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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990113026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899011302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899011302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-13
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Reklame« unter dem RedactionSstrich l« ge spalten) ÜO^j. vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Preis» verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höheren! Tarif. Extra-Veilagen (gefalzt), a«r mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderun^ 60.—, mrt Postbeförderuug ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgabe: LlmnittagS 10 Uhr. Wo r gen »Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreigen sind stets an die Expeditia» zu richten. Druck und Verlag vou L. P olh in Leipzig 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Januar. An erstmaligen Berathungen von Mttitairvorlanen im Reichstage ist neuerdings nur die Art interessant, wie daS Centrum sich seine Stellungnahme vorbehält. Dieser dialektische Genuß ist auf heute 'ausgespart worden. Gestern traten Wortführer von Parteien auf, deren grundsätzliche Haltung bekannt war. Außer Herrn Richter Frbr. v. Stum m und Herr v. Levetzow. Letzterer Redner bestätigte den Ein druck, daß die in der „Kreuzzcitung" bemerkbar gewordenen militairischen Beklemmungen, wie wir vermuthet, die ganze konservative Partei belästigen. Auch Herr von Levetzow. vermißt vielfach Klarheit und Consequenz in der Vorlage und findet es nicht ausgeschlossen, daß sie „dunkle ZukunftSpläne" birgt. Insofern mußte sich — leider — der Führer einer durchaus heereSfreundlicheu Partei mit Eugen Richter be gegnen, der bemerkt hatte: auch in der Militairverwaltung herrscht ZickzackcourS! Im Uebrigen liegt der Schwerpunkt der technischen Kritik, insoweit diese überhaupt bei einem Parlamente wirksam geübt werden kann, von HeereS- und Marinesachen in der Commission. Und über die politische Seite der beantragten HeereSergänzung und -Vervollkommnung herrscht glücklicherweise diesmal kein Streit. Die Fortsetzung der Rüstungen in den uns interessirenden Staaten ist eine zu bekannte — übrigens vom preußischen Kriegs minister neuerdings bestätigte — Thatsache, als daß die gegen- theiligen Behauptungen des Herrn Richter Eindruck machen konnten. WaS Minister von Goßler über die Bedeutung des russischen sog. Abrüstungsvorschlages — der Minister sagte: Friedensmanifest — sagte, entsprach durchaus früheren deutschen Kundgebungen zur Sache. Der Ausruf erscheint der Militair verwaltung wichtig, er berührt sogar in gewissem Grade die Vorkehrungen, welche sich nach der Möglichkeit eines Krieges Deutschlands nach zwei Fronten richten müssen, aber die Kriegsbereitschaft bleibt doch nach wie vor die einzige starke Friedensbürgschaft. So Herr von Goßler, der auch im spätere» Verlaufe seiner Rede, bei der Vertheidigung eine» technisch schwachen Punkte- der Vorlage, der dritten Divisionen beim 11. und 4. Armeekorps, den Zarenvorschlag, ohne ihn zu nennen, kennzeichnete, indem er sagte: „Die Ver stärkung dieser Armeekorps im Osten und Westen beruht eben auf Verhältnissen, die außerhalb uuserer Machtsphäre liegen." Bekanntlich hat Rußland kolossale Truppen massen nahe der Ostgrenze liegen. — WaS der Kriegsminister über die zweijährige Dienstzeit verlauten ließ, entsprach durchaus den vernünftigen Erwartungen; die Wirkungen auf die Kriegstüchtigkeit lasten sich noch nicht übersehen und die durch die Verkürzung der Dienstzeit verursachten er heblichen AuSbildungSschwierigkeiten machen bereits Abhilfs maßnahmen nöthig. In Aussicht genommen ist bekanntlich, Mannschaften durch Verringerung ihrer Dienstpflicht im Beur laubtenstande zu einem dreijährigen sreiwillst en Verbleiben bei der Fahne zu veranlassen. Sollte der gewährte Vortheil nicht die ge wünschte Anziehungskraft auSüben, so, meint der KriegSminister, muß daS Gesetz einen Theil der Fußtruppen im dritten Jahre festhalten. Aus dieser subsidiären Absicht kann man wohl schließe», daß au die allgemeine Einführung der drei jährigen Dienstzeit nicht mehr ernstlich gedacht wird. Eine etwas vom Zaune gebrochene Bemerkung des Herrn v. Goßler über eine angeblich große Anzahl der vor bestraften Recruten gab Herrn Eugen Richter die Gelegenheit, etwas vorzubringen, WaS er nicht regelmäßig gegen HeereSforderungen erwidert. Im Uebrigen war Alles Frnilletoir. 101 Onkel Wilhelm's Gaste. Roman von A. von der Elbe. Nachdruck rerbotm. Wenn dem Vater wenig zum Leben blieb, was wohl möglich sein mochte, so mar es ja für alle Theil« eine Erleichterung, sich zu trennen. War der Alte nicht ganz verdreht — sonderbar sollt« er ja sein — so mußte er sich freuen, die mittellose Tochter glän zend versorgt zu sehen. Wendelin wollte Nella brieflich um «ine zweite Unterredung bitten, sie würde dann gewiß auf sein zärtliches Zureden ihre Neigung zu ihm bekennen, würde sich klarer ihre Lage vorstellen, und ihm ihr Jawort geben. Durchaus nicht entmuthigt, verließ er den Park und schritt dem Dorfe zu, wo er sich in dem kleinen Gasthausr einquartiert hatte. In d«m Augenblicke, als Wendelin den Park durch das Mauerthürchen verkästen hatte, war Doktor Feldhaus, mit seinen Zöglingen vom Spaziergang kommend, auf dasselbe zugeschritten. Wendelin bemerkte in seiner Erregung die Nahenden nicht. Dem jungen Lehrer aber fiel der elegante Mann auf, und befremdend blickte er ihm nach. AIS sie den Park betraten, rief Paul: „Sieh, da ist Nella, wie sie läuft!" und Peter sprang den kleinen Hügel zum Pavillon hinan, hob ein weißes Etwas auf und rief: „Guck mal, sie hat ihr Taschentuch verloren!" Ein kalter Schreck überrieselte Johannes Feldhaus. Was war das? Das sah ja ganz bedenklich einem Rendezvous im Pavillon ähnlich. Sollte es möglich sein? Aber warum nicht? Sie war frei, er schien ein feiner Mann, gewiß «ine Anknüpfung aus der Stadt? Aber, wenn sie Braut war und sich verheirathete, würde sie doch den kranken Vater und die Brüder nicht begleiten können, wie sie immer versicherte, daß sie thun wolle und müsse. FekdhauS fühlte, daß er verwirrt, daß er völlig verstört sei. Hatte er denn je eine Hoffnung zu hegen gewagt? Und WaS wollte er von ihr, er, der kaum für sich einen Halt im Leben finden konnte. Mit aller Macht suchte er die Qualen der Eifersucht nieder zukämpfen, die sich seiner bemächtigt hatten, indem er sich ver westen schalt und sich sagt«, daß er ja doch keine Aussicht habe, jemals Rechte auf sie zu erlangen. -- - das Alte, wirksam aber die Citate aus militairischen Fach schriften, nach denen Mannschaften in ungeheurer Zahl der Ausbildung durch Abcommaudirung als Köche, Wäscher und Officierburschen entzogen werden. Zn der nächsten Woche, am ersten „Schwerinstage", wird sich der Reichstag voraussichtlich mit dem abermals ein gebrachten alten Anträge der „regierenden Partei" auf Auf hebung deS AesuiteiigcsctzcS beschäftigen. Bekanntlich hegen die Antragsteller die Hoffnung, daß der BundeSrath sich wenigstens zu der vom letzten Reichstage beschlossenen Auf hebung deS H 2 deS Gesetzes entschließen und seine Geneigt heit dazu während der Berathung deS Antrags kunvgeben werde. Auf welche sachlichen Gründe diese Hoffnung sich stützt, ist nicht ersichtlich. Der Beschluß des vorigen Reichs tags über den K 2 ist Anfang April 1897 gefaßt. Im Herbst desselben IahreS begab sich der CenlrumSfübrer Lieber nach Berlin, um zu sondiren, was sich im Hinblick auf die damals bevorstehende Flottenvorlage wohl für die besondere Politik seiner Partei herausschlagen lasse. In einer unmittel bar hinterher in Aachen gehaltenen Rede gab er mit Bedauern bekannt, daß auf dem Gebiete des Iesuitcngesctzes noch immer nichts zu erwarten sei. Wenn also damals die Regierung es ablehnte, durch Beseitigung des ß 2 des IesuitengesetzeS daS Centrum für die Flottenvorlage zu gewinnen, so ist sicherlich nicht einzusehen, warum sie jetzt diesen Preis etwa für die Be willigung der Militairvorlage sollte zahlen wollen, — es wäre denn, daß man sich in den regierenden Kreisen inzwischen von der praktischen Bedeutungslosigkeit und Entbehrlichkeit des K 2 überzeugt hätte. Das Letztere ist aber nicht wahrscheinlich; vielmehr ist anzunehmen, daß die genauere Prüfung der Frage die Aufhebung des tz 2 als eine sehr unerwünschte Verstümmelung des Gesetzes hat erkennen lassen. Es wird gesagt, daß ja auch ohne den Z 2 polizeiliche Handhaben zur Verhinderung der OrdenStbätigkcit genug zur Verfügung ständen. Es bedarf aber keine? großen Scharfsinns, um zu verstehen, daß gerade eine Negierung, die möglichst schonend Vorgehen möchte, sich lieber des durch tz 2 ermöglichten vor beugenden Eingreifens bedienen wird, als der polizeilichen Gewalt. Sachliche Gründe würden also die Regierungen gewiß nicht bestimmen können, der Aufhebung deS tz 2 zuzustimmcn. Eine solche Zustimmung könnte nur den Zweck haben, daS Centrum zum Ansturm gegen den Nest des Ge setzes zu ermuthigen und ihm die Bereitwilligkeit zur Waffen streckung kunvzuthun. Ist man aber bereits so weit, so bleibe man be« der Halbheit der Preisgebung deS tz 2 nicht stehen, sondern lege resolut die Hand an das ganze Gesetz. Die protestantische Bevölkerung und der sich immer mehr er weiternde Kreis solcher Katholiken, die über die Jesuiten und ihren Einfluß ganz so denken, wie die Protestanten, haben ein Recht darauf, zu erfahren, ob cs den „frommen Vätern" durch ihre Unterstützung der französischen ProtectoratS- ansprüche gelungen ist, sich bei den Lenkern deS neuen Curscs in günstigeres Licht zu stellen, und auf welcher Seite bei der Abwehr der vom jesuitischen Geiste drohenden Gefahr die deutschen Regierungen zu finden sind. In der französischen Kammer wird daS Satyrspiel, das auch derDreysus-Tragödie nicht fehlt, unbekümmert um daS Gelächter der Welt und die Schadenfreude Englands, lustig weitergesponnen. Wir geben an anderer Stelle die gestrigen Kammerverbandlungen wieder. Sie betreffen ver schiedene Interpellationen über die bekannten „Enthüllun gen" Beaurepaire'S, die von der Regierung unverzüglich Trotz aller Vernunftsgründ« war indeß sein ganzes Denken doch auf diesen Vorfall gerichtet, und er verschloß in den nächsten Tagen fein Ohr nicht gegen eine Kunde, die unter den Leuten des Schlaffes umging: der älteste Sohn des neuen Besitzers sei schon im Dorfe angekonrmen und — er schicke Briefe an das gnädige Fräulein. Also ein Herr von Wendelstein war's, der Majoratserbe — o, wie das Herz des armen Lehrers sich schmerzhaft zusammenzog! Aber er wollte ihr das Glück gönnen. Hier, wo sie so gern weilte, sollte sie dereinst Herrin werden. Vielleicht würde dann, ohne daß sie sich den Ihren ganz hingab, doch für dies« gesorgt? Wie bitter, zur Seite zu stehen, nichts thun zu können, sich nicht hinrinmischen zu dürfen, überflüssig und für sie eine Null zu sein! Die Begegnung im Pavillon halt« Nella tief erregt, nach einer schlaflosen Nacht empfing sie am anderen Morgen Wen- delin's Brief mit einem zitternden Erschrecken. Er glaubte ihr also nicht, er wollte sie nicht lassen. Er schrieb, wie sie gedacht, bat, sie noch einmal sehen zu dürfen, um ihre Bedenken durch seine Liebe und die auf der Hand liegenden Dernunftgründe zu besiegen und sich endlich ihr Jawort zu erringen. Nella ging in schweren Seelenkämpfrn umher. Was sollte sie thun? Durfte sie dem beharrlichen Werben Wendrlin's immer wieder rin „Nein" «ntgegeiffehen? War es recht für die Ihren, für sie selbst? Vielleicht konnte sie als Frau eines vermögenden Mannes doch noch besser für Vater und Brüder sorgen, als wenn sie mit ihnen in die Verbannung ging? Oder war dies nur eine selbstsüchtige Regung? Verlangte sie nach dem Wohlleben an des Majoratserben Seite? Wendelin hatte noch einmal betont, daß er unter seines stren gen Vaters Hand stehe und außer Stande sei, etwas für die Ihrigen zu thun. Wie sollten aber die Aermsten ohne ihre Für- sorge auf dem Rusteberg« leben? Der Onkel lehnte jede Mühe waltung ab. Hätte sie doch eine Mutter gehabt, um sich in ihre Arme zu werfen und zu hören, was das Rechte sei. Si« flüchtete in «ine versteckte Laub« des Parkes, saß hier weinend und rathloS, stützte den Ellenbogen auf den (Kartentisch vor ihr und legte den Kops in die .Hand, in der anderen hielt sie Wendelin'S offenen Brief, das Couvert war zur Erd« geflattert. Auch Doctor Feldhaus batte soeben «inen für ihn wichtigen Brief erhalten, der ihm die Ernennung zum Ordinarius, an der Owrrta eines Berliner Gymnasiums, brachte. Er trat damit so beantwortet wurden, zu einigem Geschrei und Durcheinander führten, aber nicht, wie die Revisionsgcgner gehofft hatten, die Negierung stürzten, sondern ihr mit der großen Mehrheit von 299 Stimmen die Annahme der von ihr gebilligten einfachen Tagesordnung einbrachten. So bat der Entschluß des Justiz- ministerS, eine dritte Untersuchung der „neuen Thalsachen" cinzuleiten, wenigstens das eine Gute gehabt, daß die wüste Notle der Antirevisionistcn sich entwaffnet sah und das rcvisionSfreundliche Ministerium noch fest steht. Die Dreh- fusianer können nur froh sein, daß die jämmerliche Angelegen heit vor daS Forum der weitesten Ocffentlichkeit in der Deputirtenkammer gebracht wurde, denn so kann dieselbe am wirkungsvollsten dem Fluche der Lächerlichkeit preisgegebeu werden, der in Frankreich ja tödtlich sein soll. Aber die gestrige Debatte hat nicht nur bestätigt, daß cS sich um Lappalien handelt, sie hat auch festgestellt, daß die Richter des CassalionShofes Löw und Bard, wenn sie Pirquart noch mit „Herr Oberst" anredeten, wenn sie dem Zeugen^gezenüber sich höflich entschuldigten, daß er uicht vernommen werden könne, wenn sie ihm einen Trunk Wasser und Cognac gönnten, durchaus nichts tbatcn, was nicht allgemein üblich wäre. Ja, was den ersten Punct anlangt, so nennen nicht nur die Generale Picquart noch immer „Oberst", sondern der Picquart zur Uebcrwachung beigegebene Ofsicier bat sogar Befehl erhalten, diesen nur so anzureden. Man sieht also, daß die Partei der Generalstäbler, an ibrer Spitze Beau- repaire, um daS Nevisionsmerk in zwölfter Stunde noch auszu halten, sich der ebenso kleinlichen wie verächtlichen Mittel derAuf- bauschung, der Färbung und Entstellung an sich ganz unschul diger Dinge bedienen. Sic greifen nach dem letzten Strobhalm. Zu verwundern ist es nur, daß die öffentliche Meinung in Frankreich mit diesen Feinden der Republik uicht kürzeren Proceß macht und über sie zur Tagesordnung übergeht. Die äußere Lage Frankreichs erfordert das ein- müthige Zusammenstehen aller Parteien und das energische Zusammenfassen aller nationalen Kräfte, statt dessen ver geudet es dieselben in wilden Parteikämpfen und fordert seine Feinde geradezu auf, ihren Vortheil wahrzunehmen. Es wird höchste Zeit, daß das Land aus diesem ParoxismuS erwacht, wenn es nicht daS Schicksal Spaniens theilen soll. Der Kampf der englischen Locial-cmokratie gegen die dortigen Arbeitgeber soll, wenn eS nach dem Plane der Umsturzhetzer geht, in Zukunft auf noch größerem Fuße als bisher organisirt werden. Der Punct, an welchem sie einsetzen wollen, um die Position der englischen Arbeitgeber auö den Angeln zu heben, ist die Grubenarbeiterorgauisation, und zwar ist eine Verschmelzung deS Vereins der Grubenarbeiter von SüdwaleS mit dem Gruben - arbeiterverbande von Großbritannien ins Auge gefaßt, vorbehaltlich eventuellen späteren Beitritts der Gruben arbeiter von Durbam, welche letztere einstweilen noch ihre eigenen Wege wandeln. Immerbin wäre auch schon die Ver schmelzung der erstgenannten beiden Arbeiterorganisationen ein kaum ernst genug zu nehmender Erfolg der socialdemo- Irakischen Umsturzpropaganda. Denn die so geschaffene Liga würde Macht genug besitzen, um in jedem beliebigen Grubenrevier, mit einstweiliger Ausnahme deS Durhamer, den Krieg der Grubenarbeiter gegen die Arbeitgeber zu entfesseln, indem sie ihre gesammten Mittel und Kräfte auf denjenigen oder diejenigen Gegner concentrirt, deren Niederzwingung aus allgemeinen parteistrategischen Er wägungen in erster Linie sich empfehlen sollte. Und es ist nicht abzusehen, wie die Arbeitgeber den ihnen drohenden recht eigentlich in seinen Beruf ein, sühlte sich von großer Sorgenlast befreit und sehr glücklich. ES drängte ihn, seinen Erfolg mitzutheilen, seine Freude einer theilnehmenden Seele auszusprechen. Er sehnte sich nach Nella und eilte, sie aufzusuchen. Die eifersüchtige Sorge um den jungen Majoratserben war in diesem Augenblicke vergessen. Endlich fand er sie. Gedankenverloren saß si« mit dem Briefe in der Hand da. Er stutzte, wollte sich leise zurückziehen, allein si« hatte ihn schon bemerkt und streckte ihm mit bekümmertem Gesicht die Hand entgegen. Er trat heran und hob das ihr entfallene Briefcouvert vom Boden auf, dabei gewahrte er das Wendelstein'sche Wappen und erschrak so peinlich, daß er fühlte, wie er erblaßte. Nella dagegen erröthete unter seinem fragenden Blick und bat ihn verwirrt, sich zu ihr zu setzen. Ohne die frühere Freudigkeit erzählte er ihr von der vor läufig allerdings sehr bescheidenen Sicherung seiner Zukunft. Dann ober, hingerissen von ihrer Nähe und von ihren warmen Glückwünschen, gestand er ihr, wie es ihn gedrängt hab«, sich gegen sie auszusprechen, und welch' innige Freundschaft er für sie und ihren Bruder empfinde. „O, dürfte ich auch Ihnen Alles sagen, was mich quält", flüsterte sie bewegt. „Ich steh« so unsicher, so unberathen da." Großer Gott, wollte sie ihn zum Mitwisser ihrer Liebe machen? Wie sollte er das ertragen? „Mit Kurt mag ich nicht über die Sach« sprechen", fuhr sie zögernd fort. „Er u-nd Wendelstein waren befreundet. Ah, da haben Sie'S. Nun denn — der älteste Sohn unseres Feindes bittet um meine Hand. Was soll ich thun? Ist es recht, Vater und Brüder zu verlassen? Oder entlaste ich Sie und kann ver suchen, ihnen zu helfen, wenn ich gehe." „Lieben Sie Herrn von Wendelstein?" fragte er athemlos. Wie ein Blitz der Erleuchtung fuhr diese Frage in Nella's Herz. Nein und noch einmal nein, sie liebte Wendelin nicht! Ja, wäre er gewesen, wie der da vor ihr, der, eine Welt von Güte und Zärtlichkeit in seinem auf sie gerichteten Blick, voll Spannung ihr die Antwort von den Lippen zu lesen schien. WaS hatte sie thun wollen? Deshalb ihr« Angst und Un sicherheit. Si« hatt« nur mit dem Verstand« daS Für und Wider erwogen und ihr Herz nicht gefragt. In welch' ein Elend würde si« sich gestürzt haben, wenn ihre Erwägungen ein „Ja" für vor- theilhaft erkannt und sie zu dieser Heirath gedrängt hätten. Blitzesschnell zog diese Erkenntniß in ihre Seele. Alle äußeren Gründe verblaßten wie Schemen der Nacht vor dem Schimmer Schlag erfolgreich pariren wollen, eS sei denn, daß sie bcn Feind mit dessen eigenen Waffen bekämpfen, indem sie gleich falls, und zwar je eher desto besser, einen das gesamm!: Vereinigte Königreich umfassenden Bund der Arbeitgeber dc^ Grubenbetriebes ins Leben rufen. Eine solche Schöpfung, von dem Bewußtsein der Interesscnselidarität getragen u.'. über die nöthigen finanziellen Mittel verfügend, dünt.-, angesichts der regierungsseitig geübten Zurückhaltung, viellcia-c der einzige Factor sein, der die Aufrechterhaltung des socialrn Friedens ermöglicht, bezw., wenn dies durch die Treibereien der svcialdemokratischen Kriegshetzer vereitelt werden sollte, den Arbeitern der Grubenbranche eine Lection ertheilei könnte, die diesen aus absehbare Zeit alle wirthschaftlicheu Kampfgelüste gründlich verleidet. Die Nachrichten über eine schwere Erkrankung de? Emirs von Afghanistan haben in England wie in Rußland große Aufmerksamkeit erregt. Sollte Abdurrahman Chan sterben, so wird ein heftiger Kampf um die Thronfolge eul- breunen. In der Theorie giebt eS ein Erbfolgerecht i i Afghanistan, in Wirklichkeit aber ist Erbe, wer den größten Anhang hat. Prinz Habidullah, der älteste Sohn d:s Emirs von einer Wittwe königlichen Geblütes, hat in der jetzigen ersten Frau des Emirs seine Gegnerin. Sie wirlt für ihren ganz kleinen Sohn, den Prinzen Mahonies Omar. Von den afghanischen Häuptlingen sind, wie der „Manch. Guardian" wissen will, ebenso viele süigden einen wie für den anderen Thronerben. In den letzten Jahren hat der alte Abdurrahman den Prinzen Habidullah be günstigt; so ost sich die Gelegenheit bot, wurde er dem Volte als Thronerbe vorgestellt. Die jetzige Herrscherin ist aber ein: energische Frau und wird kaum ohne Gewalt nachgeben. Vo. einigen Jahren brach während der Abwesenheit des EmirS ein Aufstand in Kabul aus. Die Königin zog sofort Männerkleidung an, stellte sich an die Spitze des HeereS und warf den Aus stand nieder. Als der Emir wieder eintraf, war die Ordnung völlig hergestellt. Der zweite Sohn deS Emirs, Nasrullah, bat keine Bedeutung; sein Besuch in England hat di: Afghanen gegen ihn eingenommen. Die Weigerung der bri tischen Negierung, eine afghanische Gesandtschaft in London zuzulassen, hat den Stoiz Abdurrahman ChanS schwer verletzt, und er hat Nasrullah stets vorgeworfen, daß dieser die Schuld an dem Nichtgelingen deS Planco trage. Der einflußreichste Bewerber in der afghanische.! Turonfolgefrage sitzt aber auf russischem Boden in Mittelasien, in Samarkand. Ischak Chan, der ältere Bruder des EmirS Abdurrahman, hält dort förmlich Hof; er hat einen Palast, ein hohes Gehalt und eine Leibwache. Er vermittelt die Verbindungen Rußlands mit einzelnen afghanischen Stämmen und Vertrauenspersonen, und vor wenigen Tagen hat er Abgesandte der Hazaras empfangen, die mit der Regierung in Kabul unzufrieden sind. Ischat Chan wird der Candidat Rußlands auf den afghanischen Thron sein, sobald sich der Thronwechsel nicht glatt voll zieht, und er hat durch die Bahnverbindung bis an die afghanische Grenze bei Kuschk einen Vorsprung gegenüber etwa aus Indien kommender englischer Hilfe für einen der Söhne des EmirS. Russische Blätter erörtern ganz offen dies: Seite der afghanischen Frage, WaS England gerade nicht zur Beruhigung dienen kann. des Morgenroths. Allein Schreck, Erstaunen über etwas Un- gekanntes in ihr versetzten ihr den Athem und ließen sie erstarren. Aber sie mußte sprechen, noch immer saß Johannes lautlos, ein Bild sehnsüchtiger Spannung da. Sie erhob sich, schob Wendelstein's Brief in die Tasche und sagte im Davongehen: „Ich danke Ihnen — Sie haben mir den rechten Weg gezeigt. Ich liebe Herrn von Wendelstein nicht und werde ihm mein Jawort nicht geben." ' Damit verließ sie ihn. Johannes bli«b in einem Taumel von Freude zurück. Er war emporgefahren, schlang die Hände ineinander und murmelte: „Großer Gott, wenn es möglich wäre — wenn es nur denkbar wäre!" Nella aber ging in ihr Zimmer. Sie sühlte sich wie erlöst, wie neubelebt. Mochte nun kommen, was da wollte, sie war vor einer Lüge bewahrt geblieben und hatte ihre Freiheit gerettet. Ohne weiteren Zweifel schrieb sie an ihren Bewerber mit aller Bestimmtheit, daß sie nicht die Seine werden könne. Um ihn zu schonen, sagte sie nicht, daß sie erkannt habe, ihr Herz sei ihm verschlossen, sie sagte nur, sie fühle deutlich, daß sie ihren leiden den Vater nicht verlassen könne. Mt Schmerz begriff endlich Wendelin, daß Alles vergebens sei, und reiste, wenige Tage bevor die Rustebergs das Schloß ver lassen mußten, verstört ab. Neuntes Kapitel. Onkel Wilhelm Haie Kurt's und Nella's Briefe freundlich be antwortet und die Familie, wenn sie zu ihm ziehen wolle, noch mals willkommen geheißen. Jetzt galt es, da der Tag, an dem man aufvrechen mußte, herankam, den Vater zu bestimmen, daß er sich mit der Ueber- sicdelung nach dem Rusteberge einverstanden erkläre. Etwas wie Größenwahn schien sich des unglücklichen Mannes bemächtigt zu haben und verwirrte sein Urtheil über die be stehenden Verhältnisse. Bald sprach er von einem Landhause am Rhein, das er erwerben wolle, bald meinte er, in Paris oder Florenz werde es sich bis zur Aufklärung seiner Angelegen heiten angenehm leben lassen. Kurt sah ein, daß er den Aermsten wie einen Kranken behandeln müsse. Er überlegte mit Nella und Feldhaus, ob cs unrecht sein werde, auf des Vaters Ideen einzugehen und ihn mit falschen Vorspiegelung'.« dahin zu locken, wohin er sonst nicht zu bringen sein werde. Die drei Verbündeten kamen überein, daß man nicht anders
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