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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.12.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981216017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898121601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898121601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-16
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Größere Schriften laut unserem Preis- pe^zeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz »ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Iinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittags 4UHL Bei den Filialen und Annakmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an d.-« Expedition zu richten. Druck uud Verlag von E. Polz iu Leipzig 836. Freitag den 16. December 1898. 92. Jahrgang. Fürst Lismarck's Gedanken und Erinnernngen. XHI. (Fortsetzung). Während des französischen Krieges (23. Capitel: Ver sa ii les) machte sich Bismarck gegenüber eine Rivalität der militairischenRrssortbehörden geltend, deren ersteSymptmn« schon in Böhmen sich gezeigt hatten. Die Mrlitair» waren darüber empfindlich, daß in Nikolsburg der Rath de» auswärtigen Ministers, den Angriff <mf die Floridsdorf» Linien durch den Uebergang der Donau bei Preßburg zu vermeiden, die Zu stimmung des obersten Kriegsherrn gefunden hatte, und konnten es ihm nicht vergessen, daß er den Siegeslauf des preußischen Heeres hemmte, als di« französische Intervention die Beendigung deS österreichischen Krieges ihm räthlich erscheinen ließ. Den höchsten Spitzen, Roon und Moltke, lag solche Ressortseindschaft und Ressortbeschräirktheit selbstverständlich sern, aber sie wurde förmlich gepflegt im Kreise der sogenannten Halbgötter, wie man die höheren Generalstabsofficiere damals nannte. Sie setzten es beim Könige durch, daß Bismarck nicht nur zu den militairischen Berathungen nicht zugezogen, sondern ihm gegenüber auch strenge Geheimhaltung aller militairischen Maßregeln und Absichten als Regel aufgestellt wurde. DaS hatte seinen großen Nachtheil für die Führung der politischen Geschäfte, die vom Ktiege un zertrennlich waren, und Bismarck nimmt in den „Gedanken und Erinnerungen" Gelegenheit, sein« damaligen Erfahrungen zum Besten der Zukunft mitzutheilen und in einigen lapidar ge haltenen Sätzen das Verhältniß von Heeresleitung und politischer Leitung zu einander zu charLkterisiren. Nur zu leicht lassen die leitenden Militairs aus dem Auge, daß der Zweck des Krieges die Erkämpfung des Friedens unter Bedingungen ist, die der von demStaate verfolgten Politik entsprechen, daß die Feststellung und Begrenzung der Ziele, die durch den Krieg erreicht werden sollen, die Berathung des Monarchen in Betreff derselben während deS Krieges wie vor demselben eine politische Ausgabe ist, deren Lösung dem Verantwortlichen auswärtigen Minister zufällt, daß die Art ihrer Lösung aber auch nicht ohne Einfluß auf die Art der Kriegführung sein kann. Eine der Fragen, in welcher nach Bismarck's Ansicht von den Militairs zu wenig das politische Moment erwogen wurde, betraf die Beschießung vonParis. Bismarck wünschte dringend die Eröffnung des Bombardements, um den Parisern die Noth- wendigkeit des Friedensschlusses nahezulegen, die ihnen erst greif bar wurde, wenn sie die ganze Furchtbarkeit des Krieges am eigenen Leibe verspürten. Er lebte in beständiger Sorge vor der Einmischung der neutralen Mächte, die aus der keineswegs rosigen Lage der Deutschen vor Paris und aus der Entwickelung un geahnter Desensivkräste im mittleren und südlichen Frankreich eine Ermuthigung schöpfen konnten, in einer gemeinsamen Vor stellung die Beilegung des Krieges auf dem Wege einer euro päischen Conferenz zu fordern, deren Beschlüsse dafür gesorgt haben würden, daß die deutschen Bäume nicht in den Himmel wuchsen. Seine Befürchtungen waren durchaus nicht ohne Grund. Graf Beust, der nach 1866 die Leitung de» österreichischen Staates übernommen und den Gedanken eines mit Frankreich ge meinschaftlichen Kriege» gegen Preußen erst nach den glänzenden Siegen der deutschen Waffen ausgegeben hatte, war eifrig be müht, unter der heuchlerischen MaSke der Menschlichkeit eine „kollektive Mediation der Neutralen" zu Stande zu bringen; um so dringlicher erschien eS Bismarck, mit Frankreich abzuschließen, bevor eine Verständigung der neutralen Mächte über ihre Einflußnahme auf den Frieden erfolgt war. Es war ihm nicht unbekannt, daß in Italien bei dem König, in Rußland bei Gort schakow hikfbereiteS Wohlwollen für Frankreich vorhanden war und „daß wir in den maßgebenden Kreisen eine» so gewichtigen Factor» wie England über zuverläffigeSympathien, und nament lich über solch«, welche bereit gewesen wären, sich auch nur diplo matisch zu bethätigen, nicht verfügen konnten". Wa» aus dem Spiele stand, wenn die Einmischung der Neutralen Deutschland den Siegesprei» beschnitt, sah Bismarck klarer voraus al» die Mrlitair»: Der gewaltige Krieg mit seinen Siegen und seiner Be geisterung blieb dann ohne die Wirkung, die er für unsere natio nale Einigung haben konnte; gelang eS nicht, ihn zum vollen Ab schluß zu bringen, „so waren weitere Kriege ohne vorgängig« Sicherstellung unserer vollen Einigung in Sicht." Der gleichen Ansicht wie Bismarck in der Frage der Beschießung von Pari» war Roon, aber ihm standen andere militaikische Autoritäten gegenüber, di« einer sofortigen Beschießung sich widersetzten, so lange die schweren Belagerungsgeschütze mit ihrer Munition nicht zur Stelle seien. ES zeigte sich aber auch nicht der gute Wille, sie so schnell wie möglich zur Stelle zu bringen, und diese Ver zögerung einer vom militairischen wie politischen Standpunkte so nothwendigen Maßregel führt Bismarck auf englische Einwirkungen zurück, die durch Vermittelung hoher Damen in Berlin an maßgebender Stelle zur Geltung gebracht wurden und im Wesentlichen in der Anschauung gipfelten, daß aus Mensch lichkeitsrücksicht«!! dem „Mekka der Civilisation" die zerstörend". Wirkungen einer Beschießung erspart bleiben müßten. Aus Humanitätsrücksichten für die hungernden Pariser ließ man zur selben Zeit, da die schnüren Geschütze aus Mangel an Eisenbahn material Nicht herangeschafft werden konnten, 800, nach anderen 1500 Achsen mit Lebensmitteln festlegen, die bei der Uebergabe der Stadt den Franzosen überlassen werden sollten, nachmals aber von ihnen verschmäht wurden. Di« deutschen Truppen verbrauchten dann mit Widerstreben den durch lange Lagerung ranzig gewordenen Speck. Die Frucht des Krieges wurde die Erneuerung deS Kaiserti tels. Bismarck kannte den Zauber, den der Name des Kaisers im deutschen Herzen in Erinnerung an frühere Größe besaß, und hielt die Annahme des Titels durch den König von Preußen bei Erweiterung des Norddeutschen Bundes für ein politisches Bedürfniß. König Wilhelm dagegen widerstrebte einem Titel, den er geringschätzig als,, Charaktermajor" bezeichnete, und hatte in seinem starken dynastischen Gefühle vielmehr den Wunsch, die hohe Bedeutung des preußischen Königthums vor der Welt zur Geltung zu bringen. Der Kronprinz stand unter dem Einflüsse „politischer Phantasten", die von der Annahme des KaisertitelS die Rückkehr zur Politik „deS römischen Kcriserthum»" mit seiner antinakionalen Tendenz fürchteten, und begeisterte sich für den Titel eine» „Königs der Deutschen" für den bi-herigen König von Preußen, dem dann die übrigen deutschen Fürsten unierthan sein sollten, die Könige unter Ablegung des königlichen Titels, den sie gegen den herzoglichen eintauschen sollten. Gegen die Abneigung des Königs, wie gegen die aus eine unrichtige Schätzung der politischen Realitäten gegründete Anschauung de» Kronprinzen hatte Bismarck einen schweren Kampf zu bestehen. ES ist fraglich, ob er in diesem Kampfe siegreich geblieben wäre und die deutsch« Einheit unter Dach gebracht hätte, wenn er sich nicht des Königs von Bayern bedient hätte, um einen Druck auf die Abneigung seine» hohen Herrn gegen den Kaisertitrl auszu üben. Er ließ ihm durch den Grafen Holstein den Entwurf einer Schreibens an den König von Preußen zugehen, in welchem der König von Bayern erklärte, die zugesagtrn, aber noch nicht ratificirten Eoncessionen nur dem deutschen Kaiser, nichtober dem Könige von Preußen machen zu können. Dieser Brief de» König» von Bayern gab Bismarck ein wichtiges Argument zur Ueberwindung de» Widerstande». Aber ein neues Hemmniß erhob sich in der Forderung deS Königs, Kaiser von Deutschland genannt zu werden und nicht blo» deutscher Kaiser. Allen Einwänden Bilmarck'S gegen die sachliche Unzulässigkeit eine» Titel», der ein nicht vorhandenes Besitzrecht ve» preußischen König» auf all« nicht preußischrn Territorien in sich schloß, blieb der König unzugänglich, und noch am 17. Januar 1871 erklärte er als seine WillenSmeinung, nur den» Titel eine» Kaisers von Deutschland anzunehmen. Der Großherzog von Baden umging am 18. Januar die Schwierigkeit, indem er da» Hoch auf den Kaiser Wilhelm ausbrachte, die nähere Qualifikation deS Titels aber unterließ. Der Groll de» Kaiser» gegen Bismarck äußert« sich darin, daß er am Lage der Pro klamation seiner neuen Machtstellung, die er nicht zum geringsten Tbeile der Thcitigkeit sein«» ersten Rathgeber» verdankte, zwar den hinter dem Kanzler stehenden Generalen, nicht aber diesem selbst die Hand reichte. XIV. In Versailles empfing Bismarck im November 1870 den Grafen Ledochowski, Erzbischof von Posen und Gnesen (24. Capitel: C u l t u r k a m p f). Der hohe Geistliche kam, um die Hilfe des Norddeutschen Bundes zu Gunsten der terri torialen Hoheit des Papstes zu erbitten, die nach dem Abzüge der Franzosen aus Rom an die Italiener verloren gegangen Ivar. Bismarck lehnte nicht direkt ab, er machte dem Grafen Ledochowski und später auch dem Cardinalerzbischof Bonne chose von Ronen den Vorschlag, sie möchten durch den Papst auf die französische Geistlichkeit im Sinne des Friedens einwirken, worauf der Norddeutsche Bund auch die Interessen des PapsteS dem italienischen Königthume gegenüber wahrnehmen werde. Beide Kirchenfürsten waren in diesem Sinne thätig, konnten aber Bismarck nur von einer kühlen, ablehnenden Aufnahme ihrer Schritte berichten: die am Hofe des PapsteS maßgebenden Jesuiten hatten entweder nicht die Kraft oder nicht den guten Willen, den päpstlichen Einfluß zum Besten des Friedens zur Geltung zu bringen. Die Intervention zu Gunsten des Papst:-- unterblieb und die Thronrede zur Eröffnung des deutschen Reichstages ertheilte allen Bestrebungen, die Macht des deutschen Reiches für andere als deutsche Interessen in Bewegung zu setzen, eine runde Absage. Um eine Frage von großer Bedeutung für die Stärkung der katholischen Kirche in Deutschland handelte es sich bei dem Anträge des Bischofs Ketteler von Mainz, in die Reichsverfassung die Artikel der preußischen Verfassung aufzunehmen, welche das Verhältniß der katholischen Kirche im Staate regelten und ihr in Preußen eine in protestantischen Staaten sonst nicht vor handene Freiheit der Bewegung gestatteten. Bismarck konnte solchen Anträgen nicht stattgeben, weil die Ordnung des Ver hältnisses zwischen Kirche und Staat der Landesgesetzgebung zufiel, nicht einheitlich durch die Reichsverfassung geregelt werden konnte. Die Verstimmung über die Nichtberücksichtigung von Wünschen, deren Erfüllung im kirchlichen Machtinteresse lag, führte zur Neubildung der 1860 gegründeten, jetzt Centrum genannten katholischen Fraktion durch Savigny und Mallinckrodt die sich „auf dem Schlachtfelde parlamentarischer und publi- cistischer Kämpfe innerhalb Deutschlands" bald genug stärker erweisen sollte als der Papst. Nicht der Staat hat den Kampf gegen die Kirche begonnen, die katholische Kirche machte vielmehr mobil gegen den Staat und zwang diesen zur Vertheidigung seiner Hoheitsrechte gegen die Herrschaftsgelüste der Hierarchie. Der uralte Streit zwischen Königthum und Priesterthum erhob sich unmittelbar nach den herrlichen Siegen deS vereinigten Deutschland in neuer Gestalt, auf Jahre hinaus den Frieden vergiftend. Die Ultramontanen sprechen gern von Bismarck's Feindschaft gegen die Kirche und suchen in ihr das Motiv zum Streit. Nichts thörichter als diese Behauptung! Bismarck wa: jederzeit in konfessioneller Beziehung tolerant und in solcher Duldsamkeit hat er allen Versuchen heißsporniger Protestanten gegenüber, ihn zu einem Protest gegen das Vaticanum von 1870 zu bewegen, eine ablehnende Haltung bewahrt. Aber ebenso energisch trat er allen Ansprüchen der römischen Kirche auf Betheiligung an weltlicher Herrschaft entgegen — und das war seine staatsmännische Pflicht. Der Beginn des Culturkampses war übrigens für ihn über wiegend bestimmt durch seine polnische Seite. Das schnelle Wachsthum der polnischen Nationalität, der Rückgang der deutschen Bevölkerung in Posen und Westpreußen, die Polo- nisirung des bis dahin stramm preußischen Elements der „Wasser- polacken" bedeuteten eine unleugbare Gefahr für den preußischen Staat. Es stellte sich heraus, daß die Hauptschuld an dem Fortschritt der Polonisation gerade diejenige Behörde trug, die den Beruf hatte, die Rechte des Staates gegenüber der katholischen Kirche wahrzunehmen, unter dem Einflüsse der bei Hofe mächtigen Familie der Radziwill und ihres derzeitigen Leiters Krätzig aber zu einem Organ polnischer Bestrebungen und römischer Interessen geworden war. Fürst Bismarck beantragte demnach die Auf hebung der „katholischen Abtheilung" und setzte sie auch gegen Feirillctsii. Durch's Telephon. Eine Humoreske von S. C. Hohburger. Staudruck «rrbotni. „Na, leb' Wohl, mein Junge, und vertreibe Dir die Jn- spectionsnacht so gut wie möglich. Was wirft Du anfangen?" frug vr. Thulner seinen diensthabenden College», vr. Franz Schwarz. „Weiß noch nicht", entgegnete dieser. „Jedenfalls werde ich trachten, mit möglichstem Amüsement darüber hinweg zu kommen." vr. Thulner begann spöttisch zu lächeln. „Du scheinst ja wieder in der Stimmung zu sein, von Deiner schönen Unbekannten zu träumen. Gei klug, mein Junge, schlag' die Dir doch endlich au» dem Kopfe. Wa» soll denn da» für Zweck haben, diese» ewige Ansiedenken und Jhrnachseufzen. Es war ein schöner Traum, aber Du findest sie nicht mehr. Oder hast Du vielleicht noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, sie wiederzufinden? Wie soll Dir das gelingen? Sei doch vernünftig! Du hast sie im Theater gesehen, ihre Spur im Foyer verloren, weißt nicht, wer sie ist, wie sie heißt, wo sie wohnt, Deine zwei Inserate blieben erfolglos — wie willst Du sie wiederfinden in der Millionenstadt, wo Freunde jahrelang einhergehen, ohne sich zu begegnen? Sei klug, mein Lieber, e» ist Alles umsonst — Du findest sie nicht mehr." „Nein, nein!" rief vr. Schwarz, „ich gebe die Hoffnung nicht auf, ich weiß es, ich ahne es, daß ich sie wiederfinde." „Na, viel Glück zu Deinem starken Glauben, und prost die Mahlzeit! Wir kommen dann alle und gratuliren Dir zu dem Engel. Denn da» ist sie doch sicher: ich bin noch nie einem Verliebten begegnet, der nicht seine Herzentflamme in aller Form und unwiderruflich für einen Engel erklärt hätte." „Spotte nur, lieber Thulner, aber Dich faßt Amor auch schon einmal!" „Wenn e» schon sein muß, dann hoffentlich recht spät. — Aber jetzt leb' wohl. Und amüsir' Dich nach Möglichkeit. Donnerwetter!" rief vr. Thulner und schlug sich an die Stirne. „Da» hätte ich bald vergessen. Wenn Dir'» gar zu langweilig werden sollte, dann gehe hin zum Telephon und rufe die „Fee Amüsant" an." „Wen?" frug vr. Schwarz. „Die „Fee Amüsant". Hast Wohl noch nie von der Fee gehört?" „Nein", entgegnete vr. Schwarz. „Dann lasse Dir sagen, daß dies die Rettung aller gelang weilten Jnspectionsärzte ist. An mir hat sie schon oft ihre Kunst erprobt. Dem bürgerlichen Berufe nach ist sie Tele phonistin. Aber Nachts, und hier in Wien haben wir Nachts Telephonverbindung, wenn die anderen Menschenkinder schlafen, dann hört sie auf einen freundlichen Anruf der in Langeweile Verschmachtenden und plaudert und scherzt mit ihnen durchs Telephon, daß die Stunden wie Minuten verfließen. Und weil sie gar so amüsant zu plaudern weiß, heißt sie die „Fee Amüsant". Nun bist Du doch genügend orientirt. Wenn Dir also fade wird, dann hin ans Telephon und die „Fee Amüsant" beschwören. Sie hat heute Nacht Dienst. Also — gute Unterhaltung!" „Danke — gleichfall»." „Lsrvus!" „Lsrvrrs!" Die Thür schloß sich hinter dem Abgehenden, und vr. Franz Schwarz blieb allein zurück im JnspectionSzimmer des Kranken hause». Er entzündete sich eine Cigarette, ging nach dem Wand regal und entnahm demselben ein Buch. Aber die „Gehirn- affectionen", von denen es handelte, vermochten heute nicht sein Interesse zu erwecken. Wie er sich bemühte, e» zu unterlassen, seine Gedanken concentrirten sich stet» auf einen Punct, und ehe er sich dessen versah, war er in ein tiefe» Grübeln versunken. Im Theater sah er sich wieder. Ring» um ihn Alles im Halbdunkel, aber dort, etwa» vor ihm, strahlt und glänzt ein Antlitz in herrlicher Schönheit. Er läßt dar Spiel auf der Bühne Spiel sein und starrt hin, hin nach ihr. Nicht satt sehen kann er sich ... Da schlägt die Wanduhr die elfte Stunde, vr. Schwarz fährt au» seinen Träumen auf und schüttelt unwillig den Kopf Schon wieder an sie gedacht! Da» hat ja wirklich keinen Sinn! Ich darf da» nicht mehr thun! Fest entschlossen dazu setzte er sich wieder hin und versuchte e» nochmal» mit den „Gehirnaffectionen". Doch e» währte nicht lange, und da war sein Kopf wieder in die Hand geglitten, und er starrte wie im Traume vor sich hin. Ein Bild stieg vor ihm auf, erst in nebeligen Umrissen, dann immer klarer. Und jetzt sah er sich in einer weiten Halle, einer Kirche, hörte die mächtigen Klänge der Orgel, die feierlichen Choräle, sah den Priester vor sich und sich zur Seite ein Mädchen . . . Zwölf Schläge hallten durch das Zimmer. Unwilliger als vorhin sprang vr. Schwarz auf. Kann er sich wirklich nicht diesen Gedanken entreißen? Was soll er nun beginnen? Ach, die „Fee Amüsant"! Die soll ihn vor diesem Träumen bewahren. Rasch eilte er hin an den Apparat und gab das Signal. „Welche Nummer?" frug eine Mädchenstimme. „Bitte, ist die „Fee Amüsant" zu sprechen?" „Ach, sind Sie es, Herr Doctor Interessant?" kam es zurück. „Nein, aber ein anderes bemitleidenSwerthes Menschenkind, das Sie bittet, ihm die Grauen einer Jnspectionsnacht zu mildern." „Nun, nun, ich habe ja auch Dienst." „Also trösten wir un» gegenseitig. Getheiltes Leid ist Halbe- Leid." „Aber wer wird denn so profane Prosa gebrauchen. Sagen Sie lieber mit Grillparzer: „. . . ES bindet gleicher Schmerz wie gleiche» Blut Und Trauernde sind überall sich verwandt!" Lieben Sie Grillparzer?" Die Uhr wies bereits auf ß3 Uhr Morgens, aber vr. Schwarz stand noch immer beim Apparate. Sie war wirklich amüsant, sie verdiente ihren Namen. In ihrem Gespräche waren sie bei Wagner angelangt. „Ich war bei der letzten „Lohengrin"-Aufführung." „Ich auch." „Nun, und waren Sie befriedigt?" „Nicht sehr", entgegnete Vr. Schwarz, „aber jedenfalls wird mir dieser Abend lange im Gedächtniß bleiben. Darf ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, gütige Fee?" ' „Bitte!" „Nun, dieser Aufführung wohnte auch — einer meiner Freunde bei. Da, im zweiten Acte, al» da» himmlisch-herrlich« Brautlied ertönt und silberne» Mondltcht die Bühne überstrahlt, fällt sein Auge auf eine Dame vor ihm. War es die außer gewöhnlich romantische Situation oder die Schönheit der Dame allein, da» weiß ich nicht, aber er konnte kein Auge mehr do« ihr wenden. Sr folgte ihr, verlor aber im Foyer ihre Spur. Alle Mühe, ste wiederzufinden, war vergebens. Und nun geht er schmachtend und träumend einher und hofft noch immer, ihr zu begegnen. Seine Freunde lachen ihn au» und halten dir» für unmöglich. Wer, glauben Sie, wird schließlich Recht be halten?" „Der Zufall, mein Herr, der behält immer Recht!" „Bravo! Das ijt mir aus dem Herzen gesprochen!" „Sagen Sie", fragte die „Fee Amüsant", „trägt Ihr Freund nicht einen schwarzen Spitzbart?" „Stimmt! Stimmt!" „Und einen lichten Anzug?" „Jawohl." „Und Kneifer?" „Stimmt! Stimmt! Aber woher wissen Sie denn das so genau?" „Ich glaube ihn gesehen zu haben." „Wo saßen denn Sie, gütige Fee?" „In — der sechsten Reihe." „Sitz 86!" „Nun ja — aber . . ." „Und trugen eine Rosatoilette?" „Ja, aber . . ." „Neben Ihnen eine ältere Dame?" „Meine Mama, aber . . ." „Herrlich! Herrlich! Jene bezaubernde Dame waren Sie!" „Und jener sich verzehrende, unglücklich-glücklich liebende Freund ich selbst!" „Ach! — A—ber . . .« „O", jubelte Vr. Schwarz, „gepriesen sei der Zufall, ick' sage es ja: der führt die Herzen zusammen, und müßte es auch durchs Telephon sein. Aber jetzt lasse ich die Inspektion Jnspection sein und eile hin zu Ihnen!" „Was fällt Ihnen ein?" „Sie müssen es mir erlauben! Vor der Hand — danke, Schluß!" Nach kaum sechs Wochen wurden Karten in dir Welt gesandt, auf denen in zierlichen Lettern zu lesen war: Ferdinande Willborn vr. Franz Schwarz Verlobte. vr. Schwarz strich sich aber noch oft vergnügt den Bart und sagte schmunzelnd: „Da» Telephon ist doch eine praktisch« Erfindung!"
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