Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960622014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896062201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896062201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-22
- Monat1896-06
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs Preis 1» der Hauptexpedition oder den im Stadt, bezirk und den Bororten errichteten Aus» aabestellen ab geholt: vierteljährlich ^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau? 5.S0. Durch die Post bezogen für Teutschland und Oesterreich: vierteljährlich -lt 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung inS Ausland: monatlich 7.b0. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um b Uhr. Redaktion und Expedition: JohanneSgaffe 8. Die Expeoitiou ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: kN* klemm s Sortim. (Alfred Hahn). Uviversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, kkathartnensir. 14, Part, und Königsplah 7. Morgen-Ausgabe. P'tip)igtx Tagtblail Anzeiger. Amts6satt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Volizei-Äintes der Ltadt Leipzig. AuzeigeN'Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem RedactionSstrich >4gr- spalten) vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferitfatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbeförderung VO>—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß fnr Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig 312. Montag den 22. Juni 1896. so. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Für die Benutzung des Berges im Rosentbale lind des aus diesem errichteten Thurmes, welche vom 22. Juni Vor mittags 9 Uhr ab dem Besuche des Publikums sreigegcben werde» sollen, werden hiermit folgende Vorschriften erlassen: 1) Der Berg nebst Thurm ist vom Morgen bis Abend je nach der Jahreszeit, im Sommer von früh 6 Uhr bis Abends 8 Uhr, für das Publicum ohne Eintrittsgeld zugänglich. 2) Die Plattform des Thurmes darf auf einmal nur von höchstens 40 Personen benutzt werden, zum Auf« und Abgang dürfen nur die durch Aufschrift Lazu bestimmten Treppen benutzt werden. Bet größerem Zudrange vom Publicum dürfen die Besucher ans der Plattform nicht längere Zeit Verweilen. 3) Das Rauchen innerhalb des Thurmes, sowie das Betreten desselben mit brennender Cigarre oder Pfeife ist verboten. 4) Kinder unter 3 Jahren sind von der Besteigung des Thurmes ausgeschlossen; Kinder bis zu 14 Jahren dürfen den Thurm nur in Begleitung Erwachsener betreten. Kinderwärterinnen mit Kinderwagen und Kindern sind von der Benutzung der ganzen Anlage ausgeschlossen. b) Der Berg darf nur auf den angelegten Wegen und Plätzen betreten werden, das unbefugte Betreten der Rasenränder und Anlagen der Böschungen, sowie die Beschädigung der- selben, ingleichen das Abpftücken von Blumen, Blüthen, Blättern oder Zweigen, das Wersen mit Steinen ist ver- boten; auch darf mit den angebrachten Steinen kein Unfug getrieben werden. 6) Untersagt ist ferner die Verunreinigung des Thurmes und der Anlagen, namentlich auch das Anschreiben oder Anmalcn am Thurme und das Einschnciden in denselben. 7) Das Wegwersen von Papierstückcn, Obst- und Cigarren restern, sowie anderen Gegenständen, insbesondere Las Um- herstreuen der Abgänge von Lebensmitteln und der zum Einschlagen der letzteren benutzten Papiere ist verboten und sind diese Papiere und Abgänge lediglich in die für diesen Zweck ausgestellten Körbe zu werfe». 8) Das Mitbringen von Hunden auf den Berg ist nur unter der Voraussetzung zulässig, daß dieselben an der Leine ge- führt werden; auf den Thurm dürfen Hunde überhaupt nicht mitgenommen werde». 8) Schließlich ist im Allgemeinen den auf die Benutzung des Berges sammt Thurmes ergehenden jpeciellen Anordnungen der städtischen Aussichtsbeamten nachzukommen, und wird die gesummte Anlage dem Schutze des Publikums empfohlen. Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Vorschriften werden aus Grund von 8 366" des Reichsstrafgejetzbnchs mit Geldstrase bis zu 60 oder Haftstrafe bis zu 14 Tagen geahndet. Leipzig, den 16. Juni 1896. la. 2888^ Ter Rath der Stadt Leipzig. 952. vr. Georgi. Größel. Bekanntmachung. Die öffentlichen Hebammen-Prüfungen finden ricEag^öen^so^'nni d. J.^ Nachmittags von 3—5 Uhr, im Hörsaale der Univ.-Frauenklinik — Trier'sches Institut — statt. Leipzig, den 21. Juni 1896. Die Direktion der K. Hebammcnschule. Prof. vr. Zweifel. Ausschreibung. Für den Anbau an der neuen Schule zu Möckern sollen I. die Blitzablcitcrarbeiten, II. die Lchlofferarbeiten verdungen werden. Die Anschlagssormulare nebst Bedingungen können von heute ab im hiesigen Gemeindeamte gegen Zahlung von 1 pro Stück entnommen und die Zeichnungen daselbst eingesehen werden. Die Angebote sind mit der Ausschrift „Tchulanban Möckern" versehen bis zum 26. Juni dieses Jahres, Abends 6 Uhr, versiegelt und portofrei anher einzureichen. Die Au-wahl unter den Bewerbern, wie überhaupt jede Ent schließung bleibt Vorbehalten. Möckern, am 18. Juni 1896. Der Schulvorstand. Leisching. Konkursverfahren. Ueber daS Verwögen des Geigenmachers und Instrumenten händlers Heinrich Louis Zeihe in Leipzig, EmiliensiraßeLK, wird heute, am 3. Juni 1896, Vormittags 11 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Herr Rechtsanwalt Vr. Voigt hier wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen sind bis zum 7. Juli 1896 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Ver walters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falles über die in 8 120 der Konkursordnung bezeich neten Gegenstände auf den 24. Juni 18S6, Vormittags It Uhr, und zur Prüfung dec angemeldeten Forderungen auf Sc» 47. Juli 18SÜ, Vormittag« 11 Uht, vor dem unterzeichneten Gerichte, Zimmer 206, Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird ausgegeben, nichts an den Gemeinschuldncr zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auserlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 3. Juli 1896 Anzeige zu machen. königliches Amtsgericht zu Leipzig, Abth. II'. L. 68 96 k(o. 2. ain 3. Juni 1896. Bekannt gemacht durch den Gerichtsschreiber Secr. Beck. Zwangsversteigerung. Das im Grundbuche aus den Namen des Schmieds Wilhelm Karl Zwick in Leipzig-Reudnitz eingetragene, in Leipzig an der Elisenstraße Nr. 69 gelegene Hausgrundstück Nr. 251 des Brafid- katasters, Abtheilung v, Nr. 2523 r des Flurbuchs und Folium 199 des Grundbuchs für die Stadtflnr Leipzig, geschätzt auf 120 000 Mark, soll an hiesiger Amtsgerichtsstelle, Zimmer 214, zwangsweise ver steigert werden und es ist der 29. Juni 1896, Vormittags 11 Uhr, als PcrstrigkrungStcrmin, sowie Scr 9. Jnli 1896, Vormittags 11 Uhr, als Termin zu Verküiidiing des VcrthcilnngSplanS anberaumt worden. Eine Uebersicht der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses kann in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Leipzig, am 28. April 1896. Königliches Amtsgericht, Abth. II'. 2a. 56/96 Nr. 17. Scheidhauer. Versteigerung. Mittwoch, Sc» 24. Jnni 1896, von Vormittags 10 Uhr an, sollen im Lagerhaus dec Firma Rüdiger so Eo. hier am Thüringer Bahnhof, gegenüber der AbfahrtShaUe einem Tritten gehörige, größere Parthic Porzellan-, Steingut- nnd (Klaswaarcn meistbietend gegen Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, am 20. Juni 1896. Ter Gerichtsvollzieher. Sekr. Thierbach. Wappen nnd warben des Reichs. Von Albin Geyer. Nachdruck vkrboten. Die Kirchenspaltung und die daraus hervorgehenden inneren Kämpfe dis zum Schlüsse des Land unv Leute verderbenden Dreißigjährigen Krieges hatten die Entwickelung des deutschen Volkes und seines Staates gebrochen, und zwei Jahrhunderte mußten dahingeben, bis daS deutsche Reich gänzlich zerfiel und nach der trüben IkrbergangSzeik des Deutschen Bund'S zn'rdnem neuen mächtigen Kaiserthum emporgedich. Wenige Erinne rungen nur, die bis hinter die Schwedennoth und die Reforma tion zurückreichten, lebten noch, ohne einer künstlichen Auf frischung zu bedürfen, in der deutschen Volksseele, aber nicht erblichen war das Bewußtsein, daß unser Vaterland einst eine glänzende Kaiserzeit gesehen hatte, die wie ein goldener Traum in das Meer der Vergangenheit versunken war. DaS unklare Erinnern knüpfte an die gebietende Gestalt deS Kaisers Friedrich Barbarossa an, den es schlummernd im Kyffhäuser glaubte, von wo er wiederkehren werde, um deS Reiches Glan; und Macht wiederherzustellen. Die lebende Generation hatte diese Wiederkehr mit eigenen Augen gc- ehen, die älteren unter uns haben mit daran schaffen helfen. Aber nicht aus dem Kyffhäuser ging sie vor sich, das Wunder der neuen Zeit vollzog sich im Kömgspalaste Ludwig'S XVl. zn Versailles, wo vor fünfundzwanzig Jahren zum ersten Male Wappen und Farben des neuen Deutschen Reiches emporstiegen. Nicht Vielen ist bekannt, wie eng gerade Wappen und Flagge des neuen Reiches an die alte Kaiserzeit anknüpscn, und daß insbesondere der schwarze Adler im goldenen Felde das Wappen der Hohenstaufen ist. Schon die Thatsache, daß durch den kaiserlichen Erlaß vom 3. August 1871 „der heraldische, schwarze, einköpsige, rechtssehende Adler mit rothem Schnabel, Zunge und Klauen, ohne Scepter und ohne Reichs apfel" zum Wappen deS deutschen Reiches erklärt wurde, hätte auf eine tiefere geschichtliche Beziehung schließen lassen sollen, denn Kaiser Wilhelm I. hat in Bezug auf Deutsch land nie etwas gethan, was nicht eingehenden historischen Sinn verrieth. Es ist irrig, sowohl den nachmaligen Doppeladler des alten deutschen Kaiserreiches als den einfachen des jetzigen ans die römischen Imperatoren zurückführen zu wollen. Wappen im heutigen Sinne gab eö weder im alten Rom noch in den ersten Jahrhunderten des Deutschen Reiches. Die Einführung deS Adlers als symbolisches Zeichen ist ursprünglich religiöser Natur. Der himmelanstrebende Aar mit dem sonnenhellen, durchdringenden Blick erscheint wie geschaffen zum Sinnbild deS Himmels- und Lichtgottes; erst in zweiter Linie sind es seine anderen natürlichen Eigenschaften, sein gebietendes Aussehen, Stärke und Muth, welche ihn zum Wahrzeichen menschlicher Gewalt und Herrschaft geeignet machen. So finden wir ihn in den ältesten Zeiten gleichermaßen bei den Egyptern dem Re (Horus), bei den Persern dem Ormuzd, bei den Griechen und Römern dem Zeus-Jupiter, bei den germanischen Völkern dem Odin-Wotan heilig. Wer unter dem Schirme eines dieser Götter den Sieg zu erringen hoffte, wählte den Adler als Feldzeichen, befestigte wohl auch dessen Flügel auf seinem Helme. Bei den egyp- I tischen nnd persischen Herrschern galt der Adler als Hoheits und Feldzeichen ihrer Heere; AebnlicheS fand bei den Römern statt, doch sank dort der kaiserliche Adler spater zum Abzeichen der Legionen herab, er nahm also nur noch etwa die Stelle unserer RegimcntSfahnen ein, und zur Kaiserstandarte wurde der geschlängelte Drache mit anfgesperrtem Rachen aus purpurrotber Seide erhoben. Eö ist unter diesen Umständen sehr zweifelhaft, ob Karl der Große wirklich» wie erzählt wird, bei seiner Krönung nach dem Vorbilde der Römer den Adler zum Symbol seines Reiches erhoben hat. Allerdings befand sich ein eherner Adler auf dem Firste der carolingisckcn Pfalz zu Aachen, offenbar als königliches Hoheitöbild, aber dieses entsprach ebensowohl römischen wie alten deutschen Lsriilletsir. Eine verfehlte Spekulation. Humoreske nach dem Englische,, von Anna Nagel. Nachdruck kkrboten. „Dn, Tim! ich werde mich verheirathen!" sagte Onkel Cottell in fest entschlossenem Tone. „Was! schon wieder?" fragte sein Neffe erstaunt. „Was heißt, schon wieder? War ich vielleicht schon vorher verheirathet?" „Nein, das nicht, aber Du wolltest schon mehrere Male; das wollte ich damit sagen", erklärte Tim. „UebrigenS, kenne ich die Glückliche?" „Es ist Miß Sybille» Holt", versetzte Onkel Cottell mit gcheimnißvollem Flüstern. „Die reizendste.. die .. die . „Na, ich weiß ja, Schluß!" siel Tim sehr ungehörig ein. „Ich lernte sie neulich abends bei der silbernen Hochzeit meines Freundes Dunham kennen und glaube, ich habe einen guten Eindruck auf sie gemacht. Ich bin ja allerdings älter als sie; aber ich sehe weit jünger aus, als ich bin; meinst Du nicht auch, Tim?" Tim betrachtete ihn kritisch, ohne eine Meinung abzu geben. Herr Cottell war über fünfzig Jahre und sah auch so aus; er war ein dicker, kleiner Herr mit kurzen Beinen, und einem breiten Vollmondsgesicht, dessen Ausdruck kein sehr intelligenter war. „Aast Du ihr denn schon einen Antrag gemacht?" „Nein, noch nicht, ich habe sie ja erst einmal gesehen, und außerdem —" Onkel Cottell seufzte tief, — „bin ich ja so schüchtern, so schrecklich schüchtern. DaS einzige Mal, da ich einen Antrag machen wollte, war, als ich jenen Brief an die Wittwe schrieb ... na, Du weißt ja, Dn hast mir ja noch bei dem Brief geholfen. Ach," fügte er, abermals seufzend hinzu, „sie hat mir nie geantwortet. ... UebrigenS kennst Du Miß Holt vielleicht?" „Ich erinnere mich nicht, ihr je begegnet zu sein." „Wenn sie mir einen Korb giebt, Tim, wenn ich sie ver liere, wie ich die andern verloren habe," schrie Onkel Cottell wild, „dann werde ich denken, eS ruhe ein Fluch auf mir und das Heirathen aufgeben. Ich werde nie wieder lieben und einsam sterben." „Hoffentlich," murmelte Tim. — — — Onkel Cottell war sein Vormund gewesen und er hatte sich schließlich daran gewöhnt, das stattliche Vermögen des Onkels als sein Eigenthum zn betrachten. „Ich bin sein einziger Verwandter," klagte er seinem Intimus Ted MerrowS, als sie am nächsten Morgen in ihrem gemeinschaftlichen Zimmer beim Frühstück saßen. „Was ihm gehört, gehört folglich auch mir. Er hat da« tausendmal gesagt; wenn er flch aber verheirathet, so bekommt seine Fra« auf jeden Fall die Hälfte, und kommen noch Kinder dazu, so bleibt mir nur der Strick, an dem ich mich aushänge." Ted MerrowS legte ruhig seine Zeitung beiseite und sagte mit größter Seelenruhe: „Deshalb brauchst Du Dich aber nicht so furchtbar auf zuregen. Warte doch die Sache ab, er wird sich noch oft genug verheirathen. . . " „Ja, aber diesmal scheint er fest entschlossen; er färbt sich schon die Haare und treibt Zimniergymnastik." „Das ist allerdings bedenklich," rief Ted, „dann ist, glaube ich, die Sache verloren." „Na, ich will doch mein Bestes versuchen," versetzte Tim. „Wenn es nicht anders geht, so werde ich ihm sagen, ich habe entdeckt, sie wäre schon verlobt. Damit habe ich ihn schon zweimal hineinfallen lassen; er ist so nervös und be kommt dann Angst. Die Wittwe vor drei Monaten war bis her der gefährlichste Fall. Ich dachte damals wirklich, ich hätte mein Spiel verloren. Er war so aufgeregt und wollte zu ihr gehen, doch ich redete ihm ein, das wäre nicht passend; er sollte ihr erst schreiben und sie um die Erlaubniß bitten, bei ihr vorsprechen zu dürfen. Dann machte ich mich an heischig, den Brief selbst zur Post zu bringen, warf ihn aber inS Feuer. Als er keine Antwort bekam, meinte er, er hätte lieber nicht schreiben sollen, denn er glaubte, unverschämt gewesen zu sein, und sie fühle sich beleidigt." „Da hast Du ja Glück gehabt, aber so gut wird es Wohl nicht jedesmal geben," bemerkte Ted MerrowS. „Befolge meinen Rath und suche ihm zuvorzukommen." „Wie meinst Du daS?" „Nun, Du bist alt genug zum Heirathen, und als einziger Erbe Deines Onkels für jede heirathsfähige Dame ein schätz barer Artikel; wenn er sich aber verheirathet, so wirst Du eben einfach ein Muster ohne Werth: denke daran, so lange Du noch selbst ein Erbe bist und schau Dich nach einer ent sprechenden Erbin um. Du kannst den alten Herrn nicht am Heirathen hindern, aber Du kannst ihm zuvorkommen, indem Du Dich zuerst verheiratbest." „Aber ich kenne doch Niemanden", jammerte Tim. „Wie soll ich denn eine reiche Erbin so schleunigst finden?" „Die findest Du schon durch eine HeirathSzeitung." „Ach, Unsinn, reiche Erbinnen inseriren nicht!" „So? Alle reiche Erbinnen verkehren nicht iy der Ge sellschaft, einzelne inseriren -och. Wenn der Onkel Dich nachher wirklich im Stich läßt, so bist Dn wenigstens auS der Klemme und brauchst Dich nicht zn Tode zu arbeiten, wovon Du, wie ich Wohl weiß, überhaupt kein Freund bist." N. Tim hatte eine schreckliche Angst vor der Armuth und noch mehr vor drr Arbeit, und der Gedanke, daß sein Onkel sich verheirathen könnte, quälte ihn den ganzen Tag. Er speiste an diesem Abend allein in einem Restaurant am Strand und kaufte sich auf dem Rückwege eine HeirathS zeitung. Er athmete etwas erleichtert auf, als er bei seinem Eintritt in da- Zimmer bemerkte, daß Ted MerrowS noch nicht zu Hause war. Er öffnete die Zeitung und lag eifrigst die einzelnen Anzeigen, bis er auf folgende Annonce stieß: „Maud, jung, brünett und hübsch, mit Privatvermogen, wünscht mit einem vermögenden Herrn in mittleren Jahren, möglichst mit Erbschaftsaussichten, in Briefwechsel zu treten. Briefe sind zu richten unter Maud an die Expedition dieses Blattes." Tim war allerdings kein Herr in mittlerem Alter, aber er betrachtete dies als einen Vorzug. Er las die Annonce mehrere Male durch und beschloß, sie zu beantworten. „Beim Schreiben riskire ich ja nichts", sagte er sich. „Wenn ich meinen Sinn ändere, oder sie mir nicht gefällt, kann ich die Sache ja immer noch aufgeben." Er schrieb also. Er schrieb von seinem Einkommen, sagte aber nichts von seinem Alter, sondern wünschte eine Unterredung. Wenn er seine genaue Stellung auseinander setzte, so fürchtete er, sie könnte seine Lage durchschauen; konnte er dagegen mit ihr sprechen, so schmeichelte er sich, seine persönlichen Vorzüge und der Reiz seiner Unterhaltung würde sie über Alles hinwegtäuscken. Er unterzeichnete den Brief mit seinem eigenen Namen T. Cottell, damit die Sache vertrauenerweckender auSsah und trug ihn selbst nach der Zeitungsexpedition. Als er daS, was er gethan hatte, am nächsten Morgen mit kaltem Blute überlegte, bereute er halb und halb seinen Entschluß. Trotzdem erkundigte er sich einige Abende später in der Expedition nach dem Briefe, doch es war keiner da. Er ging daher zu seinem Onkel Cottell, aber derselbe war nicht an wesend und so begab er sich wieder nach Hause. Sein Interesse an der Heirathsangelegenheit war bedeutend abgekühlt; trotzdem fragte er, als er am nächsten Sonntag Nachmittag seinen Onkel aufsuchte, in der Zeitungsexpedition wieder nach dem Briese und erfuhr zu seiner großen Ent täuschung, eS wäre noch immer keiner da. Er meinte, seine Epistel hätte keinen guten Eindruck gemacht und beschloß, gar nicht mehr daran zu denken. Als er um die Ecke bog, begegnete er zu seiner großen Ueberraschung dem Onkel Cottell, der einen neuen Hellen Anzug und eine Blume im Knopfloch trug. „Tim, Junge," rief er vergnügt, „Dich erwartete ich ja täglich. Thut mir leid, daß ich neulich nicht zu Hause war, hatte wichtige Geschäfte!" „So," versetzte Tim in düsterer Ahnung, denn er dachte an Miß Holt. „Jawohl," entgegnete Onkel Cottell, blinzelte mit dem linken Auge und stieß seinen Neffen mit vergnüglichem Schmunzeln in die linke Seite. „Du, es bleibt dabei, ich verheirathe mich." „Mil Miß Holt?" stotterte Tim. „Nein," lachte Onkel Cottell, „daS wirst Du nie errathen, eS ist die Wittwe, — Mistreß Nettley. Du erinnerst Dich voch, daß wir ihr schrieben? Sie hat meinen Brief neulich beantwortet, gerade eine Stunde bevor Tu kamst " Tim war zu verwirrt, um sich über den Sinn der Worte vollständig klar zu werden und darum stotterte er: „Aber Dn sagtest doch, wenn Dir Miß Holt einen Korb geben würde, so würdest Du das als einen Fluch betrachten und..." „Ich habe gar nicht um Miß Holt's Hand angebalten, außerdem hatte ich der Wittwe vor drei Monaten geschrieben, sie hatte also sozusagen das Vorzugsrecht." „Baustelle zur ersten Hypothek", murmelte Tim mit einem Blick auf seinen Onkel. „Hier ist ihr Brief", sagte Onkel Cottell, der den Ein wurf glücklicherweise nicht gebürt hatte, „lies ibn selbst." Er legte das Schreiben in Tim'S Hände und dieser laS folgende Zeilen: „Verehrter Herr! Wenn Sie die Güte haben wollen, mich zn besuchen, so werde ich Sie mit Vergnügen empfangen. Ich bedaure, daß Sie mir nicht Ihre eigene Adresse angegeben haben und will das nicht für einen Mangel an Vertrauen an sehen; nur so viel will ich Ihnen verratben, daß wir fast Nachbarn sind, und ich Sie schon den Namen nach kenne, da ich das Vergnügen hatte, Ihnen vor wenig Monate» ;ii begegnen. Unter diesen Umständen haben Sie wohl nichts dagegen, wenn ich den Brief in Ihre Privatwohnung sende, die ich aus dem Adreßbuch erfahren habe. Hochachtungsvoll und ergebenst Maud Nettley". Timm durchfuhr eS wie ein Blitz, daß daS ja seine Maud und der Brief an ihn gerichtet war; doch leider konnte er cs ja nicht sagen. „Was meint sie denn nur mit Deiner Adresse?" stotterte er, um nur etwas zu sprechen. „Ach, weißt Du, ich war so nervös, als ich den Brief schrieb und muß wohl vergessen haben, die Adresse bcizufügen. Darum hat sie auch nicht früher geantwortet, sie konnte cs eben nicht; darum hat sie auch im Adreßbuch nachgesehen." „Ist sie jung?" fragte Tim. „Ich dachte zuerst, als ich sie sah, sie wäre vierzig; sie ist aber erst neunundzwanzig; sie hat es mir selbst gesagt. Ich habe ihr mein Checkbuch gezeigt, und sie meinte lächelnd, nachdem sie es eifrig durchgelesen: „Das brauchten Sie nur eigentlich nicht zu zeigen." „Wann ist Leun die Hochzeit?" stöhnte Tim halbtodt vor Angst. „Nächsten Monat!" „Nächsten. . .?" „Monat. Ich will eben daS Aufgebot bestellen. Tu kannst mitkommen. Außerdem kannst Du mir auch den Ge fallen tbun und als Brautführer fungirea; nicht wahr, Tu thust mir die Liebe? ..." Tim that ihm aber nicht die Liebe, denn er war am nächsten Tage „inS Ausland" gereist, zur tiefsten Betriibmß seiner Gläubiger, die ihm blutige Thranen nachweinten.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite