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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981208010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898120801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898120801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-08
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Tabellarischer und Ziffern , »ach höherem Tarif. srtra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge «.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Anzeige« sind stets an dk Srpedittas zu richten. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzks. KA. Donnerstag den 8. December 1898, SL Jahrgang. Fürst Lismarck's Gedanken und Erinnerungen. vm. Die Darstellung her eigenen Mmisterschaft eröffnet Fürst BiSmarck in dem 12. Eapitel mit einem Rückblick auf die preußischePolitik. Das Capitel wird mancherlei Wider spruch von Seiten der Historiker erfahren, weil BiLmarck'L Aus fassung der preußischen Politik in den Jahren 1786 bis 1862 zu der landläufigen Beurtheilung — theilweise wenigstens — in scharfem Gegensätze steht. Aber Fürst BiSmarck besaß für die Bewerthung der preußischen Politik em Organ, das einem großen Theile der berufsmäßigen Historiker in ihrer engen Studirstube verlor« geht, den politischen Sinn, und jeder Historiker kann an diesem Capitel von dem praktischen Politiker lernen, w i e Geschichte zu studiren ist. Fürst Bismarck vermißt an der preußischen Politik seit dem Lode Friedrich's des Großen die Klarheit der Ziele; wo Ziele vorhanden waren, waren sie „ent weder ungeschickt gewählt oder ungeschickt betrieben". Bis zum voll« Ausbruch der französischen Revolution vermag er keine Andeutung einer national-deutschen Richtung zu erkennen; die Idee eines preußischen Kaiserthums innerhalb der durch eine Demarkationslinie von dem übrigen kämpfenden Europa ab gegrenzt« norddeutschen Staaten erwuchs auf dem Boden preußisch - particularistischer Bestrebungen. Preußen dachte da mals weniger an die Stärkung seiner Stellung in Deutschland, als an die Erwerbung polnischer GebietStheile, und doch lag die Zukunft seiner Machtentwickelung nicht in dem Streite mit Oesterreich über ein Mehr oder Weniger vom zerfallenden Polen reiche, sondern in dem Stroit« um die Hegemonie in Deutschland. Don diesem Standpunkte aus stellt sich dem Politiker die Con vention von Reichenbach (27. Juli 1790), die meist in vollen Tönen als ein Triumph der preußischen Staatskunst gefeiert wird, weil sie Oesterreich schmerzliche Verzichte auferlegte, nur als eine zwecklose Verpuffung der von Friedrich dem Großen ge erbten Autorität dar, als ein „Act unfruchtbaren Selbstgefühls nach Art des französischen Prestige", von dem Preußen ke-iuen nutzbaren Vortheil hatte. Fürst Bismarck ist der Meinung, daß es im Interesse Preußens gelegen haben würde, Oesterreich und Rußland in ihren orientalischen Bestrebungen eher zu fördern und zu befestigen, als sie darin zu stören, um en vocketto stehend sein schlagfertiges Heer bei manchen späteren Gelegenheiten nutz bar machen zu können, sei es für, sei eS gegen eine der streitenden Parteien. Preußen versäumte durch die Convention von Reichenbach »ine Gelegenheit zu materiellem Gewinn, für welch« Verlust der diplomatische Triumph keinen Ersatz bieten konnte. Hätte Preußen für die Förderung des Ehrgeizes Oester reichs und Rußlands in der Richtung auf den Orient materielle Zugeständnisse verlangt, sei eS auch nur auf dem Gebiete der polnischen Frage, und seine Forderung durch den Hinweis auf seine 100 000 schlagfertigen Soldaten unterstützt, so hätte es noch Bismarck in der damaligen Situation Besseres erreichen können. Auch im Jahre 1805 wurde eine günstige Gelegenheit ver säumt: „waS 1806 post kestum geschah, konnte 1805 von ent scheidender Wirkung sein". Nur mußte Preußen an der Spitze von 150 000 Mann die Bedingungen seines Beistandes zu Gunsten Oesterreichs und Rußlands militairisch durch einen Feld herrn, nicht diplomatisch durch einen Schwächling wie Haugwitz durchzusetzen den Muth haben. Die Niederlage von 1806 war die schärfste Kritik der preußischen Saumseligkeit. Rußland gegenüber gefiel sich Preußen bis zum Krimkrieg in der Rolle eines Vasallen, obwohl die russische Hilfe von 1813 vergolten worden war durch Preußens vermittelndes Eintreten zur Zeit der Nothlage der Russen bei Adrianopel und durch sein Verhalten in Polen 1831. Besonders scharf trat diese Vasallen schaft Preußens in den Zeiten Nikolaus' I. hervor, wo Preußen „in allen europäischen Constellatronen von 1831—1850 russische Wechsel acceptirt und honorirt hat, bis nach 1848 der junge österreichisch« Kaiser dem russischen besser gefiel als der König von Preußen" und der russische Schiedsrichter „kalt und hart" in Olmütz gegen Preußen und deutsche Bestrebungen entschied. Seine Neutralität im Krimkriege, seine wohlwollende Haltung im Polenaufstande 1863 geben Preußen Rußland gegenüber ein Saldo, das den Anspruch auf russische Gegenleistungen gerecht fertigt haben würde, wenn man nur das Selbstgefühl besessen hätte, ihn energisch geltend zu machen. Dieses Selbstgefühl aber fehlte in den Zeiten Friedrich Wilhelm'» IV. ganz, obwohl die militairisch« Einrichtungen Preußens denen Rußlands, Oester reichs und selbst Frankreichs überlegen waren und mit voller Genauigkeit sunctionirten. „Aber", sagt Bismarck, „eine selbst ständige preußische Politik hat in der Zeit von 1806 bis in die vierziger Jahre überhaupt nicht bestanden; unsere Politik wurde abwechselnd in Wien und in Petersburg gemacht. Soweit sie m Berlin von 1786 bis 1806 und von 1842 bis 1862 selbst ständig ihre Wege suchte, wird sie vor der Kritik vom Stand punkte eines strebsamen Preußen kaum Anerkennung finden." Preußen wollte als Großmacht gelten, und war es bis 1866 doch nur mehr dem Namen als der That nach; es war zwar ängstlich bemüht, den Schein aufrecht zu erhalten, und suchte durch Ein drängen in den Pariser Congreß die Anerkennung seiner Groß machtstellung von den übrigen Mächten zu erzwingen, bewies aber gerade dadurch unzweideutig, daß es noch weit davon ent fernt war, ein« Großmacht zu sein. Statt sich im Bewußtsein seiner Stärke auf sich selbst zurückzuziehen und seinen Vortheil ab zuwarten, band es sich durch die nachträgliche Unterschrift der Congreßbeschlüsse selbst di« Hände und schuf sich dadurch Un bequemlichkeiten, die sich in den Londoner Besprechungen von 1870 über die Aufhebung der Schwarzen - Meer - Clausel der deutschen Politik unangenehm fühlbar macht«. Im Zusammenhang damit erörtert Fürst Bismarck die Frage, wer für die Fehler in der Politik eines Staates verantwortlich zu machen sei. Für die Zeitgenossen, meint er, werde es meist sehr schwer sein, die Verantwortlichkeit sofort richtig zu Vertheilen, da die Ausschüttung der Archive und die Denkwürdigkeiten Mit handelnder und Mitwissender gewöhnlich erst 50 bis 100 Jahre später die öffentliche Meinung in den Stand setzten, für die einzelnen Mißgriffe die Gabelung auf den unrichtigen Weg zu er kennen. Von dem reichen Erbe an Autorität und Glauben an di« preußische Politik und Macht, das Friedrich der Große hinter ließ, „konnten seine Erben — Wiehe ute derneue Curs vonderErbschaftdesalten — zwei Jahrzehnte zehren, ohne sich über die Schwächen und Jrrthümer ihrer Epigonen- wirthschaft klar zu werden; noch in die Schlacht von Jena hinein trugen sie sich mit der UeberschätzuNg des eigenen militairi- schen und politischen Könnens. Erst der Zusammenbruch der fol genden Wochen brachte den Hof und das Volk zu dem Bewußt sein, daß Ungeschick und Jrrthum in der Staatsleitung obge- waltet hatten. Wessen Ungeschick und wessen Jrrthum aber, wer persönlich für diesen gewaltigen und unerwarteten Zusammen bruch die Verantwortlichkeit trug, darüber kann selbst heute noch gestritten werden." Im absoluten Staate liegt die Verantwort lichkeit in letzter Instanz immer bei dem Souverän, dessen Ent schlüsse unanfechtbare Willensacte sind, die die Minister auszu führen haben. Im cvnstitutionellen Staate sind der Theorie nach freilich die Minister verantwortlich, aber die Ministerverantwort lichkeit ist von dem Willen des unverantwortlichen Monarchen nicht unabhängig. Fürst Bismarck hat — und das zeichnet ihn vor allen Staatsmännern unserer Zeit aus — ein Bewußtsein von der Pflicht seiner Verantwortlichkeit gehabt, wie man es sobald nicht wieder finden wird. Vor seinem Rücktritt erwog er die Frage, ob er nicht vor der Geschichte eine schwere Ver antwortung für alle üblen Folgen seines Ausscheidens auf sich nehme, und da er sie sich vor seinem Gewissen bejahend beant worten mußte, unterließ er die Einreichung des Entlassungs gesuches, bis ein strikter Befehl des Kaisers ihn dazu zwang. Eine weitere Einschränkung erfährt die Ministerverantwortlichkeit im konstitutionellen Staate durch „die kollegiale Form des Staatsministeriums mit ihren Majoritätsabstimmungen", die den leitenden Minister zu Compromissen und zur Nachgiebigkeit seinen Collegen gegenüber täglich nöthigt. Darum hat Fürst Bismarck sich jederzeit im Reiche der Bildung von gleichberechtig ten Reichsministerien widersetzt, und wir sollten ihm dankbar da für sein, statt ihm alsHerrschsuchtund Strebennach einer Major domus-Stellung auszulegen, was einzig und allein ein Beweis seines hochgespannten Pflichtbewußtseins und Verantwortlich- keitsgesühls war. Denn verantwortlich im eigentlichen Sinne des Wortes kann nur Einer sein. Bei Majoritätsabstimmungen eines Ministercollegiums hat jeder Einzelne die Möglichkeit, sich auf die Vota derer zu berufen, die ihn überstimmt haben; für die meisten wird dann die königliche Unterschrift eine Deckung, hinter der sie gegen den lästigen Zwang persönlicher Verantwortung Schutz suchen. Zum Thema der versäumten Gelegenheiten zurücklenkend, ge denkt Bismarck der Haltung des Regenten im italienischen Kriege. Die preußische Politik vermochte sich auch damals nicht zur Selbstständigkeit aufzuraffen und die Verwendung der preußi schen Kriegsmacht zu Gunsten Oesterreichs von Concessionen in der deutschen Bundespolitik abhängig zu machen. „Dir Situation", sagt Bismarck, „wurde nicht unter dem Gesichts punkte einer Vorwärtsstrebenden preußischen Politik betrachtet, sondern in dem gewohnheitsmäßigen Streben, sich den Beifall der deutschen Fürsten, des Kaisers von Oesterreich und zugleich der Presse zu erwerben, in dem unklaren Bemühen um einen idealen Tugendpreis für Hingebung an Deutschland, ohne irgend eine klare Ansicht über die Gestalt des Zieles, die Richtung, in der/ und die Mittel, durch die es zu suchen wäre." Unter dem Einfluß seiner Gemahlin und der Wochenblatispartei war der Regent nahe daran, sich an dem Kriege gegen Frankreich als Bunves- genosse Oesterreichs zu betheiligen. Das hätte unzweifelhaft die Wirkung gehabt, daß der französisch-österreichische Krieg zu einem französisch-preußischen am Rhein geworden wäre, in welchem Oesterreich die Rolle des toi-tnw puullvns gespielt haben würde. Zu einer preußischen Politik rierh damals Bismarck, ohne bei dem Regenten und seinem Rathgeber Schleinitz dafür Ver- ständniß zu finden. Getreu der Mahnung Friedrich's des Großen: tvujours en veckottv mußte Preußen rüsten, dann aber Oesterreich ein Ultimatum stellen, entweder Preußens Be dingungen in der deutschen Frage anzunehmen, oder seinen An griff zu gewärtigen. In ängstlicher Scheu vor der öffentlichen Meinung, wie sie in Parlamenten, Vereinen und Presse sich breit machte und durch Herrn von Schleinitz und die Prinzessin wirk sam zur Bekämpfung jeder Regung zu selbstständiger Politik zur Geltung gebracht wurde, blieb der Regent bei halben Maß regeln. Erst die Erfahrungen der neuen Aera, erst die Ver schärfung und Zuspitzung der Situation bis zur Abdankung „übten auf das Gemüth und das gesunde Urtheil des Königs den nöchigen Einfluß, um seine monarchischen Auffassungen von 1859 über die Brücke der dänischen Frage zu dem Standpunkte von 1866 überzuleitcn, vom Reden zum Handeln, von der Phrase zur That." Den Schluß des Capitels bildet die Erzählung eines Ge spräches, das Bismarck mit dem Könige auf der Fahrt von Jüter bog! bis Berlin in den ersten Tagen des Oktober 1862 hatte. Er hatte am 30. September in der Budgetcommission die bekannte Aeußerung von „Eisen und Blut" gethan, die seine parlamentari schen Gegner wacker gegen ihn ausnützten, um ihn vor der Oeffentlichkeit als einen rauflustigen Cavalier darzustellen, dem Gewalt vor Recht gehe. Bismarck hatte gewagt, der Politik der Phrasen gegenüber eine Politik der That zu befürworten, und für FsttiHeton. Das Weihnachtsbuch. Von Max Mendheim. Nachdruck verboten. Dietrich'» O-kar war ein aufgeweckter und doch ziemlich stiller Knabe, der wenig mit andern Kindern verkehrte und am liebsten bei einem guten Buche seine Zeit verbrachte. Da» mochte Wohl daher kommen, daß ihm der Vater, ein BolkSschullehrer, früh gestorben war und er sich nun viel zu der vereinsamten Mutter hielt, die von ihrer klein« Pension und einigem sonstigen Verdienst beide unterhielt und eifrig bestrebt war, ihrem Einzigen eine möglichst gute Ausbildung zu verschaffen. So hing der Knabe mit inniger Liebe an ihr und weihte sie immer in alle seine kleinen Leiden und Freuden rin. „Weißt Du, Mama", sagte er eine» Tage» im December, „diesmal freue ich mich aber riesig aus Weihnachten. Ich habe mir nämlich von All«, die meine Wünsche wissen wollt«, von Pathe Ludwig, vom Onkel, von der Tante, Vetter Hugo und Großpapa, ein schönes Buch gewünscht. Da werde ich aber dann viel zu lesen haben." Na, dachte Mama, wenn Du Dir von allen Andern Bücher gewünscht hast» da brauche ich Dir diesmal ja kein« zu schenke« und kann mein Geld für andere Sachen verwenden. Kurz vor dem Feste traf« auch richtig ein paar Packetchen rin, die ganz auf die Erfüllung von OSkar'S Wunsch schließen ließen und von Frau Dietrich in strenge Verwahrung genommen wurden. Endlich kam nun der langersehnte Tag heran. Tante Auguste und Großpapa stellt« sich persönlich zu der kleinen Bescher«»« ein und freuten sich schon im voran» mit Oskar über die Ueberraschung«, die sie uud die Audereu dem Knaben zvgedacht halt«. Al» e» dunkel wurde, zündete Mama die Lichter am WeihnachtSbaome an uud rief dann alle Herrin. Oskar wurde an seinen Platz geführt und bewunderte natürlich zuerst die Gabe«, die mütterliche Lieb« ihm geboten hatte. Mit wahrhaft kindlicher Freude erfüllt« iha die schönen nützlich« Sach«, die KleiduaaSstücke und sonstigen Gebrauch»« gegenstände, die Mama für ihn berbeigeschafft hatte. Dann ging e» an da» Oeffnea der ander« Packet«. Hier schien eia große» Buch darin zu sein, säst auf «in Prachtwerk druttte der Umfang hin. Da kam rin Brief von Pathe Ludwig zum Vorschein. Schnell griff O»kar danach und la»: „Mein lieber Äungel Du hast nun Deinen zwölften Geburt«- tag hinter Dir und bist schon recht klug und ver ständig. Da habe ich mir gedacht, der Oskar wird sich gewiß sreuen, wenn Du ihm schon jetzt etwa« schenkst, wa» ihn in späteren Jahren einmal an seinen alten Pathen und noch viele Andere, die eS gut mit ihm meinten, erinnert. So schicke ich Dir denn zum WeihnachtSfeste daS beiliegende Buch, ein Album mit meinem Bilde. Du wolltest ja gern ein Buch haben; dies hier ist zwar kein Buch in dem Sinne, ist aber doch auch ein Buch " Oskar packte nun vollend» auS und fand ein wirklich schönes Album mit der neuesten Photographie deS guten Pathe» darin. Ein sinniges Geschenk, daS ihn ernstlich erfreute. Dem nächsten ähnlichen Packete entwand sich wiederum ein Buch in großem Quartformat, roth gebunden mit reicher Goldpreffuna. Dabei lag ein Zettel mit der kurzen Be merkung: „Dem fleißigen Briefmarkensammler von Onkel Otto." Richtig, eS war ein schönes Briefmarken-Album, auch ein Buch also und doch wieder keinS; aber eS machte dem Knaben doch Freude, da» große, schöne Buch mit den lehrreichen Notizen. Nun konnte er seine kleine Sammlung sein säuberlich einkleben und leicht übersehen. Freilich viele, viele Lücken würden wohl da bleiben. Na, daS that ja nichts. Mit frischem Muth öffnete er daS daneben liegende Päckchen, ein niedliches, zierliche» Ding, in dem gewiß die Miniaturausgabe irgend eines guten Dichter» stak. Stillvergnügt stand Tante Auguste dabei und beobachtete Finger und Augen de» Knaben. Jetzt fiel die letzte Hülle. Da! ah! eia schöner Band mit der leuchtenden Aufschrift „Poesie". Da» Innere sich allerdings recht prosaisch auS; denn lauter leere weiße Blätter gähnten den Blicken ent gegen. „Siehst Du, lieber Oskar", wendete sich Tantchen entzückt uud poeflebegeistert an ihn: „Bon mir sollst Du diesmal auch ein Buch bekommen und gewissermaßen da» Buch de» Leb«»: denn hier sollen sich nun alle Deine jetzigen Freunde und Driu« späteren Bekannten bineinschreiben, so daß Du Dir Dein« ganzen Lrben»lauf so recht vor Äugen halten kannst, wen« Du dereinst einmal in diesem Buche der Freund schaft blätterst. Natürlich habe ich mich auch bereit» hinein- -«schrieb« und sogar selbst gedichtet: „Denke, wenn in späten Tagen Du durch« Leben Dich geschlagen Und gar weilst in» fremden Lande, Roch zuweilen auch der Tante, Nie sie Wirtlich Del» gedacht«, «l» sie diese» Buch Dir brachw, Deren Lieb« nie wird welken Wie di« Ros«, Tnlp«, Nelken." Tief gerührt von so viel zärtlicher Liebe und Hingabe dankte der gute Junge seinem poesiebegabten Tantchen. Auch daS folgende Packet, das Oskar enthüllte, brachte ein Buch zum Vorschein. Es kam von Vetter Hugo und enthielt nackstehehendeS Begleitschreiben: „Lieber junger Vetter! In der Meinung, daß ein Jüng ling, der einmal die Welt sehen und kennen lernen will, sich gar nicht früh genug mit dieser vertraut machen kann, schicke ich Dir auf Deinen Wunsch zum diesjährigen Weihnachtsfeste ein Buch und zwar ein Buch, daS nach meiner Meinung ganz dazu geeignet ist, einen Knabe» Deines Alters allmählich und auf einfache, praktische Weise in die Welt einzuführen, ihm ein Bild zu verschaffen, wie sie aussiebt. Du erhältst somit ein Sammelbuch für Postkarten mit Ansichten ..." Nun war es Oskar klar, warum der Vetter in letzter Zeit von seinen Reisen so oft Postkarten mit Ansicht geschickt batte; die sollten also da» in Aussicht genommene Albuin füllen; da wollle er sich morgen gleich daran machen, die hübschen Karten hineinzustecken. Es war doch eine gute Idee von Vetter Hugo gewesen. Beschäftigung batte O-kar ja nun für die Feiertage, wenn auch mcht die Erträumte. Aber da lag ja noch ein Packetchen, das wie ein dünne- Büchlein auSsah. Gewiß von Großpapa, der so spannend dabei stand. Oskar wickelte den Inhalt auS, und tichtig, ein ganz dünnes Buch kam hervor in schlichtem, blauem Pappumschlag. Auf seiner Innenseite aber stand miss bedeutungsvollen Lettern „Sparbuch der städtischen Sparcasse für Oskar Dietrich" und noch eine Seite weiter fand sich eine Quittung über die Einzahlung von 20 Mark. Der gute Großpapa, wie reichlich hatte er das liebe Enkel kind bedacht; gerührt schloß er den Knaben in seine Arme, und dankbar erwiderte dieser seine Liebkosung, wenn er auch mit dem Buche zunächst nichts weiter anzufangen wußte, als eS der Mama zum Aufheben zu übergeben, bi- er groß wäre. Da stand er nun und freute sich all der reichen Gaben, die er immer und immer wieder betrachtete. Aber Mama merkte doch, daß ihrem Lieblinge noch etwas zur vollen Be friedigung fehle. So scklich sie sich denn unter dem Vor wande, draußen noch fürs Abendessen zu thun zu hab«, heimlich davon, eilte in den nächsten noch offenen Buchladen und kaufte schnell ein Büchlein, da» sie nach ihrer Rückkehr unbemerkt unter die anderen Sachen schob. Daun forderte sie ihren Knaben auf, die neuen Sachen hübsch ordentlich »usammenzulegrn, ehe e» zum Abendbrod ging. Willig ge horchte O-kar, entdeckte bei dieser Gelegenheit plötzlich da neue Päckchen und rief erstaunt: „Da ist ja noch wa»!" Aber obgleich» auch diesmal wieder au«sah, al» könnte rin Buch, ein wirkliches Buch, wie eS ihm besonders im Sinne lag, darin sein, glaubte er nun doch nickt mehr au diese Erfüllung seines sehnlichsten WunsckeS. Dennoch öffnete er eS mit jugendlicher Neugier, und siehe, nun gerade fand er sick getauscht. In einfachem, schlichtem Gewände lag ein ziemlich starker Band vor ihm, dessen Inhalt ebensowohl Genuß wie Belehrung versprach. Mit lautem Jubel siel er dem Mütterchen, daö sich durch seine glückselige Befriedigung über die Freude des Kindes als Geberin offenbarte, um den Hals. Sie hatten sich Beide verstanden. Das warS ja, was er gewünscht batte, ein Buch, daS auch ein richtiges Buch war. Wie bat cS ibni die Feiertage und noch manche Stunde späterer Jahre versüßt durch den Genuß, den eS bot, und durch das, was er daraus gelernt hat fürs Leben. Deutsches Volksthum. In den Wirrsalen der Kriegsnoth deS JabreS 1806 ist uns Deutschen ein Werk verloren gegangen, daS mit Aus nahme von Fichte'S „Reden an die deutsche Nation" so eckt deutsch war wie Wohl kein anderes in jener bewegten, unglück liche» Zeit: die erste Niederschrift deS Buches, in dem der muthige Friedrich Ludwig Jahn — der „Turnvater", wie ihn die Jugend noch heute mit Vorliebe nennt — alles DaS zusammenzufassen gedachte, waS er bei seinen Fahrten von Universität zu Universität, bei seinen weiten Streifzügen im geliebten Baterlande an Einblicken gewonnen hatte in das Leben und Treiben des Volkes. Erst nach dem Tilsiter- Frieden konnte er daran denken, daS Werk nach der Erinne rung mühselig wieder zusammcnzustellen, aber selbst als Torso blieb eS bewunderungswürdig, das „Deutsche VolkSthum" deS Jahres 1810. Seit jener Zeit ist daS von Jahn zuerst betretene Gebiet — den Namen dafür batte er selber geprägt — ost und mit echt deutscher Gründlichkeit zum Gegenstand eindringendcr Untersuchungen gemacht worden, aber doch eigentlich nur eine Seite davon, DaS, was man heute Volks kunde nennt. Denn daö deutsche BolkStbum umschließt ein Doppeltes: einerseits „die äußeren Wirkungen und Erzeugnisse dcS deutschen BolkSckarakterS", anderseits „die schöpferischen ursächlichen Kräsre, den deutschen Bolkscharakter selbst." Beides zusammen fassend zu behandeln, war Jabn nicht geglückt, und auch die moderne deutsche Volks kunde blieb hierin bei Ansätzen stehen, obwohl doch nur die Erforschung beider Seiten deS deutschen VolkslbumeS eine besriedigende Antwort auf die Frage herbriführ« kann; „Wa» ist deutsch?"
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