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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981229027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898122902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898122902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-29
- Monat1898-12
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Als ob davon der AuSgang der Verhandlung bedingt wäre und nicht vielmehr von den Tbatsachen, die keine Macht einseitig zu beeinflussen im Stande ist! Jedenfalls wird man daran frsthalten können, daß daS nächste Jahr die Conferenz bringt, und wenn sie irgendwie Vorschläge und Anregungen zeitigt, die der Friedensidee förderlich sind, so sollen diese auch, wie in der Thronrede zur Eröffnung des Reichstages in feier licher Form zugesagt ist, sympathische Aufnahme und rückhaltlose Förderung auf deutscher Seite finden. Denn daS deutsche Reich unterhält nicht seine achtunggebietende Wehrkraft, um die vielgenannten „Knochen des Pommerschen Grenadiers" aus eiller Ruhm- und Macktbegier auf ihre Widerstandsfähigkeit in der Feldschlacht zu er proben, sondern um bei der exponirtcn Lage des Reiches im Herzen Europas seinen Angehörigen die friedliche Entwickelung ihrer geistigen Fädigkeiten und ihrer materiellen Mittel zu verbürgen. Daß die Conferenz keine „Abrustungsconserenz" wird, wie sie der Idealismus der Friedensfreunde sich erträumt, ist schon jetzt klar, weil selbst diejenigen Völker, deren Regierungen der Conferenz zuge stimmt haben — Rußland nicht ausgeschloffen —, am Werte sind, ihre Streitkräfte durch Vermehrung der Truppen, Ver besserung der Hauptwaffe und Herstellung neuer Verkehrs mittel zu verstärken. So steht Rußland vor dem Riesen werke der transsibirischen Bahn, die zwar in erster Linie der Cultnr dienen soll, aber auch für den Kampf um die „Plätze in der Sonne" die Streitkraft Rußlands ver doppeln wird. Und wenn man weiter die letzten inter nationalen Conferenzen, die Brüsseler Zuckerconserenz und die römische Anti-Anarchistenconfcrenz verfolgt und dabei sieht, wie schwer in verhältnißmäßig einfachen wirthschaftlichen und politischen, durch ein dringendes Bedürfnis aufgeworfenen Kragen das gegenseitige Mißtrauen überwunden und sehr spärliche Resultate erzielt werden konnten, so wird man es schon als großen Erfolg der Initiative deö Zaren ansehen muffen, wenn sie die Formen, in denen sich künftig die un ausbleiblichen kriegerischen Auseinandersetzungen der Völker vollziehen werden, thunlichst mit dem Geiste der Humanität durcktränkt. Tie erste Anregung in dieser Richtung bat bekannt lich Richard Thurow in der Morgenausgabe des „Leipz. Tage bl." vom lO. December gegeben, ihm folgt mit einem „offenen Sendschreiben" der Vorkämpfer der modernen Kriegshyzieine vr. v. Esmarch. Er knüpft an die eine der großen internationalen Conventionen an, die diesem Zwecke gedient haben: Die Petersburger Convention vom Jahre 1868, Weiche die Verwendung von Explosivgeschossen unter 400 Gramm Gewicht verbot, diese dadurch auS dem Kampf von Mann gegen Mann bannte und der Fern- und Massenwirkung der Artillerie zuwies. Diese Con vention ist gehalten worden, bis die Technik daS ein fache Geschoß zum Sprenggeschoß machte. Das Nickel mantelhartblei-Geschoß deS modernen JnfanteriegewehreS wirkt noch auf Entfernungen, die daS frühere Gewehr nicht kannte, vermöge der iu ihm aufgespeicherten lebenden Kraft als Sprenggeschoß, wenn rS in die Schädelhöhle einschlägt oder größere Blutgefäße trifft. Diese Wirkung ist aufs Furchtbarste gesteigert in dem Hartbleigeschoß, in dem das Blei selbst die Spitze bildete, beim Einschlagen in menschliche Leiber dann deformirt und bis auf 600mEntfernung, also gerade im Nahkampfe, Wunden reißt, die unter Wcichtheilzerreißung und Knvchenzertrümmerung denen deS Sprenggeschosses vollständig aleichkommen. Als Dum-Dum-Kugcln nach der englischen SraatSfabrikDum-Dum bei Kalkutta sind dieseGeschosse bekannt; sie sanden im Kampfe gegen die Stämme am Tschitral grause Fenillatsn. HeUersdorff. lOj Novell« von Hedda »o» Schmid. Nachdruck verbot««. Nhdegg war bereits etliche Mal im Begriff gewesen, an Harald die Frage zu richten: „Mensch, bist Du denn blind? Siehst Du denn nicht, welch' ein reiche» Glück neben Dir blüht — und Du hegst und pflegst dasselbe nicht. Du lassest eS ver kümmern und verwelken"; doch er hatte sich immer wieder Schwei gen auferlegt, auS Zartgefühl. Harald, das wußte er, war ein verschlossener Charakter. Nein, hier mutzte aus Umwegen gewirkt werden, und daher nahm Arend mit Freuden wahr, welch' eine mächtige BundeSgenoffin er in Elisabeth Traun besaß. Was hatte sie, deren Nähe zu meiden sein erster Impuls gewesen, die ihn jedoch unwiderstehlich immer mehr und mehr anzog, in wenigen Wochen auS Irene gemacht. Elisabeth hatte unter Anderem, im Interesse ihrer Freundin, der besten Schneiderin der Kreisstadt tüchtig zu thun gegeben, und die „schöne Frau von Rembden" kam nun erst zu voller Geltung, nun, wo sie ge schmackvoll und nach der Mode gekleidet war. „Ich hätte nie geglaubt, daß diese kleine Frau sich so herausmachen würde", sagte die Baronin zu ihrer Tochter; „ist es nicht am Ende ein wenig unvorsichtig von Dir, mein Kind, Dein« Freundin in da wirkungsvollste Sicht zu setzen? Baron Nydegg findet Irene sehr schön, davon bin ich überzeugt." „Wie meinst Du dos, Mama, ich verstehe Dich nicht recht . ." „Mein Gott, wie Du immer gleich auffährst, Elisabeth; nun, ich meine, daß es gefährlich ist, wenn ein interessanter Mensch, wie dieser Nydegg, und eine schöne junge Frau viel mit einander plaudern. Ich würde eS paffender finden, wenn Harald sich mehr seiner Frau und Nydegg sich mehr Dir widmen wollte." Verwendung. Neuerdings ist bekannt geworden, daß in eng lischen Fabriken Patronen angefertigt worden sind, bei denen man, um eine ähnliche Wirkung zu erzeugen, den Nickelmantel an der Spitze der Kugel mit einer runden Ocffnung versehen bat. Unter diesen Umständen tritt mit Rechl Friedrich von Esmarch dafür ein, daß die neue Conferenz, an Petersburger Traditionen anknüpfend, nur solche kleincalibrige Bleigesckosfe gestattet, welche entweder ganz ober wenigstens an der Spitze mit einem Mantel aus hartem Metall versehen sind, damit die Soldaten, wenn sie einmal kampfunfähig gemacht werden, nicht für ihr Leben grausam verstümmelte Krüppel bleiben. Und noch eine zweite Aufgabe könnte dabei der Conferenz einen hervorragenden Platz in der Geschichte der menschlichen Cultur sichern. Der Petersburger Convention voran ging die bekannte Genfer Convention vom Jahre 1864, die, unter dem Zeichen des rothen Kreuzes auf weißem Grunde, die Pflege der verwundeten und erkrankten Soldaten, die Aerzte und daS pflegende Hilfspersonal und die Feldboöpitäler unter den Schutz der Neutralität stellte. Wiederholt sind seither Anläufe gemacht worden, diesen für die Praxis so dehnbaren Ausdruck durch den Begriff der „Unverletzlichkeit" zu ersetzen und dahin zu wirken, daß in die militairischen Reglements und Sanitätsinstructioncn jener Satz kommt, der in K 5, der deutschen KriezSsanitätsordnung ohne Bezug nahme auf Gegenseitigkeit und internationale Verträge kurz und human sagt: „Kranke und verwundete Kriegsgefangene nehmen gleich den Soldaten deS deutschen Heeres und den An gehörigen verbündeter Heere an der Krankenpflege Theil." Um diesem Ziel näher zu kommen, haben 1868 die Vertreter von 14 Mächten in Genf sich an die Weiterführung der Convention ge macht; 1874 hat daran der von allen europäischen Großmächten nach Brüssel entsandte „völkerrechtliche Congrcß" sich bemüht. Zur allgemeinen Anerkennung aber haben eS die bisherigen Reformversuche nicht gebracht. Nimmt der Friedenskongreß auch diese Frage in seinen Arbeitsbereich, dann tritt er kräftig auf Len Boden praktischer Arbeit, der sich schon wegen der unmittelbar sich daraus ergebenden Wirkungen im Dienste der Menschlichkeit und des damit verbundenen praktischen Nutzens kein Culturstaat entziehen kann. Bei der Erörterung der Militairvorlagc haben wir die durch sie aufgeworfenen technischen Fragen nur gestreift und betont, daß die Militairverwaltung für deren Lösung di volle Verantwortung zu tragen habe. Diese Bemerkung war der Reflex von Bedenken allgemeiner und besonderer Natur, die wir bei Fachmännern vorhanden wußten. Jetzt spricht ein Sachkundiger solche Bedenken an einer Stelle aus, die in militairpolitischer Beziehung gewiß unverdächtig ist, nämlich in der „Kreuzzeitung". DaS Blatt gebt nicht, wie man vielleicht meinen könnte, von einer Kritik der zweijährigen Dienstzeit aus, es rbeilt aber den Unwillen über die Empfehlung und Einführung der Halb-Bataillone, die vom Grafen Caprivi als das Rückgrat des Wesens der ver kürzten Dienstzeit gepriesen worden waren und — alsbald wieder verschwinden mußten. Auch daS Schicksal der gleichfalls so viel belobten „Meldereiter" giebt dem Militair der „Kreuzzeitung" Anlaß zu scharfen Ausstellungen. Obwohl kein Freund dieser Neuerung, sieht er sie deshalb mit Befremden wieder vom Schauplatz verschwinden, weil die Begründung zur Vorlage den „Jägern zu Pferde", wie die Meldereiter seit einiger Zeit genannt werden, ausgezeichnete Leistungen im Melde- und Ordonnanzdienst nachrühmt. Drei neue Cavallrrieregimenter, die den Namen „Jäger zu Pferde" führen sollen, sieht die „Kreuzztg." mit Grund nicht als eine Beibehaltung, sondern im Gegenthcil als eine Ausmerzung der Meldereiter in Preußen an, denn zur Bildung der drei Re gimenter ist der größte Theil der in Preußen bestehenden Detache ments Jäger zu Pferde in Aussicht genommen. Eine „nicht klare Maßregel" erblickt der Kritiker auch darin, daß die neuen Cavallerieregimenter nur vier Schwadronen erhalten sollen, während doch die Armee die „Schaffung der fünften EScadrouS als einen unentbehrlichen Bestanvtheil dieser Waffe begrüßt hatte". Selbstverständlich fehlt auch in der „Kreuz- Elisabeth schwieg. Sie wutzte, gegen die Ansichten ihrer Mutter war es schwer, etwas zu äußern, denn wie die meisten be schränkten Naturen besaß die Baronin in kleinen wie großen Dingen viel Eigensinn. „Irene und Nydegg — welcher Unsinn", doch war es nicht zu leugnen, daß Elisabeth in der folgenden Nacht nicht so fest und süß schlief wie sonst. Neuntes Capitel. Tante Hermine, in einem grauen Morgenkleide mit lila Band schleifen, eine drohende Falte zwischen den Brauen, kam die Trepp« aus dem zweiten Stock herab. Unten im Corridor stand, sie erwartend, Harald. „Guten Morgen, Tante, so früh schon geschäftig?" Er küßte der alten Dame ehrerbietig die Hand. „Ich möchte wissen, wie ich sonst mit den Borbereitungen zu Eurem F«ste fertig werden sollte, wollt« ich nicht meinen Morgen schlaf opfern", versetzte Tante Hermine übellaunig. Sonst hatte sie, Harald gegenüber, niemals schlechte Laune gezeigt, er war ja auch stets ein Musterknabe gewesen, bis er jetzt ganz außer Rand und Band gerathen war, ihrer An sicht nach. Dieses ewige Ausfahren im Break, dieses Croquet- und Lawntennisspielen, dieses Besuche machen und solche empfangen! Und all' dies« unnütze Unruhe hat ein muthwilliges Mädchen heraufbeschworen, diese Elisabeth, von der Harald ja wie behext schien. Irene sagte natürlich zu Allem ja, und fand, was Tante Hermine kaum für möglich gehalten, ebenfalls Vergnügen an dem lebhaften, geselligen Treiben. „Und das will «ine trauernde Mutter sein, nach dem Tode d«s Kleinen that sie gerade so, als wollte sie sich mit ihm ins Grab legen." Tante Hermine in ihrem Aerger wurde sehr ungerecht in ihr«n Selbstgesprächen. „Ich wundert mich, daß Harald noch Interesse für den Gang seiner Wirtschaft hat." „Liebe Tante", erwidert« Harald freundlich, den gereizten zcitung" eine scharfe Rüge der „Inkonsequenz" nicht, mit der die Vorlage für zwei preußische ArmeccorpS dritte Divisionen aufstellt, obwohl sie gleichzeitig drei neue Armeecorps (mit je zwei Divisionen) lediglich aus dem Grunde errichtet, weil ihr die dritten Divisionen von Uebel erscheinen. BeachtenS- werther wohl, als die einzelnen Ausstellungen an dem vorliegenden Entwürfe, ist das Urtheil, daS das hochconser- vative Blatt über die „Behandlung der Militairvorlagen seitens der Negierung" überhaupt fällt. Wir lesen: „Während die konservativen Parteien in früheren Perioden an die Mititair-Reformen, mit blindem Vertrauen auf deren Nützlichkeit, ja Nvlhwendigteit, alle Kräfte ansctztc», um sie zur Annahme zu bringen, ist seit der Annsführung des Grafen Caprivi allmählich ein nicht unberechtigtes Mißtrauen an dessen Stelle getrelrn. Einerseits wurden Versprechen gegeben, die man nicht halten konnte, andererseits Vorlagen gemacht, die so schnell einer Acnderung unterworfen wurden, daß kaum anzunehmen ist, daß diese nicht schon von vornherein dec Militair-Verwaltung vor geschwebt baden sollte." Die Beunruhigung, die sich in diesen Worten wider spiegelt, ist in der That in weiten Kreisen der Heeres- freunde vorhanden. Sie gilt einer gewissen Uebereiltheit in der Behandlung von militairischen Fragen, die wohl der Tbatsache zuzuschreiben ist, daß das Verantwortlichkeits system, das in der „civilen" Politik auögerottet ist, in der Heeresverwaltung erst recht nickt mehr besteht. Diese Ent wickelung erregt gegenüber neuen HeereSforderungen Beklemm ungen, wie man sie in früheren Zeiten nicht gekannt hat. Sonst war die Pflicht der Volksvertretung erfüllt, wenn sie bei der Prüfung von Militairvorlagen zu dem Ergebnisse gelangt war, daß die Wehrverhältnissc der Nachbarstaaten neue Opfer nöthig machten und daß Deutschlands Finanzen und Bevölke rungsziffer die Lasten erträglich erscheinen ließen. Jetzt regen sich bange Zweifel, ob die Bewilligungen ihren einzigen Zweck, das Reich so wehrhaft als nur möglich zu machen, auch wirklich so weit erreichen, als es geschehen kann. Das Sprunghafle unserer Politik gesellt zu dieser Besorgniß eine zweite, nicht minder große. Der Reichstag scheint uns, vorläufig wenigstens, nickt berechtigt, Erwägungen dieser Art zur rundlage ;ciner Stellung zu der an sich begründet erscheinenden Militairvorlage zu nehmen. Aber den heereS- freundlichen Parteien dürfte nachgerade die Pflicht erwachsen sein, mit tiefem Ernste die Erwartung auSzusprcchen, daß die Bestimmung des Heeres als eines VcrtheibigungSinstrumentS peinlich respectirt werde. Die schlimmste Seite des schlimmen lippijchen Handels war die, daß sie den Schein erweckte, als ob man die Armee in Friedenszeitcn noch zu etwas Anderem benützte, als zur Ausbildung ihrer Schlagfertigkeit für den Kriegsfall. Zur Wahrung der Gesetzgebungsinteressen der englische» Arbeitgeber hat sich jenseits Les Canals eine Organisation unter der Bezeichnung „Lmplo^er8 kar- liumontur)- (!onueil^ gebildet, deren Vorsitzender der Earl of Wemyß ist, und unter deren Vicevorsitzenden sich Männer mit so bekannten Namen wie Mr. George Livcsey und Mr. Alexander Siemens befinden. Ein Execuliv- aussckuß wird die Aufgabe Haden, in regelmäßigen Zwischenräumen während der Dauer der Par lamentstagungen zusammenzukommen und auch sonst nach Bedarf Sitzungen abzuhalten, und der Secretair LeS Ausschusses ist satzungsgemäß verpflichtet, jedem Mitglieds deS ParlameutSraths ein Exemplar solcher Gesetzentwürfe zuzustellen, welche in einem der Häuser deS Parlaments cingebracht werden, sofern sie von Materien handeln, welche entweder vom allgemeingeschästlichen Stand- puncte oder vom Standpunct irgend eines besonderen In dustriezweiges Interesse für die englischen Arbeitgeber bieten. Jedem solcher Gesetzentwürfe bat der Secretair eine kurze Analyse sowie die Anheimgabe beizufügrn, den betreffenden Entwurf denjenigen Bezirks- oder OrtSverbänden der Arbeit geber zur Kcnotnißuahme und Begutachtung einzureichcn, mit welchen daS ParlamentSrathsniitglied in engeren Beziehungen steht, damit diese den Absender insormiren bezw. instruiren, Ton, in dem das alte Fraulein ihm geantwortet, ignorirend, „Du solltest Dir mehr helfen lassen." „Von wem denn? Die neue Mamsell ist noch ganz ungeschickt und muß erst von mir mehr dressirt werden, wenn sie etwa» leisten soll." „Irene würde sich gewiß Mühe geben, Dir zur Hand zu gehen." „Irene? DaS fehlt mir gerade noch! Die weiß ja in nichts Bescheid hier im Hause." „Ja, leider", sagte Harald mit schwerer Betonung. „Willst Du vielleicht damit andeuten, daß Du mit dem, was ich leiste und anordne, unzufrieden bist?" „Du weißt sehr gut, Tante Hermine, wie sehr ich Dir zu Dank verpflichtet bin", entgegnete Harald ernst, „doch in dcr letzten Zeit sind Zweifel in mir aufgestiegen, ob es gut und richtig gewesen, daß wir Irene so ganz aus unserem Pflichten kreis isolirt." „Guter Harald, wenn Du weiter keine Sorgen hast, so kannst Du Dich beruhigen. Irene ist ein Wesen, da- gewöhnt ist, dank der Erziehung ihres seligen Vaters, sich in Alles zu finden. Gieb Dich mit der Thatsache zufrieden, daß sie Dir ein« bequeme und sanfte Frau ist. Wenn Trauns fort sind, so kommt hier auch wieder Alles in das alte Geleise und Ruhe ins Haus. Was steht denn heute auf Eurem Programm?" „Die Anderen wollen zu Sebenberg- fahren — ich, für mein« Person, mutz darauf verzichten, ich habe vor, den Bau der Mühlschleusen zu inspiciren, der Baumeister hat heute hergrschickt und mich zu einer Besichtigung hinbitten lassen." „Recht so, -daß Du Dich von der Fahrt frei machst", lobte Tante Hermine. „Ich würde Dich gern zur Aa hinunter be gleiten, aber die Schafe auf der Hoflage müssen geschoren werden. Ich fahre Nachmittags hinaus und nehme die Mamsell mit. Du holst mich vielleicht ab, Harald, von der Aa bi- nach Äolta sind es ja nur knapp zwei Werst." „Vielleicht", antwortete Harald zerstreut. welche Stellungnahme in der Sache er bei den Verhandlungen innerhalb des genannten Arbeitgeberrathes einzunchmen und wie er auf die Beschlüsse Les Plenums einzuwirken hat. Während der Tauer ter ParlamentStagungen wird der ParlamentSrath der Arbeitgeber Listen aller von ihm ein gebrachten, befürworteten oder bekämpften Gesetzentwürfe au die Parlamentsmitglieder und an die Zeitungen auSgeben, und beim Parlament wegen jeder Vorlage, sei eS für oder wider, vorstellig werden, zu welcher er Stellung genommen hat. Doch wird der ParlamentSrath in keinem Falle i» Action treten, ehe er sich nicht der einmüthigen Zustimmung der jenigen in seiner Organisation vertretenen Arbeitgeberverbände sicher weiß, deren Industrie daran betheiligt ist, und ehe nicht zwei Drillet der anwesenden Mitglieder Les ParlamentSralhs dcr Ergreifung von Jnitiativschriltcn zugestimmt haben. Ferner wird der ParlamentSrath es fick angelegen sein lassen, die ört- l ich e n Arbeitgeberverbände zu bestimmen, daß sic ibren Einfluß bei dem Parlamentsmitglied ihres Wahlkreises zur Unterstützung der in Sachen irgend einer Vorlage von dem ParlameutSrathe der Arbeitgeber eröffneten Action geltend machen. Wenn nöthig, sollen Abordnungen zu den Ministern entsandt werden, um Liesen kie Wünsche, Ansichten, Gutachten rc. der Arbeitgeberschast des Vereinigten Königreichs bezüglich jeder das Parlament beschäftigenden Vorlage vor zulegen, welche das Interesse ter Arbeitgeber berührt. jDer Secretair soll als ständiger Agent dcSParlamentSraths fungiren. Mit Bewerbern um Parlanientsmanvate ist vom Standpunkte der Arbeitgeberintercffen Fühlung zu nehmen. Zur Deckung der Kosten werden von jedem der dem ParlanientSrathe an gehörenden Arbeitgeberverbände oder einzelnen Arbeitgeber mindestens lo Guineen jährlich bcigesleuert, daneben sind auch Extra-Umlagen gestattet, welche aber jährlich Len Höchst betrag von lF Penny pro Kopf der von den Arbeitgeber verbänden oder den einzelnen Arbeitgebern, die der Organi sation als Mitglieder angehören, beschäftigten Arbeiter nicht überschreiten dürfen. Wenn die im heutigen Morgenblatte erörterte Frage der Errichtung einer päpstlichen Nuntiatur in Petersburg noch nicht in ein entscheidendes Stadium getreten ist, so liegt das der „Germania" zufolge daran, daß noch keine ausreichende Gewähr dafür geboten wurde, daß dem Nuntius in Peters burg die einem diplomatischen Vertreter des Papstes zu- stebenden Befugnisse in dem gleichen Umfang wie anderen Nuntiaturen in katholischen Hauptstädten eingeräumt werden sollen. Welcher Art diese Befugnisse sind, darüber unterrichtet ebenso anschaulich wie einwandSfrei daS vom Cardinal Fürstbischof Kopp approbirte Werk „Die katho lische Kirche unserer Zeit und ihre Diener in Wort und Bild". Darin »yird u. A. gesagt: „Wenn der Papst einen Nuntius abordnet, so schickt er keinen einfachen Botschafter, wie es ein Staatsoberhaupt thut; der Nuntius ist zweifellos Botschafter, aber er ist mehr wie der. Er vertritt zunächst den Papst, der die oberste, ordentliche und unmittelbare Gewalt über die ganze Kirche hat, und in Kraft dieser Vertretung beziehen sich die Gewalten der Nuntien nicht nur auf zeitliche, sondern auch auf geistliche Geschäfte und Interessen... Wegen des doppelten Charakters, mit dem der Nuntius bekleidet ist, hat er rin Recht auf besondere Ehrungen, die im Ceremoniell der Bischöfe vorgesehen sind; daraus kann man entnehmen, daß er eine wirkliche Jurisdiction über die Gläubigen des ganzen Nuntiaturgebietes ausübt... Vor dem Concil von Trient konnten die Nuntien in erster Instanz alle vor ihr Tribunal gebrachten Sachen entscheiden; seit jener Zeit jedoch ist ihnen diese Vollmacht 'genommen und sie können nur noch in dcr Berufungsinstanz urtheilen. Sie dürfen bei bestimmten Gelegenheiten 100 Tage Ablaß ertheilrn, die Erlaubniß zum Lesen verbotener Bücher gebe» u. s. w. Endlich aber, und Las ist Las Wichtigste, haben sie die Pflicht, den Gläubigen in gewissen rein kirchlichen und kirchlich-politischen Verhältnissen und Beziehungen Durch das offen stehende Corridorfenstec tonnte er «inen Theil de- Parkei überblicken, durch die Lindenstämme schimmerte ein Hellei Kleid, es war Irene, die langsam den Kiesweg entlang schritt — ihre Hände nestelten an einem großen Blumenstrauß — blaßrosa Rosen — von den Stämmchen, welche vor der Veranda blühten, geschnitten —. Durch eine kleine Seitenpforte, Harald konnte seine Frau noch eine Weile mit seinen Blicken verfolgen, verließ Irene den Park. „Sie geht auf den Kirchhof", sagte er sich, — uno plötzlich fiel cs ihm schwer aufs Herz, daß er nur sehr selten und auch nur in der ersten Zeit nach dem Todesfall das Grab seines kleinen Harry mit Irene zusammen besucht. Sie war damals so starr und unzugänglich, so gar nicht empfänglich für seine gut ge meinten Trostesworte getvesen. Da hatte er es bald ausgegeben, mit ihr über das todte Kind zu reden. Jetzt schalt er sich nach träglich. Elisabeth verstand ei viel besser, Irene zu nehmen, wie war letztere aufgethaut und aufgeblüht in den letzten Wochen. Harald ertappte sich immer öfter darauf, daß er über seine Frau nachgrübelte. Er hatte ja früher nicht einmal so recht be merkt, wie schön sie eigentlich war, er hatte einfach von ihr Besitz ergriffen, wie von Hellrrsdorff, ohne über ihren Werth, ihr ganzes Sein nachzudenken. Nach der Regenzeit hatten sich schwüle Tage eingestellt, die Luft war voll von Gewittern, die noch immer zögerten, sich zu ent laden. Auch heute lag eine fast unerträgliche Schwüle in der Natur, und Irene, von ihrem Vormittagsspaziergang auf den Kirchhof hcimgekehrt, klagte über Kopfweh. „Es thut mir sehr leid, aber die Fahrt nach Sebenberg muß ich aufgeben", sagte sie, als man bei Tische saß. „Dann bleiben wir ebenfalls zu Hause", schlug Elisabeth vor, „nicht wahr, Harald, Sie senden der Gräfin einen Boten." Doch di« Baronin prvtestirt«.
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