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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960527013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896052701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896052701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-27
- Monat1896-05
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Di» Bkorge»U»rgabe erscheint «m '/,7 Uhr. dt» Ibeud-AuSgabe Wochentag« um 5 Uhr. Rediction nud LrpeLMo«: J»-«mneS«afle 8. DteExpeoition ist Wochentag« ununterbrochen geSsfnrt von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Bez«g-,Prei- Al her Hanptexpedttiou oder den im Stadt« bmtrt und den Bororten errichteten Au«, gavestellen ab geholt: vierteljährliche 4.50, bei zweimaliaer täglicher Zustellung in« Han« ^l kck». Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljäbrlich ^l 8.—. Direkt» täglich» Kreuzbandsenduug in« Au«land: monatlich 7.VV. Filialen: vtt» Mennn's Eortim. lAlfreb Hahn). ÜnioersitätSstrabe 3 (Paulinum), Loui« Lösche. Kathartnenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. 28i. Morgen-Ausgabe. MMer TllMatt Anzeiger. - Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Äuttes der Stadt Leipzig. Mittwoch dm 27. Mai 1896. Anziigin-Prett die 6 gespaltene Petitzeile LO Psg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) 50-H, vor Len Familiennachrichlen (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis, verzeichniß. Tabellarischer und Ziflernsatz »ach höherem Daris. Extra »Beilagen (gesalzt), na» mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesökderaag 60.—, mit Postbesorderung ^i 70.—. ^nnahmeschlnß fnr Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittag« 4UH^ Bei den Filialen und Annahmestellen je et»e halbe Stunde frühe». Anzeigen sind stets au di« Et-stzittan zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. Ver Evangelisch-sociale Congreß in Stuttgart. Heute tritt in Stuttgart der Evangelisch-sociale Congreß zusammen, dessen Verhandlungen diese« Mal wegen de« be kannten kaiserlichen Telegramm« ein besonder« lebhaftes Interesse erregen werden. E« erscheint un« angezeigt, über da« Arbeitsprogramm des CongresseS an der Hand eines Artikels von Z. Boelter zu berichten, der, sichtlich vor der Veröffentlichung des kaiserlichen Telegramm« geschrieben, in der ziemlich weit link« stehenden Stuttgarter Halbmonats schrift „Die Wahrheit" (herauSgegeben von Christoph SchrempÖ erschienen ist. Wir brauchen kaum zu betonen, daß wir sämmtlichen Einzelheiten des Artikel« .nicht zu stimmen; vor Allem halten wir die Gefahr, welche die sociale Wirksamkeit im Amte stehender Geistlichen im Gefolge haben kann, für ernster als Voelter, der sie übrigen« auch nicht leugnet. Und wenn Voelter den Geistlichen ohne Einschränkung den Willen zusvricht, „die Classen nicht zu verfeinden, sondern sie nach Ueberwindung der bestehenden Gegensätze zu versöhnen, dem Classenkampfe seine Schärfe zu nehmen" — so müssen wir darauf Hinweisen, daß eine Reihe agitatorisch thätiger Geistlichen unsere« Erachtens diesen „Willen" nicht bekundet, sondern eher daS Gegentheil. Nachdem wir dies vorausgeschickt, geben wir Herrn Voelter das Wort. Er schreibt u. A.: „Da« Programm weist keine eigentlichen Tagesfragen auf; e« fehlt an einem überragenden Mittelpunct, wie 1895. Trotzdem aber dürfen die zu verhandelnden Gegenstände weithin Beachtung finden. Allerdings das erste Thema, „die sociale Wirksamkeit des im Amt stehenden Geistlichen, ihr Recht und ihre Grenzen" kann man fast eine TageSfrage nennen. Denn immer wieder ist dieses Problem, wenn auch nicht principiell, so doch im einzelnen Fall an die Oeffentlichkeit gezogen und in der Presse mit lauter Stimme verbandelt worden. Bald wohlmeinend, bald in ungünstiger Absicht wird den Geistlichen nahegelegt, die Hand von der Sache zu lasten, da sie nicht ihres Amtes sei. Die einen fürchten für die eigene sociale Uebermacht, für ihre bisherige gesellschaftliche Stellung; sie halten eS für selbst verständlich, daß die Religion, wie e« bi« jetzt stillschweigend geschah, auch fernerhin ihren irdischen Interessen dienen soll. Es ist ja immer so gewesen, daß daS Christenlhum für Ruhe und Ordnung war, daß eS Gehorsam ver langte gegenüber der von Gott gesetzten Obrigkeit, gegenüber der gottgegebenen Ordnung — und darunter verstehen sie ihre eigene ökonomische Herrschaft —; eS forderte Demuth, Ruhe und Unterwerfung der unteren Classen. Naiv nimmt man daS dort für daS Ganze, für die Quintessenz de« Cbristenthum«. Nicht au« böser Absicht oder Heuchelei. Den meisten ist es heiliger Ernst damit. Und doch lehrt ein klein wenig Selbstkritik, daß das Christen- thum andere Ziele hat, als die sociale Lage einer gewissen Schicht zu sanctioniren. Jedenfalls erklärt fick aber, daß diese Kreise ungern sehen, wenn der Pfarrer die Interessen der kleinen Leute vertritt, der arbeitenden Bevölkerung, der Lohnarbeiter, Handelsgehilfen, kleinen Handwerker, kleinen Beamten, Kleinbauern u. s. w. Ich will nicht untersuchen, ob von geistlicher Seite Ungeschicklichkeiten mit unterliefen — welche Bewegung wäre von solchen frei? — ich will zuaeben, daß ängstliche Gemüther durch die Besorgniß erschreckt werden konnten, al« wollten die Geistlichen zwischen Besitzlosen und Besitzenden Zwietracht säen. Diese Furcht ist nicht nur unberechtigt; eine solche Betrachtung verrückt auch den ganzen Sachverhalt. Denn schließlich bandelt e« sich auf jener Seite doch nur um die principielle Forderung: der Pfarrer soll von diesen weltlichen Dingen lassen, weil das Bestehende Gotteöordnung ist, und daran nicht gerüttelt werden darf. Ich erinnere an Herrn v. Stumm, der nur offen ausspricht, wa« Tausende mehr oder weniger klar empfinden. Auf der andern Seite erheben sich warnende Stimmen: es sei das letzte und einzige Ziel des ChristenthumS, die Seele in den Himmel zu bringen; darum weg mit diesen irdischen Sorgen. Und gewiß, welcher Christ wollte nicht unbedingt diese Zweckbestimmung anerkennen?* *) Aber die Frage erhebt sich sofort: lassen sich die Seelen so abstrakt von aller Welt loSlösen? Sind e« nicht vielmehr Seelen von Menschen, die inmitten im Weltgetriebe stehen und arbeiten, die mitten in hemmenden und versuchenden Ver hältnissen selig weroen sollen? Darf man nun doch »limins alle sociale Thätigkeit de« Geistlichen abweisrn? Daraus wird jedenfalls soviel deutlich, daß eS zeitgemäß ist, eine deutliche Meinung in der'Streitfrage auszusprechen. E« kann doch kein Zweifel bestehen, daß der Pfarrer seine Augen nicht vor der Noth verschließen darf. Denn Jeder, der nur den Zweck, da« Seelenheil zu schaffen, inS Auge faßt, stößt fast wider seinen Willen auf Puncte, wo das Sittliche und Religiöse von den materiellen Zuständen beeinflußt wird. Man denke an die Wohnungsfrage, geringe Löhne, Prostitution, Arbeitslosigkeit. Soll der Pfarrer da mit geschloffenem Auge vorüber gehen? Soll er nur ein paar Almosen hinwerfen und sich dabei sagen: sie nützen doch nicht«; ich mache am Ende die Sache nur noch schlimmer? Will man ihn dazu zwingen? Und wenn sein Gewissen schlägt? Soll er e« dann betäuben? Nein, weil ihm die fremde Seelennoth auf die eigene Seele brennt, weil er ihr abhelfen will, muß er hinein: er kann nicht ander«. Er muß nachdenken über die socialen Nöthe, weil sie ihm riesengroß vor der Seele stehen, weil er in ihnen die Last empfindet, die auf die Seelen seiner Gemeinde glieder drückt. Der Pfarrer soll sich um die socialen *) So denken vor Allem auch die Kirchenregiment», die ent sprechend der geschichtlichen Entwickelung da« conservativ« Element in der Kirche vertreten. Sie sehen in der christltch-socialen Be wegung ein neue« Beginnen, da« möglicher Weise wett, ja zu weit führt, und suchen nun »inzudämmen. Eindruck muß bet ihnen auch machen, wenn Vertreter des Ehristrnthum« in den besitzenden Elasten und au« der Geschäftswelt, die sich in diesen Lingen allein Sach- kenntniß und Bersländnih, Nüchternbeit und realistisch» Erwägungen zutrauea, in scharfer Weis» gegen die Geistlichen sich au«last»n und sie in ihr» Schranken zurilckwetsen wollen. Und da« stad gerade dir Elemente, deren socialem Einfluß die Kirche viel» Unterstützung zu danken hat. Verhältnisse seiner Gemeinde kümmern; aber er kann dabei nicht bleiben. Tie Verkettung der wirtschaftlichen Lage muß ihn darüber hinaus, auf die allgemeinen Zustände, blicken aflen. Ju dieser Hinsicht kann das Referat nur einen mächtigen Protest erheben und dem Geistlichen sein Ge- wissenSrecht wahren. Aber andererseits sind Gefahren vorhanden. Der Geistliche ist ja für die ganze Gemeinde da, nicht nur für die untere Schicht; er soll Seelsorger, Vertrauensmann auch der Besitzenden sein. Durch sein Eintreten für die kleinen !?eute, wenn deren Interessen denen der Besitzenden zuwider- aufen, kann er sich leicht deren Mißtrauen zuziehen. Soll er da nicht davon lassen? Nein, wenn er überzeugt ist, daß er das gute Recht der kleinen Leute vertritt. Denn daran müssen sich die Besitzenden ge wöhnen, daß der officielle Vertreter des ChristenthumS auf die Seite tritt, wo ihm das innere Recht, die Gerechtig keit, zu liegen scheint. Und der Pfarrer kann das um so eher, weil er die Classen nicht verfeinden, sondern sie nach Ueberwindung der bestehenden Gegensätze versöhnen, dem Classenkampf seine Schärfe nehmen will. Aber zu verlangen, daß der Pfarrer ablasse von allen Bestrebungen, die zur wirthschastlichen und kulturellen und damit schließlich auch ittlich-religiösen Hebung des kleinen Mannes dienen, dazu hat niemand ein sittliches oder christliches Recht. Bei diesem Thema kann die Aufgabe deS ChristenthumS und einer Vertreter bestimmt ausgesprochen werden. Hier muß es deutlich werden, daß die christliche Kirche nicht eine .Classen- ! irche" ist, sondern daß sie noch immer in den Armen „die Schätze der Kirche" sieht, daß sie ernstlich gewillt ist, für sie vor den Reichen und Mächtigen einzutreten. Als ein sehr geeigneter Boden, dies zu betonen, erscheint mir Stuttgart und — Schwaben überhaupt, wo daS Cbristenthum die Religion deS kleinen Mannes ist, wo theilweise die christlichen Motive noch größere Stärke haben als anderSwo. Im zweiten Thema „Der Handel" hat der Congreß ein wichtiges Gebiet des WirthschaftSlebenS in den Kreis einer Betrachtung gezogen. DaS Referat wird nicht nur den ökonomischen und socialen Werth deS Handels beleuchten, sondern auch seine ethische Bedeutung untersuchen, die Ein wirkung auf die Volksmoral und die sittlichen Mißstände bervorheben, sowie in dieser Hinsicht Forderungen aufstellen. Nicht weniger wird auch die Frage deS unökonomischen Zwischenhandels erörtert und die wichtige Einrichtung der Consumgenossenscbaft behandelt werden. Daneben steht noch ein Problem auf der Tagesordnung, das schon viele praktische Politiker, vor allem auch in den Stadtverwaltungen be schäftigt hat, eine schlimme Begleiterscheinung unseres jetzigen WirthschaftSlebenS. Ich meine „Die Arbeitslosigkeit". Gerade in den letzten Jahren regten sich besonders in den Städten Bemühungen, die Mißstände zu regeln. Der erste Schritt dazu ist die Arbeitsvermittlung, um wenigstens die ver fügbaren Arbeitskräfte an den rechten Ort zu leiten. Aber das kann nicht genügen, da viel mehr Hände sich anbieten, als erfordert werden. Darum bleibt kein anderes Mittel, als kommunale Arbeiten in der rechten Weise zu vertheilen und für den Winter aufzusparen, auch besondere Nothstandsarbeiten ein zurichten. Daß die deutschen Stadtverwaltungen damit noch im Rückstände sind, ist bekannt. Am besten steht es damit im Süden und Südwesten, gerade auch in Stuttgart. Eine andere Möglichkeit, der Noth abzuhelsen, bietet sich in der noch keineswegs spruchreifen Arbeitslosenversicherung, mit der in einigen Schweizer Cantonen schon ein Versuch gemacht worden ist. Dabei darf man nicht vergessen, daß keineswegs zu viel producirt wird,' e« fehlt für Millionen nur an den Mitteln, entsprechend viel zu consumiren. Der einfachste Weg, der Arbeitslosigkeit zu steuern, ist, die Lebenshaltung der unteren Classen zu heben. Aber das erfordert lange Zeit. Jedenfalls greift die Frage der Arbeitslosigkeit tief hinein: und eS ist daher mit Freuden zu begrüßen, baß der Congreß weile Kreise darüber aufklären will." An die Verhandlungen schließen sich Specialco nserenzen. Eine wird den Plan P. Lechler'S aus Stuttgart „Nationale Wohnungsreform" behandeln. In erster Linie an vieFrauen, Mädchen wie Hausfrauen, wendet sich daS andere Thema „Die Thätigkeit der Frau im Gemeindedienst". DaS letzte Thema endlich lautet: „Die sociale Frage und die Schule". — Der Stoff, den der Congreß be wältigen will, ist, wie man sieht, groß genug. Hoffen wir, daß der fruchtbaren Anregungen recht viele werden. Deutsches Reich. * Leipzig, 26. Mai. Hiesige Blätter, die sich mit Vor lieb« ihrer Unabhängigkeit rühmen, darunter natürlich die socialdemokratische „Lripz. VolkSztg", sind außer sich vor Freude darüber, daß Vie officivse „Berl. Corr." eine von ihr mißverstandene (vgl. daS gestrige Abenvblatt an dieser Stelle. Red.) Meldung unseres Berliner tzß-Correspondenten „dementirt" Habel Wir stellen daS mit Vergnügen fest. Berlin, 26. Mai. Herr G. CawSton in London gehört zum Vorstand der Chartered-Company und ist gleich zeitig erster Director der in unserem südwestafrikanischen Schutzgebiet anerkannten South-West-Afrika-Company. Die letztere ist bekanntlich zum Bau einer Eisenbahn von der Küste in daS Innere des Landes verpflichtet. Dieser Bahnbau rückt nicht vom Fleck, obwohl er für die wirthschaftliche Ent wickelung de« Landes von der höchsten Bedeutung ist. Die Cbartered-Company hat daS entgegengesetzte Interesse. Im Juni vorigen Jahre« erklärte Cecil Rhodes, damals noch Premierminister der Capcolonie, in der Assemblu zu Capstadt, «v habe Vorsorge getroffen, daß keine Eisenbahn von dem deutschen Gebiet in da« Gebiet der Cbartered- Company übergeführt werde. Nack seiner Mittheilung hat di« englische Regierung der auf diesem Wege beabsichtigten Isolirung Deutsch-SüdwestasrikaS zugestimmt. Auf «ine An- fraae de« früheren CapministerS Merriman über die Doppel stellung de« Herrn G. CawSton antwortete Eecil Rhode« mit einem beredten Schweigen. Die hervorragende Stellung de« Herrn CawSton in zwei Gesellschaften, deren Int,reffen einander schnurstrack« zuwiderlaufen, erklärt Manche«. — Ein klerikales unterfränkischeS Blatt hat kürzlich Aufsehen mit der (vom „Leipz. Tagebl." bisher nicht erwähnten. Red.) Nachricht erregt, im Bereiche deS Landwehrbezirks Würzburg sei ein Reserveoffizier von einem Ehrengericht, als dessen Vorsitzender ein Staatsanwalt fungirt habe, zur An nahme eines Säbelduells angehalten worden. Wie das Blatt nun selbst erklärt, war d,e Nachricht falsch. DaS in Betracht kommende Ehrengericht bat keinen Staatsanwalt zum Präses und ist mit einem Fall, wie der geschilderte, nicht befaßt gewesen. * Berlin, 26. Mai. In zwei süddeutschen parlamentarischen Körperschaften, der württem bergischen Abaeordnenkammer und der Verfassungscommission der badischen Zweiten Kammer, sind dieser Tage bedeutsame Erklärungen über die in jenen Ländern schwebenden Verfassungsfragen erfolgt. In Württemberg handelt es sich um die Umwandlung des „Unterhauses" in eine reine Volkskammer durch Entfernung der Privilegirten, d. h. der Ritter und Prälaten, aus der Zweiten und ihre Ueberfübrung in die Erste Kammer. Die Erklärung des Ministerpräsidenten Frhrn. v. Mitt nacht bat nun die vor Allem in demokratischen Kreisen in jüngster Zeil aufgetauchten Zweifel über den Fortgang der Verfassungs revision verscheucht und bewiesen, daß das Ministerium in der Tbat ernstlich gewillt ist, dem ihr von der Kammermehrbeit gesteckten Ziel näher zu kommen; eS ist nunmehr officicll bestätigt, waS vor einiger Zeit verlautete, daß im Februar Ver handlungen zwischen drei Vertretern der Kammer der Standes- berren und drei Mitgliedern deS Staatsministeriumö über die Verfassungsfrage gepflogen worden sind, und man erfährt noch weiter, daß auch schon Besprechungen mit ritterschaft- üchen Abgeordneten statkgefunden haben. Wie weit die Ne gierung in der Sache schon gekommen ist, L. h. in der Be- eitigung der vorhandenen zahlreichen Schwierigkeiten, geht daraus allerdings nicht hervor, aber die Ankündigung, daß die Vorlage noch im laufenden Jahre an den Geheimen Rath und vor Abschluß der nächsten EtatSberathungen, also vor dem 1. April nächsten JahreS, dem Landtage zugeben solle, beweist immerhin, baß das Ministerium bereits auf dem richtigen Wege zu sein glaubt. Wesentlich anders liegt die Sacke in Baden, wo die Regierung sich zu der kurzen Erklärung veranlaßt gesehen bat, daß sie darauf verzichte, dem gegenwärtigen Landtag einen Antrag auf Verfassungsänderung zugeben zu lassen, weil für eine Aenderung in ihrem Sinne doch keine Mehrheit vorhanden sei. Zu dieser Auffassung mußte die Regierung kommen auf Grund der Beralbungen der DerfafsungScom- misstvn, in welcher bisher nur ein von ihr wiederholt als unannehmbar bezeichneter Antrag Muser, welcher das allgemeine gleiche und birecte Wahlrecht und das Systent der Proportionalvertretung fordert, eine Mehrheit auf sich vereinigte, während die übrigen Vorschläge abgelehnt wurden. Diese unzweideutige Erklärung hat nun aber, wie aus Karls ruhe gemeldet wird, die nätionalliberale Partei veranlaßt, ihre bisherige Eventualzustimmunz zu dem Antrag Muser zurückzunehmen und auf Grund ihres Antrags Fieser, den die Regierung wenigstens als bedingt richtig anerkannt hat, für sich weiter zu operiren und denselben zunächst im Plenum der Kammer einzubringen. Damit eröffnet sich viel leicht doch wieder die Aussicht auf eine nicht allzuferne Verständigung zwischen der badischen Regierung und der Kammer. Der Antrag Fieser schlägt bekanntlich eine Ver mehrung der Abgeordneten von 63 auf 73 vor und will von diesen 58 unter Aufrechterhaltung des jetzt bestehenden all gemeinen Wahlrechts durch geheime birecte Wahl der Wahl berechtigten ernannt sehen; die anderen 15 Abgeordneten sollen aber von den Gemeindevertretungen der großen Städte des Landes gewählt werden, außerdem soll an eie Stelle der bisherigen hälftigen Erneuerung der Kammer nach je zwei Jahren die Intcgralerneuerung nach vier Jahren treten. Ter Standpunkt der Regierung ist in der Erklärunng vom 17. Mai 1894 deutlich ausgedrückt: sie hält au dem indirekten Wahlverfahren nicht unbedingt fest, betrachtet aber „ein lediglich auf der großen Zahl der Wahlberechtigten beruhendes Vorwiegen einzelner Volkskreise" als ein unter allen Umständen zu vermeidendes Uebel und verlangt außer dem eine Berücksichtigung der besonderen Interessen der einzelnen Gemeinden. Es wird sich nun fragen, inwieweit ihr der Antrag Fieser diesen Anforderungen zu entsprechen scheint. (Allg. Ztg.) Berlin, 26. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser fuhr um 10 Uhr bei dem Reichskanzler - Palais vor, nahm Len Vortrag des Reichskanzlers und hierauf den des StaatS- secretairS von Marschall entgegen, empfing um 12 Uhr im königlichen Schlöffe den ehemaligen Botschafter Her bette in AbschievSaudienz und den Ministerrrsidenten von Uruguay vr. Garabelli in Antrittsaudienz. Danach fand im Beisein der hier anwesenden Mitglieder der russischen Bot schaft, an deren Spitze der BotschaftSrath von Budberg sich befand, im Lustgarten die Parade des Alexander-Grenadier- und des Alexandra-Garde-Dragoner-Regiments statt. Der Kaiser hielt eine kurze Ansprache an die Reginienter, in welcher er sagte: Beide Regimenter hätten sich stets aus gezeichnet und sollten sich durch ihre Haltung der hohen Ehre, da« russische Kaiserpaar zum Chef zu haben, stets würdig zeigen. Die Ansprache schloß mit einem Hoch aus das russische Kaiserpaar. Die Capellen spielten die russische Nationalhymne. Hieran schloß sich eine größere Frübstücks- tajel im königlichen Schlösse, zu der die Botschafts mitglieder ebenfalls geladen waren. Während der Tafel erhob sich der Kaiser zu einem längeren Trinkspruche auf da« russische Kaiserpaar. Er sagt«, daß daS Zarenpaar in diesem Augenblicke sich die Krone aufs Haupt setze, mit dem heiligen Oele gesalbt werde und daß in da» Jauchzen de« russischen Volkes auch der Jubel der anderen Völker, welche durch besondere Abordnungen in Moskau beute vertreten seien, sich mische. Der Kaiser gab den innigsten Segenswünschen für das russische Kaiserpaar Ausdruck und schloß mit einem dreifachen Hurrah auf das selbe, in welche« die festliche Versammlung begeistert ein stimmte. — Um 4 Ubr 30 Min. ist der Kaiser nach Briesen abgereist, nm in Madlitz zu pürscken. Er wird Abend« nach dem Neuen Palai« zurückkebren. (7) Berlin, 26. Mai. (Telegramm.) Wie die „Agence Havas" meldet, ist der ehemalige Botschafter in Rom und Konstantinopel, Marquis de RoailleS, zum Botschafter in Berlin ernannt worden. (7) Berlin, 26. Mai. (Telegramm.) Der „ReichSanz" schreibt: Ein Artikel der Wochenschrift „Die Nation" vertritt die Ansicht, daß der Anfang März auf der der Bergwerksgesell- schast Gicscke'S Erben gehörigen KleophaS-Ärubr bei Kattowitz vorgekommene schwere Unglücksfall, durch den 114 Bergleute umkamen, im inneren Zusammenhänge mit der Organisation derBergpolizei innerhalb der HerrschaftsMyslowitz-Kattowitz stebe, wo das Bergregal gegenwärtig dem Grafen Thiele-Winckler zusteht. Der Artikel enthält soviel Unrichtigkeiten und falsche Schlußfolgerungen, daß zur Vermeidung grundloser Be unruhigung der betheiligte» Kreise eine Berichtigung unerläß lich erscheint. — Der „Reichsanzeiger" legt sodann eingehend den Charakter des Privat-Bergwerksregals dar, sowie das Entgegenkommen der Thiele-Winckler'schen Verwaitung gegenüber den abgabepflichtigen Bergwerken und gegen über der Staatsregierung bezüglich der Ausübung der Bergpolizei, so daß das dienstliche Verhältuiß der herr schaftlich Myslowitz-Kattowitzer Aussichtsbeamten dem Verhält nisse der unmittelbaren Staatsbeamten thunlichst angenähert sei. Sie schwören auch den StaatSdienereid. Die Ueber- tragung der Function von Gewerbe-AufsichtSbeamten an die herrschaftlichen Revier-Beamten sei von der Landesregierung erfolgt. Die Landesregierung habe aus dem Unglücksfalle in der KleopbaS-Grube keinen Anlaß gefunden, von dem vor behaltenen Widerrufsrechte dieser Uebertragung Gebrauch zu machen. Die Frage der Veranlassung des Unglücks falles bilde noch den Gegenstand einer gerichtlichen Unter suchung. Der Artikel der „Nation" glaubte in der Lage zu sein, die Veranlassung zur Katastrophe bestimmt angeben zu können, seine Auffassung habe aber in der Beurtbeilunz kompetenter Sachverständiger bisher noch keine Unterstützung gefunden. (7) Berlin, 26. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser bat, der „N. A. Z." zufolge, dem StaatSsecretair Grafen Posa- Vowsky den Kronenorden 1. Cl. verliehen. — Der preußische Justizminister Schönstedt hat, wie die „Berl. N. N." berichten, an die ihm unterstellten Beamten folgende Verfügung ergehen lassen: „In letzter Zeit sind mehrfach Klagen darüber zur Kenntnis des Jlistizministers gelangt, daß das rechtsuchendc Publicum bei den Justizbehörden nicht immer dasjenige Entgegenkommen im persönlichen Verkehr findet, auf da« es berechtigten Anspruch hat. Wenn es sich hierbei auch um vereinzelte Vor kommnisse handeln mag, so werden daraus Loch nur zu leicht abfällige Urtheile allgemeiner Art hergeleitet. Ten Justizbeamten wird daher zur Pflicht gemacht, im amt lichen Verkehr mit dem Publicum >ede Schroffheit zu ver meiden, bei Abfertigung der Parteien sich die thunlichste Förderung angelegen sein zu lassen und namentlich in Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit recht«- und geschäflSunkundigen Per sonen bereitwillig Auskunft und Rath zu ertheilen, soweit nicht dienstliche Pflichte» oder zu berücksichtigende Interessen anderer Betheiligten entqegenstehen. Die Dienstauisichtsbehvrden wollen der Befolgung dieser Anordnung ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden." — Der „Hannov. Cour." brachte vor einigen Tagen die Mittheilung, daß Oberst Liebert in chinesische Dienste treten werde, um die Armee Chinas zu reorgauisiren. Wie nun das Blatt meldet, war jene MittheilunH nur theilweise zutreffend. Allerdings ist im December vorigen Jahres an den Genannten eine darauf bezügliche Anfrage gerichtet worden, die jedoch nicht zu einem derartigen Abschluß geführt hat. — Unter den Vorlagen, welche dem preußischen Land tag nach den Pfingstferien vorgelegt werden, dürfte sich, wie den „Hamb. Nachr." von hier gemeldet wird, ein Entwurf befinden, welcher auf die Ver Mehrung der Amtsgerichte abzielt. * Stettin, 25. Mai. Ueber daS Vermögen des Pastors Rauh zu Cladow ist das ConcnrSverfahren eröffnet. tt Weimar, 26. Mai. Hier hat unter Vorsitz des Regierung-- rath« Elle eine Conferenz der Vorstände der südwest- LeutschenJnvaliditäts-undAltersversicherungsan st alten stattgesunden. Es waren vertreten die Versicherungsanstalten von Westfalen, Sachsen, Anhalt, Hannover, Hessen-Nassau, der Rheinprovinz, der Königreiche Sachsen und Württemberg, der Gcoßherzogthümer Baden und Hessen, Elsaß-Lothringen und Thüringen. Von den Regierungen waren vertreten das Großherzoglhum Weimar, die Fiirstenthümer Schwarzburg-Rudol stadt, Schwarzburg-Sondershausen, Neuß j. L. Tie Tagesordnung war äußerst reichhaltig; wir heben indeß nur das auch weitere Kreise Jnterefsirende hervor. Man sprach sich z. B. in Betreff der Besetzung der Beamtenstellrn mit Militairanwärtern in Ausführung deS Reichsmilitairpensionsgesetzes dahin aus, daß man, so lange die Ausführungsverordnung hierzu noch nicht erschienen sei, vorläufig die Hälfte der Stellen mit Militairanwärtern bei den Versicherungsanstalten besetzen wolle. Ju Bezug aus das Heil verfahren und die Unterbringung von Kranken und Reconvalescenlen hielt man es für angemessen, eigene Sanatorien zu errichten und besonders die Heilung von Lungenkranken in Luftcurorlen zu versuchen. Hinsichtlich der Anlegung von Anstaltsgeldern verkennt man die Schwierigkeit nicht, einerseits auf mündel sichere Anlegung bedacht sein zu müssen, andererseits die Ge schäfte von Sparkassen und anderen Instituten nicht zu sehr zu beeinträchtigen. — Weiter wurde noch verhandelt über das Verhältniß der Versicherungsanstalten zu den Kranken kassen, über die Versicherungspflicht der Hausspuler und sonstigen Hausgewerbetreibenden der Textilindustrie, das Verhältniß der In validen- und Altersrenten zu den llnsallsrenten und den Ansprüchen der Armrnvrrbände und die GrschäftSrevision des Versicherungs amtes. Wegen der allerseits gewünschten Vereinfachung Ler ganzen socialpolitischen Gesetzgebung will man vorerst den Gesetzentwurf der Alters, und Invalidenversicherung abmarten. — In der am ersten Feier tage hier abgehaltenen Versammlung deutscher Factore (ver treten waren u.A.auchdieFactorenvrreine zu Dresden und Leipzig) wurde die Errichtung eines deutschen Factorenbundes beschlossen. Dieser hat seinen Sitz im ersten Jahre in Berlin; künftig bestimmt ihn die Generalversammlung. Ter Bund bezweckt den Zusammenschluß aller Factor», Abtheilungtvorstehrr, Ober- Maschinenmeister und anderer in leitender Stellung befindlichen Personen der sämmtlichen graphischen Anstalten Deutschlands behufs Wahrung und Förderung der StandeSinteressen, Unterstützung der Mitglieder oder deren Angehörigen in Notblagen, Stellen. Vermittelung und Au«kunst«'rlhe,lung, sowie Gewährung von Rechtsschutz. Ter Bund verlegt das Vereinsorgan „Leut'che Faciorenzeitung".
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