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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.04.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960424016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896042401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896042401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- fehlerhafte Bindung: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-24
- Monat1896-04
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Die Morgen-Ausgab« erscheint um '/,7 Uhr, die Abeud-Au-gab« Wochentag« um 5 Uhr. Ne-artion und Erneditto«: Johanne«,affe 8. Die Erveditiou ist Wochentag« ununterbrochen gröffoet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: rtta Klemm « Eartim. (Alfretz Hahn», UniverfitütSstraße 1, Lo»«S Lösche, ffntbarmenftr. I«, part. und König-Platz 7. Bezugs-Preis m d« Hanptexpeditton oder den tm Stadt» bezirk und dru Bororten errichteten Ao«» aabesiellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« tau« K.ÜO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich S.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendun- 1ns Ausland: monatlich ^ll 7 SO Morgen-Ausgabe. MMtr TMlilalt Anzeiger. ÄmiMatt des Lönigtiche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Volizci-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen Preis die S gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich («ge spalten) bO^j, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis, vrrzeichniß. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarts. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 80.—, mit Postbesvrderung ^l 70.—. Iiunahmeschluß für Anzeigen: Abeab-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig 90. Jahrgang 208 Freitag den 24. April 1896. 88 Berlin, 23. April. (Privattekegramm.) Commission des preußischen Abgeordnetenhauses füi L. Berlin, 23. April. (Privattelegramm.) Ein Be richterstaller meldet der „Nat.-Ztg.": Der gestern zu drei jähriger Zuchthausstrafe verurtkeilte Arhr. v. Hainmerstcin hat seine Bertheidiger, Rechtsanwälte Raetzell I. und vr. Schwindt, unmillelbar nach dem Schluß der Gerichts verhandlung beauftragt, gegen das Unheil die Revision einzulegen. Das Rechtsmittel wird sich auf die Vorschrift des 8 377 Ziffer 8 der Strafproceß-Ordnung stützen, wonach ein Unheil als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen ist, „wenn die VeNheidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Puncte durch einen Beschluß deS Gerichts unzulässig beschränkt worden ist". Bekanntlich hatderGerichlShofeinen An trag der VeNheidigung abgelehot, welcher die Unzulässigkeit des Strafverfahrens gegen Hammerstein darzuthun bezweckte, insofern, als durch amtliche Auskunft des aus wärtigen Amtes über den Zeitpunkt der Zustellung des Auslieferungsantrages an die italienische Behörde festgestellt werden sollte, daß die Berliner Strafbehörde durch Transport des Angeklagten von Athen nach Brindisi, d. h. auf italienischem Gebiet, einen unfreiwilligen Aufenthalt des Angeklagten schuf und dann die italienische Regierung veranlaßte, den Angeklagten, der bei ihr ein freiwilliges Asyl gar nicht nachgesucht hatte, auszulicfern. (Auch Wolffs Bureau meldet, daß Frhr. v. Hammerstein Revision eingelegt habe. Red.) L. Berlin, 23. April. (Privattelegramm.) Der „Nationalztg." zufolge zeigt der Maurerftreik heute folgendes Bild: Auf 230 Bauten mit 2300 Arbeitern ist eine Einigung mit den Bauleitern erzielt. Nichts bewilligt ist auf 90 Bauten mit l2—1300 Arbeitern. Man will von Seiten der Lohncommission jetzt mit Sperrungen vorgehen und plant Repressivmaßregeln gegen die Maurer, die Ueber- stunden machen. — Zum Geburtstage König Albert's schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.": „Se. Majestät der König Albert von Sachsen beginnt heute das 69. Lebensjahr. Auch diesmal hat Se. Majestät der Kaiser es sich nicht nehmen lassen, dem erlauchten Bundesgenossen seine Glückwünsche an der Schwelle des neuen Lebensabschnittes persönlich auszusprechen. Legt schon dieser Umstand Zeugniß für die engen Bande der herzlichen Freundschaft ab, welche das Haus Hohenzollern mit dem Hause Wcttin verbinden, so haben das preußisch-' und das deutsche Volk sich schon so lan^e daran gewöhnt, mit dem sächsischen die Festtage seines Herrscherhauses ge meinsam zu begehen, daß auch heute alle patriotischen deutsche, Herzen dem König Albert die wärmsten und aufrichtigstes Wünsche für ein langes und gesegnetes Leben widmen." — Die durch hiesige Blätter gehende Mittheilung, daß der Reichstag am 15. Mai bis zum October vertagt werden solle und daß vorher nur das Zuckersteuergesetz und die Gewerbenovelle fertiggestellt werden sollten, ist, wie dii „Franks. Ztg." versichert, unbegründet. — Die zweite Lesung des Börsengesetzes im Plenum deS Reichstages wird, wie die „Lib. Corr." mittheilt, erst Anfang nächster Woche beginnen. * Oldenburg, 22. April. Ueber die oldenbur gisch» Thronfolgefrage schreibt man dem ,M)estf. Volksblatt": „Neulich wurde berichtet, ein Prinz aus der russischen Linie des olden» burger Hause« werde demnächst seinen ständigen Wohnsitz, also als Thron anwärter, in Oldenburg nehmen. Davon ist nie faciisch die Rede gewesen und unser herzogliche« Haus denkt nicht daran, es zuzugeben. Ter Groß» Herzog ist noch rüstig, der Erbgroßherzog noch jung, außerdem leb, dessen jüngerer Bruder Herzog Georg. Letzterer ist bisher unver» heirathet, ob er heirathen wird, weiß man nicht, die Gerüchte von einer geheimen morganatischen Ehe sind aber erfunden. Der Erb- großherzog ist Wittwer, er Hal eine Tochter, die aber, weil hier das saliich« Gesetz gilt, nick: succejsionssähig ist. Wie nun bestimmt ver lautet, wird der Erbgroßherzog nach Ablauf des Trauerjahres sich mit einer Prinzessin eine« mitteldeutschen Fürstenhauses ver» loben, und angesichts dieses Umstandes ist es überhaupt ziemlich müßig, die oldenburger Thronsolgesragr aufzuwrrfrn." * Bom Rhein, 22. April. Zum ersten Male seit seiner Auseinandersetzung mit den Organen de« Augustinusvereins hat der Präsident des rheinischen Bauernvereins, Freiherr v. LoS, am Sonnabend in einer Versammlung zu Cleve zn den Mitgliedern deS dortigen KreisverbandeS gesprochen. Er vermied es aber, auf die Händel mit der Centrumspress- einzugehen und beantwortete einen aus der Milte der Ver sammlung laut gewordenen Protest wider die auf ihn er folgten Angriffe lediglich mit der Mahnung zu treuem Zusammenhalten. Demonstrirt werden soll diese Einig keit, wie man der „Post" schreibt, in einer großen Land wirtheversammlung, die auf den Mittwoch nächster Woche in den Gürzenich nach Köln einberufen ist. Dem Centrum wird dies« Heerschau der katholischen Bauern alles andere, nur nicht lieb sein; sie ist die Antwort des Freiherr» v. Loü auf die gegen ihn inscenirte Bewegung und wird hauptsäch lich unter diesem Gesichtspunkt zu beurthrilen sein. Zt Gera, 23. April. AuS Anlaß deS Geburtstages des Königs Albert von Sachsen ist heute hier verschieden» lieh Flaggenschmuck bemerkbar. Auch der vor einiger Zeit begründete Verein sächsischer Landsleute begeht den Ehrentag des Monarchen festlich. * Metz, 22. April. Die Zahl der Klöster hat in der Nähe von Metz bedeutend zugenommen. In den beiden letzten Jahren, nach der Zulassung der Redemptoristen, sind hier vier neue Ordensniederlassungen entstanden. Die Bauten, tbeils Neubauten, theils Umbauten, sind wahre Paläste. Man kann nackrrchnrn, daß sie in den beiden Jahren annähernd drei vis vier Millionen Mark erfordert baden. Das Geld liefern die Jesuiten, . die hier einen Grundbesitz von circa zwanzig Millionen haben. E» sind zur Zeit nicht weniger als neun Nonnen» und zwei Männer klöster in Metz. Die letzteren sind mit Franziskanern und Verehrern de» h. Joseph besetzt, erstere dagegen gehören fast sämmtlich dem Orden „SacrS Coeur", der in zahl reiche Unteradthrilungen zerfällt und sich vorzugsweise mit der Erziehung der weiblichen Jugend beschäftigt. Diese ist jetzt wieder, wie vor 1870, gänzlich in den Händen von Sckulschwestern. Bei der letzten Volkszählung hatte Metz mit Vororten auf ca. 60 000 Eivileinwohnrr, die Insassen de« Waisenhauses, die meisten« zu Nonnen erzogen werden, rinarrecbnel, über 4000 Personen geistlichen Stande«! Und ob Die Duellfrage im Reichstag. ^2- Einstimmig hat der Reickstag die verbündeten Regierungen aufgefordert, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln dem Duellwesen entgegenzuwirken. DaS ist eia Ereigniß, dem man die Bedeutsamkeit nicht wird ab sprechen wollen. Wie oft ist in früheren Jahren die blutige Austragung von Ehrenhändeln im Reichstag nicht etwa nur erklärlich und entschuldbar gefunden, sondern al» ein auf ethischer Grundlage beruhender Brauch bezeichnet worden! Und in dieser zweitägigen Debatte ist dem Duell nicht nur kein Bertheidiger entstanden, sondern seine sittliche Verwerf lichkeit ist auch auf keiner Seite nachdrücklicher behauptet worden, als dort, wo vornehmlich die Repräsentanten der Kreise sitzen, in denen der Zweikampf am häufigsten vor kommt, bei den beiden conservativen Parteien. Die Auf fassung, daß er ein notbwendigeS Uebel sei, ist von Niemandem vertreten worden, am allerwenigsten von Herrn v. Bennigsen, dem sie, sei eS aus Mangel an Verständnis, sei eS zu politischen Zwecken, von einem freisinnigen und einem klerikalen Redner untergeschoben worden ist. Der nationalliberale Führer bat vielmehr wie Graf Bernstorff und Freiherr v. Manteuffel keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie die Entscheidung von Ehrensachen durch die Waffen als eine zweckwidrige — „keine Spur von Sühne" konnte Herr von Bennigsen in ihr finden — und darum selbstverständlich entbehrliche Einrichtung halten. Nicht ihre Nothwendigkeit, sondern die Thatsache, daß die Ueberzeugung von ihrer Entbehrlichkeit noch nickt vollkommen Gemeingut geworden sei, wurde von diesen Rednern nicht als Entschuldigung der Sitte, sondern als Grund dafür an geführt, daß sie nicht von heute auf morgen verschwinden wird. Inwieweit die Verhandlungen und der Beschluß deS Reickstags und mehr noch die Vorfälle, die den Anlaß zur Erörterung der Duellfrage geboten haben, zur weiteren Ver breitung der Erkenntniß der Zweckwidrigkeit des Zweikampfes beitragen werden, läßt sich nicht ermessen. Jedenfalls können künftighin Männer, die vor die Frage gestellt sind, ob sie für eine erlittene Beleidigung blutige Genugthuung fordern sollen, nach dem, was aus dem Munde von Vertretern der Elasten, für die daS Duell unter gewissen Umständen sonst etwas Selbstverständliches war, vernommen worden ist, leichter als bisher zu einem negativen Entschlüsse gelangen. Und ebenso wenig ist es ausgeschlossen, daß die ReichStagSverhand- lungen die Scheu, schwere Beleidigungen zuzufügen, ver mehren werden. Das ist die eine Seite der Frage, die sittliche. Die andere, mehr mechanische, betrifft die Vorschriften über die Behandlung der Ehrensachen, vorzugsweise im Heere, und die staatlichen Maßnahmen zur Verhütung, sowie zur Bestrafung des Zwei kampfes. Die Erklärung, die Fürst Hohenlohe hat abgeben lassen und die im Ton etwas engagirtcr hätte klingen dürfen, ist in der Sache befriedigend; denn mehr als die Zusage, zu erwägen, ob etwas gegen das Dnellwesen unternommen werden könnte, konnte der deutsche Reickskanzler in diesem Augenblicke nicht abgeben. Hat doch auch das Centrum, da es sich auf die rauhe Bahn positiver Vorschläge begeben hatte, es für klug befunden, einen eiligen Rückzug anzutreten. ES wollte Schiedsgerichte mit der Befugniß, „ihre Ent scheidungen zur unbedingten Achtung zu bringen". Wie aber soll diese Achtung staatlich erzwungen werden? Was der Reichskanzler hätte «»kündigen können, wäre lediglich Aen- derung des gemeinen Strafrechts gewesen, Verschärfung der Strafen für Beleidigungen und für Zweikämpfe. Die Nothwendigkeit einer solchen Aenderung deS Strafgesetzes wird mit Grund bestritten. ES ist im Reichstage sehr zutreffend bemerkt worden, daß die Richter Be leidigungen empfindlich bestrafen können, von dieser ihrer Befugniß aber regelmäßig keinen Gebrauch machen. Wenn wir wiederholt einer Aenderung de» BeleidigungS- und Verleumdungsparagraphen in der Richtung der Androhung hoher, sehr hoher Geldstrafen daS Wort geredet, so haben wir immer solche Fälle im Auge gehabt, wo die Genug- thuung mit den Waffen nicht in Frage kommen konnte. So z. B. die Beleidigung des Generals Kirchhoff. Das Duell selbst ist gleichfalls mit reichlich hohen Strafen bedroht. Die Gerichte können auf Festungshaft bis zu drei Jahren und, wenn der Gegner getödtet worden ist, bis zu fünfzehn Jahren oder auf Lebenszeit erkennen. Eine andere Strafart für Duellanten, GefLngniß oder gar Zuchthaus, entspricht dem NechtSbewußtsein der Mehrheit des Volkes nicht. Wohl aber widerstreitet diesem die grundsätzliche Ver hängung des niedrigsten Strafmaßes und die regelmäßige thatsächliche Herabdrückung dieses Minimum- durch die Begnadigung. Es ist weder verständig, noch mit dem Geiste des Gesetzes vereinbar, wenn ein Berliner Blatt fordert, daß „fortan kein Minister die Verantwortlichkeit für die Be gnadigung von Duellanten übernimmt". Ein Minister, der eine Strafthat grundsätzlich von seinen Begnadigungsvor-- schlägen ausnäbme, würde pflichtwidrig handeln; denn daS Begnadigungsrecht soll unter Berücksichtigung der persön lichen Umstände geübt werden. Aber die jetzige Praxis ver stößt ebenfalls gegen diese Forderung, indem sie für Duelle grundsätzlich die Begnadigung eintreten läßt. Der mit matbematischer Sicherheit erfolgende Strafnachlaß hat ohne Frage etwas Provokatorische« an sich und sollte in dem bisherigen Umfange mit Rücksicht auf das Rechtsempfinden weitester Kreise auch dann in Wegfall kommen, wenn man sich von der abschreckenden Wirkung der Strafandrohung für daS Duell nickt viel versprickt. DaS Wirksamste, wa« geschehen kann, liegt außerhalb der Competenz der Gesetzgebung und müßte „von oben" an- gebahnt werden. Die Krone ist zweifellos nicht mäcktig genug, daS Duell sogleich auch nur in der Armee auSzu- rotten. Mancher Osficier, dem es untersagt wäre, die Genugthuung, wie er sie versteht, zu suchen, würde eher aus seine Officier«eigenschaft, al« auf den Zweikampf verzichten. Aber die Beseitigung de» Duell« al» einer unter Umständen obligatorischen Einrichtung im Heere würde die Duellsilte wie io England allmählich veralten kaffen. Deutsches Reich. L. Berlin, 23. April. Der Proceß Hammerstein hat daS Bild, das die Welt sich von diesem Charakter ge macht hat, nicht verändert. Einzelne kleine Züge vervoll ständigen eS vielmehr. Freiherr v. Hammerslein ist geständig, aber daS einfach« „Ja", mit dem er sich schuldig bekennt, hat nichts Sühnendes, denn er bleibt dabei, daß die Unter schlagung des StöckerfondS — deren er, weil die Sache verjährt ist, nicht angeklagt ist — von dem verstorbenen Ehrenmann Güthlein verübt worden sei. Er will den Fonds Jahre hindurch als der „Gemüthsmensch", der er war, und bei dem Ueberfluß, in dem er schwamm, aus Schonung für den Todten verzinst haben. Er ist ein Lump, „nehmt AlleS nur in Allem", und wäre nicht der Erwähnung Werth, wenn der Vorsitzende Rieck mit seiner Annahme, daß der Proceß absolut kein politisches Interesse baden werde, Recht behalten hätte. DaS ist nun nicht der Fall gewesen. Zwar daß das Curatorium der „Kreuz- Zeitung" bei gewissen Vorfällen, wie der Herstellung einer anderen Zeitung auf Kosten der „Kreuz-Zeitung" und der unsauberen Hauskauf-Geschichte, nicht stutzig geworden ist, mag mit seiner, deS Curatoriums, auch sonst in der Affaire Hammerstein zu Tage getretenen bodenlosen Harmlosigkeit erklärt sein. Hammerstein hat es zu nehmen verstanden; eS ist schade, daß nicht ein großer Maler das Gesicht deS Wackeren gesehen hat, als er angesichts der Anklage Scheibert'S die klugen Herren bei ihrer schwachen Seite faßte und sich seiner Widerstandsfähigkeit gegen die Lockungen der Börse und der holländischen Juden berühmte! Daß Herr Stöcker wieder einmal eines Jrrthums über führt wurde, hat auch kein ernstes politisches Interesse mehr; der Herr Hofprediger a. D. hat immer Unglück, wenn er irgendwie mit den Gerichten zu thun Hal. DaS Urtheil über dieses sein Verbängniß steht fest. In der Anklageschrift ist niedergelegt, daß ihm Ende Februar oder Anfang März Zweifel an der Ehrlichkeit Hammer- stein's aufgestiegen sind. In öffentlicher Versammlung hat er aber viel später, nicht ohne die „Judenpresse" moralisch zu züchtigen, betheuert, er habe Hammerfiein noch im Früh jahr „für einen untadeligen Mann" gehalten. Das Alles kann zu dem klebrigen gelegt werden. Ganz entschieden von politischerBedeutung aber ist, daß der Proceß bestätigt, daß Hammerstein nicht ein, sondern d e r Führer in seiner Partei, „am Ruder" gewesen ist, wie der Präsident sich ausdrückte, und die neue konservative Politik, die Abwendung vom „Gouverne- mentalismus", inaugurirt hat. DaS ist nichts Neues, aber die „Cons. Corresp." und die „Kreuzz." hatten es geleugnet und uns und andere Blätter, die Hammerstein als den Führer der Partei bezeichneten, der „politischen Brunnenvergiftung" beschuldigt. 6.8. Berlin, 23. April. Ganz merkwürdig still ist eS von der Landagitativn der Socialdemokraten geworden; aber sie ist trotz der hohen Wellen, welche überall die Lohn bewegung schlug, und trotz der lebhaften DiScussion über die Maifeier ganz und gar nicht eingeschlafen. Die Ueberschwem- mung der vom Verkehr wenig berührten Ortschaften mit socialistischer Literatur dauert unausgesetzt fort und ist stärker als je. Wo die Socialdemokratie es möglich machen konnte, hat sie sich an den Gemeindewahlen betheiligt und in etwa 25 Ortschaften, in deren Vertretung bisher kein Socialvemokrat saß, sind die „Rothen" eingezogen. Es wurden Siege auS Dörfern gemeldet, in denen die Jndustriebevölkerung fast ganz bedeutungslos ist. Und daS ist daS BemerkenSwertheste. Ganz in der Stille hat dieser Tage in Colberg eine Parteiconferenz, angeblich nur für den Wahlkreis Colberg - CöSlin, getagt, die sich ausschließlich mit der Landaaitation beschäftigt hat. Ein ComitL von sechs Personen ist gewählt worden, um die Landaaitation energischer zu betreiben. Es wurde den Genossen empfohlen, wo es nur einigermaßen möglich wäre, sich an den Gemeinderaths wahlen zu betheiligen. Die Leiter der Bewegung glauben, daß jede Wahl die Genossen mächtig aufrüttelt und solche Ge- meindemitglieder, die auS irgend welchem Grunde verstimmt sind, in die Reihen der socialdemokratischen Gefolgschaft treibt. Diese Mißvergnügten sollen dann besonders bearbeitet werden, außerdem sollen Flugblätter vertheilt werden, welche für bestimmte Classen von Landbewohnern (Ziegeleiarbeiter,Knechfe, Kleinbauern) besonders zugeschnitten sind. Alles das wird, wie gesagt, ganz im Geheimen betrieben, da da« frühere System, mit dem Tamtam die Landparthien anzukündigen, sich nicht bewährt, sondern die bösen Landräthe und Gendarmen aufmerksam gemacht hat. U Berlin, 23. April. Wenn zu Anfang der vorigen Woche im Reichs-BersicherungSamte eine Conferenz wegen der Gestaltung der Gefahrentarife statt gefunden hat, so hat e» sich dabei um ein für die beruf-genoffenschaftliche Verwaltung nicht nur, sondern auch für die BerufSaenoffen selbst sehr wichtiges Moment deshalb gebandelt, weil nach den Gefahrentarffen in Verbindung mit den in edem Jahre von den einzelnen Betrieben gezahlten Lohnsummen die Beiträge umgrlegt werden. Die Veranlagung der Betriebe zu den einzelnen Gefahrenclassen ist den Gesetzgebern so wichtig erschienen, daß sie die End entscheidung darüber nicht den Organen der BerufSgenosien- schaften anvertraut, sondern in die Hand des ReickS- Versicherungsamte» selbst gelegt haben. Es ist natürlich, daß, je höher entsprechend dem bei der Unfall versicherung gewählten Umlageversabren die jährlichen Brilräae der einzelnen Berufsgenoffen werden, desto mehr Interesse in Len Kreisen der letzteren sich auch der hauptsächlichsten Grundlage für die Berechnung der Beiträge, den Gefabrentarifen, zuwenket. Man verfolgt in diesen Kreisen die auf die Gestaltung dieser Tarife gerichteten Arbeiten mit Reckt ganz genau. Im Anfänge der oerufSacnoffensckaft- lichen Thätigkeit, wo noch wenig statistische- Material über die Unfallzefabren der in den BerufSgenoflensckaften ver einigten einzelnen Brancken vorlag, konnte ein abschließendes Urtheil über die Richtigkeit over Unricktigkeit einer Classi fication nicht gewonnen werden. Absolut werden ja die Er fahrungen über den Umfang der Unfallgefahr in den einzelnen Betriebsarten niemals werden Ader nachdem die Berufs genossenschaften jetzt schon mehr als zehn Jahre hindurch eine lnfallstatistik geführt haben und nachdem über diesen Zeitraum ür die einzelnen Gewerbszweige zahlenmäßige Nachweise ter knfallgefahr vorliegen, läßt sich schon leichter in der Frage ein Urtheil gewinnen. Daß die Berussgenossenschaften elbst aber von Zeit zu Zeit ihr früheres Urtheil entsprechend >en inzwischen angesammelten Erfahrungen berichtigen, dafür !rat das Gesetz gesorgt. In demselben ist bestimmt, daß die Gefahrentarife zuerst nach dem Ablauf von zwei Jahren, dann alle fünf Jahre einer Revision zu unterziehen ind. Die erste Revision hat nach dem Ende des JabreS 1887, die zweite nach dem des Jabres 1892 erfolgen müssen. Recht viele Berufsgenossenschaften haben sich an diese Termine nicht gebunden, sondern inzwischen solche Revisionen vor genommen. Diejenigen jedoch, welche erst zwei haben ein treten lassen, werden die dritte nach Schluß des Jahres 1897 olgen lassen müssen. Da es zu einer solchen Revision recht eingehender Vorarbeiten bedarf, so ist es durchaus nicht ver früht, schon jetzt damit zu beginnen. Die Conferenz im Reichs-Versicherungsamte wird dazu auch sicherlich vielfach den Anstoß gegeben haben. 'O Berlin, 23. April. (Telegramm.) Der Geburtstag König Alberl's wurde heute auch vom 2. Garde-Ulanen- Regiment, dessen Cbef der König ist, gefeiert. Nach dem Exerciren richtete der Regimentscommandeur Oberstlieutenant Freih. v. Langermann eine Ansprache an das Regiment und brachte das Hoch auf den Regimemschef ans. Abends 7 Ubr findet im Casino ein Festmahl der Osficiere statt, wobei der Com- mandeur, der dem Könige die Glückwünsche des Regiments schriftlich übersendet hat, zunächst auf den Kaiser und sodann auf den König Albert einen Trinkspruch ausbringen wird. Abends wird die Mannschaft festlich gespeist, sodann findet ein Tanzvergnügen statt. Die Caserne ist beflaggt. In Vertretung deS nach Dresden gereisten sächsischen Gesandten wird der Legationssecretair von Stieglitz an dem Fe'tmahle der Osficiere theilnehmen. T Berlin, 23. April. (Telegramms In der heutigen Sitzung des BundeSrathc« wurde die Vorlage, betr. einen Handels und Schifffahrtsvertraa zwischen dem de itschen Reiche und Japan, nebst einem Consularvertrage, sowie der Bericht der Commission für die Prüfung der Zoll- Einrichtungen und des Zoll-Verwaltungskosten-Etats für Bremen den zuständigen Ausschüssen überwiesen. ö. Berlin, 23. April. (Privat telegramm.) Die „Köln. Ztg." hatte die Vermuthung ausgesprochen, daß der Rücktritt deS Generallieutenants von Spitz aus seiner Stellung als Chef des JnvalidenwesenS im Krieasministerium mit einer Versumpfung der Reform deS Militairstraf- verfnhrcnS im Zusammenhang stehe. Dieselbe Vermutbung wird betreffs der Versetzung des Oberstlieutenants Fleck nach Hannover laut. Beide Osficiere haben an den schon so lange währenden Vorberatbungen über das Militairstraf- verfahren im Sinne der Reform theilgenommen. Von militairischer Seite werden diese Personalveränderungen nun wie folgt erläutert: Der im Avancement hinter dem Generallieutenant von Spitz stehende Benerallieutenant von Jena ist als General der Infanterie zum Gouverneur von Straßburg ernannt; Generallieutenant von Lignitz, der gleichfalls ein jüngeres Patent hat, ist zum General der Infanterie und commandirenden General des 3. Armeecorps ernannt. Die Stellung, welche General von Spitz im Kriegs ministerium bekleidete, ist nur sür einen Divisionskommandeur, nicht für einen General der Infanterie dotirt. Für die Frage aber, welche Verwendung im praktuchen Dienst General von Spitz finden könnte, war der Umstand entscheidend, daß er fortgesetzt 22 Jahre hindurch eine verdienstvolle Thätigkeit ausschließlich im jtricgsminisierium geübt hat und so drin praktischen Dienste entzogen war. Außer dem ist er in den letzten Jahren wiederholt leidend gewesen. So ergab sich die Unthunlichkeit einer anderweitigen Brr- Wendung in einer activrn Stelle. Die Versetzung des Oberst lieutenant» Fleck aus der diesem bisher unterstellten Ab« theilung im Jnvalidendepartement in die Stellung als Lommandeur des Landwehrbezirks Hannover ist lediglich in äußeren Umständen begründet. Außerdem kommt in Betracht, daß der Nachfolger des Generals v. Spitz, der Generalmajor v. Biebahn, unter General v. Spitz Abtheilungsches war, und zwar an der Stelle, die Oberst lieutenant Fleck inne hatte. Hierzu bemerkt die „Nat.-Ztg.": Diese Erläuterungen ent sprechen ja, namentlich was den General v. Spitz betrifft, den bei der Entscheidung über militairische Personalien üblichen Gesichtspunkten. Gleichwohl ist eS natürlich, wenn das Ausscheiden von Officieren, welche als Anhänger der Reform gelten, auS dem Kriegsministerium Bedenken erregt angesichts der Thatsache, daß die Neugestaltung deS Militair- strafverfahrrns nicht vorwärts kommt. Allerdings könnte das Scheitern derselben nicht blo- den Rücktritt einigerDepartementS- undAbtheilungSckefS zur Folge haben; derKrieg-ministerbat sein Verbleiben im Amte öffentlich von der Durchführung der Reform abhängig gemacht, und daß die übrigen Minister mit ihm einverstanden sind, baden die Vorgänge beim Ausscheiden des Herrn von Köller dargethan. Sollten gewisse Hofeinflüsse, die immer stärkere Beun ruhigunghervorrufe«, endgiltig Erfolg haben, so müßten weitreichend, Veränderungen in der Regierung eintreten. 88 Berlin, 23. April. (Privattekegramm) Di« Commission des preußischen Abgeordnetenhauses für den Gesetzentwurf über die Regelung »er Richtergehäller trat deute Vormittag in die zweite Bcrathung der Vorlage ein. 8 8, der „Assessoreoparagraph", war in erster Lesung bekanntlich abgelehnt worden. Dir beiden conservativen Fraktionen beantragen, ihn in folgender Fassung wieder ber- zustellen: „Die Ernennung der Referendare und Gerickts- assefforen erfolgt nach Maßgabe des bestehenden Bedarfs. Die Ausführung dieser Bestimmung erfolgt auf Gründ eines vom Justizm in ister erlassenen Regulativs." Seitens der nationalliberalen Mitglieder wurde erklärt, daß mit diesem Anträge rin Novum in die Vrrhandlung gebracht sei. Sie müßten an ihrem ablrhnrnden Standpunkte fest halten und ihrer Fraktion für das Plenum volle Freiheit der Entschließung Vorbehalten. Seiten« de« Centrum« wurde der Antrag al« unannehmbar bezeichnet, da er noch eine Ver stärkung der Regierungsvorlage entbalte. Dieselbe Er klärung gab der Vertreter der Freisinnigen ab. Die Ab stimmung wurde auf morgen vertagt.
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