anderen Ort zu verlegen oder sie aufzulösen. Die Schwierigkeit war, ein Ministerium zu finden, das die Verantwortung zu übernehmen bereit war. Nach mannigfachen vergeblichen Be mühungen, Führer der ehemaligen Opposition des Vereinigten Landtages, wie Vincke, Bickerath, Harkort zu gewinnen, lenkte sich des Königs Blick auf Graf Brandenburg, der in mili- tairischem Gehorsam sich des Amtes nicht weigerte, obwohl Politik und Staatsrecht nicht seine Sache waren. Als „Kornak" wünschte er sich Otto v. Manteuffel, Director im Ministerium des Innern, und Bismarck war es, der in mehrstündiger Unterredung die Abneigung Manteuffel's gegen den Kampf auf der Bresche über wand. Das neue Ministerium trat am 9. November vor die Kammer; am 10. rückte Wrangel ein. Daß er die BUrgerwehr durch Verhandlungen zum Abzug bewog, statt sie durch Waffen gewalt dazu zu zwingen, erklärt Bismarck für einen politischen Fehler, nicht minder, daß der König die Nationalversammlung nicht auflöste, sondern unter gleichzeitiger Vertagung nach Brandenburg verlegte. Es war immer Friedrich Wilhelm's IV. Schwäche, halbe Arbeit zu thun. Zu dieser Schwäche aber kam noch ein Zweites: der „latente deutsche Gedanke Friedrich Wilhelm's IV." Fürst Bismarck erörtert im ersten Abschnitte des dritten Capitels (Erfurt, Olmütz, Dresden) die Ursachen der Mißerfolge Preußens auf dem Gebiete der deutschen Politik. „Der König hoffte, das Wllnschenswerthe würde kommen, ohne daß er seine legitimistischen Traditionen zu verletzen brauchte." Er hatte nicht den Muth, die Macht, welche ihm der Sieg des Ministeriums Brandenburg und die Niederwerfung des badischen Aufruhrs gaben, zunächst in Preußen selbst gegen die Revolution zu ver- werthen, weil er die Besorgniß hegte, „dasjenige Maß von Wohlwollen in nationaler und liberaler Richtung zu verlieren, auf dem die Hoffnung beruhte, daß Preußen ohne Krieg und in einer mit legitimistischen Vorstellungen verträglichen Weise das Vorgewicht in Deutschland zufallen würde". Diese Hoffnung, die bis in die Anfänge der Neuen Aera hinein in der Phrase von dem deutschen Berufe Preußens Ausdruck fand, beruhte auf einem doppelten Jrrthum: einer Unterschätzung der Lebenskraft der deutschen Dynastie und einer Ueberschätzung der revolutionairen Kräfte und der revolutionairen Agitation. Die Achtung vor der „Legitimität", die Furcht vor der „Barri kade" ließen den König den rechten Augenblick versäumen, und die Ablehnung der von der Frankfurter Versammlung ihm angebotenen Kaiserkrone war nur die nothwendige Folge seiner unklaren Politik. Im Rückblick auf die damalige Situation, Personen und Zustände muß Fürst Bismarck das Preußen Friedrich Wilhelm's IV. für nicht reif erklären zur Uebernahme der Führung in Deutschland, aber er macht kein Hehl daraus, daß diese aus dem Verlaufe der geschichtlichen Entwickelung gewonnene Ansicht nicht mit gleicher Klarheit damals in ihm lebendig war. Seine Freude über die Ablehnung der Kaiserkrone beruhte hauptsächlich auf dem Mißtrauen in den parlamen tarischen Ursprung des preußischen Kaisertums und die zu erwartenden parlamentarischen Consequenzen. Er folgte darin den Anschauungen seiner politischen Freunde, der Führer seiner Fraktion. Indem Bismarck dieses Bekenntniß ablegt, nimmt er die Gelegenheit wahr, das Fractionsleben sonst und jetzt zu vergleichen, und recht aufmerksam sollten die goldenen Worte gelesen werden: „Bycantinismus und verlogene Spekulation auf Liebhabereien des Königs wurden wohl in kleineren höheren Kreisen betrieben, aber bei den parlamentarischen Fractionen war der Wettlauf um die Gunst des Hofes noch nicht im Gange." Auch die zweite günstige Gelegenheit, die sich dem Könige von Preußen durch die Niederwerfung des Dresdener Aufstandes und die Herstellung des Dreikönigsbündnisies bot, blieb un benutzt: man verlor die Zeit mit Erwägungen über Einzelheiten der künftigen Verfassung. Statt unter Verzicht auf Beifall und Popularität bei verwandten Fürstenhäusern, Parlamenten, Historikern und in der Tagespresse auf militairischem Gebiete die bei Oesterreichs Schwäche unbestrittene Führung in Deutsch land zu übernehmen, ließ Preußen Oesterreich erstarken und kämpfte in Erfurt eigentlich nur noch für den Rückzug. Un- beantwortet bleibt auch für Bismarck die Frage, „ob der Einfluß des Generals von Radowitz aus katholisirenden Gründen in einer auf den König wirksamen Gestalt verwendet worden ist. um das evangelische Preußen an der Wahrnehmung der günstigen Gelegenheit zu hindern und den König über dieselbe hinweg zutäuschen". Als gewiß bezeichnet er es, daß Radowitz den „geschickten Garderobier der mittelalterlichen Phantasie des Königs machte und dazu beitrug, daß der König über historischen Formfragen und rcichsgeschichtlichen Erinnerungen die Gelegen heiten zu praktischem Eingreifen in die Entwickelung der Gegen wart versäumte." Die Auflösung des Dreitönigsbundes, das nach der schweren Niederlage doppelt staunenswerthe Erstarten Oester reichs, die mangelnde Kriegsbereitschaft Preußens — Alles wirkie zusammen zu der durch den Namen Olmütz gebrandmartten moralischen Niederlage Preußens. Man hat es dem Ab geordneten von Bismarck verdacht, daß er am 3. December 18-10 die Politik von Olmütz vertheidigt hat; aber wer zwischen den Zeilen zu lesen verstand, konnte schon damals erkennen, daß nur ernste Bedenken ihn abhielten, eine Politik zu befürworten, wie sie die Mehrheit der Liberalen wünschte, weil diese Politik das militairisch unfertige Preußen in eine schwere Krisis hätte bringen müssen. Die Rede ist ein diplomatisches Meisterstück, und ihr richtiges Verständniß erschließt Fürst Bismarck durch die Mittheilungen über die an leitender Stelle herrschende lieber zeugung von der Unmöglichkeit eines sofortigen Krieges mit Oesterreich. Zeil zu gewinnen — war die Parole; und jederzeit hätte in den an Olmütz sich anschließenden Verhandlungen von Feuilleton. In Sonne und Eis am Kilimandscharo. Von vr. Hans Meyer. III. Meine beiden Askaris waren wenig erbaut, als ich sie am nächsten Morgen mit dem Allernöthigsten belastete, um eine Tagereise weiter oben, oberhalb 4000 Meter, noch ein Biwak zu beziehen. Sie ließen sich erst versichern, daß sie dort oben nicht mit uns zu nächtigen brauchten, und folgten uns zögernd, als wir uns mit unseren wohlgepackten Rucksäcken auf den Weg machten. Immer spärlicher, kümmerlicher, niedriger wird die Vegetation, je höher wir über die langen, nur wenig gewölbten Lava- und Schuttrücken und durch die breiten flachen Mulden bergan steigen. In weiter Verstreuung wachsen die kniehohen Büsche der Eri- cinella und EuryopS auf den graubraunen Flächen, so daß man aus der Ferne versprengte Schafheerden weiden zu sehen glaubt. Zwischen den Büschen schmiegen sich dem nackten Boden nur noch ganz niedrige Stauden von Blärien, Senecien und nament lich von polsterförmig zusammengedrückten graublätterigen Immortellen an, deren glänzend weiße Blüthensterne zu Tausenden im Flor stehen und den einzigen, aber um so herr licheren Schmuck in das triste graue Einerlei der formenarmen Landschaft bringen. Sie alle sind in ihrer Organisation, in ihrer geringen Blattentwickelung, dem feinen Haarpelz, dem An schmiegen an den Boden u. s. w. in wunderbarer Weise den starken klimatischen Extremen dieser Bergeshöhen, insbesondere den großen Temperatursprüngen und der enormen Trockenheit angepaßt. An den seltenen Stellen, wo der Boden etwas feuchter ist, starrt auch der halbmannshohe Blüthenstand einer Lobelie wie ein dicker Lampenputzer kerzengerade in die Höhe oder hebt sich das seltsamste Gewächs des oberen Kilimandscharo, der Senecio Johnstoni, gleich einem riesigen Blumenkohl, 3 bis 4 Meter über das zwerghafte Gebüsch. Das Thierleben scheint fast ganz erloschen in diesen äußerst wetterwendischen Höhen. Wohl sehen wir Fährten einer kleinen Antilope und der großen Elenantilope, wohl bemerken wir die Losung eines kleinen Nage- thieres; hier und dort huscht auch einmal eine graue kleine E d.-chse über den Sand, piept einmal ein zutraulicher Steinschmätzer und krächzt ein weißbrüstiger Rabe, aber das Alles sind einzelne und seltene Erscheinungen. Die große Einsamkeit der Land schaft beleben sie nicht; in ihre starren, ernsten Züge kommt keine Bewegung, außer durch das Wallen der Nebel, ihre feierliche Stille unterbricht nichts, als das Rauschen des Windes. Bei 4000 Meter Höhe sehe ich mich plötzlich mitten in un zweifelhaftem alten Gletscherterrain. Runde Schlrffformen an den Seiten unserer Anstiegmulde, Rundhöcker und Erratica auf der Thalsohle und als Erdboden eine vom Bachriß aufgeschlossene Masse feinen grauen ungeschichteten Sandes, in den runde und eckige Blöcke regellos eingeschlossen sind: alles Dies zeigt den glacialen Ursprung an. Aber zu längerer Untersuchung durfte ich nicht verweilen; es war schon Mittag geworden, und unser Ziel war noch nicht abzusehen, der Nordostfuß des Kibokegels lag noch hinter langen Hügelrücken versteckt. Ermüdet blieben die belasteten beiden Askaris weit zurück. Auch Herr Platz, dessen Befinden wieder weniger gut war, folgte nur langsam. Ich mußte aber unausgesetzt weiter steigen, wollte ich nicht das Unternehmen in Frage stellen, denn erreichten wir heute den Kibo- fuß nicht, so wären noch zwei Biwaks nöthig gewesen; und dazu hätte ich meine Leute nicht zwingen können. Im Sand und Schutt war aber jeder Fußeindruck zu sehen, so daß die Nach kommenden mich nicht verfehlen konnten. Endlich stand ich bei 4200 Meter auf dem letzten uns vom Kibo trennenden Lava rücken. Vor mir hob sich langsam eine sandige, blockbesäete, ganz pflanzenlost Fläche links hinauf zum großen Mittelplateau zwischen Mawensi und Kibo, rechts zu den felsigen nordöstlichen Abstürzen des Kibo selbst. Mit einem Blick war nun die Nord ostfront des Kibo zu übersehen. Er erscheint jetzt nicht als ein Kegel, sondern als eine ungeheure, noch fast 2000 Meter steil emporstrebende breite und wenig gegliederte abgestumpfte FelS- pyramide, deren hehres Haupt in schlvindelnder Höhe eine funkelnde EiSkrone deckt. Ueberall starren mir von dort oben die jähen Abbrüche der mächtigen Eisdecke entgegen, durchweg 60—80 Meter hoch und, wie ich nun klar erkannte, nirgends übersteigbar, als auf der Ostseit«, wo in 5760 Meter Höhe die sattelförmige Scharte, die mir schon 1889 als Zugang gedient hatte und seitdem auf meinen Namen getauft wurde, wieder als Eintiefung in der Eismauer offen lag. Südlich davon war eine ganz neue Lücke in den Eisrand eingeschmolzen, wo der dunkle Fels zu Tage trat; sie lag aber ferner und kam deshalb für die diesmalige Besteigung nicht in Betracht. Vier breit«, steile Schuttkare ziehen vom Eisrand der Nordostseite am Kibo herab, von einander getrennt durch Felsgrate, die wie gewaltige Streben den Riesenbau stützen, und alle am Fuß des Berge» einmündend in ein flaches Schuttthal, das sich im Bogen nach Norden berg abwärts wendet. Im und am Schuttkar, das von der Ost scharte herabkommt, war ich 1889 mit Herrn Purtscheller aufge stiegen, nachdem wir in seinem unteren Theile in einer Höhle bei etwa 4700 Meter Höhe biwakirt hatten. Bis zu dieser Höhle konnte ich diesmal unmöglich Vordringen, da meine beiden Askaris vollständig erschöpft waren. Ich mußte deshalb eine viel weiter von der Scharte entfernte, nördlicher liegende Felsgruppe zum Biwakiren wählen, wo eine etwas überhiingende Wand einigen Schutz gegen di« nächtlichen eisigen Kibowinde gewährt». Hier im Felsenschutz wuchsen auch noch einige Euryopsstauden, so daß wir um Brennmaterial unbesorgt sein konnten. Die Askaris warfen die Schlassäcke und Waflergefäße ab und kehrten schleu nigst zur wärmeren Salpeterhöhle zurück, von wo sie uns in zwei Tagen wieder abholen sollten. Unser etwa 4400 Meter hoch gelegener Biwakplatz war freilich für eine Kiborrsteigung recht ungünstig gelegen. Konnten wir 1889 von der damaligen Biwakhöhle in gerader Linie zur Ostscharte aufsteigen, so lag jetzt zwischen uns und unserem Ziel eine ganze Reihe von steilen Schuttkaren und Graten, die schräg bergauf traversirt werden mußten. Es stand uns eine lang wierige schwere Kletterei bevor. Ueberhaupt fangen die eigent lichen bergsteigerischen Schwierigkeiten einer Kilimandscharo- Besteigung erst hier am Fuß des Kibokegels oberhalb 4400 Metern an. Während von den früheren KilimandscharoBcsuchern, die Alle, wie auch ich auf meinen früheren Expeditionen, von der leichter zugänglichen Südseite angestiegen sind, nicht Wenige bis zum Mittelplateau und dem Ostfuß des Kibo gelangt sind, hat darüber hinaus nur Herr vr. Widenmann eine bedeutende Höhe am Kibokegel und, in allerjüngster Zeit, nach meiner dies maligen Besteigung, Herr Hauptmann Johannes mit Herrn Zahlmeister Körner den Kibokrater selbst durch die Ostscharte erreicht. Die Brüchigkeit der Felsen, die Steilheit und Locker heit des Schuttes, die große Dünne und Sauerstoffarmuth der Luft, die in solcher Höhe bei stärkster Körperanstrengung schnell eintretende physische und psychische Ermattung: das sind Hinder nisse, die dem nicht körperlich für Hochtouren Beanlagten und all seitig Geübten sehr bald ein Ziel setzen. Ich war im höchsten Grade gespannt, wie unter den erwähnten, diesmal doppelt schwierigen Verhältnissen die Sache für uns ablaufen würde. Kurz nach Untergang der Sonne, die uns schon am Nach mittag, nach Westen hinter den Kibo hinabsinkend, plötzlich aus strahlender Wärme in den kalten Schatten des Berges versetzt hatte, jagte uns der Frost in die Schlafsäcke. Aber die Nacht brachte uns wenig Schlaf. Wiederholt weckte mich aus beäng stigenden Träumen ein lautes Klopfen, das mir vom Felsen neben uns herzukommen schien, bis ich schließlich herausfand, daß es mein eigener Herzschlag war. Der Organismus arbeitete, um den schnellen Aufstieg in die Höhe von 4400 Meter und die dünne Luft zu verwinden. Um vier Uhr krochen wir au» der wärmenden Hülle, verzehrten rasch ein paar Tropenbiscuits und getrocknete Pflaumen, und machten uns mit brennenden Berglaternen an den Aufstieg. Unsere Rucksäcke waren ziemlich schwer von Meß instrumenten, Seil, Wasser, Proviant u. s. w. Trotzdem packle ich mir noch einen kleinen photographischen Apparat dazu, um Eisaufnahmen zu machen. Bei 6 Grad Kälte blies uns ein kräftiger Wind vom Berg herab entgegen; die Nacht war sternen klar, und im Widerschein eines wunderbar leuchtenden Planeten funkelte die EiSkrone des Kibo verheißungsvoll und wies uns unser Ziel. Die erste Stunde ging es auf gefrorenem Schutt rasch bergan. Als wir Uhr den ersten der großen radialen Felsgrate überkletterten und das zweite Schuttkar gewannen, leuchtete im Osten als Vorbote der Morgendämmerung ein weißer kegelförmiger Lichtschein auf, der mit seiner Basis den halben östlichen Horizont überspannte, und mit seiner Spitze bis über die Hälfte des Osthimmels zum Zenith hin züngelte. Erst als er erloschen war, begann der breite, leichte Schimmer der Morgen dämmerung im Osten aufzusteigen. Nun ging es ohne Laternenschein weiter. Das Geröll wurde immer lockerer, das Terrain immer steiler, die Steigarbeit immer mühsamer. Nichts erschwert die Kibobesteigung von Anbeginn so sehr, wie die unumgängliche Nöthigung, sich von den oer witterten Felsen aus immer wieder durch rutschenden Schutt emporzuarbeiten, wo man bei jedem Schritt vorwärts wieder einen halben Schritt zurücksinkt. Das ist bei stundenlanger Dauer, in immer dünner und sauerstoffärmer werdender Luft, bei immer schwererer Athmung geradezu demoralisirend und erheischt den Einsatz aller Energie, die Einem noch nach den Entbehrungen und Mühen der letzten Wochen geblieben ist. Nack Sonnenaufgang wurde es uns bald so warm, daß wir die bis dahin getragenen Wollwesten auszogen, und doch zeigte das Thermometer nur eine Lufttemperatur von H Grad Wärme an. Was uns erhitzte, war also die in der dünnen Luft so wirksame direkte Insolation und die vom Boden reflectirte Strahlung. Später, gegen Mittag, habe ich oben kurz unter der Scharte, j Meter über dem Felsboden eine Strahlungstemperatur von 78 Grad gemessen, während die Lufttemperatur nur 1j Grad betrug! Und wenn man sieht und an sich selbst empfindlich genug fühlt, daß 10—12 Stunden später in diesen Höhen die nächtliche Abkühlung auf —10, —12, —15 Grad sinkt, so versteht man, warum hier das Gestein durch das kolossale Maß wechselnder Erhitzung und Erkaltung, Ausdehnung und Zu sammenziehung bis in das Innerste zersprengt und an der Ober fläche total zersplittert ist. Die Erhaltung alter Gletscherschliffe, wenn solche vorhanden gewesen sind, ist darum hier kaum zu erwarten; ich habe auch nirgends welche mit Sicherheit beobachtet, obowhl mich an vielen Stellen die eigenthümliche Rundung vor springender Felsen an den Innenseiten der Schuttkare und die buckelförmige Gestalt am Boden der Kare vorstehender Fels rücken nur auf glaciale Entstehung schließen ließen. Die Nacht kälte und die enorme Trockenheit ziehen auf dieser Bergseite auch der Vegetation eine tiefere Grenze, als auf der länger besonnten und feuchteren Westseite. Bei 5150 Meter trafen wir einem Felsen angeschmiegt die höchste Blllthenpflanze, ein ver kümmertes filzblätteriges Kreuzkraut. Darüber giebt es nur noch Steinflechten, diese aber bis hinauf zum Gipfel. Um 9 Uhr hatten wir das dritte der vi«r Schuttkare hinter uns und standen etwa 5350 Meter hoch. Die Luftbeschafsenheit wurde nun beim Werterklettern so mangelhaft, daß wir all»
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