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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990106012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899010601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899010601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-06
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Rrclamen unter dem RrdactionSstrich ^ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichtrir (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. —— Extra-Vetlagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbesörderung SO—, mit Postbesörderung 70.—. Avnahmeschlnß fir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 UhL Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Ertzetzitian zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Freitag den 6. Januar 1899. 83. Jahrgang. Iv. Die Gleichstellung -er Nalikheilkundigen mit -en approbirten Aerzten. SS In einer Verwaltungsstreiffache hat das preußische Ober- Berwaltungsgericht kürzlich eine Entscheidung gefällt, welche, namentlich in ärztlichen Kreisen, Anlaß zu einer besonderen, nicht unberechtigten Erregung geben wird. Eine Polizeiverwaltung hatte nämlich einer freien HilsScafse bei Androhung einer Ordnungsstrafe untersagt, Krankenunterstützungen, insbesondere auch Krankengeld zu gewähren, wenn die Bescheinigungen und Gutachten über Erkrankungen oder Erwerbsunfähigkeit nicht von staatlich approbirten Aerzten ausgestellt seien. Der Minister des Innern hatte die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgrwiesen und zur Begründung ausgeführt, daß sowohl nach 8 6 des Krankenver'sicherungsgesetzes als nach 8 12 des Hilfscässengesetzes unter ärztlicher Behandlung die Behandlung durch einen appro birten Arzt zu verstehen sei. Die Versicherten könnten daher im Erkrankungssalle die Behandlung durch einen approbirten Arzt verlangen. In einzelnen, besonderen Ausnahmefällen sei es den Versicherten gestattet, unter Verzicht auf einen approbirten Arzt die Hilfe eines Nichtarztes in Anspruch zu nehmen, sofern der Cassenvorstand damit einverstanden sei. Unzulässig dagegen sei die Gleichstellung von approbirten Aerzten mit den Naturheil kundigen bei der Betheiligung an den CaflenangelegenheÜen. Die sogenannten autoritativen Obliegenheiten des Heilverfahrens, Ertheilung von Zeugnissen über Erwerbsfähigkeit oder Erwerbs unfähigkeit, Gutachten über die Nothwendigkeit einer Kranken hauspflege u. s. w., müßten den approbirten Aerzten Vorbehalten bleiben, da diese Thätigkeit öffentlich rechtlicher Natur sei, und nur von solchen Personen ausgeübt werden könne, welche ihre Be fähigung hierzu nachgewiesen hätten. Eine Gleichstellung der approbirten Aerzte mit Nichtärzten in dieser Beziehung sei daher nicht angängig. Das preußische Oberverwaltungsgericht, dessen Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren in der Sache angerufen war, hat sich demgegenüber auf den Standpunct gestellt, daß das Ver langen der Polizeiverwaltung insofern unberechtigt sei, als die Auszahlung von Krankengeld ohne Bescheinigung der Erwerbs unfähigkeit durch einen approbirten Arzt schlechthin, also auch für den Fall der Heilbehandlung des Caffenmitgliedes durch einen nicht approbirten Arzt, sondern durch einen NaturheiVundigen, untersagt wird. Es begründet seine Entscheidung damit, daß nach dem Statut der betreffenden Casse dieselbe ihren Mitgliedern in Krankheitsfällen „freie Behandlung durch die von der Casse bestimmten Aerzte resp. auf eigenen Wunsch der Mitglieder durch einen Naturheilkundigen, gewähre". Damit sei zugleich bestimmt, daß, wenn die Behandlung durch einen Naturheilkundigen, weil sie gewünscht worden ist, gewährt werden muß und gewährt wird, der Cassenvorstand zum Nachweise der Erwerbsunfähigkeit, durch welchen die Zahlung von Krankengeld bedingt iß, nicht noth- wendig die Bescheinigung eines approbirten Arztes zu verlangen braucht. Das Recht des Cassenmityliodes auf Behandlung durch einen Natutheilkundigen enthalte mittelbar auch die Befugniß des Cassenvorstandes zur Zahlung des Krankengeldes, sobald der be handelnde Naturheilkundig« erklärt, daß die Krankheit Erwerbs unfähigkeit zur Folge Hai, und in der Einräumung jenes Rechtes sei diese Befugniß mit anerkannt. Werde die weit bedeutungs vollere Behandlung der Cassenmitglieder Naturheilkundigen an vertraut, so sei ihnen damit gleichzeitig di« Befugniß zur Aus- ftrllung von Bescheinigungen über di« Dauer und den Verlauf der Krankheit, sowie darüber, ob mit ihr Erwerbsunfähigkeit ver bunden ist oder nicht, eingeräumt. Die statutarische Gleichstellung der Naturheilkundigen mit d«n approbirten Aerzten für die Heil behandlung schließe ein« Gleichstellung auch für die Bescheinigung der Erwerbsunfähigkeit in der Art, daß der Cassenvorstand sich mit einer Bescheinigung des behandelnden Naturheilkundigen be gnügen kann, von selbst in sich und sei jedenfalls so lange in dieser Weise zu vrrstehen, als nicht auS anderweiTen Bestimmun gen des Statuts zu entnehmen ist, daß sie eine solche Bedeutung nicht haben soll. Entgegenstehende Bestimmungen habe das Statut der betreffenden Kranken- und Sterbecasse nicht. Daß aber statutarisch die Naturheilkundigen den approbirten Aerzten so wohl für die Heilbehandlung als für die Bescheinigung der Erwerbsunfähigkeit gleichgestellt werden durften, könne deshalb keinem Bedenken unterliegen, weil auch das Hilfscassengesetz dieses nicht ausschließt. Diese Begründung, namentlich der letzte Satz derselben will uns denn doch überaus bedenklich erscheinen, denn mit anderen Worten ist darin der Rechtsgrundsatz proclamirt, daß Alles, was für die Krankencassen nicht verboten ist, als erlaubt zu gelten habe. Hiermit darf man sich jedoch unmöglich einverstanden er klären, weil dies verwaltungsrechtlich zu Consequenzen führen würde, die ganz unberechenbar sind. Damit, vaß die Hilfeleistung eines Naturheilkundigen in Krankheitsfällen zugelassen wird, kann man sich noch einverstanden erklären. Aber nun und nimmermehr wird man Bescheinigungen der Naturheilkundigen über eine vorhandene Erwerbsunfähigkeit denjenigen der appro birten Aerzte gleichstellen können. Consequenter Weise müßte man ja dann auch bei der Anerkennung der durch die Erwerbs unfähigkeit bedingten Entschädigungsverpflichtunyen der Berufs genossenschaften und der Jnvaliditätsverficherungsanstalren der artigen Laien-Bescheinrgungen Geltung einräumen, wenn die selben in Krankenangelegenheiten rechtsverbindliche Kraft besitzen sollen. Das Oberverwaltungsgericht hätte sich vor seiner Ent scheidung zunächst einmal die Frage vorlegen sollen, ob es bei Er krankungen, Beurlaubungen und Pension irungrn seiner Beair en dos Attest eines Naturheilkundigen für verbindlich und aussckllrg- gebend ansieht, und danach zur Sache Stellung nehmen sollen. Denn unseres Wissens besteht auch nirgends eine gesetzlich« Be stimmung, die den Reichs- und Staatsbeamten die Kranken behandlung durch Naturheilkundige verbietet, aber gleichwohl wird es keiner Behörde einfallen, die Bescheinigungen der letzteren entgegenzunehmen und daraufhin Dispense vom Dienst oder gar Geldbewilligungen (Pensionen u. s. w.) eintreten zu lassen. Die selben Bedenken, die bei den staatlichen Behörden hieraeaen vor liegen, treffen auch auf dem Gebiete des Arbeiterversrcherungs- wesens zu, wo speciell die Beurtheilung der Erwerbsunfähigkeit und des Grades derselben an das fachmännische Wissen des Arztes Anforderungen stellt, denen «in Naturheilkundiger nicht gewachsen ist. Derselbe mag sein« Umschläge und sonstig«», an sich mitunter gewiß sehr zweckmäßigen Proceduren zur Unterstützung des Heil verfahrens machen, aber von der Ausstellung von rechtsverbind lichen Bescheinigungen über die Erwerbsunfähigkeit u. s. w. soll er seine Finger lassen. Die Krantenbehandlung ist, wie das Vertrauen zu einem bestimmten Arzte, Privatsache der Kranken, Hingtgen die Ausstellung von rechtsverbindlichen Bescheinigungen über die Erwerbsunfähigkeit Erkrankter oder Verletzter eine Thätigkeit öffentlich rechtlicher Natur, welche nur von Personen ausgeübt werden soll, die ihre Befähigung dargethan haben, wie der Herr Minister des Innern in seiner Entgegnung auf die an ihn gerichtete Beschwerde völlig zutreffend bemerkt hat. Stellt man sich auf den Standpunct des Obrrverwaltungsgerichts, so muß man auch dafür eintreten, daß der Staat überhaupt auf den Nachweis der ärztlichen Befähigung verzichtet. Denn das ganze ärztliche Studium, und insbesondere di« im Anschluß an dasselbe vorgeschriebenen Staatsprüfungen sind alsdann entbehrlich, wenn jedem Laien aus ärztlichem Gebiete, welcher sich für «inen Natur heilkundigen ausgiebt, dasselbe Recht eingeräumt ist wie dem staatlich anerkannten Arzt. Die obligatorische Fleischbeschau. Der im Reichsamt des Innern ausgearbeitete und jetzt vom preußischen Staatsministrrium genehmigte Gesetzentwurf über die obligatorische Fleischbeschau in ganz Deutschland ist eine harte Arbeit gewesen. In einer längeren Darlegung der „Hamb. Nachr.", welche bemerkenswerthe Mittheilungen zur Sache macht, wird ausgeführt, daß zu den großen Hindernissen, welche zu überwinden waren, der Widerstand der süddeutschen Regierungen gehörte. In Süddeutschland ist der. Genuß von ungekochtem Schweinefleisch viel weniger üblich als in Norddeutschland, und man ist dort bisher ohne obligatorische Trichinenschau ausgekom men. Die süddeutschen Regierungen sollen sich thatfächlich so ab lehnend verhalten haben, daß man im Roichsamt des Innern an dem Zustandekommen eines seinen Zweck erfüllenden Entwurfes schon fast verzweifelte. Glücklicher Weise haben di« süddeutschen Regierungen schließlich ihren Widerstand aufgegeben. Die Verzögerung der Fertigstellung des Entwurfes dürfte sich ferner vermuthlich aus der Zähigkeit erklären, mit welcher das landwirthschaftliche Ministerium Preußens an besonderen Wünschen festgehalten hatte. Das genannte Blatt glaubt aber zu wissen, daß, wenn auch die Interessen der Landwirthschaft ein« gebührende Berücksichtigung gefunden haben, der Entwurf doch die Befriedigung keines extrem agrarischen Wunsches enthält. So ist z. B. die von den Landwirthen vielfach bekämpfte, von den Fleischern indessen stets gestellte Forderung, daß die Fleisch beschau sich auch auf die Housschlächterei erstrecken solle, in den Entwurf ausgenommen worden. Alles Großvieh, wozu auch die Schweine zu rechnen sind, soll vor und nach dem Schlachten, ob dies nun in Schlachthäusern oder privatim für den eigenen Haus bedarf geschieht, der Fleischbeschau unterworfen werden. Bei Erledigung der schwierigen Frage, wie unter der all gemeinen obligatorischen Fleischbeschau das importirte Fleisch zu behandeln sei, wurde der Standpunct gellend gemacht, daß alle ausländichen Flrischwaaren vom deutschen Markte ausgeschlossen werden müßten. Die Reichsregierung ist jedoch bemüht gewesen, einen Weg zu finden, um trotz der Einführung ver allgemeinen obligatorischn Fleischbeschau den Import amerikanischer Fleisch waaren zu ermöglichen. Es soll denn auch ein solcher Weg ge fanden sein. Von einer Anerkennung der amerikanischen Fleisch beschau als einer der von uns geplanten gleichwerthigen kann allerdings keine Rede sein. Die amerikanischen Importeure werden es sich vielmehr unbedingt gefallen lassen müssen, daß ihre Waare an den Eingangstellen einer strengen Inspektion unterzogen wird. Hauptsächlich in Betracht kommen Wurst, Schinken, Speck, Pökelschweinefleisch, Büchsenfleisch und Schmalz, Schinken und Speck lassen sich auf ihre einwandfreie Qualität leicht untersuchen. Ihre Einfuhr soll daher zugelassen werden, nachdem in jedem Falle Stück für Stück am Einaangsorte unter sucht und für einwandfrei befunden worden ist. Die so zu gelassene Waare soll dann aber keiner weiteren Inspektion be dürfen, sondern in allen Orten Deutschlands, wo sie zum Consum verkauft wird, als einwandsfrei gelten. Das würde also sogar eine Begünstigung der Einfuhr von amerikanischem Speck und Schinken sein, denn gegenwärtig kann cs vorkommen, daß letztere, ehe sie in die Hand des Konsumenten gelangen, auf ihrer Wände rung durch Deutschland mehrere Male untersucht werden, wie das ja auch wegen der Verschiedenartigkeit der Fleischbeschaugesetze und der diesbezüglichen Souveränität der Localbehörden mit heimischem Fleisch pafliren kann. Dagegen stellen sich der Ein fuhr von Wurst große Schwierigkeiten entgegen. Weil sich keine Möglichkeit bietet, amerikanische Wurst auf ihren Inhalt zu prüfen, so will der Entwurf dem Bundesraih die Vollmacht geben, nöthigen Falles ein Verbot der Einfuhr ausländischer Wurst zu erlassen. Für Büchsenfleisch wird eine Controle als möglich angesehen, ohne die Büchse zu öffnen, und es dürfte vielleicht unbedenklich sein, Sendungen von Büchsenfleisch, welches die Merkmale guter Qualität trägt und sonst von einer als anständig bekannten Firma stammt, den Eingang nach Deutschland freizugeben. Aehn- lich verhält es sich mit Schmalz. Es soll ein untrügliches Mittel für die Feststellung der Qualität von Schmalz hinsichtlich seiner Herstellungsart geben, und in dieser Voraussetzung wird die Zu lassung von einwandfreiem Siedeschmalz in dem Entwurf wahr scheinlich vorgeschlagen werden. Auch gegen die Einfuhr von Pökelschweinefleisch dürfte ein allgemeines Verbot keineswegs un bedingt nöthig sein, insofern dies« Waare eine wirksame Unter suchung und eine Unterscheidung in der Qualität wohl zuläßt. Hinsichtlich der Behandlung der Fleischeinfuhr wird man also in dem Entwurf den allgemeinen Grundsatz erwarten dürfen, daß kein Fleisch und keine Fleischproducte, ohne vorher auf Grund einer am EingangSort von deutscher Seite amtlich vor genommenen strengen Untersuchung für einwandfrei befunden zu sein, in Deutschland zugelassen werden dürfen, andererseits aber auch, daß keinerlei ausländische Waare, deren nach deutscher Auf faffung einwandfrei« Qualität feststellbar ist, von der Einfuhr ausgeschlossen werden soll. Mehr könnte billiger Weise vom Aus lande nicht verlangt werden, mehr aber sollte auch von deutscher Seite nicht gefordert werden. Der Schwerpunkt des Entwurfs wird unter der Annahme, daß er im Wesentlii^n nur die Ziele und Zwecke einer allgemeinen obligatorischen Fleischbeschau fest- Farrillatsn. Das andere Lind. Skizze nach dem Holländischen von K. Robolsky. (Nachdruck verboten.) Sie hatten keine Kinder und wünschten sich doch Beide so sehr welch«. Wenn sie ausgingen, geschah es oft, daß er sie anstieß und sagte: „Sieh', Frida, was für ein reizender Junge in seinem Matrofenjäckchen" oder daß sie ihn aufmerksam machte auf ein molliges, rosiges Baby in einem Kinderwagen! Sie wußten, daß Jeder dachte: „Wenn das unser Junge, unser kleines Baby wäre!" Obgleich ihr Wunsch vorläufig nicht in Erfüllung ging, brachte Wilhelm doch hin und wieder für Frida etwas mit, das er irgendwo in einer Ausstellung erstanden hatte und das ein Kindergemüth erfreut haben würde, und Frida that dasselbe. Sorgsam hoben sie Alles auf; ja, Frida richtete ein eigenes Zimmer für diese Ausstellung ein, nachdem sie sich entschieden, daß es ein Junge sein müßte, der den Namen von Wilhelm's verstorbenem Bruder tragen sollte. Natürlich erfuhr Niemand etwas von dieser Thorheit, wie sie es nannten. Langsam sammelten sie Alles für den zukünftigen Stammhalter auf. Allerhand Spielkram wurde angeschafft, in dem der Hausherr meinte: „Mr müssen Loch etwas haben, wenn die Jungens von Franz (seinem Bruder) zu uns kommen." Doch als die Jungens kamen, wurden sie auf allerlei Weise beschäftigt, aber nach dem Spielzeug wurde nicht gegriffen. Wilhelm that, al» ob er es vergessen hatte, und Frida hütete sich, etwas zu sagen. Und nun — wurde ein Kind erwartet; aber ach, nicht ihr eigenes. Ein« ihrer Verwandten war gestorben, eine Wittwe, die einen kl«in«n Sohn unversorgt hinterließ. WaS lag mehr auf der Hand, als daß sie, die nächsten Verwandten, und ohn« Kinder, sich de» Kleinen annahmen? „Wir können nicht anders", hatt« Wilhelm gesagt und Frida willigte «in, zeigte aber ziemlich un umwunden, daß e» ihr nicht angenehm war, den so lange offen gehaltenen Platz ausaefüllt zu sehen; sie war eifersüchtig auf ihr Kind. Gleichwohl that sie es ihrem Manne zu Gefallen; dieser verlangte danach, da sein Liebling-Wunsch nicht in Erfüllung ging, sich an einem anderen jungen Menschenleben zu erfreuen. So waren die Gefühle, mit welchen der klein« Bernhard, oder Bennie, wie er genannt wurde, empfangen wurde, sehr verschieden und so jung er war, merkte er doch den Unterschied bei der Be grüßung feiner Pflegeeltern. Er schmiegte sich zärtlich an seinen ^.Papa", wie Wilhelm sich ausdrücklich wollte nennen lassen und that allerlei Fragen über seine neue Umgebung. Doch scheu be antwortete er Alle», wa« Frida ihn fragt«, und in der ersten Zeit sprach er nicht anders von ihr al» „die Mevrouns" (gnädig« Frau). Sie wollte sich auch nicht von einem fremden Kinde „Mama" nennen lassen, und als der Klein« es später aus sich selbst that, litt sie es nur, weil sie wußte, daß ihr Mann es so wollte. Sie bemühte sich auch nicht viel um den Knaben. Papa war es, der mit Bennie spielte und tollte, mit ihm spazieren ging, ihn schreiben und lesen lehrte. Frida sah es Alles still mit an, aber manchmal, wenn sie am Fenster stand und die Beiden im Garten sah, wie ihr Mann den Jungen singend auf seinen Schultern reiten ließ, traten ihr die Thränen in die Augen. Es kam ihr vor, als ob es an einem fremden Kinde vergeben wurde, was dem ihrigen zukam und so viel sie auch versuchte, den Ein druck vor ihrem Manne zu verbergen, er merkte es doch. Anfangs trachtete er danach, sie zu trösten, indem er sagte, er könnte sich wohl ihre Empfindungen vorstellen oder er versuchte, sie durch scherzhafte Neckerei auszuheitern. Doch mit der Zeit begann es ihn ungeduldig zu machen, und er konnte nicht unterlassen, ihr sonderbares Betragen sanft zu tadeln. Sie seufzt« dann und fühlte sich tief unglücklich, während sie antwortete: „Früher würdest Du so nicht gesprochen haben." „Nein, liebes Kistd, früher nicht, aber jetzt ist es etwas Anderes, da wir einmal die Pflichten für das Kind auf uns ge nommen haben." Sie konnte und wollte es nicht einsehen, und da das Kind die Urfach« war zu dem stärker überhand nehmenden Gefühl der Entbehrung, sowie zu der verdrießlichen Stimmung ihres Gatten gegen sie, so wurde sie immer gereizter gegen den kleinen Bennie. Eines Tages, als Frida ausgegangen, suchten Papa und Bennie allerlei Spiele vor, die sie stets zu lärmend fand, da sie davon Kopfschmerzen bekam, in Wirtlichkeit, weil sie jede Mühe und Unruhe, durch das Kind hervorgerufen, ärgerte. Bennie befand sich obenauf, als er jetzt thun konnte, was er wollte, und als er von den wilden Spielen ermüdet war, kamen die ruhigeren an die Reihe. „Weißt Du, Papa, was wir haben müßten?, fragte er. „Einen Soldatenkampf mit Zelten und Allem, was dazu gehört. Kannst Du das nicht machen, Papa?" Und als der An gesprochene den Kopf schüttelt«, meint« er mit schmeichelnder Stimme: „Ach, Papa, ich möchte es so gern haben." Er wußte nicht, der kleine Krauskopf, daß Das, was er ver langte, ganz in seiner Nähe war. Papa wußte es wohl, er hatte gleich daran gedacht, und er mußte sich überwinden, daß er dem kleinen Schmeichler, dem er selten etwas verweigern konnte, Gehör schenkte. Aber plötzlich hatte er seinen Entschluß gefaßt. „Es ist doch thöricht, Alle» ungebraucht stehen zu lassen, während e» so viel Vergnügen bereiten würde", sprach er zu sich selbst, indem er auch schon den Schlüssel in die Thür de» Gemaches steckt«, das so sorgsam gehütet worden war. Er war in der letzten Zeit nicht dort gewesen, aber an einzelnen Sachen sah er, daß Frida sorgfältig über die Schätzt ihre» Lieblings wachte. „Sie wird es ja einsehen", sagte er zu sich selbst, al» ob er eine Antwort auf eine ausgesprochen« Beschuldigung gab. Als er mit dem Spielzeug« zurückkehrte, war Bennie ganz bezaubert; e» war ein« wahr« Ueberraschung für ihn, und ber Frida's Heimkunft begrüßte er sie mit hochgerötheten Wangen, indem er ausrief: „Sieh' Mama, sieh' doch, wie schön." Er hatte erwartet, Widerklang seiner Freude zu finden, aber er wußte nicht, wie ihm geschah, als Frida mit gerunzelter Stirn und zusammengebissenen Lippen einen Theil des Spielzeuges er faßte und heftig fragte: „Wie kommst Du dazu? Du darfst nicht damit spielen, das gehört einem anderen Kinde, gieb es zurück." „Frida, ich habe es ihm gegeben; wir wollen darüber sprechen, komm in mein Zimmer", fiel ihr Mann ein, der dem Kinde Vorwürfe ersparen wollte. Doch sie wurde nur gereizter. „Laß ihn nur hören, daß er nicht mit dem spielen soll, was einem Anderen zukommt", und während sie das Kind am Arme schüttelte: „Willst Du gleich Alles zurückgebrn! und wenn Du noch einmal damit spielst, werde ich Dich streng bestrafen, hörst Du?" Bennie setzte eilig und ängstlich all' das neu erworbene Spiel zeug zusammen und lief, sobald er konnte, aus dem Zimmer. Frida beachtete es kaum, als ihr Mann sich zu ihr wandte und entrüstet ausries: „Wie ist es möglich, daß Du Dich so weit ver leiten läßt, er ist doch unschuldig daran. Und daS Alles wegen eines eingebildeten Kindes! Es ist einfach unsinnig." Sie brach in ein nervöses Schluchzen auS, und abgebrochen kamen die Worte heraus: „Für mich ist eS nicht eingebildet, und wenn Du Dich davon befreit hast, dann muß ich mich daran anklammern, sonst stehe ich ganz allein." Sie wollte von nichts mehr hören und kein Zureden half, von dem Augenblicke an entstand eine bestimmte Kluft zwischen ihr und ihrem Gatten; während letzterer sich noch liebereicher gegen den kleinen Bennie zeigte, kehrte sich dieser mehr und mehr von Frida ab. Er fürchtete sich vor ihr, was noch zunahm, als sie ihn einst auf der Thürschwellr an der verschlossenen Thür stehend fand, neugierig dieselbe anschauend und sie ihn heftig fortgewiesen hatte, da das Zimmer „dem anderen Kinde" gehörte und er machen sollte, daß er fortkam. Den Eindruck bemerkend, den sie auf ihn dadurch machte, benutzte sie oft die Gelegenheit, „von dem anderen Kinde" zu sprechen, um ihm zu imponiren. Kein Wunder, daß er einst, in Gedanken sitzend, halblaut die Bemerkung machte: „Ich liebe das andere Kind nicht." Doch fragte er niemals danach, zur großen Verwunderung Wilhelm's. Wie Kinder so oft Fragen thun, auf welche man ganz unvorbereitet ist, so unterlassen sie es häufig, gerade wenn man es erwartet. Klein Bennie wurde krank, sehr krank; es war rin Kampf zwischen Leben und Tod, und Tage und Wochen vergingen, ehe die Krisis eintrat. Frida sorgte für Alles und ließ es dem kleinen Patienten an Nichts fehlen. Sie wachte bei ihm, wenn die Zeit kam, ihren Mann abzulösen, der so wenig wie möglich von dem Bettchen wich; aber Alles geschah in eiskalter Pflichterfüllung. Und alH die Gefahr vorüber war und der Patient weniger Pflege ge brauchte, zeigte sie sich in immer größeren Zwischenpausen im Krankenzimmer, es ihrem Manne überlassend, den Kleinen be schäftigt zu halten. Das letztere kostete übrigens wenig Mühe, da er meistens in einem großen Buch« vertieft war, das Bilder enthielt und VerSchen, die er selbst lesen konnte. Dies Buch war sein Alles; schon vor seiner Krankheit hatte er mehr danach ver langt als nach allem anderen Spielzeuge, und während seiner Krankheit wollte er es nicht von sich lassen. Es mußte in seinem Bereich sein, wenn er erwachte und unter seinem Kissen liegen, wenn er schlief. Frida und Wilhelm lächelten oft darüber, mit welch' ängstlicher Sorge er seinen Schatz bewachte, und als Wilhelm einst scherzend gesagt hatte, er wollte es in den Ofen werfen, war «ine solche Thränenfluth gefolgt, daß die beiden Pflegeeltern ihr Möglichstes thaten, den kleinen Nervösen zu be ruhigen. „Papa", sagte Bennie eines Mittags, nachdem er eine Weile nachdenklich still gelegen hatte, sein kostbares Buch fest im Arme haltend, „wo ist denn Mama? Anfangs war sie oft^hier und jetzt fast gar nicht mehr." „Psama kann nicht immer hier sein, Mama Hai andere Dinge zu thun." Der kleine Junge schwieg einige Augenblicke; dann sagte er: „Mißt Du, was ich denke? Daß das andere Kind auch krank ist, darum kann Mama natürlich nicht mehr bei mir sein." Es traf Wilhelm ins Herz, daß er es so natürlich fand, in solchem Falle dem anderen Kinde nachgesetzt zu werden und als Frida, die ihren Mann am Bettchen ablösen wollte, hörte, was Bennie gesagt hatte, setzte sie sich etwas schuldbewußt bei dem Kinde nieder. Sie dachte, er schlief, aber er schlug sogleich die Augen auf und fragte mitleidigen Tones: „Hatte er Schmerzen und glühte sein Kopf auch, und hatte er argen Durst?" Sie dachte, sein« Gedanken abzulenken, indem sie sagte, er sollte jetzt schlafen und sie würde ihm zu trinken geben; doch, ob gleich er keine Fragen mehr that, merkte man es ihm an, daß seine Gedanken dieselbe Richtung hatten. Er sprach mehr zu sich selbst, ohne eine Antwort zu erwarten: „Ob er weiß, daß ich auch krank bin? Ob er weiß, daß ich ihn nicht lieb hatte? Aber jetzt bin ich ihm doch gut, nun er krank ist." Frida fand es peinlich, diese .Herzensergüsse, in mitleidigem Ton« gesprochen, anzuhören, und sie that ihr Bestes, ihn zum Schweigen zu bringen: „Sst, Bennie, nicht mehr sprechen, Du mußt jetzt schlafen." Zuerst wurde er wirklich still und lag eine Weile ruhig, danach begann er sich hin und her zu werfen und drückte sein Buch fest an sich. Aber plötzlich richtete er sich in di« Höhe, reichte das Buch hastig Frida und sagte: „Da, das ist für das andere Kind; bringe es ihm schnell." Doch das Opfer wurde nicht angenommen, so wie er, der eS brachte, erwartete; das Buch fiel zur Erde, da Frida mit un gestümer Bewegung aufsprang, am Bettchen niederkniete und schluchzend ihr Gesicht in den Händen verbarg. Die schwache Seite war getroffen; die „ihrem Kinde" erzeugte Lieb« war allein im Stande gewesen, die Eiirind« zum Schmelzen zu bringen. Und der ganze Schatz von Liebe und Zärtlichkeit, so lange an ein Traumbild verspielt, sollte endlich über das Kind auSgegossen werden, da» so lange verstoßen gewesen war.
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