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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960608013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896060801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896060801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-08
- Monat1896-06
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-action nnd Erpe-itio«: JohanneSgaffe 8. Die Expevition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: etto Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn). Uoiversitätsstraße 3 (Paulinum), Laut» Lösche, Kathartnenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. Bezugs-Preis 1» der Hauptrxpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- aabestrllrn ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrteliährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung in» Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. WpMtk TagMalt Anzeiger. Ämtsvlatt -es Aömgtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Polizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Auzeigeu-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Reclamen unter demRedaction-strich (4gr- spalten) 50^, vor den Familirnnachrichtrn (6 gespalten) 40^. SrShere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ztffrrnsax nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung VO—, mit Poslbesorderung 70.—. Ännahmeschluß für Äuzeigen: Abrnd-Au-gabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen uud Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an die Expedition zu richten. Druck nnd Verlag von E. Volz kn Leipzig Montag den 8. Juni 189b. 90. Jahrgang. Königlich« Amtsgericht zu Leipzig aus den 26. September 1806, Vormittags 8 Uhr. ..... Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht. Der AerichtSschreiber heim ltöntgl. Amtsgerichte Leipzig, den 2. Juni 1886. Crackau, Zu Oe. I. 7. 607/96. Nr. 3. Secretair. Amtlicher Theil. Feld- uild Wiesenverpachtung. Die nachstehenden, der Stadtgemeinde Leipzig gehörigen Grundstücke in der Flur Leipzig, 1) Parcelle Nr. 2778, Parthenwiese, von — Ack. 293 LD R- — — da 54,05 n, 2) Abth. 2 des Eilenburger Rodelandes links an der Lindenauer Chaussee von 2 tm 84,8 a --- 5 Ack. 44 H)R. incl. 6,8 k Weg, 3) Abth. 7 des Eilenburger Rodelandes links an der Lindenauer Chaussee von 2 da 66,6 u -- 4 Ack. 245 E)R., 4) Abth. 17 der Ranstädter Viehweide, aus der rechten Seite der Lindenauer Chaussee am Wege vom Kuhthurme nach der Verschlossenen Brücke, von 1 du. 79,4 a -- 3 Ack. 72 L)R. (mit Begrenzung durch die Mitte der südlichen Fluthrinne) incl. 5,6 a Weg, in der Flur Leipzig-Eonnewitz, 5) Abth. b'. des Pleißensluthbettes am linken Pleißenuser ober halb der Hohen Brücke aus der Zwenkauer Chaussee von — da 17,34 a — Ack. 94 IHR., in der Flur Leipzig-Kleinzschocher, 6) Abth. IV. dec Parcelle Nr. 303 d, an der Ecke des Mühl wegs und der Plagwiüer Straße daselbst gelegen, von — da 85,27 a --- 1 Ack. 162 Ü)R., in der Flur Möckern, 7) Parcelle Nr. 268 zwischen der abgebrochenen sog. Bauern brücke und der Thüringischen Eisenbahn zu beiden Seiten Les von ersterer nach der Marienbrücke führenden Fahrwegs, einschließlich eines Stückes Fluthrinne, von 2 da 10,2 a --- 3 Ack. 239 (DR., sollen sund zwar das ack 7 genannte vom lausenden Jahre ab auf neun Jadre bis mit 1904 und die ack 1—5 vom Jahre 1897 ab nnf 10 Jahre bis mit 1906 zur Gras-, Heu- «nd Gruunnct- nutzuug, sowie daS ack 6 genannte vom 30. September laufenden Jahres ab aus drei Jahre bis mit 1899 zum Feldbau mit Aus schluß jeder anderen Benutzungsweije Dienstag, den v. Juni lauf. Jahre», Vormittags'/, 11 Uhr, im alten Polizeigebäude — Reichsstraße Nr. 3 — 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23, an den Meistbietenden verpachtet werden. Die Versteigerungs- und Verpachtungsbedingungen liegen auf dem Ralhhaussaale, 1. Obergeschoß, zur Einsichtnahme aus. Leipzig, Len 1. Juni 1896. Ter Rath der Stadt Leipzig. Id. 190. 1831. Or. Georgi. Morche. Konkursverfahren. lieber das Vermögen des Kaufmanns Robert Amand Paul Uber, Inhabers der Molkerei-Butterhandlung hier, Gerberstraße 1 (Wohnung: Alexanderstraße 46). wird heute, am 18. Mai 1896, Vormittags '/„ll Uhr, das Kontursverfahren eröffnet. Der Kaufmann Herr Johannes Müller in Leipzig, Marschner- straße 3, wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkurssorderungen sind bis zum 22. Juni 1896 bei dem Gerichte anzumelden. ES wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Ver walters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falles über die in 8 120 der Kookursorduung bezeich neten Gegenstände aus . den 10. Juni 18V», BormittagS 11 Uhr, und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen aus den ». Juli 18VV, Bormittags 11 Uhr, vor dein unterzeichneten Gerichte, Zimmer 206, Termin anberanmt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird anfgegeben, nichts an den Geineinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auserlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, sür welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 18. Juni 1896 Anzeige zu machen. Königliches Amtegericht zu Leipzig, Abth II', L.. 60./96. Xo. 2. am 18. Mai 1896. Bekannt gemacht durch den Gerichtsschreiber Secr. Beck. Oeffcntliche Zustellung. Der Cigarettenfabrikant v. Weller zu Dresden — vertreten durch Rechtsanwalt Hillebrand in Leipzig, Neumarkt 23, I. — klagt gegen den Cigarrenhändler HermüUU König, früher in Leipzig- Lindenan, Merseburger Straße Nr. 42 wohnhaft, jetzt unbekannten 'Aufenthalts aus Kaufvertrag und aus einem ausgebrachten Arreste mit Lein Anträge auf kostenpflichtige Verurthriluug de» Beklagten zur Zahlung von 69 seit dem 11. Mai 1896 von 59 sowie Las Urtheil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und ladet den Beklagte» zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor das Das Lyffhänserdenkmal und der Laisertraum des deutschen Volkes. Zwei würdige Denkmäler besitzt Deutschland nunmehr zur Erinnerung an die Wiederaufrichlung deö Reiches: ein sym bolisches am Ufer des Rheines und ein persönliches auf dem Kyffhäuser. Während aber die Germania auf dem Nieder wald die „Wacht am Rhein" bedeutet, also einen scharf aus geprägten politischen Cbarakter trägt, versinnbildlicht das Kaiser Wilhelm-Denkmal auf dem Kyffhäuser die Ver wirklichung des alten Kaisertraumes, dem das deutsche Volk in guten und schlimmen Tagen, besonders aber in Kampf und Noth, die unwandelbarste Treue bewahrte, und deshalb darf dies Denkmal auch, obwohl lediglich von den Krieger vereinen errichtet, die Bedeutung eines Nationaldenkmals beanspruchen, jedenfalls aber wird es gerechtfertigt sein, zur bevorstehenden Einweihung einige Betrachtungen an jenen Traum zu knüpfen und sich die wichtigsten damit im Zu sammenhang stehenden Episoden inö Gedächluiß zurückzurufen. Werfen wir zunächst einen Blick aus unsere Oertlichkeit, so kommt in erster Linie in Betracht, daß die Burg Kyff- hausen im Jahre 1l55 vom Kaiser Barbarossa als Reichs burg wieder aufgebaut wurde, nachdem sie 1118 von den aufständischen Sachsen und Thüringeru zerstört worden war. Als Kaiserresidenz hat sie jedoch nur vorübergehend gedient. Ihr eigentlicher und ursprünglicher Zweck bestand in dem Schutz der eine halbe Wegstunde davon entfernten Kaiserpfalz zu Tilleda, sowie als Zufluchtsort für die umliegenden Klöster. Aus letzterem Grunde war sie gewiß auch so weitläufig an gelegt, dknn der Umfang ihrer Trümmer deutet eher auf eine Stadt als auf eine Beste. Da die Pfalz zu Tilleda im Jahre 972 erbaut war, so muß die Burg auch Wohl um dieselbe Zeit entstanden sein. Ob der Berg schon zur alt germanischen Zeit befestigt war, ist nicht bekannt, höchst wahrscheinlich war er aber eine Cultusstätte des Wodan, denn ganz zweifellos ist die Barbarossasage aus dem Wodan mythus entstanden. Wodan sitzt schlafend mit seinen Helden im Berge, des Tages der Wiederkunft und des entscheidenden Kampfes harrend. Seine Raben stiegen um den Berg. Er hat einen rothen Bart. Dies alles kehrt in der Kyffhäuser- sage genau wieder. Nach den neueren Forschungen bezieht sich jedoch die deutsche Kaisersage, beziehungsweise der Kaiser traum des deutschen Volkes, mit der Hoffnung auf die er lösende Wiederkunft, ursprünglich nicht auf den Kaiser Roth- bart, sondern auf seinen Enkel Friedrich II., den letzten Hohenstaufischen Kaiser. Welche Bewandtniß r» damit hatte, werden wir gleich sehen. Friedrich II., unstreitig einer der geistig begabtesten von allen Kaisern des römischen Reiches deutscher Nation, war inmitten seiner großartigen Kämpfe am 13. December 1250 zu Fiorentino in Apulien (Unteritalieu) im 56. Lebensjahre gestorben, und es war sein Ableben von seinem Sohne Manfred eine Zeit lang geheim gehalten worden. Dies gab schon gleich dem uralten, fast allgemein im Volksgemüth vor handenen Glauben, daß große Fürsten ihr irdisches Leben nach dem Tode sortsetzen, Nahrung und führte naturgemäß auch zu dem Glauben, daß dies bei Friedrich II. der Fall sei. Zwölf Jahre später trat in Apulien ein Mensch auf, der sich für Friedrich II. ausgab. Er gewann einen Anhang von „vielen Ketzern", wie es in der Ehronik heißt. Da Friedrich II., in Folge seiner Kämpfe mit dem Papstthum, ein „Erzketzer" gewesen, so war solcher Anhang selbstverständlich ketzerisch. Dem Auftreten jene» Apuliers wurde aber nach der Chronik ein rasches Ende bereitet. Außer diesem falschen Friedrich soll um dieselbe Zeit noch ein zweiter in Apulien aufgetreten sein. In Deutschland fand die Kunde von dem Fortleben Friedrich s II. den mächtigsten Widerhall, da in Bezug auf den Kaiser Barbarossa schon derselbe Glaube entstanden war. Ein wirksamer Grund ist aber darin zu suchen, daß in Deutschland daS Interregnum mit allen Gräueln des Faust- rechrs angebrochen war und die in Folge der Mißwirthschaft der Kaiser und besonders ihrer undeutscheu italienischen Politik ohnehin schon drückend gewordene wirthschaftliche und rechtliche Noth deS Volkes, insbesondere des Bauernstandes, aufs Höchste gesteigert war. Infolge dieses Elendes gewann der Glaube an die Wiederkunft Kaiser Friedrich s II., der sür das Volk stets rin Herz gehabt, obwohl er wenig oder nichts für es gethan hatte, die lebhafteste Nahrung und fachte die Hoffnung auf Erlösung durch seine Wiederkunft aufs Heftigste an. Da die Geistlichkeit in diesem Glauben naturgemäß eine Ketzerei erblickte und ihn als solche behandelte, ihm entgegen arbeitete, gewann auch der ohnehin schon vorhandene Haß gegen die Geistlichkeit auf diesem Wege Nahrung, und so ist es denn auch erklärlich, daß in den betreffenden Kundgebungen (Prophezeiungen rc.) stets iu erster Linie davon die Rede ist, daß der Kaiser die Geistlichen, damals allgemein Pfaffen ge nannt (aber nicht in unserem gehässigen Sinn), züchtigen uud vertilgen werde. Bon allen diese» Kundgebungen ist die be- merkenswertheste die des Bettelmönches Johannes Vitodura- mus, der prophetisch auSruft: „Er wird kommen unser Heiland Friedrich in gewaltiger Majestät und wird die verrottete Kirche läutern und ver bessern. Er wird kommen, denn er muß kommen! Und wäre sein Leib in tausend Stücke zerschnitten, ja wäre er zu Asche verbrannt, so wird er doch kommen, denn es ist im Rathe Gottes also beschlossen und kann nicht anders sein. Wenn er Las Reich wiederum bat, wird er die Tochter des Armen dem Reichen zum Weibe geben, den Wittwen und Waisen und allen Beraubten wird er das Ihrige wieder erstatten und Allen ihr Recht zu Theil werden lassen, reichlich und vollauf. Die Pfaffen aber wird er mit solchem Ingrimm verfolgen, daß sie, wen» sie nichts Anderes haben, mit Mist ihre Tonsuren bedecken werden, damit man sie nicht als Priester erkenne, und diejenigen Geistlichen, welche Baun- ckjrüche gegen ihn verkündet haben, wird er vom Erdboden vertilgen." Die Vorbedingungen zur Jnscenesetzung der Wiederkunft des Kaisers Friedrich II. waren also auf deutschem Boden sehr günstig, ja c-s müßte unS Wunder nehmen, wenn sich Niemand Lazu gefunden hätte. Solcher Prätendenten traten denn auch in der Folge mehrere auf, aber erst zehn Jahre nach dem Regierungsantritt Rudolfs von Habsburg. Dies könnte ebenfalls Verwunderung erregen, da sich die wilde Zeit des Interregnums doch besser zu ernem solchen Auftreten geeignet hätte, als die polizeilich vcrhältnißmäßig wohlgeordnete Re- gierungSzeit des trefflichen Habsburgers. Andererseits aber ist zu beachten, daß man mit der Regierung Rudolfs von Habsburg keineswegs so zufrieden war, al» man vorauszu setzen geneigt sein könnte. Daß die freibeuterischen Elemente, denen er so gründlich das Handwerk gelegt hatte, ihm nicht hold waren, ist ja selbstverständlich, aber das Bürgcrthum und das Landvolk hätten doch unbedingt auf seiner Seite stehen müssen. Unzweifelhaft wäre dies auch der Fall ge wesen, wenn die Reichsregierung infolge der beständigen Kriege und Fehden Rudolf'S nicht so kostspielig gewesen, die Steuerschraube nicht immer schärfer angezogen und end lich gar den 30. Pfennig, d. h. 3'/» Proc. vom gesammten Eigentbum, gefordert hätte. So war denn die Unzufrieden heit im Volke ungeschwächt geblieben, ja sie hatte sich infolge der ihm bereiteten Enttäuschungen noch gesteigert. Es wurde oben gesagt, eS seien in Deutschland mehrere Personen unter dem Namen Friedrich s II. aufgetreten. Wir werden unS jedoch nur mit einer derselben, mit Ti le Kolup, beschäftigen, einmal, weil uns über diesen Prätendenten glaub würdige Urkunden vorliegeu, und weil eS nur ihm gelang, einen bedeutenden Anhang zu gewinnen und sich «ine Zeil lang zu behaupten. Tile Kolup'S Name war eigentlich Dietrich Holzschuh; beide Namen sind jedoch gleichbedeutend. Tile ist eine Dimi nutivform für Dietrich und Kolup die Gräcisirung von Holz schuh (Kalo» Holz uud j>us Fuß). Er war ländlicher Geburt, aus dem Erzbisthum Cöln, schon hochbetagt, als er hervortrat (man spricht von achtzig Jahren),aber noch rüstig an Körper und Geist. Sein Bildniß zeigt eindrucksvolle GesichtSzüge, die es verstehen lassen, daß dieser Mann wohl befähigt war, eine Rolle zu spielen. UebrigenS hatte er eine solche Aehnlichkeit mit Friedrich II., daß selbst nahe Verwandte desselben da durch getäuscht wurden. Zuerst soll er bei den Friesen auf getreten sein; verbürgt ist erst sein Auftreten zu Köln im Jahre 1283. Die Wahl dieser Stadt zum Schauplatz seines Auftretens war ganz richtig, denn die Kölner hatten sich stets als gute Anhänger Friedrich'» II. erwiesen. Aber sein Versuch schlug gänzlich fehl. Er wurde eingekerkert, dann dem Pöbel zum Gespött preisgegeben und schließlich durch den Büttel aus der Stadt und über deren Weichbild gebracht. In den Kölner Archiven findet sich über diese Vorgänge leider nichts. Auch die Cronica van der hillger stat Coellen 1499 (Koelhoff'sche Chronik) erwähnt nichts von Tile Kolup'S Auftreten. Was man darüber Näheres weiß, stammt aus anderweitigen zerstreuten Nachrichten. So soll er bei seiner Verhaftung beständig gerufen haben: Lgo 8um ror (warum nicht imporawi?) IHockorious. Aus dem Kerker soll er nach dem Krammarkt (wahrscheinlich dem Heumarkt) gebracht und vor versammeltem Volk genöthigt worden sein, eine Leiter zu besteigen, nachdem man ihm eine Flitterkrone aufgesetzt hatte. Dabei soll es nicht an Mißhandlungen gefehlt haben, unter andern habe man ihm den greisen Bart ausgezupft. Zu gurer Letzt habe man ihn noch in eine Mistpfütze gesetzt. Hiernach zu urtheilen, hätten die Kölner die Absicht gehabt, den Manu gründlich zu curiren. Jedenfalls waren sie in dieser Hinsicht im Jrrtbnme. Der Mißhandelte wandte sich nach Neuß. Auch diese Wahl geschah mit gutem Bedacht, denn die Neußer standen damals mit den Kölnern so zu sagen auf dem Kriegsfuße. Wahrscheinlich hat er dort auch gute Verbindungen gehabt. Wenigstens gelang ihm Alles nach Wunsch. Als Kaiser anerkannt, richtete er alsbald einen glänzenden Hofstaat ein, setzte sich mit ehemaligen Freunden Friedrich s II. brieflich iu Verbindung und ließ cs auch an sonstigen Kundgebungen nach außen nicht fehlen, so daß bald ein großer Zulauf von nah und fern nach der kaiserlichen Residenz erfolgte. Leutseligkeit, Freigebigkeit, Gastfreundlichkeit und schöne Versprechungen: das waren die Zauberdinge, mit denen er seine, Wunder verrichtete. Nebenbei war es seinen Zwecken nicht wenig förderlich, daß er mit Titeln und Privilegien nicht geizte. Woher aber erhielt er die Mittel zu diesem Aufwand, den die Stadl Neuß doch unmöglich allein bestreuen konnte? Die Antwort ist ganz einfach: vou den Verfolgten und Bedrängten, also von Ketzern und Juden, die ihm auf seine Versprechungen goldener Berge und der Erlösung von allen liebeln chre Säckel willig öffneten. Aber noch ein zweites Näthsel bleibt zu lösen. Die Frage ist: Wie war der Mann von niederer Herkunft im Stande, als Kaiser Hof zu halten, obne sich durch Verstöße lächerlich und unmöglich zu machen ? — Es wird angenommen. Laß Dietrich Holzschub in jungen Jahren am Hofe Friedrich s II. in irgend einer Weise dienstlich beschäftigt war, man sagt, als Schmied. Diese zwar nicht verbürgte Annahme trägt in hohem Grade den Stempel der Wahrscheinlichkeit, denn nur auf Grund eigener Anschauung konnte er die hier er forderlichen Kenntnisse erlangen. Nun waren aber die damaligen Schmiede zugleich Roßärzte. Außerdem hatte Holzschuh sick eingehend mit Zauberdingen und Astrologie beschäftigt. Er gestand Lies ausdrücklich auf der Folter. Damit würde sich auch wieder das Schmiedebaudwerk in Einklang bringen lasse», denn die mittelalterlichen Schmiede standen mehr oder weniger im Rufe der Zauberei. Als Noßarzt und Zauberkundigem boten sich ihm hinlänglich Be- rühruugSpuncte uud Gelegenheiten zur Bekanntschaft mit dem Hofleben. Daß der Pjeudvkaiser seine astrologischen uno magischen Kenntnisse zur Behauptung seiner Rolle nicht unbenutzt lieg, ist als sicher anzunehmen Genaueres darüber, wie überhaupt über seine Regierungszeit weiß man nicht, da daS Neußer Archiv, daS die betreffenden Acten enthielt, im Jahre 1583 beim Braud des Ralhhauses größtentheils zerstört wurde. Inzwischen hatte der Ruf des Pseudokaisers sich durch ganz Deutschland verbreitet und war sogar ins Ausland ge drungcn. Eine Gesandtschaft der Friesen traf ein, um Hilfe gegen ihren Bedränger, den Grafen Florens von Holland, zu suchen. Durch den Bischof von Utrecht läßt der falsche Friedrich den Grafen auffordern, von der Belästigung der Friesen abzustehen, widrigenfalls er gegen ihn einschreiten werde. Graf Florens aber ließ sich nicht einschüchtern. Er gab sogar eine trotzig ablehuende Antwort, die auch des Stachels nicht entbehrte, da er den Pseudokaiser den „Patri archen von Neuß" nannte. Dies war eine Niederlage, die der falsche Friedrich nicht erwartet hatte. Doch standen seine Angelegenheiten m diesem Augenblicke so gut, daß er sie FeiiiHetsn. Zwei Humoresken von Fritz Venter. Mitgetheilt von vr. A. Römer (Berlin). Nachdruck »erbot«». Fritz Reuter hat in seiner schriftstellerischen Erstlings periode auch als Redacteur sein Heil versucht. Vom April >855-56 gab er ein Wochenblatt heraus, das den stolzen Titel führte: „Unterhaltungsblatt für beide Mecklenburg und Pommern." Jede Nummer brachte vier Folioseiten. Die Auflage war nur sehr gering. Und da der Ruf de» großen plattdeutschen Dichters damals über enge Grenzen nicht hin ausging, so haben weder die „Nigenbrambörger", noch die guten „Trcptusen" dem Blatte einen sonderlichen Werth bei gelegt. Heute ist es eine literarische uud bibliographische Seltenheit ersten Ranges. Nach langjährigen Bemühungen habe ich vor einiger Zeit den vollständigen Jahrgang des UnterhaltungSblatte» erworben: es ist, wie man annehmen darf, wohl daS einzige Exemplar, das sich erhalten hat. AuS dieser ganz verschollenen Quelle mögen hier ein paar hübsche kleinere Humore-ken geschöpft und wiedergegeben werden, di« ganz zweifellos unseren plattdeutschen Meister zum Verfasser baden. Wie es kam, daß der CommissariuS Müller ein Räuberbanptmann wurde. Der Commissarius Müller sitzt in seiner Stube, und stellt Beobachtungen an über die Reihe tiefer Gedanken, die heute zufällig durch seinen Hirnkasten zieht. Sein« theuere Ehe- hiilfte, die Frau Commissariussin, wie sie von der größeren Hälfte der Stadt genannt wird, tritt augenscheinlich erregt inS Zimmer, will rede», stutzt aber, als sie den beschaulichen Zustand ihre« Gemahl» gewahr wird; endlich saßt sie Muth, und mit zarter Hand leise den Rockärmel de« gedanken brütenden Gatten berührend, sagt sie: „Mölling, in Ollen Strelitz i» SchinnehanneS tau seihn." „So." „Ja, Mölling, vor fall'«« Waßsiguren-Geschicht tau seihn sin." „Dei fall ok gor tau hübsch sin." - „So." „Ja, un nun Schwägerin, un ick, wie wull'n hen, Mölling." „Un wi wull'n di fragen, Mölling, ob du «ich en beten mit wullst." „Ne!" „Na denn adjüS, Mölling!" Kaum hat die Frau Commissariussin das Zimmer ver lassen, so taucht der Commissarius auf auS seinem Gedanken meer, und während sein« Ehehälfte durch die Straßen der Stadt wandelt, um die Schwägerin abzudolea, greift er nach Stock und Hut und eilt, Fußsteige und Richtweg« «j,. schlagend, nach Alt-Strelch, und dort angekommen, direkt in« WachSfiguren-Cabinet. „Guten Abend." „Ei, scheenen juten Abend. Belieben Sie jesälligst nur hier bereinzutreten." „Wat kost'»?" „Bier jute Jroschen vor die Person; Kinderchens bezahlen die Hälfte." In Anbetracht und in Erwägung, daß er sich Wohl nicht mehr füglich für ein Kind auSgeben könne, bezahlt Mölling seine vier guten Groschen und tritt in daS Zimmer, Wo er von dem Inhaber des Cabinets empfangen wird. Sehu Sie hier Leu Kaiser Napoleon Bouaparte, im Be griff, als er über die Alpen jehen will uu zu seine Jener»!« die Worte sagt: „Kinder, dat jeht »ich jo!" Neben ihm steht Mürat, sein eigener Schwager, in Form eines Mameluken. — Sehn Sie! Dieser hier mit die Vatermörder iS der Bluthund Robespierre, wie er in den Cofent auf neue Mord- thateu sinnt. — Diese hier, die bier uf die beedeu Stühle sitzt, ist die Königin Christine von Spanien, von einem Freund von mir nach der Natur poussirt. — Sehn Sie diese Krupe! — Die» ist SchinderhauneS mit seiner Band», genannt die Blutbrüder, wie er im Begriff ist, ein unschuldiges Bauer weib vor den sichtlichen Augen der Menschheit zu ermorden, seine Blutbrüder, der rotbr Karl und Damian Hesse, helfen ihm dabei. - „Wo iS denn awer de SchinnehanneS?" fragt Com missarius Müller. „Ja, sehn Sie, der fehlt." „Wo so, fehlt?" „Ja, sehu Sir, da hab' ich 'ne dumme Dirn, di« soll beute Morjen hier auSfegen un den Stoob von die Herr schaften wischen, un wie sie dabei is, un die Königin Christine Reinlichkeit antbu«, da stößt sie mit den Bessenstiel Schinder- hannessen unter'S Kinn, un stößt ihm 'n Kopf ab — en SpringS halt' er schon. Und da mußt ick 'n janz weg- nehmen." „Na, hewwen Sei denn noch sine Kledaschen?" „Ja Wohl, die hab' ich." „Jh, denn dauhn S' mei den Gefallen un laten S' nii dei mal antrecken, ick wull mal hier en beten SchinnehanneS spelen." Der Mann machte einige Einwendungen; der Commissarius wußte sie jedoch zu widerlegen, wurde räubermäßig auS- staffirt, unter die Blutbrüder gestellt und stand nun da, sein Schlachtopfer bei den Haaren packend uud mit einem schreck lichen Küchenmesser in den Eingeweide» des unglücklichen Bauernweibes wühlend. Die Frau Commissariussin tritt mit ihrer Schwägerin ein. Der Eigener der hohen Herrschaften beginnt seine Er klärungen; Bonaparte, Murat, Robespierre sind abgethan, er ist bei Christinen und geht auf Schinderhanues über mit den Worten: „Dies ist Schinderhannes mit seiner ..." „Herr Je! nun Mann! — Kik, Liuing, kik! Is dat «ich Mölling?" „Dies ist der berüchtigte Schinderhannes mit .." „Ne, Herr", ruft jetzt Lining, „dat iS hei „ich, dat iS de Herr Commissarius Molle ut Strelitz!" „Mölling! SchinnehanneS! — SchinnehanneS! Mölling! Ick bidd Di, wat deihst Du? Du makst jo dat Frugens- minsch Lod!" ruft die zitternde Frau Commissariussin. „Wo kam ick Unglücksworm tau so'n Mann?" „Gott in'n Hoge» Himmel!" ruft die Sckwägerin, „hei kennt uns nicht. Wi ken'nem nich, un hei kennt sick sülwst nich. Kumm, Kind, kumm 'rut! Dei Anblick deiht die kein gant!" Und mit Hilfe des Cabinet-Eigentbümers wird die un- I glückliche Frau Commissariussin von der Schwägerin hinaus-
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