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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990119011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899011901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899011901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-19
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BezirgS-Prei? Al tz« Hanptrxpeditioa oder den tm Stabt- bezirk und den vorortea errichteten Au», aavestellru abgeholt: vierteljährlich^lLLO. bei zweimaltaer täglicher Zustellung iu« L«u» SLO. Durch die Post bezogen für rentschland und Oesterreich: vierteljährlich S —. Direkte tägliche Ürruzbandiendung in» Auslaud: monatlich ^l 7.50. Wie Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentag» um b Uhr. NeLmtioir und Ervediliou: AohauneSgaffe 8. Wie Expedition ist Wochentag» onunterbrvche« -evffuet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: vtts Klemm'» Sorttin. (Alfred Hahn), UniversitStSstraß« 3 (Paulinus Louis Lösche. Watdarinenstr. 14, pari, und KörigSplatz L Morgen-Ausgabe. MiWM, TagMatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Donnerstag den 19. Januar 1899. aiureiaen-Preis t>ie 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem NebactionSstrich (4qa- spalten) bO/H, vor den Familiennachrichi.e (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Prei*« verzeichniß. Tabellarischer und Zisferiisnz nach höherem Tarif. (krtra-Beilagen (gesalzt), nur mit de« L'lorgeu-Ausgabe, ohne Postbrförderuug t>0.—, mit Postbeförderung 70.—. <«»»» Itnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Nh«. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet» an ds< Expedition t» richten. Druck und Verlag von L P olz in LeipziL 93. Jahrgang. Das neue britische Trnnksuchtsgeseh. p. s. Mit Beginn dieses Jahres ist in Großbritannien ein Gesetz in Kraft getreten, welches dem -Strafrichter und den ört lichen Verwaltungsorganen (inaxistrntss) die Befugniß zu erkennt, Trunksüchtige, welche sich strafbarer Handlungen oder gewisser Verfehlungen schuldig gemacht haben, durch Urtheils- spruch einer Trinkerheilanstalt zu überweisen. Nach dem bisher geltenden Recht (Gesetz vom 1. Januar 1880, verbessert 1888) konnten Alkoholiker nur auf eigenen Antrag in Trinkerheil- anstaltenaufgenommen unddortlängereZeit zurückgehaltenwerden; straffällige Trunkenbolde verfielen jedoch schonungslos der ganzen Strenge des Gesetzes. Die Erfahrungen, welch« unter der Herr schaft dieser Bestimmungen gesammelt werden konnten, und die Entwickelung, welche die Trinkerheilstätten im Laufe der letzten -Wei Jahrzehnte nahmen, haben letztes Jahr das Parlament ver anlaßt, den oben bezeichneten weiteren Schritt zu thun, der sich als segensreiche social-hygieimsche Maßregel erweisen dürfte. Das neue Gesetz bestimmt, daß Personen, die eine Strafthat begangen haben, welche normaler Weise mit Gefängniß zu sühnen wäre, einer staatlich anerkannten, oder vom Staate selbst errich teten Trinkerheilanstalt durch den ordentlichen Richter oder die Polizriorgane zu überweisen sind, falls die Trinkgewohnheiten veS ThäterS bei der Ausübung der strafbaren Handlung irgend wie eine Rolle gespielt haben. Unter Umständen kann freilich sowohl auf Gefängniß, als auch aus Unterbringung in ein Trinkerasyl erkannt werden, da sonst ungerechtfertigte Straf milderungen eintreten würden; denn bei allem Zwang und aller nöthigen Strenge soll doch die Behandlung der Insassen der Heilstätten mehr derjenigen von Kranken als von Gefangenen entsprechen. Das Gesetz zählt besondere Fälle, in denen auf Zwangsweise Unterbringung in ein Asyl erkannt wird, auf, u. A. wird öffentliche Trunkenheit bis zur Unzurechnungsfähigkeit uno offenbare Trunkenheit der Kutscher an sich schon als Delict be handelt, wenn der Betreffende innerhalb zwölf Monaten zum vierten Male in diesem Zustand angetroffen wird. Die Ein sperrung kann auf höchstens drei Jahre ausgesprochen werden. Nach neun Monaten kann Entlassung erfolgen. Als normale Dauer der Unterbringung scheint man ein Jahr bis anderthalb Jahre in Aussicht genommen zu haben. Bevor die Richter und Gemeindebehörden Großbritanniens das neue Gesetz wirklich in Anwendung bringen können, müssen allerdings noch gewisse Vor arbeiten erledigt werden. Die beiden Häuser haben nach ihrem demnächstigen Zusammentritt noch eine vierwöchentliche Frist sich ausbedungcn, um die Ausführungsbestimmungen, die vom Ministerium des Innern (Lorn« bleorolar^) inzwischen ausge arbeitet worden sind, zu berathen. Da dieser Termin voraus sichtlich erst Ende März ablaufen wird, so kann erst dann das Gesetz Anwendung finden. Da die gegenwärtig bestehenden 13 Trinkerheilstätten nur für die wohlhabenden Schichten berechnet sind (sie erheben 42 bis 105 Mark Verpflegungsgebühr für die Woche), so dürfte die Grün dung von eigentlichen V o l k sh e i l st ä t t e n für Trunksüchtige durch gemeinnützige Vereine demnächst bemerkenswertste Fort schritte machen. Die Regierung scheint nicht die Absicht zu hegen, von vornherein eine größere Anzahl solcher Anstalten selbst ins Leben -zu rufen. Obwohl das Gesetz vielfach von staatlich aner kannten Asylen von Privaten und von Korporationen (oerti- kionted iuestriats rekorrnstorios) spricht, so wird doch ander seits auch der Regierung und den Gemeindeverwaltungen das Recht zur Gründung eigener Trinkerheilstätten gesetzlich zuer kannt. Vorderhand richtet die Regierung das bisherige Gefäng niß zu Warwick zu einer solchen Anstalt ein, das voraussichtlich bald voll besetzt sein wird. All« Heilstätten, welche sich um die Aufnahme verurtheilter Trinker bewerben, müssen gewissen Normen gerecht werden. Es werden für Männer und Frauen besondere Anstalten vor geschrieben. Die Frauen dürfen nur von Frauen gepflegt und behandelt werden. Die Anstalten sollen nicht in großen Städten sich befinden, und ein vorgeschriebenes Areal zu Feld- bezw. Gartenarbeit besitzen. Körperlicher Zwang ist gegen die Insassen nicht gestattet, nur -das Anlegen der Zwangsjacke ist unter Um ständen erlaubt. In der Behandlung soll bei aller Strenge Güte und Tact herrschen. Die Verhängung der Prügelstrafe ist auch bei DiSciplinorvergehen verboten. Soweit der Zustand der In sassen es thunlich erscheinen läßt, haben sie gesunde und nutz bringende Arbeit zu leisten. Al» Norm wird eine sechsstündige tägliche Arbeitszeit, vorgesehen. Aufgestanden wird um 6 Uhr, schlafen gegangen um 10Z Uhr. Die Beköstigung wird ein gehend geregelt. Natürlich ist vollständige Enthaltsamkeit von geistigen Getränken Vorschrift, es sei denn, daß ärztliche Vor schrift ausnahmsweise geistige Getränke verordnet. Die Regel ist: früh Cacao, Mittags wöchentlich fünf Mal Fleischkost mit Ge müse, mitunter Fisch, fünf Mal außerdem Pudding, Abends Thee mit Butterbrod oder Hafergrütze nach Wahl. Strafweise kann allerdings die Kost durch Einschränkung des Frühstücks und Abendbrods auf Brod und Wasser und durch Entziehung des Fleisches geschmälert werden. Insassen, deren Dermögensverhältnisse es gestatten, haben für die gewährte Kost und Unterkunft Zahlung zu leisten. Um eine strenge Durchführung der Abstinenz in den An stalten zu gewährleisten, müssen sich alle Angestellten zu völliger Enthaltsamkeit verpflichten. Verfehlungen gegen das Abstinenz gebot seitens der Angestellten oder der Insassen werden mit Strafen von drakonischer Strenge bedroht, die bis zu 100 Geldstrafe oder 3 Monaten Gefängniß mit Zwangsarbeit ver schärft werden können. Welche Früchte dies neue Gesetz zeitigen wird, kann man heute noch nicht im Einzelnen voraussehen, jedenfalls wird es sich als eine wirksame Waffe im Kampfe gegen die Unmößig- keit erweisen. Es ist ein bedeutsames Zeichen der Zeit, daß Alt england, dem die individuelle Freiheit seiner Bürger so heilig ist, sich nicht scheut, im Kampfe gegen das Trinklaster die Freiheit zum Segen der Betroffenen und im öffentlichen Interesse zu be schränken. Die Errichtung von einigen staatlichen Musteranstalten zur Heilung Trunksüchtiger dürfte die nächste praktische Folge des Gesetzes sein. Möchte dieses Vorgehen vorbildlich für die Staaten des Kontinents werden! Die Milkosteu der Landesverteidigung. Gelegentlich der ersten Les rg der Militair-Vorlage hat der Abgeordnete Bebel von einer statistischen Uebersicht gesprochen, nach welcher Deutschland an zweiter Stelle steh« in Sachen der Heeres-Äusgaben. Das ist laut Ausweis der amt lichen wie wissenschaftlichen Statistik unzutreffend, sowohl für die letzten Jahre, als für den Zeitraum 1890 bis 1897/98. Unter militairischen Ausgaben sind naturgemäß zu verstehen die Aufwendungen für Landheer, Marine und die entsprechen den Pensionen. Im Jahre 1897 haben für solch« Zwecke ausgegeben: die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika 923 Mill. Mark, Großbritannien 797, Frankreich 783, Rußland 758, Deutschland 723, Japan 390, Oesterreich-Ungarn 331 und Italien 316. Hiernach steht Deutschland erst an fünfter Stelle. Zu bemerken bleibt noch, daß bei Rußland die Pensionen für Landheer und Marine nicht eingerechnet sind, weil sie statistisch nicht zu ermitteln waren. Bringt man dieselben schätzungsweise mit nur 90 Millionen in Ansatz, so ergiebt sich für Rußland ein Gesammtaufwand von 848 Millionen Mark im genannten Jahre. Was die Gesammt-Ausgaben für Heer, Flotte und Pensionen betrifft in dem Zeitraum von 1890 bis 1897, so ergiebt sich folgende Aufstellung: Vereinigte Staaten von Nord-Amerika 7512, Frankreich 6377, Rußland 6193, Deutschland 5994, Großbritannien 5736, Oesterreich-Ungarn 2600, Italien 2143 Millionen Mark. Einen wirklich brauchbaren Vergleichungs-Maßstab für die effektiven finanziellen Laste n, welche -die Landesvertheidigung den einzelnen Staaten auferlegt, erhält man jedoch erst, wenn die sogenannten „unproductiven" Ausgaben — Heer, Marine, betreffende Pension- und Schuldkosten — zum Vergleich heran gezogen werden. Selbstverständlich müssen dann weiterhin auch die Staats-Einnahmen überhaupt mit den militairischen Ausgaben in rechnerische Beziehungen gebracht werden und endlich die Ausgaben auf den Kopf der Bevölkerung. Was nun die „unproductiven" Ausgaben angeht, so haben hierfür in dem Zeitraum von 1890—97 durchschnittlich imIahr aufgewendet: Frankreich 1577, Großbritannien 1219, Vereinigte Staaten von Nordamerika 1198, Rußland 1139, Deutschland 920 Millionen Mark. Nur Italien und Oester reich-Ungarn bleiben hinter Deutschland zurück, welches auch hier erst an fünfter Stelle erscheint. Die Mehrausgaben der Großstaaten — abgesehen von Oesterreich-Ungarn und Italien — für Landesvertheidigung und Schuld gegenüber Deutschland betragen insgesammt für jenen Zeitraum bei Rußland 1749, bei den Vereinigten Staaten 1945, bei Großbritannien 2386 und endlich bei Frankreich 5251 Millionen Mark. Es muß dabei betont werden, daß der über wiegend größere Theil der Schuldkosten auf militairische Zweck« entfällt. So hat speciell Frankreich den überwiegenden Theil seiner enormen Schuldenlast in Folge des Krieges 1870/71 und der sich anschließenden Rüstungen contrahirt. So stellt sich beispielsweise die Mehrbelastung Frankreichs gegenüber Deutsch land auf 71 Procent der deutschen Jahresausgabe. Gehen wir nun zu den Pro-Kopf-Ausgaben für „unproductive" Zwecke über, so ergiebt sich folgendes Bild, wobei zu bemerken ist, daß sowohl die Vereinigten Staaten als Rußland billigerweise ausscheiden wegen ihrer unverhältnißmäßig großen Kopfzahl. Es beträgt der Pro-Kopf-Aufwand für Landes vertheidigung und Schuld im Jahre 1897/98: in Oesterreich- Ungarn 16,90, Deutschland 18,51, Italien 26,67, Groß britannien 32,78, Frankreich 41,03 Es geben demnach mehr als Deutschland aus für die bezeichneten Zwecke Italien 44, Großbritannien 77, Frankreich 122 Procent der deutschen Pro-Kopf-Ausgabe. Auch wenn man in Betracht zieht, daß die französische und die englische Bevölkerung ein größeres Jahreseinkommen pro Kopf hat, als die deutsche, so kann es andererseits doch keinem Zweifel unterliegen, daß dieses Mehr an Jahreseinkommen auch nicht entfernt an jene Mehrausgabe per Kopf heranreicht. Es ergiebt sich ferner, daß Deutschland von allen Groß staaten relativ am wenigsten für unproductive Zwecke und am meisten für Cultur-Aufgaben — einschließlich solcher volks- wirthschaftlicher Art — aufwendet. Von den gesummten öffent lichen Ausgaben (Staats- und Localausgaben nach ihrer Zweck bestimmung) entfallen in Preußen pro Kopf an Staats- und Localaufwand zusammen von 92,76 auf die Landes vertheidigung insgesammt 14,66 gleich 15,80 Procent, auf die sogenannten unproduktiven Ausgaben (Landesvertheidigung und Schuld) 20,85 gleich 22,47 Procent. Bon der ge- sammten Pro-Kopf-Ausgabe bleiben dennoch 71,91 c/k gleich 77,53 Procent für productive Zwecke frei. Aehnlich wie in Preußen liegen die einschlägigen Verhältnisse in den übrigen deutschen Staaten. In Oestcrr-eich Ungarn bkeiben von den öffentlichen Ausgaben frei für productiven Aufwand 42,32 (Deutschland 71,91) pro Kopf, in Frankreich nur 57,05 Procent gegen 77,50 Procent in Deutschland. Wenn wir uns nun der B e l a st u n g der einzelnen Staaten in Folge unproductiver Ausgaben zuwenden, so ergiebt sich auch yier für Deutschland das relativ günstigste Verhiiltniß. Die Mehrbelastung in Procenten der deutschen Belastung be trägt in Italien 28, in Rußland 69, in den Vereinigten Staaten 83, in Großbritannien 112, in Frankreich sogar 159 mehr als bei uns. Das Gleiche gilt von der Pro-Kopf-Besteuerung für unproductive Zwecke. Sie beziffert sich in Procenten der deutschen Belastung für die Vereinigten Staaten auf 135, für Oesterreich auf 153, in Italien auf 222, in Großbritannien auf 287 und für Frankreich auf 363 Procent. Trotz aller dieser Zahlen wäre es selbstverständlich sehr er freulich, wenn wir unsere militairischen Ausgaben, statt sie zu erhöhen, herabsehen könnten. In dieser Beziehung hat man es mit unerbittlichen Nothwendigkeiten zu thun. Aber gegen Ueber- treibungen derselben, wie Herr Bebel sie jüngst wieder vorgebracht hat, ist es nützlich, von Neuem die wirkliche Lage der Dinge in der Welt durch Zahlen, wie die obigen, in Erinnerung zu bringen. (Nat.-Ztg.) Deutsches Reich. Berlin, 18. Januar. (Die Einrichtung ärztlicher Ehrengerichte.) Nachdem das Königreich Sachsen sich seit Jahr und Tag im Besitze ärztlicher Ehrengerichte be findet und nachdem die bayerische Regierung im ver gangenen Sommer einleitende Schritte zur Einrichtung solcher Ehrengerichte getroffen bat, bat nunmehr auch die preußische Regierung einen wichtigen Schritt in dieser Frage getban. Die Thronrede, mit der der Landtag am Montag eröffnet wurde, kündigt an, daß „im Interesse der Hebung des ärzt lichen Standes ehrengerichtliche Einrichtungen ins Leben ge rufen und den Aerztekammern erweiterte Befugnisse gegeben werden sollen". Man muß übrigens anerkennen, daß, soweit es an der preußischen Regierung lag, die Ein richtung der Ehrengerichte schon vor einigen Jahren hätte ins Leben gerufen werden können. Damals aber stieß die preußische Negierung mit ihrem Ent würfe, den sie den Aerztekammern unterbreitete, ans so allgemeinen Widerspruch, daß sie wohl mit Recht Abstand davon nahm, eine so einschneidende Maßregel gegen dcu ausgesprochenen Willen der Aerzteschast zu treffen. Sie handelte damit nach dem wohlbewährten Spruche .chc-neliciu nou obtrucluutur^. Inzwischen aber hat sich die Stimmung innerhalb der Aerzteschast wesentlich verändert. Die Berliner Aerzte dürsten allerdings in ihrer großen Mehrheit als Gegner der Ehrengerichte anzuseben sein, rn den Provinzen aber ist im Großen und Ganzen die Stimmung durchaus für die Einrichtung der Ehrengerichte. Dies muß man sich gegenwärtig halten, wenn, wie vorauszusehen ist, nach dem Bekanntwerden des Gesetzentwurfes die ärztlichen Standesvereine Berlins Peti tionen an den Landtag richten sollten, dem Gesetzentwürfe die Zustimmung zu versagen, und wenn sie sich dabei den Au schein geben sollten, als handelten sie im Sinne und im Interesse deS gejammten preußischen Aerztestandes. Tbat- sächlich bandeln sie nicht einmal in ihrem eigenen Interesse, denn man kann die tüchtigsten und anständigsten Aerzte ost genug darüber klagen hören, wie bedauerlich cS ist, daß cs gegenwärtig vollständig an Mitteln fehlt, einer durm die Ueberfüllung des ärztlichen Berufes immer mehr in Blüthe gerathenen schmutzigen Eoncurren; daS Hand werk zu legen. Nicht die innere Ueberzeugung, sondern nur ein gewisser politischer Doktrinarismus macht einen Theil der Aerzte zu Widersachern der Ehrengerichte. Der Wider stand gegen die Einrichtung wird aber um so geringer sein, je mehr sich der Gesetzentwurf von den Feblern, die rein den Aerztekammern vor einigen Jahren unterbreiteten Entwurf« ««hafteten, fernhält. Damals waren die Aerzte mit Recht darüber verstimmt, daß der Entwurf die Betheiligung eines Juristen an dem ehrengerichtlichen Verfahren vorsab. Wenn ein Stand die Standesehre rein hallen will, so wird man seinen Mitglieoern concediren müssen, daß sie bei dem ehrengerichtlichen Verfahren gegen einen StandeSgenossen vollkommen unter sich bleiben. Was würde wohl da» Officiercorp» ^ine» Regiments sagen, wenn man ihm zumuthen wollte, zu ehrengerichtlichen Be schlüssen einen außerhalb des Regiments stehenden Nickt ofsicier hinzuzuziehen? Die Theilnahme eines Juristen am EhrengerichtSverfahrcn verletzt aber nicht nur das sub jektive Empfinden der Aerzte, sondern sie ist auch objecliv überflüssig. Die passende Form, in der die Verhandlung stattzufinden hat, werden gebildete Männer selbst finden können, und das sachliche Urtheil wird, da cs sich in der Mehrzahl der Fälle um Verstöße inner halb der beruflichen Thätigkeit bandeln wird, von Aerzten eher richtig gefällt werden können, wenn sie ganz unter sich sind, als wenn ein mit ärztlichen Dingen uick l vertrauter Jurist an der Verhandlung und Berathung theil- nimmt. Weiter erregte die Bestimmung Anstoß, daß die be amteten Aerzte zwar nicht unter die Rechtsprechung der Ehrengerichte fallen sollten, daß sie aber Mitglieder der Ehrengerichte sollten sein können. Das gute, alte Sprich wort „Wer nicht mitthaten will, soll auch nicht mitrathen", kann hier Anwendung finden. Wer nicht nnter Umständen von einem Gerichte abgeurtheill werden kann, soll auch nicht an der Urtheilsfällunz tbeil- nehmen dürfen. Daß die beamteten Aerzte den Ehren gerichten nickt unterstehen sollen, ist ja an sich ganz richtig, da für sie als Beamte ein geordnetes Disciplinar- verfahren besteht. ES ist aber andererseits auch ganz un- nötbig, daß sie an den Ehrengerichten tbeilnebmen, da es in jeder Provinz genug tüchtige nichtbeamtete Aerzte gicbt, die durch das Vertrauen ihrer StandeSgenossen in die Evren gerichte gewählt werden können. Unter den angeführten Vor behalten dürften die ärztlichen Ehrengerichte die Zustimmung des größten Theiles der Aerzte finden, so daß von einer Octroyirung durch die Gesetzgebung nicht die Rede fein kann. Daß die Errichtung der Ehrengerichte durch Gesetz und nicht durch Verordnung erfolgen soll, ist nur zu billigen, da eS angemessener erscheint, daß für einschneidende Maßregeln die gesetzgebende» Factoren die Verantwortung tragen, als daß «in einzelner Minister diese Verantwortung übernimmt. * Berlin, 17. Januar. (Deutschland und Amerika.) Der Botschafter der Vereinigten Staaten zu Berlin, White, Eine moderne egyptische Hochzeitsfeier. Von Paul Pasig. Nachdruck »ertotra. Eine egyptische Hochzeit ist ihrer seltsamen Gebräuche wegen für den Fremden zweifellos von hohem Interesse, aber nur ivenigen Nilreisenden bietet sich Gelegenheit, einer solchen bei wohnen zu können. Der Grund hiervon liegt einmal in d«r Unuahbarkeit der muhamedanischen Frauen und der hieraus sich ergebenden Abgeschlossenheit deS Familienlebens, das in der That dem Andersgläubigen ein unzugängliches Heiligthum bleibt, andererseits ist gerade die Vermählungsceremonie bei den vor nehmen Arabern mit einem Schleier des Beheimnißvollen und Phantastischen umgeben, so daß für dm Fremden eine besondere Gunst der Verhältnisse dazu gehört, da- Innere eine» hoch zeitlichen Haus«» betrrtm zu dürfen. Schon die einleitenden Schritte zu jeder arabischen Ver mählung entbehren nicht de» Gehennnißvvllen selbst für die unmittelbar Betheiligten, für Braut und Bräutigam. Kein» von Beiden weiß etwas Näheres von der Persönlichkeit deS oder der Zukünftigen bi» zu dem entscheidenden Augenblick der ehe lichen Verbindung selbst. Es ist lediglich Aufgabe der Mittelspersonen, die Lor- Verhandlungen im Einverständnisse mit den maßgebenden Fa milienangehörigen zu führen, und diese bewegen sich, wenn im Urbrigrn Stand, fllter u. s. w. de» künftigen jungen Paares paffend erscheinen,! in der Hauptsache um die vom Bräutigam zu erlegende Kauffumme, deren Höh« nach dem Alter der Braut verschieden, bei einer Wittfrau am geringsten ist und im Durch schnitt beim Mittelstände nicht viel über 500 ofk beträgt. Hiervon sind zwei Drittel bei Unterzeichnung des Ehecontractes zu zahlen, während ein Drittel für die Frau bei etwaiger Scheidung oder frühzeitigem Tode des Gatten zurückgelegt wird. Ist man über diesen wichtigen Punct einig geworden und ist der Kontrakt unterzeichnet, so wird mit den Vorbereitungen zur Hochzeit begonnen, die in der Regel nur kurze Zeit, oft sogar nur wenig« Wochen auf sich warten läßt. Da heißt es denn fleißig sein, um die Aussiattung zu beschaffen. Jndeß haben die modernen AuSstattungsgeschäfte auch bereits im Pharaonrn- londe diese Arbeit ungemein erleichtert. Ist der Tag der Hochzeit festgesetzt, d. h. der Tag, an dem die Braut nach feierlichem Umzuge in das neue Heim, die Wohnung de» Bräutigams, einkehrt, so gilt es diesem Feste auch äußerlich eine höhere Weihe zu geben. Durch Vermittelung eines mir befreundeten griechischen Arzte» war «» mir gelungen, zu der VermählunaSfeier des Sohne» eine» der angesehensten Kaufherren in Kairo geladen zu werden, dessen Hausarzt mein Freund war. Auf 3 Uhr Nachmittag» war der Beginn de» Feste» angesagt worden. Al» wir gegen ß4 Uhr vor der in der Vorstadt Jsmailia ge legenen Villa anlangten, fanden wir diese von einer dichten Menschenmenge umlagert. Die Mehrzahl bildeten Levantiner der mittleren Kreise in ihrer halb europäischen, halb orientalischen Tracht. Dazwischen machte sich der arabisch« Janhagel breit, in schmutzigem, zerlumptem Kaftan von blauer oder weißer Farbe, die Filzrappe oder den zweifarbigen Tarbusch auf dem Haupte. Einige schworzglänzende Neger mit blendend weißer Wäsche, den unvermeidlichen Sylinder auf dem wolligen Haupte und ein feines Spazierstöckchen in der Rechten, sowie ein paar Schuljungen von echt deutschem Lypu» vervollständigten da» buntfarbige Bild der Zuschauer, unter denen auffallend wenig Frauen zu bemerken waren. Am Thore begrüßte uns eine aus Polizisten bestehende Wache, die keineswegs überflüssig war, sondern mit ihren Ochsen ziemern unablässig in den nachdrängcnden Pöbel einhauen mußte. Der Hofraum bot ein entzückendes märchenhaftes Bild. Unter den mächtigen Sykomoren und Lebbachbäumen waren luftige Zelte errichtet und der Fußboden mit kostbaren arabischen Teppichen belegt. Oben flatterten von Baum zu Baum, von Mast zu Mast, an dünnen Seilen befestigt, buntfarbige Fähnchen, theil» mit kunstvoll verschlungenen Arabesken, theils mit Koran sprüchen geziert. Kaum hatte der Wirth uns bemerkt, als er gravitätischen Schrittes auf uns zukam und uns mit dem bekannten arabischen Gruße, Berührung der Brust, des Mundes und der Stirne mit der Rechten, bewillkommnete. Sinnig und vielsagend ist dieser Gruß, denn er will andeuten, daß Herz, Mund und Kopf, d. h. Gefühl, Wort und Verstand in Uebereinstimmung sich befinden, der Mund also nichts spricht, was nicht das Herz empfand und der Kopf gedacht hat — in der That das Be- kenntniß unbedingtester Zuverlässigkeit ohne Falschheit und Heuchelei. Als wir unsere Blicke erhoben, bemerkten wir den trppichverhangenen, geräumigen Balcon, flüsternde Stimmen verriethen die dort verborgenen Damen, die den Männeraugen auf diese Weise unerreichbar waren. Zunächst wurde Kaffee herumgereicht, uns Europäern an kleinen Tischchen, an welchen wir in zwangloser Weise vor den Zelten Platz genommen hatten, den Eingeborenen aber, die in ihren langen, wallenden, meist seidenen Gewändern einen ehr- furchtgebietenden Eindruck machten, nach Landesbrauch in ihrer hockenden Stellung auf dem Fußboden, wo sie sich um kunstvoll mit Perlmutter eingelegte klein« Tabourets malerisch gruppirten. Natürlich fehlten auch die unvermeidlichen Cigaretten nichk, deren süßer Duft sich mit dem berauschenden Aroma des bc nachbarten Orangenhaines mischte. Für echte Vollblutaraber standen einige Tschibuks und Nargikehs (Wasserpfeifen) in Be reitschaft, und es währte auch nicht lange, so wurden wir von dem scharfen, narkotischen Rauche in nicht gerade angenehmer Weise in Anspruch genommen, und zu Ohren drang uns das gurgelnde Geräusch der Wasserpfeifen. Weit anziehender klangen die Weisen der im Hofraume aus gestellten Nationalcapelle. Waren es auch meist fremdartige Melodien, wenn man das monotone Modulircn zwischen zwei biv drei Tönen so nennen darf, so lauschten wir ihnen doch mit dem Interesse des Laien, der gerade das Ungewöhnliche unterhaltend findet, bis etwas Neues seine Sinne fesselt. Und neu waren unS auch theilweise die Musikinstrumente: ein großes, hölzernes Viereck mit Saiten bespannt, dem Cymbal der Zigeuner ähnlich, eine Handtrommel, eine Laute, eine viereckige Geige mit langem Griff und ein oboenartiges Blasinstrument. Als uns der überaus prächtig geschmückte Diener, aus dessen goldgesticktem Gürtel der Griff eines Dolches hervorlugte, in Schalen zur weiteren leiblichen Unterhaltung Mandeln, Hasel nüsse, Pistazien, Kürbiskerne, sodann verlockende Mandarinen (kleine Orangen mit locker aufliegender Schale) und getrocknete Datteln reichte, fragten wir uns, ob dies das Dessert des über Haupt noch nicht begonnenen Hochzeitsmahles sei? Denn daß wir uns mit dem Wasser als Hochzeitstrant würden begnügen müssen, das die zahlreich umherirrenden Sakkas (Wasser verkäufer) durch klirrendes Aufeinanderschlagen ihrer kleinen messingenen Trinkschaken in Hülle und Fülle anpriesen, war uns bei der Hochzeit eine» strenggläubigen Moslims einleuchtend Aber unser harrten in der That noch ganz andere Genüsse. Auf einen Wink folgten wir unserem Gastgeber in «inen
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