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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960502010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896050201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896050201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-02
- Monat1896-05
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Die VLegen-Nettgab« erscheint um '/«7 Uhr. die ALeuL^lnsgab« Wocheutags um b Uhr. Filialen: vtt» Klemm'» Lortim. (Wfrev vahn), Universstät-straßr 3 (Paulinum), Loui» Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Küuigsvlatz 7. Urdnrtion und Lrprdition: -ptzmme»,afir 8. DieEkPetzitio» ist Wochentag- ununterbrochen geSstnel von früh 8 btt Abends 7 Uhr. ? Vez»gsoPret- Hmrptrxpebitiou oder den im Stadt. b«m und den Vororten errichteten An«, «ckestrüen abgeholt: vierteljährlich ^l4.b0, bet »wetmaltaer täglicher Anstellung ins H«s ^l LchL Durch die M>st bezogen für Deutschland und Oesterreich: vtertehührlich S.—. Dincte tägliche Nreuzbandfendung ias Ausland: monatltch 7.bO. Morgen-Ausgabe. KiMer TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Polizei-Ärntes der Ltadt Leipzig. An-aign« Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Rrclameu unter dem Redactionsslrich l4ge- fpalkn) LO^,, vor den FamtliennachrtchNri (vgefpaltra) 40/gj. Erützcre Schriften laut unserem Preis- verzricknih. Tabellarifcher und Zisfernfas nach höherem Tarif. Ertra-Beilagen lgefalzt), nur mit der Morgen>Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Posibefördrrung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Marge «-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leivzig ^221 SV. Jahrgang. Sonnabend den 2. Mai 1896. Die Berliner Lonfectionaire. Während die Eröffnung der Berliner GrtverbeauSstellung den dortigen Zeitungen Gelegenheit giebt, i» allen Tonarten die „arbeitsamste Stadt der Welt", daS „unablässige wetter und sturmfrste Ringen der Berliner Industrie", die „Tüchtig keit" und den „Ernst" ihres Schaffens zu preisen, hat ein bedeutender Tbeil eben Lieser Industrie durch sein Verhalten zur Lohnsraae ein abschreckendes Beispiel traurigster Art ge geben. Einhellig sind vom Reichstage und von der öffent lichen Meinung die Zustände in der ConfectionS- Industrie als unhaltbar erkannt und verurtheilt worden; ungetbeilt gehörte die Sympathie deS PublicumS den streiken den ConfectionSarbeitern, allgemein war die Befriedigung, als unter dem Drucke der öffentlichen Meinung und des von der nationalliberalen Partei herbeigeführten Beschlusses des Reichstages verhältnißmäßig rasch ein Ausgleich zu Stande kam, rin FriedenSschluß, bei dem eS weder Sieger noch Be siegte gab. Und jetzt sind die Unternehmer einseitig von den vor dem EinigungSamt geschloffenen Abmachungen zurück getreten! Don einem Berliner Berichterstatter, der aus der Mitte des Gewerbegerichts informirt ist, gebt der „Nat.-Ztg." zur Beurtheilung dieses Verhaltens folgende Mittheilung zu: „Der vor dem EinigungSamt geschloffene Vergleich sollte auf so lange Giltigkeit haben, bis ein endgiltiger Lohnlarif ent weder durch Vergleich oder Schiedsspruch festgestellt sei. Um dieseu Tarif vorzubereiten, hat das EinigungSamt zunächst umfangreiche Erhebungen über die thatsächlichen Ver- dältniffe der Branche für nothwendig erachtet. Di« Er hebungen sind seitdem ununterbrochen saft täglich von 9 bis 3 Uhr fortgesetzt worden, sie sind theilweise dadurch behindert worden, daß einzelne Confectionaire ihr Erscheinen ablehntea und ihre Zwischen meister und Arbeiter von der Aussage zurückhielten. Bei der Willkür, die in dieser Branche bisher geherrscht hat, den mannigfachen Miß ständen, die in ihre» Ursache» ergründet werden mußten, habe» die Erhebungen allerdings länger sich hingezogen, als anfang» wohl angenommen wurde: sie sind jetzt soweit gediehen, daß nur noch bezüglich der Knabenconfection Feststellungen zu treffen sind. Das Gewerbegericht darf sich in seinen sach lichen Maßnahmen nicht durch die Aeußerungen der Con- sectionaire, daß ihre Geduld zu Ende sei, beeinflussen lassen, muß vielmehr die beschlossene, auf das Ziel eines dauernden Friedens hinarbeitende Erhebung beenden, ehe die Schluß verhandlung stattfinden uud eventuell der Schiedsspruch er gehen kann. Der Gedankengang der protestirenden Con- sectionaire ist durchsichtig, an den Vergleich sind sie mindestens moralisch gebunden, bis der Schiedsspruch ergeht. Sie find von vornherein gewillt, den Schiedsspruch nicht anzunehmen, daher daS Interesse an der schleunigen Ent scheidung des EinigunaSamteS, die sie von dem Vergleich entbindet und die Möglichkeit giebt, zu den Zu ständen vor dem Streik zurückzukehren. Wenn nun aber gar die Confectionaire einseitig, ehe der Schieds spruch ergeht, von dem Vergleich zurücktreten, so können sie den Vorwurf des Vertragsbruches nicht von sich ab wälzen. Der von der Tarifcommission und zwar nach den Wünschen der Confectionaire ausgearbeitete Lohntarif ist lediglich ein vorläufiger Vorschlag, der die endgiltige Einigung beziehungsweise den Schiedsspruch vorbereiten sollte. Da dieser Vorschlag nicht den Beifall der Mehrheit der Eon- fectionaire gefunden hat, besteht der Vergleich vom 19. Februar dieses IahreS vorläufig noch iu Kraft. Uebrigens haben inzwischen die Arbeiter den von den Confectionaire» mit geringer Mehrheit abgelehnten Lohntarif einstimmig an genommen." Klarer kann der Sachverhalt nicht geschildert werden. Und weil dem so ist, deshalb muß die öffentliche Meinung gegen die Berliner Confectionaire Front machen und ihr Verhalten rücksichtslos als da» bezeichnen, waS eS ist: als einen brutalen Vertragsbruch. DaS wird, darin stimmen wir der „Leipziger Zeitung" vollkommen bei, mehr wirken als der Befähigungsnachweis, mit dem die „Cons. Corresp." den Confectionaire» brikommen will. Mit diesem alten Recept aus der Küche der Zunftpolitiker erreicht man, wenn eS gesetzgeberisch überhaupt Aussicht hätte, weiter nichts, al- daß an die Stelle der eigentlichen Macher „gelernte" Strohmänner träte», große oder kleine InnungS- meister ohne Capital, die im Auftrage ihrer Geldgeber, der jetzigen „Großconfectionaire", die alte Mißwirtschaft dann einfach fortfetzen würden, möchten sie wollen oder nicht. Die Commission für Arbeiterstatistik wird ferner daS Ihrige tyun, um bei der ihr obliegenden Untersuchung der Zustande in der Confection den Sitz de- llebel» im Einzelnen völlig Lloßzulegen. Fall- die Commission später weitgehende Bestimmungen zur Beseitigung der Mißstände Vor schlägen sollte, so haben die Confectionaire eS sich selbst zuzuschreiben, wenn die öffentliche Meinung auch rigorosen Vorschlägen gegenüber entgegenkommend sich verhalten wird. Denn der Gesammtheit kann r» nicht gleichgiltig sein, ob die Confectionaire große, von ihnen abhängige Arbeitermaffen durch Mißbrauch ihrer CapitalSmacht in Noth stürzen und dadurch den revolutionairen Gedanken Vorschub leiste». In einem Augenblicke vollend», wo dir Glauzseite der Berliner Industrie mit dem Hinweis auf die Berliner Ge werbe - Ausstellung so hoch gepriesen wird, sollte ihre dunkle Kehrseite nicht vergessen, sonder» im Gegrnthril gemäß den allseitig gebilligten Forderungen der Humanität umgestaltet werde». Geschieht da» nickt, bleibt es dabei, daß die Eon- fectionaire den erste» Schritt vertragsmäßige» Entgegen kommen- wieder rückgängig mache», iso können dir Folgen diese- übermüthig»brutalen Verhalte»- nicht au-bleibrn: Berlin, sein» AUmstellung und sein« Industrie werden den Schaden davon habe». , Deutsches Reich. Berlin, 1. Mai. Die Vorbereitungen sür die am 28. Mai fällige Reichstagsersatzwahl in Ansbach- Schwabach haben eine eigenartige Wendung genommen, infolge Heren auch diese Wabl wider Erwarten einigermaßen die Aufmerksamkeit iu Anspruch nehmen darf. Die Wahl des nunmehr verstorbenen demokratischen Vertreters Kröber war jedesmal nur dem Zusammenhalten der Freisinnigen mit den Demokraten im Kreise zu verdanken. Es kann den Ersteren kein leichtes Opfer gewesen sein, so völlig selbstlos die weit nach links gerichtete süddeutsche Demokratie immer wieder zum Siege zu führen, denn auf dem Boden der bayerischen Verhältnisse überwog von jeher das, was beide Richtungen trennt, und dabei hat es auch sein Bewenden behalten nach dem gemeinsamen Wahlmanifest der Abgeordneten Payer und Eug. Richter vom 9. Mai 1893. Zum Beweis dessen erhob sich an der Grenze des Schwabacher Wahlkreises, in Fürth-Erlangen, damals sofort ein heftiger Wahlstreit zwischen Freisinn und Demokratie, der so weit ging, daß nachher in der Stichwahl zwischen Freisinn und Socialdemokratie die Demokraten nicht für den Ersteren, sondern für den Letzteren öffentlich Stellung bezogen. Der Streit hat sich demnächst für di« fränkischen Wahlkreise verallgemeinert durch den Aschaffenburger Parteitag der Demokratie, der in herb ab fälliger Weise sich über einen gewissen unverwüstlichen preußischen RovaliSmus deS DentschfreisinnS äußerte, und später durch Agikationsreisen des Münchener Führers der Demokratie, Professor vr. Ouidde, nach Oberfranken, in Bezirke, wo bis dahin lediglich die freisinnige Partei eine Vergangenheit und bereiteten Boden hatte. Unter diesen Umständen war eS in der That nur ein äußerst billiges, um nicht zu sagen ein bescheidenes Begehren der beutscksreisinnigen Parteileitung in Bayern, wenn sie verlangte, daß um den Preis ihrer dauernden Unterstützung in AnSbach-Schwabach für die nächsten Wahlen der freisinnige Besitzstand in Fürth- Erlangen von der Demokratie respektirt und geschützt werden sollte. Wir wüßten nicht, was darin Unbillige- gewesen wäre, wenn die deutschfreisiunige Partei ver langt hätte, daß überhaupt i» den fränkischen Wahl kreise» der Streit . künftig ruhen soll. Würzburg war einmal demokratischer Besitz, in Kitzingen hat e« die Demo kratie soweit gebracht, in die Stichwahl mit dem Centrum ru kommen. Diese beiden Kreise und Ansbach hätte ihm der Freisinn schwerlich streitig gemacht; für den Außenstehenden schien sich hier wenigstens ebener Boden für ein festes Wahl- compromiß zu erschließen. Aber der Deutschfreisinn hielt sich zurück und verlangte lediglich die gegenseitige Anerkennung des Besitzstandes in den zwei aneinanderstoßenden Kreisen von Mittelfranken. Und dennoch erfuhr er eine Zurück weisung, so daß er es jetzt sich selbst schuldig war, seinen Wählern in AnSbach-Schwabach auch gegenüber der Demo kratie Zurückhaltung auferzulegen. Der 28. Mai wird nun zeigen, wie viel die Demokratie in jenem Kreise auS eigener Kraft überhaupt noch vermag. * Berlin, 1. Mai. Ueber die Umgestaltung der vierten Bataillone theilt die „Köln. Ztg." mit: Je zwei Halbbataillone sollen zu einem ganzen Bataillon zusammen gelegt werden. Unter Abgabe von einigen Mannschaften der zwölf anderen Compagnien der Regimenter erhält das neue Bataillon den niedrigen Friedensstand. Zwei der neuen Bataillone bilden ein Regiment, also mit Nummer 146 beginnend, und je zwei Regimenter eine neue Brigade, d. h. ein« fünfte für jedes Armeecorps. Diesen letzteren Schöpfungen wird eine ganz besondere Bedeutung bei gelegt, weil auf diese Weise schon im Frieden der Commandeur der im Kriege für jedes Armeecorps auf zustellenden Reservedivision vorhanden ist und zudem für diese Division außer dem Bataillonsverbande der Verband von zwei Regimentern besteht. Auf diese Weise würde der Zweck, der den vierten Bataillonen zu Grunde liegt, nicht allein gewahrt, sondern die FriedenScadres für den Krieg erhielten schon im Frieden eine organisatorische Fortführung von ganzen Bataillonen bis zur Brigade ein geschloffen. Damit erst hätten wir, freilich auf unsere Art, für Reserveformationen im Sinne der russischen, öster reichischen und französischen Armee vorgesorgt. Bei den jenigen Armeecorps, welche drei Divisionen haben, dem 11., dem 12. und dem 2. bayerischen, gestaltet sich die beabsichtigte Reform etwas anders, indem sür sie fünfte Brigaden zu drei Regimentern vorgesehen sind. Die neuen Regimenter sollen vorläufig keine etatsmäßigen StabS- officiere erhalten; das sei aber im Hinblick auf die anderen höheren Stellen zunächst zu verschmerzen und scheine zur Verminderung nicht unbedeutender laufender Ausgaben räth- lich. Da durch Gesetz vom 3. August 1893 die Zahl der Bataillone und Halbbataillone bis zum 31. März 1899 fest gesetzt worden ist, so muß daS Gesetz über die Friedens- Präsenz dahin geändert werden, daß die Infanterie fortan nicht mehr au- 538 Bataillonen und 173 Halbbataillonen besteht, sondern au- 824 Bataillonen. Die Vorlage nebst Begründung wird baldigst dem Reichstage zuaehen, vie Um wandlung der Halbbataillone soll jedoch erst April 1897 inS Leben treten. Von den neuen Bataillonen wird ein großer Thril neue Garnisonen erhalten, ein anderer Tbeil in frühere GarnisoaSorte verlegt. Diese Aenderungen müssen frühzeitig getroffen sein, damit am 1. April 1897 sogleich Garnisoneinrichtungen, Erercir- und Schießplätze vorhanden sind und der Ausbildung-gang keine Störung erleidet. Der Nachtragsetat für 1898/97 kann jedoch erst eingebracht werden, wenn di« grundsätzliche Entscheidung ge fallen ist. Die einmalige Forderung für 1896/97 wird sich nicht ganz auf 8 Millionen belaufen Dies ist keine Neu forderung. 1893 waren nämlich 90 Millionen auf eine Reihe von Jahren zur Unterbringung der Neuformationen gefordert. Die obigen 8 Millionen müssen daher auf diese Summe in Anrechnung kommen; der Gesammtbedarf erhöbt sich also nicht, sondern er vermindert sich fühlbar. Die laufenden Ausgaben treten erst im Etat 1897/98 rin. Bei der HerreSvrrstärkung im Jahre 1893 war für di» Zukunft noch »in Betrag von 800 000 als Lredit eröffnet. Der Betrag war zur Chargen- vermehruna bei de» Truppentbeilen mit zweijähriger Dienstzeit bestimm», sobald damals verbanden, rffen, Tiellen besetzt wären. Die Heeresverwaltung beansprucht diesen Credit jetzt und leistet dafür auf fernere Vermehrung der Chargen V er - cki ck t. Uebrigens bleiben die laufenden Ausgaben unter jener Summe von 800 000 — Die neue Organisation bietet ein willkommenes Mittel, namentlich an der Ostgrenze schon im Frieden eine den dortigen Verhältnissen besser entsprechende Grenzbesetzung durchzuführen. Wünschenswerth wäre eS der Heeresverwaltung gewesen, die Neuordnung schon am 1. October d. I. eintreten zu lassen. Man weiß, welche Mühen doppelte MobilmachungSentwürse für ein und dasselbe Jahr bereiten, doch die für die Unterbringung der Truppen nötbige Vorsorge ist bis dahin nicht zu bewirken. * Berlin, 1. Mai. In Sachen der socialdemokra tischen Parteispedition wurde vorgestern, so berichtet die „Post", abermals in öffentlicher Versammlung verhandelt. Namens der zur Untersuchung veS Falles Hempel ge wählten Revisionskommission gab Buchdrucker Rietz den Be richt, der mit der Empfehlung einer Resolution schloß, das Speditcuramt einem anderen Genossen zu übertragen und dem Genossen Hempel wegen Unterschlagungen und sonstigen Ver- pfehlungen das Reckt abzusprecken, jemals wieder ein Amt innerhalb der socialdemokratischen Partei zu bekleiden. In der langen, erregten Debatte wendete fick Gastwirth Germerschmivt energisch gegen den Antrag der Commission: Trotzdem Hempel ein Partei-Unternehmen ü la Hammer stein gemißbrauckt und diScreditirt habe, wolle man ihn nicht ins Zuchthaus bringen. Genosse Gabler meint: Hempel sei schlauer gewesen, als seine Feiude; weil er gewußt, daß er doch seine Stellung einbüßen würde, habe er wenigsten- das Geld behalten. (Lärm und Ruse: Nette Moral.) Hempel selbst erklärte: die aus deuterischen Praktiken der Genossen seien Schuld an seinem Ruin; das Geld sei „an Genossen verpumpt". Von Schröder wurde mitgetheilt: „Hempel hat gedroht, wenn er verhaftet würde, Parteigeheimnisse zu verratheu und dadurch viele Genossen ins Gefängniß zu bringen". (Großer Lärm; Hempel ruft: Das habe ich blos in der Hitze gesagt.) Der Beschluß der Revisionscommission wurde schließlich gegen 10 Stimme» gutgebeißrn. Auch die Neuwahl des Partri-SpediteurS führte zu heftigen Scenen. Der Vertrauensmann Klose empfahl einen alten Laffalleaner, den früheren Leder händler Anders, der unter dem Socialistengesetz auS- gewiesen wäre und der sich jetzt, trotzdem er ein Ver mögen für die Partei geopfert hätte, kümmerlich er nährte. Als Jemand laut in die Versammlung hineinrief: „Warum unterstützt ibn die Partei nicht'?" und die Antwort erfolgte: „Für die Gelder müssen Budiken eingerichtet werden!" entstand lärmende Unruhe. Einige Redner bemängelten, daß Anders nicht in Moabit wohnhaft sei; andere wollten sich keinen Spediteur von Oben aufzwingen lassen. Der Stadt- theil Moabit sei „keine Invalidenversorgung für die Social demokratie". Mit geringer Mehrheit wurde Anders schließ lich doch zum Spediteur gewählt. x Berlin, 1.Mai. (Telegramm.) Lange vor Beginn VeS officiellen Festactes batte sich in dem großen Festsaale der ÄewerberAuSstellung ein äußerst zahlreiches Publicum eingefunden. Die Halle machte einen überwältigenden Ein druck, den da- Licht vom klarsten blauen Himmel erhöht«. Die zur Rechten und zur Linken deS Baldachins, unter welchem später die Majestäten Platz nahmen, gelegenen Seitenhallen boten namentlich durch die herrliche Ausstattung mit prachtvollen Erzeugnissen der königl.Porzellanmanufactur einen festlichen An blick. Ueber dem Eingangsportal der Festhallr ist die Orgel er baut. Dieselbe bat ein herrliche- GlaSgemäldr zum Hintergrund. Zur festgesetzten Zeit trafen der Ka iser und die K a ifr rin ein mit Fanfaren der Trompeter deS Gardekürassierregiments be grüßt und vom ComitS empfangen. Schon etwas früher war der Fürst von Bulgarien, welchem der Kaiser zur Begrüßung die Hand bot, erschienen. Um 10^/, Uhr traf die Prinzessin Friedrich Leopold rin und wurde von der Gemahlin de« Minister- Frhr. von Berlepsch und anderen Damen empfangen. Ferner erschienen: der Reichskanzler und sämmtliche Staatsminister und Staatssecretaire, dir hoben Regierungsbeamten aller Ministerien fast voll zählig, die Generalität, darunter der Chef deS General stabes, der Chef des Militair-CabinetS, der Comman deur deS Gardecorps, die Chefs des Marine- und deS Civil-CabinetS, die inaktiven Minister v. Achenbach, v. Putt- kamer, Graf Eulenburg und v. Goßler. Links vom Thron nahmen die Prinzessin Friedrich Leopold, die Oberhofmeisterin Gräfin Brockdorff, der Oberhofmeister Graf Mirbach, der Oberhofmarschall Graf Eulenvurg und die übrige Um gebung der Majestäten Aufstellung; rechts Prinz Friedrich Leopold und der Fürst von Bulgarien. Die Kaiserin nahm unter dem Baldachin Platz, zur Linken trat der Kaiser, der zur Uniform deS 3. Garde-Regiment- daS große Band de» Schwarze» Adler-Orden- trug. Nachdem die Ausstellung von dem Handelsminister Freiherr» von Berlepsch für er öffnet erklärt worden war, brachte der Vorsitzende des AuS- stellungScomitös ein begeistert aufgenommrneS Hoch auf den Kaiser aus, worauf daS Publicum die Nationalhymne sang. Während der Cbor „Die Himmel rühmen deS Ewigen Güte" anstimmte, begann der Rundgang. Der Kaiser und die Kaiserin wandten sich zunächst zum Hauptgebäude, begaben sich dann durch die Abtheilung drr Metallindustrie nach dem AuSstellungSpark und schlugen die Richtung nach Alt-Berlin ein; vorrüber an den Feldlazarethen, dem Gebäude für Schule und Erziehung begaben sie sich nach Kairo, überall vom Jubel deS Publicum- begrüßt. Vor dem Hauptgebäude war ein« Ehrencompagnie des dritten Garde - Regiments ausgestellt; im Park concertirten die RrgimentS-Capelle deS Kaiser Alexander-Garde Grenadier- Regiment- und ein« Civil-Capelle. Dir Majestäten sprachen dem Au-stellung-comitS ihre groß« Befriedigung über alles Gesebene aus und nahmen sodann auf dem Festschiffe deS Norddeutschen Lloyd rin Frühstück ein. Kurz nach 3 Uhr kehrten die Majestäten nach dem Neuen Palais zurück. D Berit«, 1. Mai. (Telegramm.) Der Vvnde-rath überwieS in der gestrigen Ditzuna den Entwurf wegen Ab änderung des Gesetze- über di» Srietzen-tzrßsenzftürle de« Heere-, ferner den Entwurf, betreffen» die Wehrpflicht in Ven Schutzgebieten, sowie einen Entwurf wegen Abänderung des Gesetzes über die Kchutztruppen für Ostafrika, Südweft afrika und Kamerun den zuständigen Ausschüssen. L. Berlin, 1. Mai. (Privattelegramm.) Tie Mni- feicrUst in Berlin in den Vormittags- und Mittagsstunden ruhig verlaufen. Gefriert wurde fast nirgends; in allen größeren Fabriken und Etablissements war fast Keiner der Arbeit serageblieben. In den Brauereien war — die ringfreirn ausgenommen — von einer Maifeier nichts zu spüren. Auch auf den Bauten, wo sich die Maurer dem Streik nicht angescklossen haben, wie an der Stadt bahn, im königlichen Schloß, wurde rüstig fortgearbeitet. Die Vormittagsversammlungen waren nickt stärker besuckt als im Vorjahr. Die von der GewerkschaftScommisfion aus gearbeitete Resolution gelangte in allen Versammlungen zur Annahme. Sie lautete im Wesentlichen: „Die heute am 1. Mai, dem Weltfeierlage der Arbeit, versammelten Arbeiter und Arbeiterinnen bewessen durch ihre Anwesenheit, daß sie die ihnen durch die internationalen Congresse auferlegte Ver pflichtung der Arbeitsrube erfüllen und bereit sind, mit aller Energie für die in der Maifeier zum Ausdruck kommenden For derungen, vor Allem für den Achtstundentag, die internationale Solidarität und den Völkerfrieven einzutrelen. Sie betrachten es als ihre höchste Pflicht, die Arbeitermassen mit der Ueberzeugunz zu erfüllen, daß nur durch die Arbeiter selbst, ohne falsches Ver trauen auf die Unterstützung der besitzenden Classe, das Loos der Arbeiter in der Gegenwart gelindert und eine bessere Zukunft herbeigeführt werden kann. Die Versammelten richten brüderliche Grüße an die zur Bekundung der Solidarität versammelten Arbeiter der ganzen Welt." — Ausflüge in die Umgegend veranstalteten die Gewerkschaften der Textil arbeitet, Dccateure und Maler. Auch an Dampferpartien fehlte es nickt. Die Parteikneipen erfreuten sich zahlreichen Zuspruchs. Eine rothe Nummer hatte die polnisch-socialistische „Gazeta Rodotnicza" ausgegeben. Das Blatt enthält neben den üblichen, dem 1. Mai gewidmeten Artikeln einen deutsch feindlichen, gegen die „Germanisirung der polnischen Pro vinzen" gerichteten Aufsatz. IO Berlin, 1. Mai. (Privattelegramm^) Der Bund deutscher Brauer-eselle» hält Mitte Juli in Breslau einen Delegirtentag ab, auf dem über den Anschluß an die Hirsch Duncker'schen Gewerkvereine beratben werden soll. Berlin, 1. Mai. (Telegramm.) Die Budget- Commission deS Abgeordnetenhauses hat die No velle zum Gesetz über die Central - ÄenoffenschaftScaffc. betreffend die Erhökuna des staatlichen Grundcapitals von 5 auf 2o Millionen Mark, unverändert angenommen — Ans den heutigen Verhandlungen der Abgeordneten- Commission geht hervor, daß daS Staatsministerium über die Zurückziehung der Vorlage über die Handelskammern sich noch nicht schlüssig gemacht bat. — Zur Zeit der Krisis, die Herrn von Köller's Rück tritt zur Folge batte, wurde u. A. auch behauptet, die Auf lösung der socialdemokratischen Parteiorganisa tion und der Vereine, die damit in Verbindung standen, sei eine von den Ursachen der entstandenen Differenzen gewesen. Später ging dann die unwidersprochen gebliebene Meldung durch die Blätter, Herr v. Köller sei bei dieser Maßnahme vorher gar nicht befragt worden, vielmehr sei sie von der Polizei auf eigene Verantwortung verfügt. Diese damals allervingS stark angrzweifelte Darstellung hat, wie der „Vor wärts" erwähnt, jetzt insofern ihre Bestätigung erkalten, als der General-Commissar Schöne in dem gegen Hmtze und Genossen geführten Proceß unter seinem Eide auSgesagt bat, er sei der eigentliche Urheber jener Maßnahme gewesen, in dem er seinen Vorgesetzten die Ansicht der Ungesetzlichkeit des Bestehens jener Organisationen vortrug und den Gedanken ihrer Auflösung anregtr. Diese Auffassung habe die Billigung der Vorgesetzen gefunden und zur Auflösung-Verfügung ge führt. Hiernach scheint eS in der That, daß die Verant wortung für den vielbesprochenen Act, der am 11. Mai der gerichtlichen Prüfung unterzogen werden wird, ausschließlich der Polizei zufällt. — Die Stellung der Socialdemokratie zur Re ligion, von gewisser Seite so überaus optimistisch beurtheilt, weil socialbemokratische Diplomaten ab und zu in Ver sammlungen der evangelischen Arbeitervereine sich tolerant geben, wurde hier neuerdings in einer Versammlung beleuchtet, in der Herr Theodor von Wächter einen Vor trag hielt. In der Debatte gab die bekannte Agitatorin Frau Gubela die Erklärung ab, daß sie „voll und ganz" auf social demokratischen Standpuncle stehe, v. Wächter sei deshalb nickt als „richtiger Parteigenosse" anzusehen, weil die Durchführung deS socialdemokratiscken Programm» nur möglich sei „mit Brechung sämmtlicher religiöser Ansichten". (Großer Beifall.) Frau Democh wollte die Kirchen als Versammlungslocale deibehalten wissen: „Wir gehen in die Kirchen, wenn die Wirthe, wie dieser Hier, wo )vir tagen, der verlangt, daß wir Frauen auch Bier trinken, uns da« Leben schwer machen. Nur wer geistig arm ist, braucht Kanonenkriege. Wir sagen: Fort mit dem Kriege, und fort mit der Religion." (Beifall.) Später erklärte Frau Democh die Ma gen frage al« die Religion der Arbeiter schaft. Einige Redner, welche den christlichen Standpuncl vertraten, stießcu bei der Versammlung auf theilweise heftigen Widerspruch — Drr „Vorwärts" theilt mit, daß „Genoss«" Bebel beabsichtige, auf einem Thril seine» Grundstück- am Züricher See „ein Hau- zur Vermiethung bauen zu lass«»" und daß er „den anderen Theil deS Lande- wieder ver äußern will." — Zu dem Au-stande der Musikiostrumentrn- Arbei ter beschloß gestern Abend die freie Berrinigung der Berliner Pianofortr - Fabrikanten und verwandten Beruf-genossen in einer von ca. 100 Migliedrrn besuchten Versammlung einstimmig, an der Verweigerung der von den streikenden Arbeitern gestellten Forderunen in allen Puncten ohne Ausnahme festzukalten. — Dir „Kreuz-Ztg." versichert, iS sei ihr nicht bekannt, daß General von Haknk« in Tacken »,« Militair«
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