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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960613025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896061302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896061302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-13
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Amtsblatt des königliche,r Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nattzes und Polizei-Amtes -er Ltadt Leipzig; Anzeigen-PretS die 6 gespaltene Petitzeile ^g. diielamti, üntör dsin Redacttvttßstrlch <4av> spälteti) 50A. vor deU IckMilietiliachtichtkn (tz gespalten) 40^. »tößdre SchrtsteN ldüt Unserem Pnlt- derzsichUiß. rubellarischer Ubtz tzifferNsatz nach höherem DUrtf. Oxttüt-Bdilatzttt (gefalzt), kttlt Ml» dtr Mvrqttt-Ausgabe, ohne Postbesördrrüttg 60.—, mit Postbesörderunss 70.—. Änkahtnrschlnß fvr Anzrißrn: 8benb-Au^gabe: Äonnitiagt isi jthr. Morgrn-Ausgabe: Nachmittag- sllhr. ßvtt den Kilialen uüd Annahmestellen t» eine halbe Stunde fdü-er. Attjelßdt, sind stets au hie Stdedlltdtt zu Lichtest. Druck Und Verlag von E. Polz in Leipzig ^-287 Sonnabend den 13. Juni 1896. —M 98. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Juni. Der Reichstag hat gestern die dritte Lesung der Gcwcrbe- ordnnngSnovcllc beendigt. Art. 11, welcher die Zahl der Gegenstände vermehrt, die im Um herzieheN nicht angekauft oder feilgeboten werdest dürfen, wurde nach der Regierungs vorlage mit der einzigen Aenderung angenommen, daß das Hausiren mit Gemüse und Blumensamen (aber nicht mit anderen Sämereien) erlaubt bleibt. Die Befuaniß für die Landesregierungen, für bestimmte Zeit den Handel mit Rindvieh, Schweinen, Ziegen oder Geflügel zu untersagen oder zu beschränken, wurde genehmigt und auf Schafe ausgedehnt, andererseits jedoch dahin eingeengt, daß von ihr nur zur Abwehr oder Unterdrückung von Seuchen Gebrauch gemacht werden darf, bezüglich der Boraussetzung für die Versagung des Wandergewerbescheins griffen zwei Milderungen der Regierungsvorlage Platz. Personen unter 25 Jahren sollen den «schein erhalten, wenn sie Ernährer einer Familie sind und bereits 4 Jahre im Hausirgewerbe thälig waren. Ferner wurde die Vorschrift beseitigt, wonach dem wegen Land friedensbruchs Bestraften unter gewissen Voraussetzungen der Schein versagt werden muß. Der Rest des Gesetzes wurde unverändert angenommen. — WaS die vorgestrige Abstimmung des Reichstags über die Einschränkung des Detail reisens betrifft, so müssen wir heute nochmals darauf zurück kommen, weil der Wirrwarr, der bei dieser Abstimmung herrschte, ein eingehendes und sicheres Urtheil über dieselbe gestern unmöglich machte. Bei genauer Prüfung eraiebt sich, daß durch diese Beschlüsse die schwerwiegendsten Verschlech terungen, die der conservativ-klerikale Compromißantrag (Hitze) der Fassung zweiter Lesung angedeihen taffen wollte, verhütet worden sind. Durch die Annahme eines national liberalen Antrags (Placke) ist der Bunbesrath bevollmäch tigt, außer den Druckschriften, die im Gesetze selbst von dem Verbot des Detailreisens ausgenommen sind, Waaren zu bestimmen, die ohne vorgängige ausdrückliche Aufforderung bei Personen, die die Maaren nicht in ihrem Geschäfts betrieb verwenden, zum Kaufe angeboten werden dürfen. Insoweit stellt die von den Nationalliberalen in das Gesetz gebrachte Bestimmung die Regierungsvorlage wieder her. Sie mildert diese jedoch gemäß dem Beschlüsse zweiter Lesung, indem sie die Zulassung von Ausnahmen nicht Nur für Waaren, sondern auch für „Gegenden" und „Gruppen von Gewerbetreibenden" gestattet. Die gesetzliche Aus nahme von Gegenständen der Leinen- und Wäsche- sabrikation, die in zweiter Lesung vorgeschrieben war, ist wieder beseitigt, was uns nicht als Fehler erscheint. Hätte man Leinen- und Wäscheartikel als die Waaren be zeichnet, für deren Absatz Bestellungen bei Privaten uner läßlich sind, so hätte der Bundcsrath sich auf den Standpunkt stellen können, das Nothwrndige habe der Reichstag besorgt. Da man sich aber auf die Ausnahme von Drucksachen, denen gegenüber nicht nur gewerbliche Erwägungen maßgebend waren, beschränkte, ist die Verantwortlichkeit des Bundesraths für die Fortexistenz einer Reihe von Gewerben und Gewerbe treibenden verstärkt wordett. Die Bestimmung, die Nach vor gängiger ausdrücklicher Aufforderung das Aussuchen von Be stellungen gestattet, ist eine Erleichterung für die bei Privaten „eingesührten" Geschäfte und Detailreisenden, wirkt aber nahezu prohibitiv für Diejenigen, die sich erst Kundschaft verschaffen wollen. Auch die Vorschrift, daß Kaufleuten nur in deren Geschäftsraum Waaren angeboten werden dürfen, wird als Verschärfung empfunden werden. Wird der Beschluß über das Detailreifen Gesetz, so kann man nur wünschen, daß dieses im geschäftlichen Leben nicht den Wirrwat anrichtet, unter dem jener gefaßt worden ist. Der Beschluß ist aus einem Chaos von Anträgen entstanden, in dem die gewählten Gesetzgeber sich nur zum Tbeil zurecht gefunden haben dürften. Die Be stimmung der Reihenfolge der Abstimmungen ist gewandten und erfahrenen Parlamentariern nicht leicht geworden, der beste Beweis für die Klärungsbedürftigkeit der Materie noch im Augenblick der endgiltigen Entscheidung. Die Schwierigkeiten waren begreiflich, denn bei dieser Gewerbe ordnungsnovelle bat sich das Plenum deS Reichstags an eine Aufgabe herangewagt, der nur eine Commission gewachsen ist Die sachgemäße Erledigung von Vorlagen ohne Ausschnßberathung ist möglich und unter Umständen wünsckenswerth, wenn man einheitliche, nicht mit schwierigen technischen Einzelheiten behaftete und dazu von der Regierung für die parlamentarische Behandlung wohl vorbereitete Ma terien vor sich hat. Zn der Gewerbenovcllr sind aber innerlich durchaus fremdartige Gegenstände zusammen gekoppelt, von denen jeder einzelne eingehende Infor mationen durch intim mit ihm Vertraute erforderte. Man erinnere sich nur, daß in den ersten drei Artikeln Angelegen heiten des Schauspielwesens zwischen Fragen der Kranken pflege und deS Bier- und SchnapSvertriebs zu entscheiden waren und dieses Kunterbunt sich bis zum Schluffe fortgesetzt hat. Die Beralhung von Gesetzentwürfen dieser Art muß vernünftigerweise ihren Schwerpunkt in einem Ausschuß haben, wo man sich in fruchtbaren Darlegungen gegen seitig über Details unterrichten kann und wo eS erfahrungs gemäß dem einzelnen Abgeordneten weniger schwer als im Plenum fällt, einen minder brauchbar befundenen Antrag fallen zu lassen. In „politischen Kreisen" der bayerischen Hauptstadt wird das Auftreten deS Prinzen Ludwig in Moskau nach einer der „Köln. Ztg." au« München zugehenden Zuschrift wie folgt beurtheilt: Der Ausdruck „Gefolge" sei jedenfalls unpassend gewesen und habe injosorn eine Richtigstellung verdient. Aber es frage sich, ob nicht dem unbedachten Ausdruck durch die scharfe Richtigstellung eine unverdiente Bedeutung zu Theil geworden sei. Prinz Ludwig, der in seinen häufigen improvlsirten und oft geradezu verblüffenden Reden viel Richtiges und Kerniges gesagt hat, habe diesmal im Eifer des Augenblicks gewiß nicht bedacht, daß er im Auslande spreche und daß seine Worte zu den mannigfachsten Miß deutungen Anlaß geben könnten. Das Triumphgeschrei, das dir klerikale Preße Bayerns Inzwischen angestimmt habe, zeige dem Prinzen, daß eilte derartige Auslegung seiner Worte keineswegs zu seiner gut deutschen Gesinnung paffe. In diesem Sinne hat sich auch im Allgemeinen die liberale Presse Bayerns ausgesprochen. Bon Hof vder Regierung Bayerns ausgehende osficiöse Mit theilungen über den Borfall sind bisher Nicht erfolgt und auch wohl um so weniger zu erwarten, als Prinz Ludwig mit edlem Freimuth Alles gethau hat, um jede Mißdeutung eines raschen Wortes aus- zuschließen. Daß der Vorfall irgend welche Verstimmung zwischen Berlin und München im Gefolge Haven könnte, ist vollständig ausgeschlossen. Prinz Ludwig, der als ältester Sohn des Regenten voraussichtlich einmal König von Bayern sein wird, liebt es, in den erwähnten unerwarteten Reden seine eigenen Wege zu wandeln, dir durchweg von Freimuth und praktischem Sinn zeugen, aber im Einzelnen nicht immet den Ansichten seines Vaters entsprechen. Die Hoffnungen, welche die Klerikalen bei Einrichtung der Regentschaft auf Prinz Ludwig als muthmaßlichen Thronfolger setzten, haben in zwischen arge Einbußen erlitten, und auch das Moskauer Borkomniniß dürfte kaum geeignet sein, ihnen neues Leben ein- zuflößen. Denn einerseits hat sich der jetzt 51jährige Prinz voll und rückhaltlos auf den Standpunkt von 1870 gestellt und nicht blos häufig seine echt deutsche Gesinnung betont, sondern auch stets ein sehr güteS Verbältniß zu den Mitgliedern des deutschen Kaiserhauses gepflegt. Anderseits könnte iN Bayerri kein König regiere», ohne auf die Rechte und die Gesinnungen der vorwiegend protestantische» und vorwiegend liberalen fränkischen Provinzen Rücksicht zu nehmen. Die nach dieserZuschrift bisher noch nicht erfolgte bayerisch- offikiöse Kundgebung liegt wohl nunmehr in der Zuschrift selbst vor. Ist sie officiösen Ursprung«, so ist sie besonder« bemerkenswerth durch die eingestreute Bemerkung, die Worte des Prinzen entsprächen nicht immer den Ansichten seines Vaters, eine Bemerkung, die auf alle Fälle den Zweck hat, den bereits von dem Prinzen in Berlin abgegebenen loyalen Erklärungen die gewünschte Wirkung zu sichern und zugleich die in den kühnsten Hoffnungen schwelgende,» bayerischen Klerikalen zu ernüchrern. Während der Kaiser-König von Ocstcrtcich - Ungarn mit großer Wärme für die gegenseitige Sympathie und segens reiche Harmonie seiner beiden Reichshälften eintral, hielt (wie gemeldet wurde) der jetzige Generalgewaltige und Vicebürgermeister der Wiener Stadt, Or. Lueger, in einer christlich-socialen Wählerversammlung eine Rede, in der er sich in Bezug auf die ungarische Millenniumsfeier unter Anderem zn folgenden geschmackvollen Aeußerungen verflieg: „Jeder Oesterreicher, der noch einen Funken Patriotismus im Leibe hat, ist ein ehrloser Lump, wenn er hinuntergeht, um den Sieg dieser Leute zu seiern. Jeder, der es wagt, nach Pest zu geben, um sich von diesen Leuten „be—eljen" zu lassen, verdient nicht ein Oesterreicher genannt zu werden. Jeder Deutsche, der dort hinuntergeht, rc." Al« dann der Regierungs vertreter nach diesen und ähnlichen anmuthigen Redewendungen Lucger's die Versammlung wegen Ehrfurchtsverletzung gegen den Kaiser auflöste, antwortete Lueger — frivol wie immer — mit einem Hoch auf den Kaiser Und dirigirte dann persönlich die Absingung zweier Strophen der Volkshymne. Tie An griffe Lucger's gegen Ungarn wurden von ihm übrigenS ein geleitet mit der Versicherung, daß in den Worten, die der Kaiser bei seiner berühmten Audienz an ihn richtete, nicht nur Anerkennung seiner Person liege, sondern auch die Anerkennung seiner gesawmten Partei. „Sie ge reichten nicht nur mir, sonder» der ganzen Partei zur Ehre. Durch mein Vorgehen ist es mir möglich geworden.daß jene Kreise, die bis jetzt mehr oder weniger geheim mit uns sympathisirten, nun vollend« erfahren haben, daß wir nicht die Revolution gegen oben haben wollen, und wir werden jetzt erst recht gegen unseren eigentlichen Feind, gegen dasGroßcapital revolutioniren können." Durch seine Ablehnung der Bürgermeisterwürde sei der Partei „ein Agitator erhalten worden, wie selten einer!" „Als Bürgermeister, sagte er, hätte ich nicht so frank und frei von der Leber weg reden können, wie ich e« jetzt thue. Ich werde von Ort zu Ort, von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt agitiren, damit wir auch da« Vaterland erobern." Dann folgten noch weitere Angriffe auf die „judäv- magyarische Siegesfeier" in Pest. Eine andere Rede hielt ttr. Lueger in einer deutschnationalen Wählerversammlung de« Deutschen Vereins in Wien. Diese giebt dem JungtschecheU- Organ Anlaß, mit einem tschechischen Boykott gegen Wien zu drohen, da au« dem „christlich -socialen Lämmchen Lueger nunmehr ein deutsch-nationaler Tiger" geworden sei. Nach diesen Leistungen ist die kaiserliche Anerkennung der Person und der ganzen Partei Lueger'« jedenfalls sehr cum srauo salis zu verstehen, denn das oberste Leitmotiv der Regierung Kaiser Franz Joseph's, hinter welchem alles Andere zurückstehen muß, ist die Einigkeit der Nationalitäten, die zu zerstören Lueger gerade als seine Lebensaufgabe be zeichnet. Fährt der „Agitator, wie selten einer" weiter so fort, so kann tr gewiß sein, daß ded Kaiser tiicht verfehlen wird, ibn persönlich und zugleich die antisemitisch-antimagyarisch-anli- tschechisch-aliticapitalistische Hehpctrtei, falls sie nicht atishört, einem Lueger blindlings Gefolgschaft zu Kisten, in sehr unmißverständlicher Weise zu deSaboitiren, wie er c« indirekt durch seine AeußerUtigen in Pest bereit? gethan hat. Zu Konstantinopel ist man eifrig bestrebt, die Lage aus Kreta so darzustellen, als ob die Insel schon so gut wie pacificirt sei, während die bisherigen Berichte ans Athen, Rom uNd Wien von immer neuen Blüttbaten, Zerstörüng christlicher Dörfer und AuSbreitüNg det aufständischen Bewegung be richteten. Tie Wahrheit liegt in der Mitte. Wie UNS aus Athen gemeldet Wird, gesteht Matt hellte sogar dort ein, daß. Nachdem die türkischen Truppen die bisher besetzt gehaltenen kretensischen Städte geräumt haben, dir Spannung Nach gelassen hat; andererseits zeigt aber die weitere CvncdNtri- rung türkischer Truppen auf Kreta, daß man am Goldenen Horn die Lage noch immer für ernst genug ansieht. ES dürfte jetzt zu Verhandlungen über die der Insel zu gewährenden Cvncessionen kommen Und wenn diese den kretensiscken Forderungen nicht genügen, oder wenn die Verhandlungen sich, wie in Armenien, verschleppen sollten, so kann jeden Augenblick die Flamme von Neuem empor schlagen. Graf Goluchowski bat in seinem Expos« bei Be- sprcchunaver kretensischen Frage ans die sogenannte Haleppa-Con- vention Bezug genommen, durch welche das „Statut otxauiyue" vom Zahre 1868 completirt und verbessert wurde. Diese Con vention regelte die Autonomie der Verwaltung und functionirle von 1878 bis 1889 ganz gut. Sie enthielt sprciell wichtige Bestimmungen über Regelung der finanziellen Ver hältnisse. Diese Convention genügt aber den Kretrnsrrn nicht mehr, sie glauben den Augenblick für gekommen, sich völlig von der Türkei lvSreißen zu können. Dahin wird e« schließ lich gewiß einmal kommen, heute aber schwerlich. Der Anfang alle« Uebrls liegt in dem unglückseligen Beschlüsse der ruro päischen Diplomatie, nach der großen Erhebung de« griechi schen Volke« Kreta, obwohl eS sich hervorragend an dem Freiheitskampf betbeiligt hatte, von dem neu gebildeten König reiche auSzuschtießen. Seit jener Zeit ist der Geist der Frei heit auf der Insel nicht mehr zur Ruhe gekommen. Tie Brutalität deS Siegers und die Sehnsucht nach Vereinigung mit den glücklicher« Volksgenossen im Königreich stachelten die Leidenschaften der einheimischen christlichen Bevölkerung, die die überwältigende Mehrheit bildet, immer auf« Neue an, und so bat denn jede« Jahrzehnt seinen größern Aufstand gesehen. Daß die Vereinigung der Insel mit dem freien Griechenland kaum bezweifelt werden kann, giebt auch die „K. Ztg." zu, nur daß sie es ebenfalls für wenig wahrschein lich hält, daß die« schon jetzt geschehen wird. Europa will Ruhe haben, und da jede Besitzstörung im Orient diese NUbe gefährdet, so sind die Aussichten der Kretrnser Nicht günstig. E« tziebt allerdings in der Geschichte dieses Jahrhunderts Beispiele, die beweisen, daß sich Veränderungen de« kstütus guo auch ohne und gegen den Millen der europäischen Diplo matie vollzogen habeir, es handelte sich da immer um größere staatliche Gebilde. Tas „Bißchen" Kreta wird also wohl abwartcn müssen, bi« einmal ein besonders günstiger Um stand in der allgemeinen Lage ihm zu Hilke komm», mag die Mißwirthschaft auch noch so arg sein. Vorläufig sollten die Kretenser sich mit billigen Concessionrn und der Garantie, daß sie wirklich gewährt und durchgeführt werden, begnügen. Die Action Englands im sudan romplirirt sich immer mehr. Nach den Erklärungen des italienischen Ministers des Judas. 4j Roman bvn El au« gehren. Nachdruck derboten. Es lag ein unendlich hilfloses Weh in den zwei Worten. „Und wenn ich mich der Operation unterziehe?" fragte die Kranke. „Da« könnte einen Aufschub von mehreren Jahren geben. Aber die Operation gebt auf Leben Und Tod, e« ist meine Pflicht, da« zu sagen." Und dann mit einem ermuthiaenden Ausrichten de» Kopfe«: „Um Tod und Leben dreht sich da« ganze Dasein und ich denke, wir nehmen das Leben, nickt wahr?" Ein UberzeugungSvolle« Lächeln breitet sich klärend über sein ernstes Gesicht. Leise legt die Mutter ihre Hand auf der Tochter blonden Scheitel. „Das war eine ehrliche Antwort. Ich gebe mich gern in Ihre Hände, Herd Doctor Raßmu«, weil — nun, weil vielleicht hier diese» Kind noch meiner bedarf in den nächsten Jahren." Harald nickt den beiden Damen noch einmal freundlich zu und geht dann leise hinaus. „Nun, Mann AcSkUlap'S, was sagen Sie?" empfing ihn der Hofratb. „Ich denke, wir machen morgen die Operation." „So, also meiner Ansicht? Freut mich, daß ich eS ebenso ansah." Er dämpft seine Stimme, etwas näher an RaßmuS berantretend. „ES ist keine Kleinigkeit, mein lieber Freund." „Nein, aber ich habe die Operation schon zweimal geMackl und sie gelang." Der alte Arzt schaut verwllNdebt in de« Jüngeren Gesicht, welcher von einem chirurgischen Meisterstück so rnhig obuc jegliche Eitelkeit spricht. „Gut, danN lasse ich die Patientin Noch heute in meiste Klinik btiNgen und erwarte Sie Morgen früh 9 Uhr." Nun trat Sba ein. Zum ersten Male erblickte Harald sie in vollem Tageslicht. Ist diese DciMe Mit dem konven tionellen Lächeln auf den Lippen, Mit diesen kalten, schönen Zügen dieselbe, Weiche er vor wenigen Minuten gesehen bat? „Sagen Sie, Herr Hofrath, MUtz e« sein?" „Ich urtbeile ganz wie RaßmuS." „Dann also bitte ich Sie, es dem Vater zu sagen, sonst arräth er außer sich. Nun kommt nock hinzu, daß wir die Absicht hatten, am Sonnabend ein großes Fest zu geben und es wird wirklich sür den Vater eine große Enttäuschung sein." Da« Alles sagte sie mit einer ruhigen, klaren Stimme, ans welcher keine Spur von Erregung zitterte. Harald RaßmuS fühlt, wie ihm die innere Gemüthswallung fast die Kehle zuschnürt. „Ich sollte denken, die Verwandten einer todtkranken Mutter könnten andere Gedanken haben in dieser Stunde," kommt e« ihm scharf über dir Lippen, während er ihr halb den Rücken zuwendet und nach dem Hut greift. Sir zuckt kurz zusammen bei dem harten, metallenen Klang seiner Stimme. Dock sich zu ihrer vollen Höhe aufrichtend, klingt es au« ihrem Munke scharf zurück: „Zunächst, Herr Doctor, sieht man eine Dame an, wenn man mit ihr spricht, Und dann kann ich Mit dem besten Willen nicht« finden, was Sie zu dieser freien Meinungsäußerung veranlaßt. Ich hatte da« Vergnügen, meine Worte an den Herrn Hofrath zn richten." Ein spöttisches Lächeln spielt um seine Mundwinkel. „DaS Recht deS freien Manne«, der Nicht gewohnt ist zu schweigen, wenn ihm das Herz die Worte auf die Lippen drängt. E« war Meine Meinung, deshalb sagte ich c«." „Ja, ja", räuspert sich der Hvfrath in höchster Verlegen heit und blickt unsicher von einem zum andern, welche sich beide hoch aufgerichtet einen Moment wortlos in die Augen sehen. O, sie wollte dem Blicke dieser klaren Augen schon trotzen! Aber nein, e« ging doch nickt. Ter Strahl jene« Auge« glitt wie harter Stahl herüber, er bohrte sich fest in ihre Seele hinein und sie batte die Empfindung eines körperlichen, siechen den Schmerze« in der Brust. Langsam wendet sie sich. „Adieu, Herr Hvfrath", und als wäre brr andere Luft, so gleitet sie an ihm vorbei ist da« Krankenzimmer. „Ja, ja, Herr College!" begann der Hofrath, al« sie die Treppe hinunter stiegen. „Sie sind hier Nicht in Ihrer Sprechstunde." Harald zog leicht die Brauen zusammen. „Die Freiheit meiner Sprechstunde wahre ick mir überall!" Dann verabschiedeten sich dir Herren von einander; der Hvfrath, um zum Präsidenten zu geben. „Er ist doch «in ungeschliffener Kerl", murmelt her alte Herr leise vor sich hin. Ganz spät am Abend, al« Harald sich in seiner Stube befand, konnte er nickt die gewohnte innere Ruhe findest. Er batte einem Mädckeu seine Meinung gesagt, einem verzogenen, albernen Dinge und weshalb denn nicht? Da batte er Männern schon ganz andere Dinge gesagt. Und dock erscheint ihr Bild immer wieder vor ihm in dem dunklen Hauskleide, mit demselben eiskalten Zug in dem schonen, stolzen Antlitz. E« ruckt und drängt etwas in ihm, ein sehr brutales Gesübl, wie er es selbst nennt. Wenn er jetzt nur etwa« zerbrechen könnte! * * * * Am Morgen, al« RaßmuS die Wobnung verließ, traf er auf der Treppe mit seinem Freund zusammen. „Guten Morgen, Harald! Run, Du warst gestern bei Karckbusen«? Ist die Frau sehr krank? " „Ja, ich bin auf dem Wege zur Klinik de« HofrathS Die Operation soll sofort gewacht werden." „Sahst Du die Tochter, Eva?" Absichtlich möglichst gleichgiltig erscheinend, bleibt Kurt an einer Säule sieben und studirt die Theaterzettel. „Ein schönes Mädchen! — Wieder der Tannhäuser, zu langweilig!" „Ja, ohne Zweifel." „Mensch!" sagt der Assessor etwa« ungeduldig, ,.Tn hist unerträglich einsilbig! Gefiel sie Dir, hast Du mit ihr ge sprochen?" „Nur «in paar Worte. Wenn alle Mädchen Deiner Be kanntenkreise so sind, du liebe Zeit! Leichtfertige, berzlosr Dinger I" „Oho, Harald, Du wirst ja aggressiv!" Ihm selbst rätbselbaft, freute er sich fast über da« Urtheil de« Arzte«. „Ra, man soll nicht zn früh urtbeilcn! Immerhin hoffe ich, daß Deine Thätigkit al« Arrt Dich Wit der Fawilie zNsammenfübrt. Dann habe ich doch Jemanden, über welchen ich mit Dir sprechen kann. Mit dem Alten arbeite ich zusammen, — daS heißt im Grunde arbeite nur ick ustd er setzt den Namen darunter. Fast heimlich zwinge ich Unser» Ideen hier und dvrt ist seine Reformpläne hinein, welche er nächsten« seinen juristischen College« unterbreiten will." „Heimlich, Kurt?" fragte der andere, ihn sckarf anblickeud. „Mas beißt: heimlich! Nur klärt ich ihn nicht ganz auf über die äußersten ConsequeNztn, Wovor ed wahrscheinlich zurückschrecken würde. klebrigen« ist der Präsident ein gescheiter Mann. Du mußt mick nicht sür anmaßend halten. aber r« amüsirt mich dock, wir da« Alle«, mit stinem bekannten, angesehenen Namen versehen» al« gewichtige, lrsenswerthe Sacke erscheint, während, wenn ich Meinen obscuren Namen darunter setzte, — nun, Präsident würde ick dann sicker nicht." „Und Du möchtest da« werden?" sagt RaßmuS, an der Leipziger Straße stehen bleibend. „Run ja, warum nickt einmal! Schon um die Macht zu besitzen, wa« man al« Jüngling geträumt, vielleicht erfolgreich verwirklicht zu sehen. Pah! Man steckt in der Zwangsjacke, man kommt Nicht heraus". Harald blickt dem Jüngeren lächelnd in bä« Ange, über welchem sich die dunklen Brauen fest zusawmenziehrn. So gefällt er ihm. „Sckntide die Zwangsjacke selbst herunter!" „Und meine TarriSre, da« sickert Brod?" „Unsinn! Du hast da« Zeug zu etwas Tüchtigem. Sckließ lich wendest Du Dich der AdvvcatcNlanfbahn zu und bist ein verbältnißmäßig freier Mann. UekrigenS, e« ist gleich 9 Uhr, ich Muß pünktlich sein." Und mit knrztm Kopfnicken schreitet ed hinweg, wahrend Kurt geradeaus weiter ging mit gesenktem Haupt, als grübele ed. „Ja, WaS war daS nur, dir Zwang-jaite herunter? Aber Eva?" — Dann siel ihm die Broschüre »in und die Worte de« Präsidenten darüber. Ein unheimliche« Gefühl bedrückte ibN, standeN doch darin die Unerbittlichen Conseguenzen, Phantastereien, di« dem Wunsche de« Präsidenten zuwider liefen. E« konnte doch die Frage an ihn hrdantreten, ob er selbst etwa jener ungenannte Mitarbeiter sei, und dann müßte er mit der Spräche heraus. Gewiß, natürlich, und dann — und daNN? — Fast wäre er gegen einen Latrrnenpsahl gerannt UNd er entging diesem Zusammenprall nur mit einer kurzen unge schickten Wendung. Ja, ja, da« ist nur ein Läteruenpfahl und viel Raum daneben! Im Vorzimmer de« Hofratb« Koschrvdt trifft Harald mit Eva KarckhuseU zusammen, welche die Mütter soebtit ver lassen hatte, um hier den Derlaüf der Operation äkzuwaiteü. Ihre Augenlider sind geröthet. Schon will er Mit leichter Verbeugung an ihr Vorüber, da tritt sie ihtn iü deü Weg. „Herr Dortor RaßmuS, ick weiß, in Ihrer Hajib liegt heute ba« Lebet» meiner Mutter. Gott führe diese HaNd sicher NNd fest!" Sie tastete erregt nach seiner Rechteck und er fühlte den zitternden Druck ihrer Hand in der seinen.
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