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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981228020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898122802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898122802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-28
- Monat1898-12
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Miquel bei seiner CtatS- rede im Abgeorduetenhause Gelegenheit nehmen werde, die Gründe, die zu den Ausweisungen besonders in Nordschleswig geführt haben, darzulegen und die Nichtig keit der von den Gegnern dieser Maßregeln erhobenen Be schwerden nachzuweisen. Die „Köln. Ztg." billigt natürlich diese Absicht, weist aber darauf hin, daß die Regierung b'sher bei der Vertretung dieser Ausweisungen vor der Oeffent- lichkeit großes Ungeschick bewiesen habe und überhaupt zur Aufklärung der Bevölkerung durch die Presse so gut wie nichts thue. Das rheinische Blatt schreibt darüber: „Wenn sie (die Regierung) rechtzeitig vorbeugend in der „Berliner Correspondenz" auf die mannigfachen gemeingefährlichen dänischen Umtriebe in Nordschleswig aufmerksam gemacht und die Einzel- heilen dargelegt hätte, so wäre den jetzigen blinden Angriffen der ultramoutanen und freisinnigen Presse das Wasser abgegrabcn worden. Leider hat die Staatsregierung den umgekehrten Weg ver folgt und nachträglich die öffentliche Meinung, noch dazu i» recht spärlicher Form, über die Gründe der Ausweisungen erst dann aus- zuklären versucht, nachdem eS der Opposition bereits gelungen war, einen Theil der öffentlichen Meinung gegen die ergriffenen Maß- regeln aufzuhetzen. Politisch klug dürfte dieses Verhalten der preußischen Regierung nicht gerade gewesen sein." Weiter hebt die „Köln. Ztg." hervor, daß sich dieselbe geradezu unverständliche Zurückhaltung der Regierung bei der lippischen Frage, bei den den Kaiser betreffenden Vorgängen, z. B. in Bezug auf die Orientreise, deren Kosten u. s. w. gezeigt habe, und fährt dann fort: „Wir halten es aber für eine Pflicht der Regierung, die öffent- liche Meinung zu leiten und dein Publicum es möglich zu machen, sich ein eigenes Urtheil zu bilden. Ist dazu im Parlament Gelegen- heit, so kann das genügen; ist dasselbe aber nicht versammelt, so muß nothwendig das vorhandene Mittel der Darstellung in der Presse in ausgiebiger Weise benutzt werden. Sowohl im Jnlande wie im Auslande sollte es jedem Deutschen möglich gemacht sein, zu wissen, aus welchen Gründen und unter welchen thatsächlichen Verhältnissen wichtige Anordnungen getroffen sind, und zwar so rechtzeitig, daß die Gegner der Regierung oder ihrer Maßregeln nicht das Feld ungehindert occupirt haben. Der unserer Regierung zur Verfügung stehende Apparat ist groß genug, um für diese Zwecke völlig auszureichen. Weit eher erblicken wir ein Hinderniß in dem ungenügenden Zusammenhänge der Ressorts untereinander. Keins scheint von dem andern etwas zu wissen oder wissen zu wollen, und von einer Einwirkung, die für eine ein - heitliche Richtung sorgte, ist ost kaum eine Spur zu ent- decken. Was sind nun die Folgen dieser verhängnißvollen Lücke unserer staatlichen Organisation? Beunruhigung im Publicum und Miß - trauen gsgen die Regierung, Verstimmungen und Miß- Verständnisse, die dann häufig in Majestätsbeledigungen ihren Ausdruck finden! Das deutsche Volk hat ein Recht, zu verlangen, daß die Regierung es in den Stand setze, alle wichtigen Vorgänge zu beurtheilen, und zwar so rechtzeitig, daß nicht zuerst eine übelwollende oder auch ungenügend unterrichtete Presse ungenügenden Spielraum hat. Was würde z. B- nicht der guten Sache genützt sein, wenn die Regierung schon zur rechten Zeit auf die Nothwendigkeit verschärfter Maß- nahmen gegen unliebsame Ausländer hingewiesen hätte? Auch drängt sich die Frage auf, ob es nicht eher am Platze gewesen wäre, neue Einwanderung zu untersagen, als diese geschehen zu lassen und zugelassene Fremde auszuweisen? Wenn man die aus ländischen Blätter einsieht, so kann man sich nicht verhehlen, daß dprch die klägliche Behandlung der Presse seitens der Negierung großes Unheil angerichtet wird". Tie „Nat.-Ztg.", die diese Ansicht theilt, weist darauf bin, daß Fürst Bismarck die aufklärenke Seite des Negierens für so wichtig hielt, daß er sie persönlich leitete. Dieser Hinweis führt aber auch zu dem tieferen Grund des Uebels, den die „Köln. Ztg." übersehen hat. Fürst Bismarck war leitender Staatsmann; er war daher auch in der Lage, die ausklärcnde Seile des Regierens zu leiten. Seil der Kaiser sein eigener Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident ist, sind die Nachfolger des Fürsten in solcher Lage nicht. Und der Kaiser selbst kann doch unmög lich auch noch die ausklärende Seite des Regierens leite». Wenn die Ausweisungsangelegenheit im preußischen Ab- gevrdnetenhause besprochen und auf die „klägliche Behand lung der Presse seitens der Regierung hingewieseu wird, würde sich der Redner, der den tiefsten Grund dieses Uebel- standes zur Sprache brächte, ein Verdienst erwerben. Unter der Ueberschrift „Für Moloch" berichtet die socialdcmokratische „Sachs. Arbeiterztg.", daß der französische Senat den von der Deputirtenkammer bewilligten Credit von 600 000 FrcS. für Vervollkommnung des Waffen materials gleichfalls bewilligt habe. Das Blatt hätte dabei wohl noch daran erinnern können, daß die Deputirtenkammer den Credit einstimmig und ohne Debatte bewilligt hatte. Es haben also auch die Socialistcn für den Credit gestimmt, ja noch mehr, sie haben darauf verzichtet, Brand reden gegen den „Moloch" zu halten, wie sie die deutschen Socialbemokraten bei jeder Etatsberatbung und bei jeder Militairvorlage zu halten pflegen. ES sei bei dieser Gelegenheit, um den Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Socialdemokratie zu charakteri- siren, noch an einen Zwischenfall erinnert, der sich vor einigen Tagen in der französischen Deputirten- kammer ereignete und wenig Beachtung sand. Ein Socialist batte die Armee, d. h. nicht etwa den Umfang und den Be stand dcS HeereS, sondern angebliche Mißbräuche in dem Heere scharf angegriffen. Unter dröhnendem Beifall auch der radicalen bürgerlichen Parteien — auch diese unter scheiden sich darin sehr vortheilhaft von ihren Gesinnungs genossen in Deutschland — rief ihm der Ministerpräsident die Liebe deS Landes zum Heere ins Gewisse» und apostro- phirte ihn schließlich: „Auch Sic lieben doch die Armee?" „Gewiß", erwiderte der socialdemokratische Abgeordnete. Was würde Wohl Herr Bebel antworten, wenn man bas Bekennlniß von ihm verlangte, ob er Len „Moloch" liebe? Ueber die Vorgeschichte und letzte Ursache des ConflictS Banffy-Horanszky, die im Nu ein Dutzend Degen und Pistolen in Bewegung gebracht hat, versendet jetzt Ferdinand Horanszky an die Pester Zeitungen ein Schriftstück, durch welches er beweisen will, daß er und Graf Apponyi von dem Ministerpräsidenten Banffy hintergar.gen worden seien. Der Inhalt der Erklärung ist nach dem „Berl. Tagebl.'l folgender: Baron Banffy sei Ende December 1895 bei Horanszky er- schienen und habe ihn nach dem Ziel und Zweck deS Weihnachts- artikelS des Grasen Apponyi gefragt, worin derselbe der Regierung für die Zeit des Millenniumsjahres 1896 einen Gottessrieden, eine treuxa, ckei, angeboten batte. Horanszky habe geantwortet, er werde Apponyi hierüber befragen, wo mit Banffy einverstanden war. Apponyi erklärte daraus in einem Schreiben an Horanszky, er wolle die Initiative zur Fusion nicht ergreifen, könne seinen principiellen Stand- punct nicht aufgeben und betrachte auch das Jnnehalten im politischen Kampfe als ausgeschlossen. Er wolle lediglich die gegen seitige persönliche Verhetzung aus dem politischen Leben ausmerzen, damit das Millennium in brüderlicher Eintracht ge- feiert werden könne. Als Bedingung hierfür stelle er die Forderung der Wiederher st ellung voller Gesetzlich keit im Staate, namentlich die vollkommene Sicherstellung der Wahlfreiheit, wie seine Partei es verlange. Die hierauf folgende Neujahrsrcde des Präsidenten sei sehr zuvorkommend und verheißungsvoll gewesen. Tann habe am 10. Januar 1896 eine Zusammenkunft zwischen Bansfy, Apponyi und Horanszky stattgesunden, wobei Alle die »othwendigen Modifi- cationen des Wahlgesetzes besprachen, und Bansfy die Schaffung eines solchen Gesetzes in Aussicht stellte, wobei es sich aber als Zweck ausschließlich um die friedliche Begehung Les Millen niums gehandelt habe und nicht ui» das Zustandebringen eines Ausgleichs. Alle Punkte des Ucbcreinkommens seien festgestellt und ausgezeichnet worden. Apponyi habe dieselben im Abgcordnctenhause entwickelt und dargelegt. Banffy habe erklärt, daß er dieselben annchme. Aber schon am 18. Januar habe Bansfy Horanszky zu ich berufen, sich beklagt, daß er von Horan-szky und Apponyi ge- oppt worden sei, und er sehe voraus, wenn das verlangte Wahl gesetz geschaffen würde, werde die Linke den Ausgleich todt reden. Er könne deshalb seine Zustimmung zu einem solchen Gesetz nicht erthcilen und nicht zugeben, Laß der Ausgleich in die Wahl- agitation hineingezogen werde. Er werde viehlmehr die beabsich- tigte Revision des Wahlgesetzes verhindern. Diese Er- klärung wiederholte Banffy einige Tage später bei einer Zusammen kunft mit Apponyi, worauf Lieser crwiederte, daß nun alle Ver handlungen abgebrochen seien. Im Pester liberalen Club wird diese Erklärung mit der größten Entschiedenheit dahin gedeutet, daß dieselbe nichts gegen den Ministerpräsidenten beweise, der vielmehr seiner seits von Apponyi und HoranSzky hintergangen worden sei, die, wie Baron Banffy in Erfahrung ge bracht, die treugL clei und das Wahlgesetz nur gewollt, um unter seinem Schutze den Ausgleich zu Falle zu bringen, für dessen Realisirung der Ministerpräsident fick beim Kaiser verbürgt hatte. Nach dieser Auf fassung, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Horanszky zu weit gegangen ist, als er die Banffy zu- gesandtc Herausforderung als eine bloße Retorsion nicht als SatiSfaction bezeichnete und damit zu ver stehen gab, er wolle den Ministerpräsidenten nur für seinen an ihn gerichteten „beleidigenden Brief" züchtigen, halte ihn aber im klebrigen wegen seiner unehrenhaften Gesinnung, speciell wegen seines Wortbruchs und seiner Hinterhältigkeit nicht für eigentlich satiöfactionSfähig. Jedenfalls muß doch erst festgestellt werden, welche Seite sich einer Hinter hältigkeit schuldig gemacht hat. HoranSzky hat selbst erklärt, wenn er nur Retorsion geübt haben werde, sei der Ehren handel mit Banffy noch nicht zu Ende, und er behalte volle Actionüfreiheit, um gegen diesen durch Veröffentlichungen, Enthüllungen rc. weiter vorzugehen. Nun das Duell, da Banffy die Auffassung seines Gegners selbstverständlich mit aller Entschiedenheit zurückwies, unterblieben ist, ist die An gelegenheit natürlich erst recht nicht erledigt und wird noch weitere Kreise ziehen. Wiederum ist in Frankreich ein katholischer Priester aus der römischen Kirche ausgetreten. Der Abt Claveau, Pfarrer von Pocs in der Diöcese von Tours, war schon länger der Ketzerei angeklagt wRrden. Zn dem Schreiben, in dem er seinem Bischof seinen Uebertritt mit- theilt, heißt eS unter Anderm: „Sie verlangen von mir, daß ich dem Glaubensbekenntnisse Pius IV. treu bleiben soll und fügen hinzu, daß Sie mich nicht sehen wollen, so ich nicht willig bin, es zu unterzeichnen. Mein Gewissen gestattet mir nicht, dies zu thun. — Ich bin nicht mehr Priester, ich gehöre nicht länger der römischen Kirche an. Ich bleibe aber ein Christ, ein Jünger Jesu Christi, den ich hinfort als einzigen Herrn an erkenne. Sie wollen doch nicht, daß ein einfaches Gcmeindeglied, noch viel weniger ein Priester, gegen sein Gewissen handelt und noch weiter lehrt und übt, was er nicht für wahr hält. Ich sollte absoluten Gehorsam gegen die römische Kirche predigen! Diese Kirch - hat sich in der Weltgeschichte als eine Vereinigung von Männer» erwiesen, die sich im Namen Gottes und Jesu Christi die unum schränkte Herrschaft über die Seelen anmaßt, in Wirklichkeit aber keine List der Politik verschmäht und mit allen Machthabern, tie gerode am Ruder sind, einen Bund schließt, um sich nur eine» Schatten von weltlicher Macht über Menschen und Regierungen zu wahren. Hat eine solche Kirche noch dai Recht, sich die allgemeine christliche Kirche zu nennen und sich als das im Evangelium verkündete Reich Gottes zu betrachten, von dem der Heiland sterbend sagte: Mein Reich ist nicht von dieser Weil? Ich kann mir denken, daß mein Entschluß Sie betrübt, aber ich bin überzeugt, daß Sie meine Handlungsweise im Grunde billigen und sie als das auffassen, was sie ist, als den Schrei eines aufrichtigen und vor ollen Dingen christlichen Gewissens, das mit unserem Heiland Jesus Christus auf ewig in Liebe und Glaube ver bunden ist." Nicht nur in Frankreich mehren sich die Couversioncii römischer Priester, auch in Oesterreich sind in letzter Zeil verschiedene Fälle zu verzeichnen gewesen. „LoS von Rom!" ist unter den Deutsch-Liberalen Oesterreichs ja augenblicklich überhaupt die Parole, und auch hier ist eS die „Anmaßung weltlicher Macht über Menschen und Regierungen", also die absolute Verkennung der religiösen Aufgabe der Kirche durch ihre Leiter, welche die Bewegung in Fluß gebracht bat uns man thut daher in gewissen protestantischen Kreisen Unrecht, wenn man dieselbe wegen ihres „rein politischen" Charakters als in religiöser Beziehung werthloS bezeichnet. Deutsches Reich. * Leipzig, 28. December. Die „Boss. Ztg." meldet Folgendes: „Wir haben jüngst mitgetheilt, daß vr. Kurt Kuntze, Assistent an de» vereinigten staatswissenschaftlichen Seminarien der Universität Leipzig, in der Zeitschrift für die gesammte Textilindustrie eine scharfe Kritik der handelsstatistischeu Zusammenstellungen des Reichs- amts des Innern veröffentlicht hat. Wie wir jetzt hören, hat diese Arbeit ihrem Verfasser eine Maßregelung eingetragen. Zwei hochgestellte Persönlichkeiten haben sich in Leipzig über vr. Kuntze beschwert, woraus ihm seine Stellung an den staatswissenschaftlicheri Seminarien zum 1. Januar 1899 gekündigt worden ist, weil er sich an parteipolitischen Kämpfen betheiligt habe." Wie wir hierzu erfahren, hat Herr Prof. vr. Bücher, der Director der vereinigten staatswissenschaftlichen Seminarien, denjenigen Blättern, welche vorstehende Mit theilung gebracht haben, eine Erklärung deS Inhalts zugehen lasten, daß Herr vr. Kurt Kuntze am 11. December seine Stellung selbst gekündigt habe. 4 Berlin, 27. December. (Verhütung von Schiffs unfällen.) Im Re ich tag ist der Antrag eingebracht worden, den Reichskanzler zu ersuchen, mit den übrigen See mächten behufs Herbeiführung internationaler Maßnahme» zur Verhütung von Schiffsunfällen und zur Sicherung des Lebens der Seeleute und der Seereisenden in Verhandlungen einzutreten. Man kann es angesichts der immer wiederkehrendcn großen Schiffsunfälle nur gutheißen, daß von deutscher Seite aus die Frage einer größeren Sicherung der Seeschifffahrt tbunlichst in Fluß gehalten wird, wenn auch glücklicher Weise unmittelbarer Anlaß, wie eS bei der Interpellation AuSfeld u. Gen. im Jahre 1882 83 nach dem Untergang der „Cimbria" und im Jahre 1894/95 bei der Interpellation von Stumm-v. Manteuffel nach den: Untergang der „Elbe" der Fall war, diesmal nicht vorliegt. Diese An gelegenheit erhält ein besonderes Interesse dadurch, daß zum ersten Male Gelegenheit geboten wird zu einer Auskunftertheilung über die Wirksamkeit der seit dem 1. Juli v. I. in Kraft befind lichen Beschlüsse der Washingtoner Conferenz vom Jahre 1889, Feuilleton. HeUersdorff. 9j Novelle von Hedda von Schmid. Naibtruck »erbotrn. Graf Rudi war ein gutmüthiger Junge, den seine Mama bis weilen noch als Baby behandelte, woran er übrigens gewöhnt zu sein schien, denn er nahm die in Gegenwart Dritter ihm ertheilten oft tactlosen Reprimanden sehr kaltblütig hin und lieferte ge legentlich den Beweis, daß er durchaus nichts Babyhaftes mehr an sich habe, in Gestalt recht gepfefferter Rechnungen, welche, wenn er 'mal von seinen Eltern zur Landtagszeit nach R. mit genommen worden, seinem Papa nachher präsentirt wurden. Excellenz Sebenberg, eingedenk seiner eigenen Jugend- thorheiten, bezahlte auch ohne viel unangenehme Redensarten die Schulden seines Jüngsten, und bemerkte allenfalls seiner Frau gegenüber: „Das kommt davon, Elise, Du hältst den Rudi zu streng; ist er dann unter Deiner Fuchtel heraus, so haut er gleich über die Schnur." „Da hättest Du Dich doch selber mehr um Rudi's Erziehung kümmern sollen, als er noch ein Knabe war", pflegte die Gräfin spitz zu erwidern. Rudi, der ein leicht entzündliches Herz besaß, war sofort ganz im Banne von Elisabeth's Reizen. „Ein entzückendes Mädchen", dachte er, „wer hier Aussichten besäße. Schade, daß diese Elisabeth Traun arm ist." Seine Mutter hatte ihm nämlich wiederholt eingeschärft, daß er eine „Partie" machen müsse. Seine Brüder hätten viel ver braucht und wären, was ihre Heirathen anbetraf, sozusagen „hereingesallen" mit unbemittelten Töchtern der Provinz, da müsse er, Rudi, vernünftiger sein. Aber, ein bischen Hofmachen konnte ja in keinem Falle schaden. Es war nur ein verteufelt schwieriges Ankommen bei dieser stolzen Schönheit, bei deren eigenem spöttischen Lächeln Einem die schönsten Phrasen zwischen den Lippen stecken blieben. Arend beobachtete amüsirt, welche Mühe sich der arme Rudi gab — cS war jedoch „verlorene Liebesmühe". „Nein, kokett ist Elisabeth Traun nicht, ich habe ihr bitter Unrecht gethan damals, aber sie ist mir, weiß Gott, ein Räthsel." Während die Sebenberg, die Baronin und Fräulein Hermine im Salon bei einander saßen, hatte sich die Jugend in das Billardzimmer begeben. Es regnete und man hatte auf den ge planten Spaziergang zur Aa verzichten müssen. Elisabeth hatte eine Partie Billard vorgeschlagen, um die Stunden zwischen Nachmittagskaffee und Abendbrod auszufüllen. Unweit vom Billard hatten Harald und der Pastor, welcher sich schon zeitig eingefunden, ihren Schachtisch aufgeschlagen. Merkwürdig, die sonst so geübten Spieler waren heute zerstreut und machten einen Schnitzer um den anderen. Harald wollten die Gedanken, welche ihn bereits während der Predigt beschäftigt, nicht aus dem Kopf, auch dünkte ihm seine Frau ganz verwandelt — eben klang ihr herzliches Lachen an sein Ohr — er konnte sich gar nicht entsinnen, Irene je so lachen gehört zu haben. Ihre äußere Erscheinung war ebenfalls eine andere geworden, — Harald ahnte natürlich nicht, daß Elisabeth ver schiedene Conferenzen mit Irenens Kammerjungfer gehabt, und diese hatte mit einem wahren Feuereifer an der Garderobe ihrer jungen Herrin herumhantirt. „Unserer gnädigen Frau waren die Kleider immer so ganz egal", klagte die freundliche Emma Elisabeth; „ich wagte schon gar nicht mehr, einen Vorschlag zu machen, gnädige Frau hätten doch nur gesagt: „Es bleibt Alles so, wie es ist"." Irene in geschmackvoll modcrnisirter Toilette sah wirklich reizend aus, und Elisabeth bemerkte mit Vergnügen, daß Harald's Blicke gewissermaßen erstaunt auf seiner Frau ruhten. „Es wird noch mächtig über Sie kommen, mein Herr v. Rembden — und ich gönne es Ihnen von Herzen, wenn Sie ein Weilchen zappeln in Liebespein. Es ist jedoch die höchste Zeit, daß Sie sich in Ihre eigene Frau verlieben." Arend conftaiirte unterdessen, daß es Elisabeth war, welche des Pastors Aufmerksamkeit vom Schachspiel ablenkte. „Den Mann Gottes hat es auch gepackt", sprach er zu sich, „Hofmachen verträgt sich freilich nicht ganz mit seiner Stellung, sonst würde er den Rudi Sebenberg in dieser Beziehung noch übertrumpfen. Na, er ist ja auch Student gewesen, ehe er auf die Kanzel gekommen." Die beiden alten Freundinnen im Salon hatten in Reise erinnerungen geschwelgt; dann, als Tante Hermine von der Wirthschaftsmamscll abgerufen ward, neigten sich die beiden wohlfrisirten Köpfe näher zu einander. „Liebste", tuschelte die Sebenberg, „dieses Hellersdorff gilt hier in der Gegend als ein verwunschenes Schloß, das Ehepaar nebst der unvermeidlichen Tante zeigt sich wunderselten 'mal der Außenwelt. Man bekommt die Drei fast nur in der Kirche zu Gesicht. Sie könnten ein gutes Werk thun, beste Mathilde, und ein wenig Leben in das tobte Einerlei bringen. Gott, man will doch etwas von seinen Nachbarn haben! Die Rembdens sind nu konck gewiß reizende Menschen, man muß sie nur etwas auf rütteln aus ihrer Weltvergesscnhcit. Sie sind es auch Ihrer Tochter schuldig, liebste Traun, Ihre Elisabeth ist ein so reizendes Mädchen — sie darf die Sommerwochen doch nicht in einer Ein öde verbringen. Sie muß unter junge, lustige Welt. Mein Rudi ist ganz enchantirt von Ihrer Elisabeth — er ist ein Allerwelts courmacher müssen Sie wissen — aber leider eine schlechte Partie. Unter uns gesagt — meine verheiratheten Kinder verbrauchen viel und mein guter Mann hat auch für seine Schwiegersöhne eine offene Hand." Die Baronin lächelte fein und überlegen — glaubte diese alberne Sebenberg etwa, sie, Mathilde Traun, dächte daran, zwischen Elisabeth und Rudi eine Ehe zu stiften? Doch war ihr Rudi in seiner Eigenschaft als Courmacher hochwillkommen. Arend mochte sehen, wie sehr umworben Elisabeth war, trotz ihres Mangels an Vermögen. „Ja", fuhr die Gräfin fort, „wir müssen ein Complct schmieden, um Dornröschen's Hecke, von welcher Hellcrsdorff um zogen, zu durchbrechen." Als Resultat einer Berathung zwischen den beiden Damen erfolgte beim Abschied von Seiten der Sebenberg eine dringende, an alle Hellersdorffer gerichtete Dinereinladung zum nächsten Mittwoch, die Aufforderung wurde acceptirt — von Tante Hermine für sich und Harald allerdings mit dem Vorbehalt: „Wir Beide kommen, wenn nichts, was die Wirtschaft anbelangt, störend dazwischen fällt." „Nun, Letzteres wollen wir doch nicht hoffen", nickte di- Sebenberg liebenswürdig aus dem Fond ihres Landauers, „Sie haben ja doch außerdem Ihre Wirthschaftsbeamten, lieber Herr v. Rembden." „Ja, auf die kann man sich nicht absolut verlassen", erwiderte Tante Hermine würdevoll für ihren Neffen. Achtes Capitel. Es regnete während der folgenden beiden Wochen fast un unterbrochen, und außerdem regnete es zu Tante Herminens schlecht verhehlter Verzweiflung Visiten ohne Ende auf das jüngst noch so stille Hellersdorff. Nicht, daß die Dame ungastlich gewesen wäre, aber der Trubel im Hause war ihr doch unbequem — dieses Gehen und Kommen der Nachbarn, dieses Ein- und Ausspannen der Hellersdorffer Equipagen, wenn es galt, die Besuche zu erwidern. Doch am meisten ärgerte sich Tante Hermine darüber, daß Harald auf Alles so bereitwillig einging. Es war doch unglaublich — er hatte sich einen Tennisanzug angeschafft und vernachlässigte bei nahe schon seine Wirthschaftspflichten über dem tollen Treiben in der letzten Zeit, welches Elisabeth Traun angcstiftet. Tanic Hermine ahnte nichts von dem Complot der Baronin und der Sebenberg. „Natürlich", erboste sich das alte Fräulein, „diese
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