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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189901150
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18990115
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18990115
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-15
- Monat1899-01
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.01.1899
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DS»Mxg«-SK»gab« «scheint «, >/.7 Uhr, UrMiutzlkissa»^ Wo-euta-S« S Uhr. Rtd«ttr» ,«tz Lr»e-Mi»; Ai» Ezp«bftio> ist Wocheutug» mumterbeocheck »« früh 8 bi» «benh« 7 Uhr. Filiale«: Dtt» Aem«'» Esrtt». (Msretz -atz»), UnixrsUtUstratze 8 (Paulttum), 8a»K dtztztzr, Artthariueustr. I< part. »d K-aig-platz 7. 28. MpMer TaMall Anzeiger. ÄmLsUatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rnthes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. A«zeige«.PreiS die 6gespaUme Petitzeile 20 Pfg. Reckamen unter dem RrdactionSstrich (4 ge spalten) üO^z, vor den Famüiennachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut uns«»m Preis- verzeichniß. Latellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Poslbrsörderung 60.—, mit Popbefürderung 70.—. Annahmeschluß fiir Äu)tigen-. Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4UhL Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeige» sind stets an di« Gxpehition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonntag den 15. Januar 1899. S3. Jahrgang. Rur der Woche. Eia Elberfelder Weinstubengespräch über den Empfang de» Reich»tag»präsivium» beim Kaiser, da- seine mehr oder minder zutreffende Protokolliruna in einer dortigeu Zeitung fand, hat in der vergangenen Woche zu allerhand Berichtigungen und persönliche» Berwahruagen Anlaß gegeben, lieber den Grad der Discretion de» Herrn Abg. Reinhart Schmidt Bermuthungru anzustellen, fehlt uns die Lust, aber der Wunsch ist wohl berechtigt, daß in Dingen der delicaten auswLrtigeu Politik die Verschwiegenheit von Privatpersonen überhaupt sicht durch die höchste Stelle auf die Probe ge stellt werde. Wenn es sich der Heeres- und Marinesachen um diplomatische Aufklärung der Reichstagsabgeordneten handelt, wie sie angesichts der jetzigen Militairvorlage Niemandem uöthig erscheint, so werden vom Reichskanzler oder vom Ariegsminister in der Commission de» Reichstags ver traulich gemacht« Mittheiluugen nicht in die Oeffentlichkeit dringen. Wenigsten» ist bisher noch kein Beispiel eines Miß brauch» bekannt geworden, während beim Empfang de- Skeich»tag»prafidium- gefallene Aeußerungen schon lange vor dea Elberfelder .Enthüllungen" ihren Weg in die Presse fanden und den Anstoß zu haltlosen Combinationen gaben, wie fie neuerdings wieder durch die Erkundigung des französischen Botschafter nach dem Befinden deS Kaiser- und den kaiserlichen Besuch bei diesem Herrn hervorgerufen worden sind. Wenn sich die Franzosen innerhalb ihrer maunigfachea Mistren gern Illusionen hingeben, so sollten doch deutsche Zeitungen ihre Leser nicht irreführen, wa» u.A. dadurch geschehen ist, daß man den Umstand, daß der Kaiser die ge raume Zeit von vierzig oder fünfzig Minuten bei dem Marquis de Noailles verweilt hat, als einen bedetunngSvollen hinstellte. Leute, die die TageSgeschichte verfolgen, könnten wissen, daß Wilhelm II. kurze Unterredungen überhaupt nicht liebt. Noch weniger zu loben ist die Verbreitung der Auf fassung, als ob die kleine französische Aufmerksamkeit sympto matisch für eme Waadlung m dea französischen Wünsche» und Er»ar««gr» fei. Dagegen wendet sich auch die „Boss. Ztg. mit folgender Auslastung; „Jenseits der Vogesen tobt eta« wilde Meute gegen den höchsten Gerichtshof und wühlt alle Leidenschaften auf. Etwa gegen einzelne Politiker oder Richter? Nein, da- letzte Ziel ist Deutschland." AehnlicheS ist freilich schon oft gesagt worden, aber daß jetzt ein freisinnige» Blatt es schreibt, und zwar an demselben Tage, an dem Herr Richter die Militairvorlage auch unter dem Gesichtspunkte der europäischen Lage bekämpft bat, macht die Aeußeruug wohl der Wiedergabe werth. DaS Blatt plaidirt, vielleicht ohne sich dessen bewußt zu werden, für die möglichst vollkommene Ausgestaltung der deutschen Wehrkraft, auch durch da», wa-eS über Oesterreich und den Dreibund bemerkt. Hierauf gehen wir nicht des Näheren ein. Ein- seltsameS Zusammentreffen ist e» jedenfalls, daß gleich zeitig mit den Meldungen von ganz ungewöhnlichen Veranstaltungen au» Anlaß des Jubiläum» de» Kaiser- Franz Josef al» Inhaber- eine» preußischen Regiment» der Erlaß bekannt wurde, mit dem die österreichische Regierung nach der Ursache zu Händeln mit Deutschland sucht. Man darf wohl annehmrn, daß das, wa» vom Fürsten BiSmarck in den ,Gedanken und Erinnerungen" über da- persönliche Ver- hältniß deS Kaisers von Oesterreich zum Dreibundsgedanken gesagt wird, während der Zeit der Zurückgezogenheit deS ersten Reichskanzlers überholt worden ist. Eine deutsche Wochenschrift legt sehr viel Werth auf die Verbreitung der Tbatsache, daß sie in einem „Kaiserliche Finanzen" überschriebenen Artikel den Kaiser gegen unsinnigen Klatsch, wie den, daß das deutsche RrichSoberhaupt den Kaiser von Oesterreich nm ein Darlehen von 12 Millionen Gulden ersucht habe, vertheidigt und die Geldwirtbschaft reS Berliner Hofe- als eine sparsame und weitausschauende ckarakterisirt. Die keinem dringenden Bcdürfniß entspringende Betrachtung wäre hier unerwähnt geblieben, wenn der Ver fasser sich nicht zu folgenden Bemerkungen allgemeiner Natur bemüßigt gesehen hätte: „Worin zeigt sich denn Vaterlandsliebe und Treue? Etwa darin, daß man in einer großen Schaar mitruft, wenn ein Hoch auf den Kaiser aoSgebracht wird, „in da- die Versammlung begeistert ein stimmt", oder darin, daß man gegebenen Falls nicht nur feindlichen Elementen gegenüber, sondern vor Allem auch im Kreise guter Freunde und Gesinnungsgenossen den Muth hat, scharf »nd entschieden deS Kaiser- Sache zu führen und eS auch zu ertrage», wenn man nach beliebter Mode „Byzantiner" gescholten wird?" Hierauf ist zu erwidern, daß der wahre Monarchist deS Kaisers Sache nur führen soll, wenn sie zugleich die kaiserliche Sache ist, waS gerade seit dem Jahre 1888 nicht immer der Fall war. Vgl. z. B. Lippe. Echte Monarchisten, also das Gegentheil von Schmeichlern, haben zu allen Zeiten e» al» Pflicht betrachtet, nötbigenfallS die Monarchie gegen den Monarchen zu vertheidigen. WaS in dem Citate geltend gemacht wird, ist ähnlich auch unter Friedrich Wilhelm IV. und selbst unter Friedrich Wilhelm II. gesagt worden, also unter Königen, di« die Mona r ge-. schwächt hinterlassen haben. Zweiten»; die Dyzantir r sind heutzutage viel häufiger, al» die Leute, die diese» gefährliche Kind beim rechten Namen nennen. Der „Vorwärts" befindet eS als einen Eardinalsehler der ReichstagSerörterungen über das Fleischangebot und die Fleischpreise, daß dort die „Satten" das Wohl der Hungrigen berathen hätten. Wer aber hat Namen- der Social demokratie zur Sache gesprochen? Ein wohlbestallter Gaslwirth und ein Rechtsanwalt mit einträglicher Praxis, Beides Herren von durchaus nicht proletarischem Nahrungsstand. Und auf ihrer Seite waren der Millionair Singer, der Landhaus besitzer Bebel und v. Vollmar, lauter „Satte". Und wird nicht etwa der socialdemokratische Parteitag, das „Arbeiter parlament", wie eS die Führer zu nennen belieben, stets von Nichlyungerigen gebildet? Die Zdentisicirung von „Arbeitern" und „Hungrigen" ist natürlich weit abzuweisen, aber die socialdemokratischen Parteiherren wahren, wenn ihre Veran ¬ staltungen in Betracht kominen, nicht einmal den Schein, den eigentlichen Arbeiter da- Wohl seiner StandeSgenossen be rathen zu lassen. Der alljährlich auf dem Parteitage ein gebrachte Antrag, das „Arbeiterparlament" zu Pfingsten oder zu Weihnachten zusammentreten zu lassen, weil die wirklich Arbeitenden in der jetzt beliebten VersammlungSzeit nicht ab- kömmlich sind, wird alljährlich kurzer Hand unter den Tisch geworfen. , . Die bürgerlichen Radikalen wissen sich übrigen- auS der ihnen durch den Verlauf der Fleischnoih - Debatte be reiteten Verlegenheit nicht besser herauSzuwinden, als ihre socialdemokratischen Zeitgenossen. Ganz auf der Höhe deS „Vorwärts" zeigt sich dabei ein freisinniges Blatt, da» dem vom preußischen LandwirthschaftSininister, wie auch von dem nationallibcralrn Abgeordneten Paasche dem Freisinn mit Fug gemachten Vorwurfe antinationaler Haltung nichts ent- gegenrusetzen weiß, als die Erinnerung, daß der, bekanntlich auS Hannover gebürtige, Minister v. Hainmerstein - Loxten gegen den Anschluß seines Heimathlandes an Preußen gewesen sei. Notabene im Jahre 1867, d. i. vor 32 Jahren. Daß die Fortschrittler ihrerseits im Norddeutschen Reichstage gegen die Neugestaltung Deutschlands gestimmt hatten, daran hat der Berliner freisinnige Schliemann offenbar nicht gedacht. Die Militairvorlage ruhig ihren Weg gebend, der AuS- weisungSlärm von der confessionell-ji'lbischen Presse dcSavouirt, die Bctämpsung der Seuchengcfahr als ein auch städtisches Interesse nachgewiesen, „eS gelingt nichts mehr". Deutsches Reich. Berlin, 14. Januar. (Die Bayer» und der Jesuitenorden,) In der „katholischen Vormacht" Deutschlands, in Bayern, scheint sich in Bezug ans die Werth schätzung deS Jesuitenordens durch Katholiken jetzt, da seine Ausschließung aus dem Reiche ihrem Ende zu nahen droht, derselbe Vorgang wiederholen zn wollen, der nach der Zulassung der Redemptoristen dort beobachtet wurde: man sehnt ihn uicht mehr herbei, sondern giebt ziemlich unverblümt zu erkennen, daß man ihn so, wie er ist, nickt brauchen kann. Was batten die bayerischen Nltramontanen Jahre hindurch nicht Alles auf geboten, die Niickberufung der dem Orden der Gesellschaft Jesu „verwandten" Redemptoristen, obwohl diese in ihrer früheren Thätigkeit vielfach im Gegensatz zur Pfarr geistlichkeit sich befunden batten, durchzusetzen! In beiden Kammern wurde die Forderung immer lauter erhoben, die theologischen Facultäten in München und Würzburg bestritten aufs Entschiedenste eine Verwandtschaft der Redemptoristen mit den Jesuiten, ein Antrag Bayerns auf Zulassung der Redemptoristen, der längere Zeit liegen geblieben war, wurde im BundeSrathe wieder ausgenommen und gelangte am 7. Juli 1894 zur Annahme. Kaum hatten die Redemptoristen ihren Einzug in Bayern gehalten, da wurde bekannt, daß die bayerische Negierung Niederlassungsgesuchen dieses Ordens gegenüber sich sehr zurückhaltend zeigte, weil sie die Klagen der Pfarrgeistlichkeit über Störungen der Seelsorge durch die Redemptoristen berücksichtigen mußte! Gewitzigt durch die Erfahrung, die man mit den Redemptoristen gemacht Hai, läßt jetzt ein bayerisches CentrumSblatt, der „Bayerische Kurier", an die im Anzuge begriffenen Jesuiten dir Mahnung ergeben, den alten Adam zu ersäufen und sich mi: der Gegenwart zu verständigen. „Wird die Expatriirung der Jesuiten", schreibt der „Bayerische Kurier" zu der Aus sicht auf die Aufhebung des tz 2 de» IesuitengesetzeS wörtlich, „einmal aufgehoben, so ist man thatsächlich auf dem Wege der Wiederzulassung der Jesuiten, sei eS als Einzelpersonen, sei eS als Orden. Man wird in Deutschland damit zufrieden sein, wenn auch die Jesuiten ihrerseits etwa- aus dem langen Streite gelernt haben. 2m Jesuitenorden selbst bilden sich zwei Richtungen auS, von denen die eine ans eine Verständigung mit der Gegen wart hinarbeitet." — Ob der „Bayerische Kurier" Beweise dafür hat, daß zwei Richtungen im Jesuitenorden sich auS- bilden, wissen wir nicht; soweit aber die Oeffentlichkeit die Thätigkeit deS Jesuitenordens wabrnimmt, muß sie zu devi Urtheit kommen, daß nicht die „eine", sondern die „andere" Richtung des Jesuitenordens nach wie vor die allein maß gebende ist. Auch läßt die Logik keinen anderen Schluß zu, als den, daß jene „andere" Richtung immer die ausschlaggebende bleiben wird: hört der Jesuitenorden auf, gegen den modernen Staat und gegen den Protestantismus zu kämpfen, so hört er auf, zu sein, was er ist, giebt sich selbst auf. Daran denkt natürlich keine Richtung im Jesuitenorden. Die „Köln. VolkSztg.", welche die Mahnung des bayerischen Blattes citirt, verliert denn auch kein Wort über die angebliche ver söhnliche Richtung im Jesuitenorden; je sicherer sie aber weiß, daß für die „frommen Väter" ein Pactiren mit der Gegenwart ausgeschlossen ist, um so peinlicher ist ihr die Mahnung. Das führende CentrumSblatt meint, der „Bayer. Kurier" habe sich „zum Mindesten recht unvorsichtig aus gedrückt", und decrelirt sodann: ^.Bei der Zulassung eines von der Kirche gebilligten Orden» kommt es auf persönliche Sympathien uud Liebhabereien gar nicht an. Wie die Kundgebungen aller deutschen Katholikenve r samm ln ngen sert Jahrzehnten beweisen, knüpft da- katholische Volk (!) seinen Ruf nach Wiederzulassung der Jesuiten an gar keine Bedingung, sondern verlangt einfach sein gutes Recht." Mit dieser Berufung auf daS „katholische Volk" wird aber die „Köln. VolkSztg." die Besorgnisse des „Bayer. Kur." und seiner Hintermänner nicht bannen; es in vielmehr voranSzuseheu, daß die „frommen Väter", wenn sie wirklich in Deutschland wieder einziehen, allmählich dnrcl> ihre Thätigkeit immer weiteren Kreisen der katholischen Bc völkerung die Augen darüber öffnen, wie thoricht es war, sich zu dem Rufe nach Wiederzulaffung der Jesuiten verleiten zu lassen. sf Berlin, 14. Januar. Die Neu jahrSbet rack tun gen der großpolnischen Hetzpresse bieten ein krause? Gemisch giftigster Schmähungen deS Dentschtbums und beweglicher Mahnungen an da- „polnische Volk", dem Vom schlesrvigschen Grenzlande. Bo» Karl Braack. Nachdruck »«riotea. Auf die alte Wahlstatt der Kämpfe zwischen dem Deutsch- thume und dem Dänenthume, auf Schleswig- Nordmark, ist wieder einmal die Aufmerksamkeit gerichtet. Hier ringen seit vielen Jahrhunderten die beiden Nationen mit einander, — seit den Tagen, da die Angeln, von den nach Süden drängenden Dänen gedrückt, ihre weltgeschichtliche Meerfahrt zu dem neuen Angelnland antraten, und da der gewaltige Kaiser Otto I. an der damals breiter in tiefem Bette fließenden Königsau stand und seinen'Speer mit starker Hand weit ins jütische Land hinein warf. Heute stehen die Verhältnisse so, daß nach der au» dem Anfänge der 90 er Jahre stammenden Berechnung von Adler da- deutsch« Gebiet Schleswigs etwa 234 000 Seelen oder 58j Procent der Gesammtbevölkerung, der dänisch« Theil etwa 117000 Seelen oder 29 Procent und ->aS Mischgebiet etwa 49 000 Seelen oder 12j Procent umfaßt. Eine Linie von Gravenstein, der Heimath deS Gravensteiner Apfel», im Osten, bis nach Hoyer an der Nordsee, das allen Besuchern von Sylt wohl bekannt ist, würde ungefähr das Bereich deS niederdeutschen von dem des jütischen Dialektes abgrenzen. Doch dringt da» Deutschthum über diese Linie langsam, ober stetig nach Norden vor, hauptsächlich da durch unterstützt, daß, wie der Däne ounck. rn»». Ottosen ganz richtig erkannt hat, an die deutsch redenden Gebiete vielfach Kirch spiele von lauer dänischer Gesinnung anschließen, die der Ger- manisirung nicht allzu schwer zugänglich find. Auch hat da» Deutschthum in der Nord mark an mehreren größeren Wohn plätzen starke Stützen. Apenrade und HaderSleben sind jetzt wesentlich deutsch; mid dicht an der Grenze stehen Mei Bollwerke deS Deutschthum»: im Osten di« au» dem vorigen Jahrhundert stammende Herrnhutercolonie Lhristianitfeld, ein freundliche», betriebsame», von Lindenalleen durchzogene» Oertchen, im Westen da» Kirchdorf Scherrebeck, dessen hoher Thurm da» flache Land weithin beherrscht, und dessen wackerer Pastor Jacobsen, der Schöpfer der Kunstwebeschule, so eifrig für die Hebung und Ger- manistrung der Gegend wirkt. Wie den Eltern rin Sorgenkind, so ist diese Grenzmark dem deutschen Volke besonder» an» Herz gewachsen. Und wohl ver dient da» nordschlesvigsch« Land Juterisse und Liebe, denn e» ist reich an Schönheiten, reich an charakteristischen Erscheinungen, reich an freundlichen Dörfer» und Städten, deren rothe Ziegel dächer sich prächtig in da» landschaftliche Bild einfügen. Der sich hierhin fortsetzend« und dicht an die S« Hera «tretend« ost holsteinische Hwenzug ist e», der dem östliche» Theile unsere» Gebiete» den Charakter «kfdrückt. Di« schönen Sem der viel- gerühmtm „hoksteinischm Schweiz" fehlen hier freilich, aber sonst findet der Besucher so ziemlich alle Elemente jener reizvollen Landschaft wieder, von Hügel zu Hügel führt der weg, baK durch Wälder, bald durch liebliche Thalgründe, aus denen stattlich und ehrwürdig alte Bauernhäuser hervorblicken. Rauschend be gleitet die See unseren Pfad; ihre tief einschneidenden, von Hainen bekränzten Föhrden ersetzen jenen Mangel an Lanvseen, vor Allem die slußartig sich durch bewaldete Abhänge winvenve, stets belebte, schöne Hederslebener Föhrde mit ihren idyllischen Umgebungen. Die Weg« begleiten lebendige Hecken, in denen sich Hasel und Ahorn und blühende Büsche vereinigen. Dann er steigen wir wohl eine überragende Höhe, wie den nordöstlich von Apenrade belegenen, 96 Meter hohen Knivsberg, den alten Sammelplatz der Deutschen NordschleswigS, auf dem jetzt als bedeutsames Wahrzeichen der Bismarckthurm sich erhebt, und entzückt schweift das Auge über die blauen Wogen der See und über das grüne Meer der Wälder, über lachende Thäler und weitgedehnte, hinter üppigen Obstbäumen fast versteckte Dörfer, über Kirchthürme, deren man bei Hellem Wetter 32 zählt, Hecken, die „wie dicke Laubgehänge um die Felder geschlungen sind", über tiefe grün« Schluchten und die weite braune Haide. Wohl ist der Stolz zu verstehen, mit dem Lembcke von diesem Gaue singt: Du schönes Land mit Thal und Höh n, den Holsen, Mit grünen Au'n, den Aebrrnfesdern golden, Wo tt» verwachsenen Schluchten Der Bach -durchs Buchwerk dringt! Und an des Wege» Buchten Das Volk der Vöglein singt. Neben der See und den Hügeln bildet der Wald den köst lichsten Reiz de» östlichen 2heile» de» Grenzland«». Herrscherin ist hier die Buche, wenn auch der Nadelwald allmählich immer weiter vordringt. AuS einem mit weißen, gelben und blauen Anemonen, mtt lieblichen Maiblumen und duftigem Waldmeister dicht bedeckten Boden steigen die hohen, schlanken Stämme stolz empor und begleiten die steigenden und fallenden Erdwellen. „In dieser Umgebung (sagt Meiborg) hat man nicht daS Gefühl de» Eingeschloffenseins, wie eS oft in flachen Waldgegenden der Fall ist; denn vom Kamm« der Anhöhe blickt man durch das Laubdach der Abhänge über die Baumwipfel de» Thale» hinaus, und e» ist oft, al» befände man sich zwischen den Kronen der Bäume. Auf der einen Seite alle Abstufungen von Grün: zahllose durch scheinende Zweig« stehen in goldigem Schimmer, und die Wasser, auf Vie man von oben blickt, find von weißem, silberglänzendem Lichte umflossen. Auf der entgegengesetzten Seite leuchtet eS auf dea Kronen, den Stämmen und dem Waldboden von Sonnen blitzen." Einst reichte da» nordschle-wigsche Waldgebiet viel Wetter «nd bedeckte da» Land vom kleinen Belte bis zur alten dänischen Domstadt Vibe. Damal» sollen nur drei Wege durch den dichten Forst geführt haben, deren Wagenspuren man heute noch mitten auf de, Haide antrifft. Aber unverständige Ver wüstung zerstörte den kostbaren Wakdbefitz. Die Kamine, die au» jungen Stammen bestehenden Wildzäune, die ins Meer ge setzte« Nrifigzäeme der Fischer an der Westküste, Vie Kohlen brennereien fraßen die Wälder; der böse Westwind gab dann den gelichteten den Rest. Heute, wenn wir Vie Zone de» Landrücken» nach Westen wandernd verlaffen haben, sprechen un» nur noch einzelne Ueberreste verkrüppelter Eichen von jenem alten Wald reviere. Die Ernste Einsamkeit der Geest umgiebt uns hier; braun, still, eben liegr die Haide um uns, selten erhebt sich eine mit Haibekraut gedeckte Hütte in ihr, seltene.- noch treffen wir auf ein Dorf, und der Weg wird zur bloßen Wagenspur. Erst gegen die Küste zu beginnt die Gegend wieder mannigfachere Formen anzunehmen. Da tauchen wieder einzelne Erdwellen auf, wie der Gaffehoi bei Scherrebeck und der — freilich nur ein paar Ellen hohe — „Berg" bei Reisby. An Wasserläufen und Bächen, „wo Binsen und Rosen wachsen, wo das dicht« Gras mit der blaß gelben Blume des Wachtelweizens untermengt ist, wo Vergiß meinnicht und goldgelbe Butterblumen gedeihen", ist es hier gar hübsch. Auch finden sich bei Lügumtloster einzelne kleinere Wal dungen, und an der Küste breitet sich hier und da ein schmaler Marschstrtifen. Drüben auS der See steigt Röm, die Geest- und Marschinsel, flach empor, und der scharfe Seewind bläst über die Ebene und verkrüppelt die einzelnen Bäume. Den natürlichen Bedingungen entsprechen die ökonomischen Verhältnisse des Gebietes. Dürftig und weltabgeschieden ist der westliche Theil. Nur die Bahn von Tondern nach Ribe schließt dioseS Gebiet an den Weltverkehr an; zwischen beiden Städten finden sich keine namhafteren Wohnplätze außer Scherrebeck und Lügumklofier, dessen schöne romanische Kirch« aus der kahlen Ebene stattlich hervorragt. Aber drüben an der blauen Ostsee ist eine andere Welt, da ist Wohlstand, Leben, Verkehr, da schwimmen di« Schiffe in den Föhrden, da liegen die Centren Nordschle-wigs. Hier war im Anfänge des Jahrhunderts unter den Bauern «ine solche Wohlhabenheit, daß sich in einem rechten Bauernhöfe ein stattlicher Silberschatz von Schalen, Löffeln, Kannen und dergleichen mehr befand. Aus dem Jahre 1785 wird berichtet, daß mancher Bauer gern seine 1000 Reichsthaler für die Befreiung seine» Sohne» vom Kriegsdienste gezahlt hätte, — ein sicherer Beweis de» damaligen Wohlstandes, der nach den schweren Stürmen, die diese Gegenden besonders im 17. Jahr hundert erlitten haben, doppelt bemerkenswerth ist. Noch zeugen von der Sitte und Gewohnheit der Vergangenheit die alten Höfe, di« wir — wenn auch nicht zahlreich — in Nordschleswig an treffen, im Westen die mit steinernen Mauern (Scheune zu Emmerleff), im Osten die schönen Fachwerkbauten aus Eichenholz mit schweren Pfosten, Vie Füllungen in hübschen Mustern aus gemauert, und die zahlreicheren, soliden, vielfach mit Schnitzwerk verzierten Bohlhäuser. Vorherrschend war und ist hier di« Form des dänischen Hofe», der nach der Straße strebt und ihr die Längsseite de» Wohnhause» und die Finster zukehrt. Den Hof bilden mehrere, einen Hofplatz umgebende Gebäude; Wohnhaus und Wirthschaft»g«baude sind streng geschieden. Jede» Zimmer im Haus« hat seinen besonderen Namen, das größte ist jener Pesel, der den Familienfesten al» Schauplatz diente, «ine steinerne Diel« hat, aber de» Ofen» entbehrt. Hier finden sich kunstvolle Täfelungen, reich geschnitzte, schwer mit Eisen beschlagen« Truhen und Schränk«, in denen de» Hause» Reichthum an Bettzeug und Linnen schlumm«rt. Meiborg hat besonder» in der Gegend von Apenrade, Hader»leben und Grnner schöne alt« Bauernhäuser ausgenommen; ein prächtiger, au» Germer stammender Pesel au» dem 17. Jahrhundert wird im Flensburger Museum aufbewahrt. Beide Hauptstädte deS östlichen Nordschleswigs sind durck Anmuth der Lage ausgezeichnet. Besonders aber Apenrade, da- vielleicht als die schönstgelegen« Sradt des ganzen Herzogthums bezeichnet werden kann. Um den tiefen Hafen drängen sich seine rochen Dächer, den Hintergrund aber bilden überall schön ge formte, «dicht bewaldete Anhöhen, von denen sich köstliche Aus blicke auf Land und See eröffnen. Das stille Stäbchen, das neuerdings auch al» Badeort in Aufnahme gekommen ist, tritt schon 1148 in der Geschichte auf; einst war es durch seinen Fisch fang bekannt, an den noch jetzt die drei schwimmenden Makrelen im Stadtwappen erinnern, aber schlimme Zeitläufte haben die bescheidene Blüthe wiederholt vernichtet. Da» alte feste Schloß Aabenraahus, das di« Stadt in den wilden Fehden deS Mittel alters lange schützte, ist in seinen letzten Spuren im 17. Jahr hundert verschwunden, an seiner Statt baute Königin Marga rethe Schloß Brunlund, heute der Sitz deS LandrathS, zu dem eine Allee von der Stadt aus führt. Apenradrs Umgebung ist mit Recht ein Lustgarten genannt worden. Meer und Bach Hügel und Thal, frischgrüne Buchenwälder und dunkle Tannen, reiche Kornfelder und bunte Wiesen, reizend gelegene Landhäuser und endlich di« freundlich« Stadt selbst vereinigen sich zu immer n«u«n, lieblichen, mannigfachen Bildern. Lebhafter als im stillc.i Apenrade geht e» in HaderSleben, der nördlichsten Stadt Scklec wig», in der auch mehrere Industrien betrieben werden, zu. Herrlich liegt es zu Füßen de» Beschauer», der den nahen Bög hoved ersteigt. Da liegt die geräumige Stadt an der weithin leuchtenden, von Schiffen und Booten belebten Föhrde, durch die die Dampfer nach Aaroesund und Sonderburg ihren Wca nehmen. Landeinwärts aber schließt sich dem Hafen der schön - Hckderilebener Damm an, ein waldumkränzter Landsee, der mit dem Meere durch die Mühlenau in Verbindung steht. Auch hier Wald und Höhen, freundliche Landhäuser, lockende Restaurants idyllische Pfarrhäuser überall verstreut. Der Dachreiter de, schönen gothischen Marienkirche beherrscht architektonisch dao Bild. E» ist aber der Böghoved, auf dem wir stehen, selbst ein historischer Platz, da hier dereinst Schloß HaderSlevhuus lag, be rühmt in der Geschichte und in der Poesie, in di« es Meister Storm emgeführt hat. Und denken wir diese» Dichters, so ver stehen wir ganz Vie Art und Stimmung dieses eigenartigen Gaues und seiner Wohnplätze, die weltentlegene Enge, in die doch die völkerbindende See immer neue» Leben hineimvirft, die ernste Kraft, das tiefe Gefühlsleben seiner Bewohner und ihre innige, unversiegliche Liebe zu ihrer Heimath. Da» ist NordschleswigS Grenzmark. Ein paar Meilen weiter aber, und wir find im dänischen Jütland. Da erhebt sich Slam lingSbanken, der Tummelplatz ver „Eiderdänen", da liegt das stille Kolding, daS trotzig« Fredericia, da» liebliche Veil,. Namen, die mit stummer Beredtsamkeit von dem zähen Kampfe sprechen, den die beiden Nationen mit einander führen, und der auch in FriedenSzeiten diese fruchtbaren und mit Schönheit reich geseg neten Gefilde zur Wahlstatt macht.
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