Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189812043
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18981204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18981204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-04
- Monat1898-12
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1898
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis i» der Hemptexpedition oder den da Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aos- aavrstellen abgeholt: vierteljährlich^!4.S0, »et zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertelläkrlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandlendung ins Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/«? Uhr. dir Abend-AuSgabe Wochentag» um b Uhr. Redaktion und Expedition: 2ohanne»«affe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: ktt? Klemm s Sorti«. (Alfred Hahn), UniversitMstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und Köuigsplatz 7.- MpMer Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes nn- Nslizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Auzeigen-Prer- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclainen unter dem Redactionsstrich (»ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (ü gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsah nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderung >il 60.—, mit Postbesörderung .4! 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 UhL Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. litt. Jahrgang. Sonntag den 4. December 1898. Fürst Lismarck's Gedanken und Erinnerungen. VI. Die Capitel 4—9 (Diplomat, WochenblattSparter, Krim krieg, Sanssouci und Coblenz; Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin; Besuch in Pari»; Reisen; Regentschaft) enthalten eine Nachlese zu der durch amtliche und private Publikationen in weiterem Umfang bekannt gewordenen Frankfurter Zeit Bismarck s. Die Ernennung Bismarck's zum LegationSrath bei der wiederhergestellten Gesandtschaft Preußen» am Bundestag ries in der amtlichen Welt Berlins lebhafte- Staunen hervor. Wie konnte man einen nicht durch die Weihe staatlicher Examina hindurchgegangenen Rittergutsbesitzer, dessen „vorsündfluthliche" Anschauungen im Vereinigten Landtage und in der zweiten Kammer die Heiterkeit der Liberalen erweckt hatten, auf einen der ver antwortungsreichsten Posten stellen? Durfte man von ihm, der eben noch als Vertheidiger der Politik von Olmütz auf getreten war, erwarten, daß er die Rechte Preußens am deutschen Bunde wahrnehmen würde; war nicht vielmehr zu befürchten, daß die Mediatisirung Preußens unter Oesterreich durch ihn um ein Bedeutendes gefördert werden würde? So fragten besorgt die preußischen Patrioten; die abgünstigen Leute aber wunderten sich über die Kühnheit, mit der der außerhalb der bureaukratischen Hierarchie stehende Neuling iu ckiplomaticis sich zur Uebernahme de- Amtes bereit erklärte. Dem Könige, von dem der Vorschlag aus gegangen war und den doch der schnelle Entschluß Bismarck's einigermaßen befremdete, antwortete Bismarck: „Der Muth ist ganz auf Seiten Eurer Majestät, wenn Sie mir eine solche Stellung anvertrauen; indessen sind Eure Majestät ja nicht gebunden, die Ernennung aufrecht zu erhalten, sobald sie sich nicht bewährt. Ich selbst kann keine Gewißheit darüber haben, ob die Aufgabe meine Fähigkeit übersteigt, ehe ich ihr näher getreten bin. Wenn ich mich derselben nicht gewachsen finde, so werde ich der erste sein, meine Abberufung zu erbitten. Ich habe den Muth, zu gehorchen, wenn Eure .Majestät den haben, zu befehlen." Der König versuchte die Sache und im Juli rückte Bismarck aus derStellung deS Legationsraths in die durch Rochow'S Rückversetzung auf den Petersburger Posten nun freigewordene de» BundeStagS- gesandten ein. Bald genug überzeugte sich nun der Ver treter einer dualistischen Politik von der Abneigung der österreichischen Staatsmänner gegen Preußen; über die Un möglichkeit eines freundlichen Zusammengehen- der beiden Großstaatrn belehrte ihn der Einblick in die berüchtigte Schwarzenberg'sche Depesche, iu der als Programm der österreichischen Politik die Schwächung und drmnächstige Zer störung Preußen» aufgestellt wurde. Fortan stand Herr v. Bi-marck auf der Bresche zur Abwehr jede» Uebergriffe», den die Präsidialgesandten unter der Maske der Harmlosig keit und Bonhommie versuchten, und mußte den Ruf eines Störenfriede» und Händelsucher« auf sich nehmen, während er doch nur die Rechte seines Königs und seines Staates wahrnahm. Unter diesen Umständen war seine außer ordentliche Sendung nach Wien, im Juni 1852, ein be sonderer Prüfstein seiuer diplomatischen Befähigung, und er hat der Erwartung, die sein König in ihn setzte, vollständig entsprochen. Auf- Beste durch einen eigenhändigen Brief Friedrich Wilhem'S IV. bei Kaiser Franz Joseph eingeführt, lenkte Herr v. Bismarck die fast uoparlamentarisch ge wordenen Verhandlungen wieder in Formen hinüber, die in guter Gesellschaft üblich sind, ohne doch nur ein Titelchen von dem zuzugestehen, wa» die Oesterreicher forderten: die Zolleiniguog zwischen Oesterreich und dem deutschen Zollverein. WaS Bismarck bei dieser Gelegenheit über die Voraussetzungen einer solchen Zollgemeinschaft sagt, bedarf der ernstesten Be- achtung seitens der mit der Vorbereitung von Handels verträgen beauftragten Commission. Wir lesen da: „Zu den nothwendigen Unterlagen einer Zollgemeinschaft gehört ein gewisser Grad von Gleichartigkeit de» Verbrauch»; schon die Unterschiede der Interessen innerhalb des Deutschen Zoll vereins zwischen Nord und Süd, Ost und West sind schwer und nur mit dem guten Willen zu überwinden, d.r der nationalen Zusammengehörigkeit entspringt; zwischen U.-garn und Galizien einerseits und dem Zollverein andererseits ist die Verschiedenheit deS Verbrauchs zollpflichtiger Maaren zu stark, um eine Zollgemeinschaft durchführbar er scheinen zu lassen. Der Vertheilungsmaßstab für die Zollverträge würde stets für Deutschland nachtheilig bleiben, auch wenn die Ziffern eS für Oesterreich zu sein schienen. Letztere» lebt in Ci«- und mehr noch in Trans- leithanien vorwiegend von eigenen, nicht von importirten Erzeugnissen." Die Zollgemeinschaft zwischen Oesterreich und dem deutschen Reich ist auch heutzutage noch daS letzte Ziel der österreichischen Handelspolitik und wird von großdeutschen Schwärmern aus idealistischen Gründen empfohlen; aber wir werden besser bewahrt bleiben, wenn wir dem Rathe deS nüchternen Realpolitikers folgen, dem der Caprivianische Handelsvertrag immer als eine der größten Dummheiten erschienen ist. Er hat dem deutschen Reiche schon erkleckliche Millionen gekostet, unserer Industrie nicht die erhofften Früchte, unserer Landwirthschaft aber den schwersten Nachthei I gebracht. Der König betrachtete den Wiener Posten als die hohe Schule der Diplomatie und wünschte, daß Herr v. Bismarck sich, in denselben hineinleben sollte in der Zeit, da er den erkrankten Grafen v. Arnim-Heinrichsdorf dort vertrat. Aber BiSmarck hatte keine Lust dazu. Er würde, meinte er, daS Gefühl haben, an seine Gegner ausgeliefert zu sein. Der König wieder wollte nicht befehlen, und so kehrte Bismarck nach Frankfurt zurück. Durch ärgerliche Zuträgereien, die auf den ränkesüchtigen Generalsteuerdirector Klentze in Hannover zurückzuführen waren, wurde er infolge der Wiener Mission seinem Minister verdächtig, WaS sich trotz der alsbald von ihm bewirkten Richtigstellung in einer merklichen Abkühlung der persönlichen Beziehungen fühlbar machte. Und doch beherrschte weder damals noch später BiSmarck der Ehr geiz, Minister zu werden. Er war überzeugt, daß er dem Könige gegenüber als Minister eine für ihn halt bare Stellung nicht erlangen würde. Er sagt darüber: „Daß die Ziele der preußischen auswärtigen Politik, welche mir vorschwebten, sich mit denen deS Königs nicht vollständig deckten, war mir klar, ebenso die Schwierigkeit, welche ein verantwortlicher Minister dieses Herrn zu überwinden hatte, bei dessen selbstherrlichen Anwandlungen mit oft jähem Wechsel der Ansichten, bei der Unregelmäßigkeit in Geschäften und bei der Zugänglichkeit für unberufene Hintertreppen einflüsse von politischen Intriganten, wie sie von den Adepten unserer Kurfürsten bis auf neuere Zeiten in dem regierenden Hause, sogar bei dem strengen und hausbackenen Friedrich Wilhelm I. Zutritt gefunden haben." Der Ausbruch des Krimkrieges offenbarte einen am preußischen Hofe schon lange im Geheimen vorhandenen Gegensatz zwischen dem leitenden Minister Manteuffel und der auch „WochenblattSpartei" genannten Fraction Bethmann- Hollweg, die in dem Grafen Robert von der Goltz einen geschickten Impresario gefunden hatte. Die scharfe KriU der Politik von Olmütz und die Schilderung ihrer Folgen, das war die erste Waffe, mit welcher Manteuffel von Goltz angegriffen und die Sympathie deS Prinzen von Preußen gewonnen wurde. Denn in dem soldatischen Gefühle deS Prinzen war Olmütz ein wunder Punct, der bei der leisesten Berührung schmerzte. Der Krimkrieg schien die Möglichkeit zu bieten, die Scharte auSzuwetzen, und die WochenblattSpartei drängte zu einer activen russenfcindlichen Politik. Anderer Mei nung aber war Herr v. Manteuffel, anderer Herr von Bismarck. Der Erstere war der entschiedene Gegner jedes Bruchs mit Oesterreich und ging in seiner Gefälligkeit für Oesterreich, die nur immer neue Zumuthungen und Forderungen an den preußischen Leporello zeitigte, soweit, daß Herr v. Bismarck in Frankfurt sich der Beschämung und Erbitterung nicht er wehren konnte, wenn er sah, wie Preußen auf Commando Oesterreichs jede eigene Politik und jede selbstständige An sicht opferte und unter dem Drucke der Inferiorität, in Furcht vor Frankreich und in Demuth vor England, im Schlepptau Oesterreichs Schutz suchte: das Schutz- und Trutzbündniß zwischen Preußen und Oesterreich vom 20. April 1854, das Preußen unter gewissen Voraussetzungen zur Theilnahme am Kriege als Bundesgenosse Oesterreichs verpflichtete, war der Triumph der österreichischen Bestre bungen, die preußischen Kräfte seinen politischen Wünschen dienstbar zu machen. Der Letztere dagegen hielt die Gelegen heit für günstig, um Preußen auv der sekundären und un würdigen Lage herauSzuheben und an die Spitze der deutschen Nüttel- und Kleinstaaten zu stellen, die gegenüber dem ösler- reichisch-wcstmächtlichen Drucke bei Preußen Schutz suchten und nur in einer von Preußen gedeckten Neutralität ihr Inter esse gewahrt sahen. Wenn der König auch für den Plan, den BiSmarck ihm entwickelte, nicht unempfänglich war, so siegten doch bei ihm die Bedenken gegen eine Initiative im Sinne einer selbstständigen preußischen Politik. Die Worte: „Liebeken, das is sehr schöne, aber es iS mich zu theuer" ' kennz'SiHnen zur Genüge ^>ie tbattose Schwäche dieses geistreichsten aller preußischen Könige. Die Leiter der Wochenblattspartei wiegten sich in dieser Zeit in großen Entwürfen, die sie in umfangreichen Denkschriften entwickelten, für die sie aber auch die Mit wirkung Bismarck's zu gewinnen suchten. Sie planten nichts Geringeres als eine Zerstückelung Rußlands zu Gunsten Preußens und Schwedens, die Herstellung einrr Republik Polen im Umfange von 1762 und die Zersetzung des Restes durch Theilung zwischen Groß- und Klrinrussen. Herr v. Bismarck war für dergleichen Utopien nicht zu haben; er versuchte auch den Prinzen von Preußen aus dem Bannkreise der politischen Theorien zu befreien, in denen er unter häus lichem, englischem und Bethmann-Hollweg'schem Einfluß be fangen war, mußte aber bemerken, daß der Einfluß der Frau Prinzessin auf den Gatten stärker war, als die von ihm vor getragenen Argumente. Fruillrtsn. Galvani und seine Entdeckung. Ein Eedrnkdlatt zur hnndertsten Wiederkehr seines Todes tages, 4. Tecember 18S8. Bon vr. Kurt Rudolf Kreusner. Nachdruck verbeten. Wenn man das 19. Jahrhundert das Zeitalter der Dampf maschine genannt hat, so wird man mit demselben Recht das kommende, dessen Geburtsfeier wir in wenig mehr als zwei Jahren begehen werden, als dasjenige der Elektricität bezeichnen können. Denn eine der Hauptaufgaben des neuen Säculums wird es sein, im friedlichen Wettstreite der Völker die voll ständige Ausgestaltung der elektrischen Wissenschaft und ihre Nutzbarmachung für die Völker durchzuführen, welche jetzt, so viel die letzten Jahre auch auf dem Gebiete der Elektricität ge leistet haben mögen, noch in den Kinderschuhen steckt. Am 4. December dieses Jahres sind es 100 Jahre, daß in Bologna derjenige Mann die Augen zum ewigen Schlummer schloß, dessen Name mit der Elektricitätskunde ewig und un zertrennlich verbunden sein wird — Luigi Galvani, Professor der Medicin und Naturwissenschaften an jener altehrwürdigen nlm» water Lkwcmiensis, deren Ruhm im Mittelalter Tausende von Studenten aus Deutschland, Frankreich und den slawischen Ländern nach Italien lockte und welche für alle Hoch schulen Europas als Muster gedient Hai. Die Kenntniß der primitivsten elektrischen Erscheinungen, namentlich der ReibungS- elektricität, datirt auS den Zeiten des grauen Alterthums; denn die Anziehungskräfte des Magneteisensteines und des geriebenen Bernsteines (electron) waren schon vor Jahrtausenden bekannt, aber die praktische Verwendung, welche die elektromagnetischen Kräfte in der Construction der Kompaßnadel erfuhren, blieb vereinzelt. Trotzdem einzelne fortgeschrittene Geister, wie Gilbert, Otto v. Guericke, Gray, Dusay und der berühmte Franklin sich mit dieser geheimnißvollen Kraft beschäftigten, blieb sie auch für den Durchschnitt der Gebildeten noch im vorigen Jahrhundert ein Mysterium. Wer sich einen anschaulichen Begriff von den damals herrschenden Vorstellungen machen will, der lese Fritz Reuter's „Dörchläuchting". Mecklenburgs durchlauchtigster Herr, Adolf Friedrich, hatte vor nichts so hohen Respekt, wie vor einem Ge witter, und wenn ein solches am Himmel aufzog, und in Durch- lauchtS Leibe die Nerven zu beunruhigen begann, mußte der um die Wissenschaft nicht unverdiente Conrector Arpinus von der Lateinschule, „een hellschen klauker Kierl, der sich auf dat Wedder verstecht", herüberkommen ins herzogliche Palais u,nd dem re gierenden Herrn mit Fuchsschwanz und Harzkuchen, mit Siegel- lackstangen und Hollunderkügelchen jene Spielereien vormachen, welch« heute jedem Gymnasiasten in den ersten Stunden des elektrischen Unterrichts vorgeführt werden; und „der Kammer diener Randt" wurde cluf einen ScheMel Wit gläsernen Füßen gestellt und mit Elektricität so vollgeladen, bis sich seine Kopf-1 und Barthaare wie die Stacheln eines Igels sträubten und der > armen Bedientenseele Angst und Bange wurde. Ueber die bekannten Experimente der Reibungselektricität und j die daraus resultirenden Erfindungen des Blitzableiters und der Elektrisirmaschine vermochte man aber nicht herauszukommen und manvertrieb sich die Zeit mit dogmatischen und philosophischen Zänkereien über das eigentliche Wesen der Elektricität, welches, nebenbei gesagt, auch heute noch, obwohl wir mit derselben auf das Exakteste zu rechnen gelernt haben, in Dunkel gehüllt ist. Erst das Jahr 1790 brachte den wichtigsten Fortschritt, welcher auf dem Gebiete der Elektricität je gemacht worden ist. Schon Caldani hatte im Jahre 1756 zu Bologna beobachtet, daß Frösche kurz nach ihrer Tödtung durch Elektricität in Zuckungen geriethen. Galvani, welcher seit 1762 an der dortigen Universität als Pro fessor der Medicin lehrte, setzte diese Versuche mit Eifer fort, umsomehr, als er in den Vorstellungen seiner Zeit befangen, durch sie der Lebenskraft und der Lebensflüssigkeit auf die Spur zu kommen hoffte, von welchen man sich damals die Nerven des Thier- und Menschenkörpers erfüllt dachte. Ein Zufall führte ihn auf die Entdeckung, welche seinen Namen für alle Zeiten populär gemacht hat. Schon im Jahre 1789 hatte er beobachtet, daß präparirte Froschschenkel in der Nähe einer Elektrisirmaschine jedesmal bei Entladung des Con ductors zuckten, was Galvani als eine Bestätigung des Vor handenseins einer thierischen Elektricität auffaßte. Es war am 6. November 1790, als seine Frau, welche ihm bei den Ver suchen half, eine Anzahl Froschschenkel mittels kupferner Haken an einem eisernen Gartengitter aufhing. Galvani beobachtete nun, daß seine Präparate jedesmal in heftige Zuckungen ge riethen, so oft sie, vom Winde getrieben, mit dem Essen des Zaunes in Berührung kamen. Das war die erste galvanische ErscheinuE welche beobachtet wurde und ihr Entdecker suchte sie damals zu erklären, daß Nerven und Muskeln entgegengesetzt elektrisch geladen seien und durch dir Metallverbindung entladen würden, wodurch sie in Zuckungen geriethen. Damit war er nun freilich im Unrecht, denn sein genialer Landsmann Volta wies wenige Jahre darauf über zeugend nach, daß diese Zuckungen keineswegs durch einen elek trischen Nervenstrom hervorgerufen würden, sondern durch Elek tricität, welch« bei Berührung zweier ungleichartiger Metalle (Kupfer und Eisen) entsteht und sich durch Vermittelung des Froschmuskels ausgleicht. Jndeß der Fundamentalversuch ist da» Verdienst von Galvani's Beobachtungsgabe und nach ihm faßt man alle elektrischen Erscheinungen, welche bei Berührung chemisch ungleicher Substanzen unter einander sich zeigen, unter dem Sammelnamen GalvaniSmuS zusammen. Galvani, den Neigung und Wissen mehr auf die anatomischen Studien hinlenkten, ist sich der Bedeutung seiner Entdeckung kaum bewußt geworden. Elektriker von Fach, wie heutzutage, gab es . damals noch nicht und der fleißige Mann hatte genug damit zu i thun, seinen Hörern außer der Anatomie und Physiologie auch I die Kunst der Geburtshilfe beizubringen. Immerhin blieb die z thierische Elektricität sein LieblingSstudium und auf einer Reise nach Sinigaglia und Rimini entdeckte er die Ursache der elek trischen Erscheinungen an den Zitterrochen. Ruhig floß sein Privatleben dahin, in welches nur einmal an seinem Lebensabend die Stürme der großen Revolution störend eingriffen, als er der inzwischen constituirten cisalpinischen Republik die Leistung des Beamteneides verweigerte. Dies hatte den zeitweisen Verlust seiner Aemter und Einkünfte zur Folge, in welche er jedoch bald wieder eingesetzt wurde. Am 4. December 1798 starb er im Alter von 61 Jahren in Bologna, der Stadt, in welcher er am 9. September 1737 geboren worden war und gelebt und gelehrt hatte. Galvani's Versuch hat den Anstoß gegeben zu der rapiden Entwickelung, in welche das Studium des Galvanismus seitdem getreten ist. Schon zwei Jahre nach Galvani's Tode trat Volta, dem zweifelsohne das größere Verdienst um diese Wissenschaft zufällt, mit der von ihm construirten Säule hervor, welche nach ihm benannt und der Ausgangspunct aller späteren elektrischen Elemente geworden ist. Die nächsten Jahre brachten eine Reihe wichtiger Versuche über die chemische Wirkung des elektrischen Stromes, unter welchen die Zerlegung des Wassers In seine beiden elementaren Bestandtheile, Wasserstoff und Sauerstoff, oben an steht. Im Jahre 1820 machte der Däne Oersted die theoretisch wichtigste Entdeckung unseres Jahrhunderts auf elektrischem Ge biete, indem er die ableitende Wirkung des galvanischen Stromes auf die Magnetnadel erkannte und damit die Brücke zwischen den beiden mysteriösen Naturkräften Galvanismus und Magnetismus schlug, welche heute sammt der Reibungselektricität definitiv als eine und dieselbe elektrische Kraft erkannt sind. Seitdem ging es unaufhaltsam vorwärts. Die Elektricität von heute gleicht dem Herkules in der Wiege, welcher mit seinen kindlichen Händen die Schlange zerdrückend, nur erst eine Vorahnung seines Könnens aufkommen läßt. Aber trotz der vergleichsweise kurzen Zeit, seit welcher wir uns diese Naturkraft angefangen haben nutzbar zu machen, begegnet sie uns in ihren Anwendungen schon jetzt auf Schritt und Tritt und man kann von diesen nur die bedeutendsten kurz berühren, wenn man nicht ins Endlose gerathen will. Der Nachrichtendienst, welcher heute mit Blitzesschnelle aus den fernsten Erdtheilen die Kunde de» dort Geschehenen zu uns trägt, verdankt seine Entwickelung nur der Elektricität, mit deren Hilfe Gauß und Weber den ersten modernen Telegraphen im Jahre 1838 bauten. Das in den seit den verflossenen 60 Jahren über die Erde gesponnene Telegraphennetz hat eine Länge von nicht weniger al» drei Millionen Kilometer, von welchen auf das an der Spitze stehende Deutschland 700 000 Kilometer und auf Oesterreich-Ungarn 250000 Kilometer entfallen. Fast noch schneller hat sich das kaum 20 Jahre alte Telephonwesen ent wickelt. 450 Orte des deutschen Reiches sind mit Fernsprech anlagen ausgerüstet, welche über 120 000 Sprechstellen verfügen. Berlin mit mehr als 30 000 Anschlüssen hat die großartigste Centralstelle der Welt und verkehrt überdies telephonisch mit den Abonnenten von 260 Orten, deren Verkehr miteinander eS ebenfalls vermittelt. Dabei wächst ununterbrochen die Zahl der internationalen Fernsprechverbindungen, welch« die ver schiedenen Hauptstädte miteinander verbinden. Um einen Be griff von der Vielseitigkeit der mit schwachen Strömen arbeiten den Elektrotechnik zu gewinnen, genügt es ferner, sich an die Galvanoplastik, welche jeden beliebigen Gegenstand mit sonst »»erreichbarer Naturtreue nachzuahmen gestattet, und an die Vergoldung und Vernickelung auf elektrischem Wege zu erinnern. In ein neues Stadium trat die Elektrotechnik durch die Entdeckung des dynamoelektrischen Principes durch Werner von Siemens. Die erste Frucht dieser Entdeckung war die Einführung des elektrischen Lichtes in die Praxis; in Deutsch land allein brennen z. Zt. mindestens 80 000 Bogenlampen und an zwei Millionen Glühlampen, und die für Amerika geltenden Zahlen sind noch ungleich höher. Aber nicht nur Licht, sondern auch Wärme und Kraft überträgt der elektrische Draht. Zu Heizzweckcn in Wohnräumen wird die Elektricität immer noch wenig verwendet, was übrigens in der Unvollkommenheit der dazu dienenden Apparate seinen guten Grund hat. Dafür verspricht aber die Erzeugung von Wärme im elektrischen Ofen zu indu striellen Zwecken ganz Bedeutendes, namentlich seitdem man die reichlichen Wasserkräfte der Gebirgsländer auszunuhen be gonnen hat. Eine eigene Industrie, die Elektrochemie, ist allent halben im Entstehen; das Aluminium, das Karborund, das in der Acetylengasbeleuchtung eine so große Rolle spielende Calcium- carbid und noch viele andere werthvolle Stoffe werden aus schließlich mit Hilfe des elektrischen Stromes hcrgestellt. Edel metalle werden aus ihren Erzen oder aus wässrigen Lösungen mit seiner Hilfe ausgeschieden. Das stetige Anwachsen der elek trischen Straßenbahnlinien und der Stadtbahnen läßt uns für das kommende Jahrhundert für den Personenverkehr wie für die Güterbeförderung Außerordentliches erwarten und man sieht im Geiste schon die Zeit, wo die letzte Dampflocomotive der mit einer Stundengeschwindigkeit von 200 Kilometer dahinbrausen den elektrischen Schnellzugslocomotive Platz machen wird. Da neben dürfen andere Verwendungen, welche mit weniger Geräusch auftreten, wie Phonograph, Mikrophon, elektrische Uhren, Tel- «lektroskop u. s. w. nicht vergessen werden und auch die Medicin macht vom galvanischen Strome zur Heilung von Nervenleiden Muskel-, Gelenkerkrankungen, zum Zwecke von Operationen mit der galvanokaustischen Glühschlinge, zur inneren Beleuchtung der Körperhöhlen, wie Nase, Magen und Blase, einen stets größeren Gebrauch. Der elektrische Strom ist mit einem Worte die universelle Kraft der Zukunft, welche schmiegsam und leitungsfähig wie keine andere, dem Culturbilde des 20. Jahrhunderts den charakteristischen Stempel aufdrücken und die Lösung der wichtigen Frage bringen wird, was zu geschehen hat, wenn die Kohlenlager aufgebraucht sind und wie man auf künstlichem Wege Nahrungsmittel Herstellen wird, wenn die Erde nicht mehr genug Brodfrucht hervorbringt, um ihre Bewohner zu ernähren. Die Energie der Wasserkräfte, des Windes und der Sonnen wärme sind fast unerschöpflich und diese Naturkräfte in den Dienst des allgemeinen Wohles zu stellen, ist einzig allein die Elektricität berufen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite