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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990124029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899012402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899012402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-24
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Oec la men unter dem Redaction-strich («Da spalten) KO^, vor den Familiennachrichtea (bgejpalten) 4t) Größere Schrillen laut unserem Prei-- verzrichniß. Tabellarischer und Zissrrnsatz uach höherem Taris. O?tra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun^ 6V.—, mit Postbefördrrung 70.—. Innahmeschluß für Anzeigen: Abrnd-Au-gabe: VormiiiuzZ 10 Uhr. Morgen»Au«gabe: Nachmittags 4Uhp. Bei den Filialen und Annahmestellen jk eia« halbe Stunde früher. Anteilen sind stets an die Er-edttta» zu richten. Druck und Verlag von E. Pol; in Leipzig 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Vetpzk-, 24. Januar. Der Reichstag hat sich gestern in der Hauptsache mit der überreifen Frage der Berufung in Strafsachen und der noch unauSaettiften der Verhinderung oder Erschwerung d«r Knnstwetnfabrikatidn beschäftigt. Während der uninteressanten Verhandlungen wurden vereinzelt Privat gespräche über die Verbreitung von Gerüchten über eine RegierunaSkrisiS geführt. Es gehört keine üppige Einbildungskraft dazu, sich oder Anderen den Reichskanzler al« amtSiiiüdr vorzustellen, denn Fürst Hohenlohe erreicht am künftigen stl. März das achtzigste Lebensjahr. Aber an den in Curs gesetzten Gerückten, die sich sogar bi- zur An- kündigung der mit allen Umstanden mehr als unwahr scheinlichen Besetzung des Statthalterpostenö in Elsaß- Lothringen durch ein Mitglied eine« regierenden Hause« erweiterten, ist im Augenblick nicht« Wahres. Fürst Hohenlohe hat übrigens der gestrigen Sitzung de- pre«- tztschcn Abgeorönrtrnhaufk« beigewohnt, ohne jedoch in die Verhandlungen einzugreisen. Die Beantwortung der einzigen unter den gestellten Anfragen, die etwa in sein Ressort fallen sonnte, die über da« egyptisckt Bombenattentat, überließ der Minister de- Auswärtigen dem Herrn v. d. Recke, der „von nickt« weiß". Fürst Hohenlohe ist zwar auch Ministerpräsident, aber diese seine Eigenschaft dürfte, abge sehen von dem Vorsitz, den er gelegentlich im Ministerrath führt, jetzt kaum mehr praktisch zum Vorschein kommen. Da gegen kam die übergeordnete Stellung, die der Finanz- Minister als Vicepräsident des Staat-Ministerium« ein nimmt, gestern abermals darin zum Ausdruck, daß Herr von Miquel wieder die in Nordschleswig eingeschlagen« Politik vertrat. Und die- mit dem gewohnten Nachdruck und Geschick. Herr Rickert, der bekanntlich die National liberalen deS Osten- zu sich berüberziehen will, hatte sich auf den Standpunkt der Herren Richter und Blell gestellt und bekam dafür von Herrn von Miquel die Befangenheit in sonst glücklicherweise in Deutschland altmodisch gewordenen philister basten Anschauungen über Fragen des StaatSbrstanve« be scheinigt. Als Finanzminister trat v. Miquil der Anschauung entgegen, daß die Unterbringung von dentschen Staat«pap»er«n (MV Schatzanweisungen) im Au-lande zu beklagen sei. Er meinte mit Recht, das dadurch bekundete Vertrauen könne un nur angenehm (ein, eS sei aber Wohl verständlich, denn „sicherer« Papiere als die deutschen giebt eS in der ganzen Welt nicht". Außer Herrn von Miquel sprachen die Minister Thiel «n, Dr. Bosse und Frhr. von der Recke. Die beiden ersteren kurz, der Minister de- Innern mit bisher an ihm nicht ge kannter Ausführlichkeit. Er erklärte, daß die Angelegenheit deS Friedhofs der Märzgefallenen niemals in Zu sammenhang mit der Bestätigung oder Nichtbestätizung deS Herrn Kirschner gestanden habe. Di« Verzögerung der letzteren Sache sei auf eine „Vrrkettung von Um ständen", Urlaub von Beamten und dergl. zurückzusühren. Uedrigrn-, so fügte der Minister hinzu, unterlieg« vir Ent schließung de» Monarchen, möge sie so oder so au-sallen, nicht der Kritik des Hause-, Diese Anschauung ist unhaltbar, denn der Minister ist für die Entscheidung al» für «inen RezierunzSact vtrantwortlich und damit ist da« Recht de« ParlamrntS zur Kritik, all«rding» auch nicht zu Weitrrem, gegeben. Im vorliegenden Falle richtet sich da« öffintliche Äntrreffr aber gar nicht auf da« Matrriille der Ent scheidung, sondern auf da« Ausbleiben einer solchen. Kirschner ist seit acht Monaten zum Odrrbllrgermeistrr g«wählt und so verkettet können di« Verkettungen unmöglich gewesen sein, daß di« Angelegenheit bi« auf den heutigen Tag ,ti dir Schweb« bletben mußte. H«rr v. d. Recke fordert« ferner Widerspruch durch ein« zu allgemein ge haltene Verneinung des Rechte« zur Kritik an Begnadigungen heraus. Er wird auch wohl weiter eine Erwiderung auf bas hören, wa« er über die konservativ« Parteileitung durch Beamte in der Provinz Hannover bemerkt hat. Der Minister erklärte, der Sache persönlich fern zu stehen, er habe aber auch keine Veranlassung zu Einwirkungen auf die — die welfische, wie die socialdmokratische Sache indirect, aber kräftig begünstigenden — Beamten gehabt. Nun, man weiß, daß di« Action von Berlin aus angeregt worden ist. Daß dies über den Kopf de« Herrn v. d. Recke hinweg geschehen, ist wohl möglich. Da- Centrnm hatte als seinen EtatSredner den nicht hoch bedeutenden und ziemlich gemäßigten Herrn v. Strombeck auftreten lassen. Man vermied ge flissentlich, eine prononcirte Persönlichkeit vorzuschieben. DaS Verlangen nach einem Schulgesetz wie dem von 1892 wurde denn auch in ruhigem Tone vorgetragen und die Aus weisungen au« NordschleSwig wurden vorerst nur „bedauert". Besonderes Leben bekam die Sitzung zum Schluß, bei den „persönlichen Bemerkungen". Dem Präsidenten v. Kroch er widerfuhr dabei ein absonderliches Mißgeschick. Er rief den Abgeordnetrn Richter zur Ordnung, weil dieser die Er klärungen deS Herrn v. d. Recke über die Bestätigung Kirschner'S einen „Eiertanz" genannt batte, mußte aber er fahren, daß der Minister, al« Herr v. Kröcher nicht präsibirte, denselben Ausdruck unbehelligt gegen Richter gebraucht hatte. Herr v. Kröcher zog sich nicht gerade glücklich au-der Affaire durch die Bemerkung, r» sei menschlich, daß innerhalb eines Präsidium- di« Auflassungen über das parlamentarisch Zu lässige auSeinandergingen. In eine Anerkennung der Haltung der nationaNiberalkN Partei in den social-olitischcu Kragen flicht dir ultramontane „Köln. Volkszritg." folgende Bemerkung ein: „Di« Soeloldemvkraten behaupten, die Nationalliberalen ließen sich dazu (gemeint ist die socialpolitische Haltung in der Rede deS Freiherr« von Heyl) blo» au» Furcht vor ihnen bewegen. Wir wollen daS dahingestellt sein kaffen." Da- klerikale Blatt stimmt also den Socialdemokraten zwar nicht unbedingt zu, will aber immerhin die Möglichkeit offen lassen, daß die entschiedene socialpolitiscke Haltung der nationalliberalen Partei auf da» Motiv der Furcht zurück- zufübren sei. Da man sich versichert halten kann, daß biese wenig ehrende Motiv noch oft genug von den radikalen, klerikalen und sonstigen Gegnern de- gemäßigten Liberalismus unterstellt werden wird, so sei auf diese Unterstellung eingegangen.Einepoli- tische Partei könnt« gewiß au» verschiedenen Gründen vor der Socialdemokratie Furcht haben: sie könnte einmal fürchten, di« Unterstützung di«s«r Partei bri Wahlen zu verlieren; sie könnte sernrr fürcht««, von der Socialdrmokratie noch ge hässiger oder nachdrücklicher als bishrr angegriffen zu werden; st« könnte schließlich vor einem gewaltsamen Au-bruch der Socialdemokratie brsorgt sein. All diese Motive treffen auf die nationalliberal« Partei nicht zu. Wa« die Unter stützung durch dir Socialdemokratie anlanat, so hat sich ja da« Centrum (beispiel»weise bei den Kämpfen um die Vor herrschaft in Badrn) socialislischer Hilfe zu erfreuen gehabt, und in noch höherem Maße der radikale Liberalismus, aber die Nationallib«ralen haben sich weder um solche Hilfe be worben, noch sie erhalten. Selbst bei den preußischen Land» lag-wabltn, an denen sich die Socialdemokraten be« »heiligten, um eine konservative Mehrheit zu verhindern, unterließ man diese Betheiligung, wenn man damit den Natioualliberalca hätte nützen können. So lehnten die Socialdemokraten beispielsweise im Wahlkreise Charlottenburg die Betheiligung ab, weil ihre Unterstützung hier auch einem Nationalliberalen zugute gekommen wäre. Auch die Furcht vor gehässigeren und nachdrücklicheren An griffen kann die nationalliberale Partei nicht beeinflussen. Sie wird seit Iabr und Tag von der socialistischen Presse in roherer und gehässigerer Weise angegriffen, als irgend eine andere Partei, und Vie Beschimpfungen, die ihr zu Theil werden, können beim besten Willen nicht mehr Überboten werden. Ebenso können bei den Wahlen die socialistischen Angriffe gegen die nationalliberale Partei nicht nachhaltiger werden, als bisher. Die nationalliberale Partei hat bei diesen Angriffen gewiß viel verloren, aber sie ist jetzt an der Grenze dieser Verluste angelangt, denn sie konnte nur dann noch einige Wahlkreise hinzu verlieren, beispielsweise Dortmund und München I, wenn die Klerikalen dort ebenso die Feinde der bürgerlichen Gesellschaft unterstützen wollten, wie sie es in Mannheim, Karlsruhe und Pforzheim aethan haben. Die Nationalliberalen könnten also höchstens Furcht vor der verrätherischen Handlungsweise anderer bürger licher Parteien haben, nicht aber vor der Socialdemokratie. Was endlich einen gewaltsamen Ausbruch der socialistischen Bestrebungen anlangt, so wäre die Besorgniß davor, so weil sie überhaupt gerechtfertigt ist, Sache der gesammten bürger lichen Gesellschaft und nicht in letzter Reihe deS Klerikalismus. Socialistiscke und communistiscke Revolutionen haben bekannt lich vor katholischen Bischöfen ebensowenig Halt gemacht, wie vor reicken Fabrikanten. Die Rede de- Freih. von Heyl bat nicht bewiesen, daß der Nationalliberalismus vor der Socialdemokratie Furcht hat, sondern sie hat zur Folge ge habt, daß umgekehrt die Socialdemokratie Furcht bekommen bat. Sonst hätte der „Vorwärts" Herrn von Heyl wohl nicht als einen besonders „Schlimmen" hingestellt. Mit Genugthuung verzeichnen wir folgende, „die Wahr heit über Samoa" überschriebene Mittheilung deS officiösen „Hamburgischen Correspondenten" au- Berlin: Nach den nunmehr vorliegenden Nachrichten steht es außer Zweifel, daß die Wahl Mataafa's zum König von Samoa unanfechtbar war. Daß Mataafa zu den Candidaten, und zwar als einer der aussichtsreichsten, gehörte, war den europäischen Consuln bekannt und konnte auch den Regierungen nicht verborgen bleiben. Gleichwohl war rin Einspruch gegen die Wahl nicht erfolgt. Ein solcher wäre allerdings auch nach der Samoa-Acte nur zulässig gewesen, wenn durch die Wahl Zer würfnisse innerhalb der einheimischen Bevölkerung in Aussicht ständen. Davon war um so weniger die Rede, als, wie bekannt, Mataafa's Wahl mit großer Mehrheit erfolgt ist. Die Labei ent standenen Wirren sind aber erst infolge der Nichtaner kennung der Wahl durch den englischen Consul und durch drssenMaßnahmen hervorgrrufen worden. Inwieweit die Abneigung der Missionare gegen den katholischen Mataafa eine Rolle gespielt hat, mag dahingestellt bleiben. Unaufgeklärt ist noch, wethalb der englische Consul sich genöthigt glaubt«, den obersten Gerichtshof zu schließen. Dagegen ist jetzt erwiesen, daß die ersten englisch«« Meldungen, nach welchen der deutsche Consul in das Gerichtsgebäude eingrdrungen, nachher aber durch den englischen und amerikanischen Consul auf die Straße gesetzt worden sei, erfunden sind. Nachdem übrigen» die Reichs regierung den betheiligten Cabinetten erklärt hat, daß sie, falls fest- gestellt werde, daß durch daS Verhalten eines ihrer Beamten der Samoa-Vertrag verletzt worden sei, sie denselben desavouiren würde, muß man erwarten, daß von den anderen Mächten das Gleiche geschieht. Hiernach wird officio- festgestellt, worauf wir von vorn- bkrein daS Hauptgewicht legten, daß die Wirren anläßlich der KönigSwabl durch das Eingreifen des amerikanischen Ober richters Chamber'S verursacht worden sind und daß dieses Eingreifen ohne jeglichen Recktstitel geschah. Die Hauptschuld trifft also den Amerikaner Chambers. Was die Schließung des Obersten Gerichtshofs und die Uebernabme der Functionen desselben anlangt, so hieß eS in der ersten Londoner Meldung: ,^)r. Raffel, der deutsche Municipalpräsident und Rose, der deutsche Consul schlossen den Obersten Gerichtshof und übernahmen dessen Machtbefugnisse." Dann berichtete das englische „Bureau Dalziel": „Der englische und der amerikanische Consul vertagten den Gerichtshof und schlossen das Gebäude. . . Schließlich eröffneten die Heiden Consuln förmlich den Gerichtshof." In der Hamburger- Meldung vom 20. Januar wurde berichtet, daß die provisorische Regierung daS Obergericht geschloffen und eine Abtheilung englischer Marinesolvaten auf Begehren Chambers' es wieder geöffnet habe. Nach dem „Ham burger Correspondenten" endlich hat der englische Consul die Schließung vorgenommen. DaS Letztere wird das Richtigere sei. Ader mag die Sacke sich verhalten wie sie wolle, daS Entscheidende ist, daß die englische Meldung sich als erfunden erweist, nach welcher der deutsche Consul in das Oberste Gericht eingedrungen sein sollte und mit samml dem I)r. Raffel auf die Straße hätte gesetzt werden müssen. Durch diese Falschmeldung sollte die Meinung hervorgerufen werden, die deutschen Beamten hätten im Wider spruch mit den Vertretern der anderen Mächte die Gerichtsbefugnisse usurpirt. Das wäre ein Ver halten gewesen, welche- strenge Ahndung gefordert hätte. Gegen die vorläufige Uebernahme der GerichtSpflege durch die gesammte provisorische Regierung hatten wir und habe» wir nicht« einzuwenden, da der Obrrrichter Chambers seine Stelle v«rlassen und sich auf daS englische Kriegsschiff begeben, sich also exterritorial gemacht hatte: er war außerLandes gegangen. Wenn die deutsche Regierung bei so bewandter Sachlage noch die formale Versicherung giebt, sie werde, wenn einen ihrer Beamten eine Schuld treffe, denselben des- avoiren.wie sie vice versa das Gleiche von den andrrnRegierungeu erwarte, so ist dies das Aeußerste, wa- sie thun kann, und mehr wird sie auch nicht geihan haben. Die englische und die amerikanische Presse anticipirten schon die Schuld der deutschen Beamten und die Entschuldigung der deutschen Negierung: wir hoffen, e- werde sich noch Herausstellen, daß die deutschen Beamten allein durchaus correct gehandelt haben, und daß die ganze Schuld auf der andern Seite liegt. Aus fallend ist die Meldung der „Köln. Ztg ", Amerika wolle auf daS Condom ini um auf Samoa verzichten und Deutsch land entgegen kommen. Ein Ausfluß deS Schuldbekenntnisses kann daS nicht sein, auch widerspricht die Nachricht allem, wa- man bisher über die Absichten der Vereinigten Staaten gehört hat. Jedenfalls muß man weitere Auf klärung abwarten. Zu dem Kriegsberichte des griechischen Kronprinzen wird un» au- Athen geschrieben: Leider gewinnt eS den Anschein, als wenn in Folge der Veröffentlichung des kron- prinzlichen KriegSbrrichteS in die gegenwärtige Wahlbewegung FensH-t-ir» iss Onkel Mlhelm's Gaste. Roman von A. von derElbe. VIl»»Nlck Während Hella da» Feuer unter dem Herd schürte und meinte, es rauche, weil e» sie in den Augen brannte, schritt Hahnewinkel geraveSweg» hinüber zu seines Herrn Zimmer. Wilhelm von Rusteberg saß am Mitteltische und strich eben die Karten von einer großen Patienz« zusammen, vergnügt blickte er zu seinem «intretenden Factotum auf und sagte: ,,E» kommt, wie ich dachte, die Aurora wird unS zwei Kälber bcscheeren." Hahnewinkel, den in ruhiger Gemüthsstimmung eine so ge wichtige Prophezeiung außerordentlich erregt haben würde, war in diesem Augenblicke so durchaus von seinem Vorhaben erfüllt, daß er der frohen Aussicht Aurora'S keine Beachtung schenkte. Er richtete sich stramm, legte die Hände in alter Weise vorschrifts mäßig an die Hosennaht und sprach, um seine GemüthSbewegung niederzuhaltrn, so barsch wie möglich: „Melde gehorsamst, daß wir da — in der Küche — bankerott machen." „Was machen wir? Wo fehlt'»?" Der alte Herr fuhr er schrocken auf. „Die kleine Gnädige weiß nicht aus noch ein." Hahnewinkel'S soldatischer Ton brach in Betrübnitz, er wischte sich mit drm Rücken der Hand über die Augen und fuhr dann redselig fort: „Das kann mit gnädigster Verstattung m«in«s Herrn Leutnant» kein wohlgeborene» Menschenkind ohne Jammer mit ansehen. Und da sie nuss viel zu brav ist, um dem hochgeborenen Onlel gütigst Sorgen machen zu wollen, denke ich — ein Lhristen- mensch'ist doch nicht von Stein —, e» ist meine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit, ihre Noth ergebenst hiermit zur Anzeig« zu bringen und gehorsamst zu melden, daß wir in der Küche bankerott machen." Wilhelm hatte sich von seinem Schreck über Hahnewinkel'» plötzlichen soldatischen Rückfall erholt und begann nun, seinen Getreuen auszufragen. Dieser, einmal entschlossen, zu sprechen, berichtete, daß er im Lauf« de» Winters schon öfter allerlei der Gnädigen gehörige Werthsachen unten in Neustadt hab« verkaufen müssen. Tie sei auch nach dem Lod« des hochwohlgeborenen Henn sehr sparsam aeworden, habe so wenig wie möglich zugekauft und mit den Lebensbedürfnissen auSzutommen gesucht, die er -ihr habe geben können. Und da sie nun offenbar nicht mehr aus noch ein wisse, müsse ihr doch irgendwie geholfen werden. „Ditte meine Nichte zu mir herein, Hahnewinkel", sagte Wilhelm ergriffen. -Der Di«n«r machte vergnügt Kehrt. Nun würde sein Herr schon helfen, der wußte immer Rath. Hahnewinkel war zu ehrlich, um Nella unvorbereitet zur Ge- schifftSerörterung in» Zimmer zu schicken. Er sagte ihr also, daß er dem Herrn Leutnant ihre Noth ge meldet, veil -r's nich: habt lassen können. Sir erschrak. Ls erschien ihr wie «ine Undankbarkeit, den guten, Onkel, der, so viel er konnte, für sie that, obenein mit ihren -Sorgen z-u belasten. Aber nun war es geschehen, von Hahnewinkel au» Güte und Mitleid für sie verrathen worden, jetzt blieb ihr nicht- übrig, als der Meisunq zu folgen, und eine Erleichterung war es doch, wenn sie mit «iner so guten und teilnehmenden Seele, wie Onkel Wilhelm war, ihre schwierige Lage besprechen konnte. „Mein arme» Kind", sagte Wilhelm, al» sie schüchtern bei ihm eintrat, und legte beide Arme um ihre Schultern. Sie barg den Kopf an seine Brust und stammelt«: O Herzen-onkel, wie ist es schncklich, so arm zu sein!" „Komm', komm', Petronellachrn, sei ruhig, hierher, setze Dich zu mir, wir wollen überlegen, rechnen, es wird sich Alle» machen lassen." Sie gehorchte, sagte aber muthlos: „Ach, -lieber Onkel, wa» ist da diel zu rechnen, >ch Kobe gar nicht» mehr, al» die Brillanten meiner Mutter, sie sollen über tausend Mark werth sein, aber ich zauderte, sie zu verkaufen, konnte e» auch nicht hier in Neustadt und wußte nicht, wohin damit." Er strich sich nachdenklich über sein runzlige» Gesicht: „Hm — eh — Kind, die Brillanten geben 'mal einen Nothpfennig für Dich, wäre schade; vielleicht sind wir noch nicht fo weit?" „Ich glaube, sie Noth ist vor der Thür!" seufzte sie nieder- g-schlaqen. „Gern mache ich mit Dir eine Casse, theile mit Euch, was ich habe — aber — na ich glaube, e» langt nicht." „Ich weiß — ack ich weiß, mein gutes Onkelchen." „Ich bezieh« nach zwölf Dienstjahren als Leutnant sechS- hundertdrei Mark Pension, rechnete Wilhelm her, ich habe unten Kartoffeläcker für achtzig Mari verpachtet, oben Wiesen für vierzig, ich verkauf« für etwa hundert Mark an Holz, Kälbchen und Gartenfrüchten, macht achthundertunddreiundzwanzig Mark. Don der Ste-uercommtssion wird mi-r die Nutznießung hier an Haus, -Garten und Wiesen, die früher für tausend Mark an den Kaffee-Wirth verpachtet waren, ebenso hoch angerechnet, so muß ich für die Einnahme von über achtzehnhundert Mark einund dreißig Mart Steuern zahlen, dazu Gebäude-, Grund« und Ge meindesteuer, wa» mehr bringt. Ich muß das Haus in Ordnung halten, Hahnewinkel Lohn geben, uns kleiden, und noch mancherlei kaufen, was uns nicht zuwächst, da kannst Du Dir denken, daß ich manchmal schwer auskomme." „Ach, ich weiß, ich weiß, bester Onkel! Wenn die Brüder nicht wären, ginge ich fort, suchte mir eine Stelle, fiele Dir nicht zur Last und verdiente mir mein Brod." Von der Möglichkeit, das Mädchen, an dem er mit väterlicher Liebe hing, von sich zu lassen, wollte Wilhelm durchaus nichts hören. Er drängte ihr auf, was er noch an baarem Gilde liegen hatte, -und meinte, Gott werde weiter helfen. Sie nahm, um ihn zu beruhigen und um der augenblicklichen Verlegenheit zu steuern, etwas von dem Gelde an, und die Unter redung endete, ohne daß ein erleichternder Plan ersonnen oder gar gefaßt worden wäre. Am anderen Tage kam Fillberger, er fand seinen alten Freund nicht so friedlich heiter, wie er ihn sonst kannte, und forschte nach der Ursache seiner Gedrücktheit. „Dist Du krank Wilhelm?" fragte er theilnehmend, „mich dünkt, Du stehst schlecht aus." „Krank, meinst Du, krank? Ja, ich könnte vielleicht darüber krank werden." „ES ist also etwas Anderes, Du hast Kummer? Sprich Dich gegen mich auS. Es wird Dir gut thun." . Da öffnete Wilhelm sein Herz und erzählte von der üblen Lage der Seinen, wie er so gern« helfen wolle und nicht könne. „Der Gedanke, mich wieder von den Kindern zu trennen, ist mir schrecklich", fuhr er bewegt fort. „Die Jungen könnte ich, wenn'S sein müßte, entbehren, wie ich aber ohne die Nella leben sollte, wüßte ich nicht. Ich mag's nicht denken. Ja, ich könnt«, wenn ich das freundliche, rührige und immer muthige Ding missen sollte, daran sterben. Ach, sie will eine Stelle annehmen, wenn wir so nicht weiter existiren können", fügte er stöhnend hinzu. „Na, na, alter Freund, so schlimm wird'S nicht werden", sprach Fillberger nachdenklich. Dann blickte er auf und gewahrte Nella, die eingetreten war, um dem Gaste sein gewöhntes Glas Milch zu bringen. „Fräulein Nella", sagte er und griff nach seiner Mich. „Sie haben ja früher einen Hauslehrer, Doctor Johannes Feldhaus, gehabt, war das wirklich ein so anständiger, tüchtiger Mensch, wie seine eingesandten Zeugnisse besagen?" Nella fühlte, wie ihr eine Blutwelle in die Wangen schoß und war froh, daß der Frager sie nicht ansah, da er eben sein Glas an die Lippen setzte. Sie — sie sollte für Johannes zeugen! — Aber sie faßte sich rasch und erwiderte möglichst unbefangen: „Herr Doctor Feldbaus hat meine Bruder gut unterrichtet, wie der Herr Rector mein-te, alö er sie prüfte. Und für Kurt ist er in der schwersten Zeit ein treuer Freund gewesen." „Warum interessirst Du Dich für den Hauslehrer, Theobald?" fragte Wilhelm. „Unser alter Staubig hat selbst eingesehen, daß er nicht mehr recht kann. In etwas über einem Jahre feiert er sein fünfzig jähriges Dienst-jubiläum. Das möchte er doch gern erleben, daher will er noch nicht abgehen. Wir haben also zu Ostern einen Av junct gesucht und viele Anmeldungen bekommen, obwohl wir, so lange der Älte da ist, keinen hohen Gehalt geben können." „Und wollt Ihr den nehmen, der bei meinem Bruder war?" „Ich glaube, er ist der Bestempfohlenc, aber er tomml aus Berlin, an eine Rectorei geht selten ein Gymnasiallehrer, unv er verschlechtert sich in der Einnahme, daher dachte ick, es wäre doch ein Häkchen dabei." Nella verließ das Zimmer. Ihr Herz klopfte stürmisch. Tie ahnte, was ihn eine bessere Stelle aufgeben ließ, was ihn Herzog. Und sie sollte nun vielleicht fort müssen, fort, lediglich um nur leben zu können? Der Gedankt wurde ihr plötzlich schrecklich. Es gab keine andere Heimath, kein anderes Glück für sie, als hier auf dem Rusteberg«! Die Sorge, was beginnen, was thun, wie verdienen, kam mit wahrer Herzensangst über sie. O, es war doch furchtbar schwer, zu erwerben! Aber ihr Loos war nichts Außergewöhnliches. Wil- viele Tausende mochten schon mit dieser Frage sich das Hirn zermartert haben. Hätte sie doch Talente gehabt, aber sie ver stand rein gar nichts Besonderes, worauf man bauen konnte, oder was sich verwerthen ließ. < Gegen ihre sonstige Gewohnheit ging sie den ganzen Abend wie im Traume umher. Der Onkel und Hahnewinkel, die ihre Noth kannten, betrachteten sie voll Kummer und Mitleid. Endlich befand sie sich in ihrem Giebelstübchen allein, allein mit sich und ihren Gedanken, endlich allein! Und nun meinte sie in heißem Nachsinnen ein Hilfe finden zu müssen. Sie schritt auf und ab, flehend und ringend um einen retten den Einfall. Gehen, wenn Johannes kam, unmöglich! Also bleiben, aber unter welchen Bedingungen? Etwa» ziehen, etwa»
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