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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990130024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899013002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899013002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
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Trotz der in der Budgetcommission von dem Staats- secretair Tirpitz abgegebenen Erklärungen geben sich die socialdemokratischen Führer den Anschein, als ob sie an neue große Pläne der Marineverwaltung glaubten; außerdem bemängeln sie die Vorliebe, die man für den Bau von Schlachtschiffen bekunde, obgleich der Tys) dieser Schiffe beständig wechsele, und endlich lassen diese sachverständigsten aller Sachverständigen sich dahin auS, wenn man nun einmal Schlachtschiffe baue, so solle man wenigsteuS größere bauen, die jedem Gegner gewachsen seien. Was die angeblichen neuen großen Flottenpläne betrifft, so hätte sie Herr Tirpitz nicht einmal in Abrede zu stellen gebraucht, um sie zu Erfindungen der Flottengegner zu stempeln, denn die Marineverwaltung hat in den letzten beiden Jahren die Summe noch nicht aufgebrauckl und aufbrauchen können, die ihr zur Verfügung stand; sie bat 14 Millionen weniger ausgegeben als sie auSgeben durfte. Nicht minder baltloS sind die Angriffe, die sich gegen Len jetzt eifriger als früher betriebenen Bau von Schlachtschiffen richten. Im chinesisch-japanischen und im spanisch-ameri kanischen Kriege hat man weder von Kreuzern noch von Torpedobooten gehört, die den AuSscklag gegeben hätten; die Entscheidung gaben in beiden Kriegen die Schlacht schiffe. Die von den socialdemokratischen Blättern wieder derbeigrzozenen Behauptungen des englischen Admirals Colomb, daß die Hauptrolle im Seekriege den Torpedobooten und den Torpedobootzerstörern zufallen werde, wird von seinen eigenen Landsleuten, die ein Linienschiff nach dem anderen bauen, auf ihren wahren Werth zurückgesübrt. Vollständig grundlos ist weiter die Behauptung, daß der Typ der Schlacht schiffe beständig wechsele. Seit einer Reihe von Jahren stand bei unserer Marineverwaltung der Typ des Linienschiffes „Kaiser Friedrich III." fest, und bei diesem Typ wird es sicherlich noch eine Reibe von Jahren bleiben. Größer können endlich unsere Schlachtschiffe wegen der besonderen Verhält nisse derElbmündungen nicht sein und größer brauchen sie nicht zu s^n, weil sie vollständig genügen. ES wird daher der Marine verwaltung leicht sein, diese Angriffe abzuschlagen. Es wäre übrigens verwunderlich, wenn nicht in naher Zukunft auch im socialdemokratischen Lager einer oder der andere Flottenfreund aufstände und seine Stimme für die Bewilligung von Mitteln für Marinezwecke erhöbe. Hat doch auch die Colonialpolitik der Reichs regierung einige Anhänger in diesem Lager gefunden. Hatte schon gleich nach der Erwerbung KiautschauS der „Vorwärts" zur Betrübniß der „Leipz. Volköztg." und anderer socialdemokratischer Blätter am 13. Januar 1898 geschrieben: „Ob und in wieweit die Pachtung KiautschauS gegen die socialen Interessen des arbeitenden Volkes verstoßen wird, ist heute noch nicht abzusehen; eine Ausdehnung unserer Ausfuhr nach Ostasien würde gegen diese Interessen nicht verstoßen" so liegt jetzt eine ausführlichere Be ¬ gründung der Notbwendigkeit, Colonialpolitik zu treiben, von socialdemokratischer Seite vor. Bcvorwortet vom „Parteitheoretiker" KautSky, ist nämlich in dem socialdemokratischen Verlage von Dietz in Stuttgart ein Buch erschienen, daS dem pseudonymen Autor AtlanticuS zum Verfasser hat und den Titel „Production und Consmntion im Socialstaat" führt. Atlanticus führt darin aus, daß deutscher Colonialbcsitz nothwendig sei, wenn man nicht die Durch führung des SocialiSmuS auf 500 oder mehr Jahre hinauS- rücken wolle; denn nur vermöge des Besitzes von Colonien könne die Voraussetzung für die Durchführung des SocialiS- mus geschaffen, Deutschland in einen „geschlossenen" Staat verwandelt werden, der Alles, was er braucht, selbst pro- ducire. Daher ertheilt Atlanticus der Socialdemokratie folgenden Rath: „Die Socialdemokratie würde in ihrem eigenen Interesse handeln, wenn sie, anstatt die Colonialbudgets schroff zu be kämpfen, proponirte, jährlich einige Millionen zur wissenschaftlichen Erforschung und Anlage von einigen Dutzend Versuchsstationen auSzuwerfen." Welchen Gebrauch die Socialdemokratie von diesem Rath schlage machen wird, läßt sich vorauSseben: sie wird ihn voll ständig in den Wind schlagen. Um so mehr ist es angezeigt, ihr die Ausführung des „Atlanticus" einmal im Reichstage vorzuhalten. Die heutige Debatte gäbe dazu gute Gelegen heit, denn es liegt auf der Hand, daß Colvnialsreunde keine Flottengegner sein können. Dem vielgenannten Herrn Blell ist großes Heil wider fahren. Eine Versammlung des Vereins der freisinnigen VvlkSpartei in seinem Wahlkreise Hirsch berg hat „ein stimmig" sein Verhalten gebilligt und ist voller Verachtung über die „Verleumdungen der gegnerischen Presse" gegen ihren hochverehrten Abgeordneten zur Tagesordnung über gegangen. Die Hirschberger Herren kommen mit ihrem mannhaften Entschlüsse leider zu spät. Hat sich doch Herr Blell in einer Sitzung der brandenburgischen Handelskammer, deren Mitglieder anscheinend über nationale Frage» ein wenig anders denken, als der Verein der freisinnigen Volks partei in Hirschberg, gewissermaßen selbst ein Mißtrauens votum ertheilt und nach dem Wrangel'scken Worte gehandelt: „Ick dementire mir". Die Hirjchberger BolkSpartei.'-: " erden völlig von Herrn Richter gegängelt; haben sie doch auch Nichter'S intimsten Feind, ihren früheren Abgeordneten Barth, fallen lassen. So dürfte denn daS weltcrschnttcrnde Votum auch auf Berliner Anweisung hin zu Stande gekommen sein. Nicht uninteressant wäre cS, zu erfahren, wie viele „deutsche Männer" aus Hirschberg den „einstimmigen" Beschluß gefaßt haben. Bon wirklichem Werthe würde eS nur sein, wenn Herr Blell sich einem PlebiScit unterzöge. Glaubt er, daß seine Wählerschaft hinter ihm steht, so möge er einen mulhigen Entschluß fassen, sein Mandat niederlegen und eS auf eine Neuwahl ankommen lassen. Die Fortschrittler versichern ja in Einem fort, daß die „über wiegende Mehrheit der Bevölkerung" die AusweisungSpolirik der preußischen Regierung mißbillige. Wo könnten sie eine für sie sicherere Probe auf das Exempel macken, als in einem Wahlkreise, der seit einer langen Reibe von Legislaturperioden freisinnige Abgeordnete in den Reichstag entsendet Hal'? Und wer würde das verdammende Urtheil der „großen Mehrheit des deutschen Volkes" besser und würdiger rcpräsentireu, als gerade Herr Blell? Wir gestatten uns also, Herrn Blell und dem Führer seiner Partei den gehorsamen Vorschlag zu machen, eS auf eine kleine Probe in Hirschberg ankommen zn lassen. Die TrchfuS-Affaire hat mit der Einbringung des Gesetz entwurfs, welcher das Revisionsverfahren auf die vereinigten Kammern deS CassationshofeS überträgt, eS also der Criminalkammer abnimmt, abermals eine Wendung erfahren, die einen neue» Auf schub bedeutet. Diese Galgenfrist Kossen die Gegner der Revision noch auSnutzcn zn können, um diese zum Sckeitcrn zu bringen und so daS Prestige derer zu retten, die daS Reckt vergewaltigt haben. Der Gesetzentwurf stützt sich auf den Grundsatz, daß ein Richter, der eine Unter suchung geführt bat, nickt auch in dem urthcilenden Gerichte sitzen kann. Dieser Grundsatz ist zuletzt in dem Gesetze vom 8. December 1897 formulirt worden, das ver schiedene strafrechtliche Reformen verwirklichte und unter Anderm an die Stelle deS bisherigen inquisitorischen Verfahrens die contradictorische Untersuchung setzte. Nun war aber dieser Grundsatz ausschließlich gegen den alten Untersuchungsrichter gerichtet, dem die Strasproceßordnung von 1808 ganz außerordentliche Vollmachten gab und der im Geheimniß der Untersuchung den Angeschnldiqtcn moralisch foltern und vernichten konnte. Alle Artikel deS Gesetzes weisen auf die Voruntersuchung hin, eS hantelt sich nirgends um die Cassation, und eö ist eine tbeils gewaltsame, theils hinterlistige Auslegung, wenn man jetzt den Grundsatz des angeführten Ge setzes gegen die Strafkammer deS CassationShoseS ausnützen will, zumal zu einer Zeit, wo ein Revisionsverfahren schon lange im Gange ist. DaS ist also ei» reines GelegcnheitSgesetz, eine AuS» nahmegesetzgehung der willkürlickstcn Art, die freilich ihren Zweck schwerlich erreichen wird, denn Licht muß werden und darum wird eS werden, wenn die Republik als morscher Stamm nicht in fick selbst zerfallen will. Auch Labori, der bekannte Anwalt Zola'S und Ncinach'S, saßt den neuesten Schackzug der Generalstabspartei, welcher die Regierung zu Willen ist, nicht allzu tragisch auf. Aeußcrte er doch erst dieser Tage, er beuge sich im Voraus der Entscheidung, die von alle» vereinigten Kammern res CassationshofeS werde gefällt werden, wenn dies beliebe; ibm sei es ziemlich gleich- giltig, denn Jedermann werde sich vor der Wahrheit beugen müssen. Aber abgesehen von der Einwirkung auf von Gang der Revision de» DreysuSprocefseS erweist sich der Schritt der Regierung doch als ein im höchsten Grade bedenklicher. ÄlS Handhabe für diejenigen, welche das Cabinet zum Eingreifen drängten, diente bekannt lich der Bericht des ersten Präsidenten des CassationshofeS, Mazeau, über die von Beaurepaire enthüllten angeblichen Unregelmäßigkeiten, die der Criminalkammer bei der Revision deS ProcesseS Dreyfus zur Last gelegt werden. Dieser Bericht kommt bekanntlich zu demselben Schluffe, daß cs ratbsam sei, der Criminalkammer Len UrtbeilSspruch nicht allein zu überlassen. Man sollte nun meinen, eine derartige Miß trauenskundgebung gegen ein Ricktercolleginm, die es nöthig macht, für einen bestimmten Fall die GesetzgcbungSmaschine zu grundlegenden Aendernngen in Tbätigkcit zu setzen, muffe grobe Verstöße und Fehlgriffe ausdecken. Statt dessen wird schon jetzt niitgetbeilt, daß die Untersuchung Mazeau'S nicht einmal zu Tisciplinarmaßregeln gegen die schuldigen Richter Anlaß geben könne, daß also keine Vergehen nachzuweisen sind. Wenn die Regierung trotzdem die Hand dazu bietet, der Criminalkammer als der gesetzlichen Instanz die Revision LeS DreysuSprocesses durch ein eigens dazu erfundenes Tendenzgesetz zu entziehe», so weicht sie wiederum dem Druck eines TheileS der öffentlichen Meinung und ergreift Partei. Der Schritt der Negierung ist aber zugleich nahezu gleich bereulend mit der moralischen Bankerotterklärung deS Staates, denn eine Nation, die in dem Maße, wie eS beute in Frankreich zutage tritt, das Vertrauen zu den obersten Richtern des Landes verloren hak, hat mit ihm ihren letzten moralischen Halt verloren. lieber die neuesten Krawalle italienischer Ltttdenten in Palermo und Neapel wird der „N. Zür. Ztg." aus Nom geschrieben: ES ist weit gekommen, wenn Studenten, d. h. Lie Blüthe der Nation, Lie leitenden Classen von morgen, sich Laz» begeistern lassen, daS Universitätsgebäude in der schnötesten Weise zu verheeren, alle Fensterscheiben entzwei zu schlagen, Lie Hörsälc, Mobiliare anzuzünden u. s. w. Wahrhaft vandalische Seenen, wie sie bisher nur bei den Bauernunruhen vorzukommen pflegten, wo die arme», ungebildeten Parias der Nation sicher nicht brutaler hausten. Die Ursache dieser nur durch Bersaglieribayonctte unterdrückten Tumulte war harmlos, ja tböricht genug. Die vielen im November durchgesallene» Studenten suchten vom Unterrichtsminister einen außer ordentlichen NackprüfungStermiu zu ertrotzen, und zwar, indem sie sich offener Drohungen bedienten. Allein Li- Studenten kamen diesmal an Len Unrechten. Minister Baccelli lehnte die Eingabe der Turchgesallenen einfach ab; da gingen die Studenten daran, ihre Drohungen zu verwirklichen. Alle unruhigen Elemente in der akademischen Jugend, alle Schreier und Nadaumacher schlossen sich zusammen, tele- graphirten an die übrigen Universitäten um gleichzeitige „Er hebung" und „schlugen loö". Mit Ausnahme der stets lärmfrobcn Neapolitaner folgte aber keine einzige Univer sität. In Neapel kam eS zu ähnlichen VerwüslunstSscenei! wie in Palermo und auch hier mußte Militair die Hoch schule besetzen und vor Brandstiftung durch die eigenen Studenten schützen. Diese Studententumulte haben aber auch ibr GnteS gehabt. Die öffentliche Meinung, die früher mit Vorliebe auf Seite der armen gekränkten Muttersöhnchen stand, hat diesmal sich ganz energisch von den akademischen Radaubrüdern abgewandt und stellt sie rinmüthig noch unter die Gesellschaft, die sich damals bei den Maiunruhen bethätigte. Man verlangt, daß die Regierung die jungen Herren ganz unnachsichtig bestrafe und sie nicht weiterhin mit Glacehand schuhen anfasse, handle eS sich doch im Grunde um nichts anderes als um Plünderer und Brandstifter! Beide Häuser des japanische» Parlaments haben eiu- stimmig eine Regierungsvorlage angenommen, Lurch welcke Lein Mikado der Betrag von zwanzig Millionen Aen (ca. 40 Millionen Mark) als Widmung der Nation dargebracht wird. Diese Vermehrung deS kaiserlichen Privatvermögens wird Jedem als woblmotivrrt erscheinen, der sich die außerordentlichen finanziellen Lasten Les japanischen Herrschers vor Augen hält. Es entspringt dies gewissen un gewöhnlichen Gepflogenheiten, Lie kaum genügend bekannt sein dürften. Der Kaiser bat nämlich aus seiner Privatschatulle nicht blos Lie Apanagen sämmtlicher Prinzen des kaiserlichen Hauses, sondern auch die in Japan mit Adels- und Ordens Verleihungen verknüpften Dotationen zu bestreiten. Diese Dotation beträgt bei einer Erhebung in den Fürstenstand 50 000 Ben, bei einer solchen zum Marquis 40 000 Arn, ein neuernannter Graf erhält 30 000 Den, ein Vicomte 20 00o Jen und ein Baron 10 000 Aen. Die durch Orden aus gezeichneten Personen erkalten jährliche Pensionen, die sick zwischen 70 und 1000 Den bewegen. Ferner beziehen der Ministerpräsident, dessen Staatügehalt 800 Den monatlich beträgt, und Lie Ressortminister, die 500 Den monatlick beziehen, Zuschüsse in der gleichen Höhe auS der kaiserliche» Schatulle zu diesen für japanische Verhältnisse allerdings ungenügenden Bezügen. Desgleichen werden die Ruhegehalle 24) Onkel Wilhelrn's Gäste. Roman von A. von der Elbe. SiaStruck verboten. Ohne sonderlich Acht zu geben, sah er, wie zwei geschlossene Gesellschaftskutsch«n, mit geputzten Leuten darin, rasch an ihm vorübersuhren und vor dem Bärmann'schen Hause anhielten. Er sah, wie Livröediencr «inen rothen Teppich über das Trottoir rollten, und wie sich sofort zu beiden Seiten dieses Teppichs eine gaffende Menge ansammeltc. Da sein Vorwärtsgehen durch diese lebende Schranke gehindert ward, blieb auch er stehen, und der Gedanke fuhr ihm durch den Sinn, wenn Seifert's etwa heute ein Diner geben, gehe ich ein anderes Mal zu ihnen. Fetzt wurde der erste Wagen von «den Dienern aufgerissen, ein vierschrötiger Mensch im feinsten Gesellschaftsanzuge stieg etwas schwerfällig auS, er trüg ein paar Myrtenzweige im Knopfloch, und Wendelin dachte mit spöttischem Lächeln: „Alle Wetter de: Millionenonkel hrirathet noch; da bin ich doch neugierig." Bärmann wandte sich dem geöffneten Wagen zu, hob seine plumpen Arme in die Höhe, sprach lachend ein paar halblaute Worte hinauf und umfaßte die zarte Taille der Braut, die, in schwere Weiße Seide gekleidet, von einem großen Spitzenschleie: umwallt, auf «dem blonden Lockengekräusel den grünen Myrten kranz, ohne mit dem Weißen Atlasschuh den Wagentritt zu b«. rühren, wie ein Kind auf den rothen Teppich gesetzt wurde. Wendelin'- Herzschlag stockte. Er starrte daS holde Wesen an, ohne seinen Augen zu trauen. Sie — großer Gott — Va leska — war es möglich — sie, doch noch dem Moloch zum Opfer gefallen! Sein brennender Blick haftete auf der reizenden Gestalt. Wie fein und vornehm die ganze Erscheinung war. Sie sah viel wohler und rosiger aus, als da er sie zuletzt gesehen. Kaum schiug sie daS Auge auf, die langen blonden Wimpern schienen ihre zarten Wangen zu berühren, indeß ein befriedigter Zug schwebte um den kleinen, festgeschlossenen Mund. Bärmann nahm ihre Hand, um sie sich durch die Armbeugung zu ziehen, und mit der Miene eines Siegers sein junges hübsches Weib in sein HauS zu führen. Ms Valeska die Hand hob, fielen die Strahlen der hoch stehenden Sonne auf rin Armband mit herrlichen Solitären, da» auf dem weißen Handschuh lag und funkelnde, farbenreiche Blitze schoß- Gin Blick ihres iiesgesenktenAuges glitt über die prächtigen Steine, und das befriedigte Lächeln um den feinen Mund wurde ausdrucksvoller. Als der letzte Saum ihrer schillernden, weißen Schleppe im Haufe verschwand, starrte Wendelin, der lichten Erscheinung be nommen, erschüttert, schmerzerfüllt nach. Doch er fand keine Zeit, sich seinen Empfindungen hinzugeben. Die zweite Kutsche fuhr vor, und ihr entstiegen zuerst ein paar geputzte Damen, die rasch ins Haus eilten, und dann ein ge wandter, grauhaariger Mann, dessen durch Brillengläser ge schärfter Blick alsbald auf Wendelin haften blieb. Mit artigem Gruß trat er auf den Erstarrten zu: „Ah, Herr von Wendelstein! Zufällig auch unter dem staunen den Volke? Wohl etwas überrascht? Haben ja ganz gut unser zierliches Bräutchen gekannt. Unter uns gesagt, das arme Ding war viel umhergestoßen, etwas heruntergekommen. Kann froh fein über die Versorgung. Glänzende Partie. Und der Alte wie närrisch verliebt in seine Kleine. Sie war vier Wochen bei uns, er bat, meine Frau sollte sie bemuttern, na ja, gern geschehen. Und anerkennenswert!;, ganz charmant, wie das Mädel sich in die Geschichte fand, öffenbar ihrer Misere überdrüssig, nahm sie alles Gute dankbar hin und seine Caresscn dazu. Na, darum ist sie nun gerade nicht zu beneiden. Doch was schwatze ich? Mahl zeit, Herr Assessor, hier oben giebt's ein piekfeines Diner." Er hob mit lüsternem Munde lächelnd den Hut vom grauen Kraushaar und eilte jugendlich behende ins Haus. Wendelin hatte nicht Raum finden können, dem freudig Er regten ein einziges Wort zu erwidern, es würde ihm auch schwer gefallen sein, auf den Redeschwall zu antworten. Der rothe Teppich vor seinen Füßen wurde aufgerollt, die Gaffer verliefen sich, Wendelin setzte mühsam, wie ein Nacht wandler, oder als ziehe er etwas Schweres hinter sich her, seinen Weg fort. Unwillkürlich ging er dem Hause seines Dalers zu. Ein dunkles Gefühl drängte ihn dahin, von wo er mit der Absicht zu werben und mit vollbcwußter Liebessebnsucht ausgezogen war. Nun vorbei — Aller mißlungen und aus. Tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich seiner. Er hatte die deutliche Empfindung, daß gerade diese- feine, zarte Geschöpf für ihn gepaßt haben würde, wie keine Andere. Und wie heiß war er einst von ihr geliebt worden! In Nella hatte er, wenn auch unbewußt, das, was ihm an Thatkraft und Regsamkeit abging, geschätzt und die Ergänzung seiner passiven Natur gesucht; Valeska war seinesgleichen, und nun mußte er Vie vom Geschick müde Gehetzte in Bärmann's rohen Händen wissen. Warum hatte er auch so lange mit Unklarheit und auf ver kehrtem Wege gezögert? Nun war sic ihm aüf ewig verloren, die, das wußte er bestimmt, allein sein Lebensglück hätte begründen können. Ein Berschen, das ihm einst gefallen, kam ihm auf die Lippen: Ich sucht' ein vierfach Kleeblatt, Umsonst war mein Bemüh'n; Da fand ich eins — zertreten Vom eignen Fuß im Grün. Gedankenvoll schritt Wendelin nach dem Eliernhause weiter. Sein Herz lag ihm starr und todt in der Brust.« Schrie es auch nach Liebe, für allen Glanz seines Majorats vermochte er die nicht zu erkaufen! Was hatten den Seinen die äußeren Glücksgüter genützt? Gefährliche Anlagen waren zum Ueberwuchern getrieben, Ver druß, Unglück und Scandale hatte cs in Menge gegeben, und des Unheils war noch kein Ende. Der Arzt hatte festgestcllt, daß seines Vaters neulicher Anfall eine langsame, aber sicher fortschreitende Lähmung aller körper lichen und geistigen Fähigkeiten nach sich ziehen werde. Er, der Willensstärke, würde doch vielleicht nicht mehr im Stande sein, ihm Befehle für sein« Verheirathung zu geben. Dann würde er vermuthlich unvermählt bleiben. Joachim, der Träumer, möchte glücklicher sein als er und später der Stammhalter des Majorats werden. Wendelin sah in dieser Stunde kein«» Lichtpunot für die Zukunft. EinundzwanzigstesCapitel. Als der Herbst kam und die Gäste auf dem Rusteberge seltener wurden, überschlug Nella das Ergebniß ihres ersten Sommers und war erstaunt, daß ihr, noch Abzug aller Auslagen und Un kosten noch ein so bedeutendes Sümmchen nachblieb. Das würde im Winter anders werden, allein der Sommerverdienst reichte für den Winter mit aus und würde noch nicht einmal drauf gehen. Ganz ohne Zuspruch blieb indessen der Rusteberg auch in der kalten Jahreszeit nicht. An jedem heiteren Tage kamen einzelne Besucher oder rüstige Familien heraufgewandert. Dann wurde im Kamin des Rittersaales ein Feuer an gezündet, man rückte in die Nähe des helllodernden Wärme spenders, der rasch bereitete Eierpunsch dampfte in hohen Gläsern, oder ein erquickender Kaffee belebte die erstarrten Glieder der Schlittenfahrer. Die Jugend fand sich in dem weiten Raume zu lustigen Spielen zusammen, ein bescheidenes Abendbrot» wurde eingenommen, und endlich packte man sich unter Scherzen und Gelächter in die Pelz« und Decken der Schlitten. Und währens das Mondlicht weiße Flächen Eiskryftall« und bereift« Bäume in «in Märchenland verwandelte, ging «s mit weithin schallende» Peitschenknallen, fröhlichen Zurufen und Schellengeläut auf glatter Bahn den Berg wieder hinunter. Dies Alles blieb indeß für Nella's Leben nur der geschäftliche Theil, für sie selbst und Onkel Wilhelm'- Vordcrzimmer gab es liebere Besucher. Johannes Feldhaus kam, so oft ihm zwischen Stunvengcben und anderen Geschäften Zeit blieb und seine Bescheidenheil e- ihm gestattete. Wie behaglich es dann in dem einfachen, altmodischen Stüb chen mit dem warmen braunen Kachelofen war! Gewöhnlich spielte der Onkel mit Fcldhaus eine Parti« Sechs undsechzig, während Nella mit ihrer Näharbeit daneben saß und die Jungen am anderen Ende des großen Tisches ihre Schul arbeiten machten. Manchmal tönte dann in einer Spielpause irgend eine hilfesuch«nde Frage von den Lernenden herüber. Oft kam auch einer der Knaben mit seiner Geige herbei und bat, der Herr Doctor möge doch ein Lieblingsstück spielen. Wenn nun Johannes auch von Nella einen freundlich bittenden Blick aufgefangen hatte, stellte er sich mit der Geige an das Notenpult und begann sein Spiel. War er auch lein Mister, dem man In einem großstädtischen Concertsaale zugejubelt haben würde, so erklang sein Bogenstrich doch rein und serlenvoll und entzückt« die Hörer. Sogar Rosinchen setzte sich manchmal aufhorchend dicht zu ihrem Herrn, klopfte sacht mit dem Schwänze den Tact» unv versuchte mitzüsingen, was ihr indeß einen festen Klaps eintrug. Dann und wann kam Fillberger mit oder ohne seine Töchter zum Besuch in Onkel Wilhelrn's Zimmer. Das Weihnachtsfest brachte eine Freudenbotschaft auf den Rusteberg. Kurt schrieb aus New Dark, Herr Anton Schmidt, der Principal, sei so gut mit seinen kaufmännischen Leistungen zufrieden, daß er Fillberger empfohlen habe, ihn zum Frühlinge herüber zu nehmen; willige der Fabrikant ein, so werde man sich endlich nach drei und einem halben Jahre der Trennung Wieder sehen. Dies war eine so beglückende Aussicht, daß sämmtlicke Haus genossen davon ganz erfüllt wurden. Nella mrinte, nun müsse Alles gut werden. Ihr Kurt wieder bei ihr, ihr Stab, ihr Freund! DaS Frühjahr brachte für den Vorstand der Schule in Reu-
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