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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990201011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899020101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899020101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
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BezngS-Pret* t» der Hauptexpedition oder den im Stadt« bejtrk und den Vororten errichteten Aus- gabestellen ob geh oll: vierteljährlich^ 4.S0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« LauS SLO. Durch ^ir Post bezogen sür Deutschland uud Oestr.reich: vierteljährlich 6.—. Directr tägliche Areuzbandiendung in« Ausland: monatlich 7.SO. —— Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/«? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag« um b Uhr. Nedartion und Lneditio«: IohanueSgasse 8. Die Expedition ist Wochentag« «nunterbrochet geössnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filiale»; ktt« Klemm'S Lortim. (Alfred HahuX UniversitätSsrrabr 3 (Panlinuss'), Loni« Lösche. Katbarinenstr. 14, pari, uud KSiigSplatz 7. Morgen-Ausgabe. MpMLr TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königliche« Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes «nd Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Mittwoch den 1. Februar 1899. Nureigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psq. Reklamen unter dem Redactionssrrich (4ge- spaltens üO^z, vor den Familiennachrichie» (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- ve-zcichniß. Tabellarischer und Zisfernsa, nach höherem Tarif. Vxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderu'.'g 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhc. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an de« Sr-ebittou zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Lrivzi» S3. Jahrgang. Der Zusammentritt des finnländischen Landtags. V. 8. Am 24. Januar versammelten sich die Vertreter des Großfürstenthums Finnland im Ständehause zu Helsing- sors zu außerordentlicher Session. Zur Berathung im Landtage steht das berüchtigte Gesetz, welches das finnländische Militär der russischen Kriegsverwaltung unter stellen soll und damit einen nicht geringen Theil der finnläirdischen Autonomie zu Grabe tragen würde. Nirgends iviro die Bedeutung des augenblicklich tagenden finnländischen Landtages verkannt, und rin Großfürstenthum selbst nicht minder ivie in Rußland und im übrigen Europa verfolgt man mit Auf merksamkeit die "schwerwiegende Phase dieses heftigen nationalen Gegensatzes. Auf finnländischer Seite concentrirt sich das Recht, die Macht tagegen verbunden mitWiÜkiir hat ausschließlich die russische Staatsgewalt 'sich Vorbehalten. Es ist «in ungleicher Kampf, in dem die Finnländer stehen und in welchem sie schließlich erliegen müssen, soweit wenigstens ihre Rechte und Prärogative in Frage kommen. Seit der Ernennung des Generalgouverneurs Bobrikow sind die Absichten der Regierung vollständig klar, und es kann sich im Grunde nur 'darum handeln, wie 'lange eS Zeit beanspruchen wird, bis die gänzliche 'Angliederung Finnlands an Rußland eine voll endete Thatsache geworden sein wird. In dieser Annahme darf man nicht irre werden, auch wenn es bisweilen "den Anschein ge winnt, als sollten die Pläne der Petersburger Staatsmänner mit Milde und Nachsicht zur Durchführung kommen. Neuerdings kehrt« der Generalgouverneur 'Bobrikow bedeutend freundlichere Seiten hervor, die mit dem schroffen Auftreten zu Beginn seiner Verwaltung 'sich gar nicht recht in Einklang bringen ließen. Auch andere Symptom«' wiesen darauf hin, daß zeitweilig die Härte zurückgestellt sei und die Eigenlie'be der Finnländer geschont werden sollte. Bemerkenswert!) war besonders die Neujabrsred« des Helsingforser Professors für russische Sprache, Herrn Man'd I- stamm, an die finnlandischen Studenten. Dieser Herr hatte sicher genaueJnstructionen vom Haupte'der Regierung darüber erhalten, welchen Inhalt er seiner Ansprache geben soll e. Er betonte wnigstens so auffallend die angeblichen Sympathien der Russen für Finnland, daß die Befürchtungen unnütz seien, und daß Niemand in Petersburg an die Aufhebung der Verfassung und die Be seitigung der Sonderrechte Finnlands denke, daß unwillkürlich die Vermuthung auftauchte, die Rede des Professors habe einen bestimmten Zweck und sei dazu bestimmt, die Wachsamkeit der Finnländer einzuschläfern, vor Allem aber die Jugend von stür mischen 'Schritten zurückzuhalten. i Man hat diese Taktik aufgegeben. Der Inhalt der Botschaft, mit welcher der Generalgouverneur den Landtag eröffnete, ge stattet keinen Zweifel über das dem Großfürstenthum zugedachte Schicksal. Aufs Neue wird ausdrücklich hervorgehoben, daß Finnland „untrennbar mit Rußland verbunden sei" und deshalb einer besonderen Armee nicht bedürft. Ja, die Befugnisse des Landtages, welche sich von denen d«r Parlamente Europas kaum unterscheiden, werden plötzlich für lediglich berathende erklärt — wenigstens indirsvt —, und ein« grundsätzliche Stellungnahme in der Wehrpflichtsfrage durchaus -verweigert. Das geht aus den Worten deutlich hervor, mit welchen der Ständevertretung ledig lich die Aufgabe zugewiesen wird, die Anpassungsfähigkeit des Wehrpflichtgesetzes auf finnländische Verhältnisse herzustellen. Hierin aber liegt ein direkter und recht bedeutsamer Eingriff in "die zu Recht bestehende finnländische Verfassung. Die Lage des Landtages ist unter diesen Umständen äußerst schwierig. Soll man 'den Rechtsstandpunrt mit gebotener Schärfe zum Ausdruck bringen, so stehen vermuthlich die nachtheiligstrn Folgen für die Wohlfahrt des Großfürstenthums bevor. General Bobrikow hat währens der kurzen Zeit seiner amtlichen Führung als Vertreter 'des Kaisers genugsam 'bewiesen, daß Hindernisse ihn nicht im Mindesten schrecken, und daß er in der Wahl seiner Mittel nicht wählerisch ist. Er wird jede Rücksicht fahren lassen, und was er durch „Güte" nicht erreichen konnte, mit Härte durchzusetzen suchen. Gehen die finnländischen Stände auf den Wunsch der Regierung dagegen ein, so haben sie den Rechtsbruch anerkannt und können in Zukunft nicht Widerstand tristen, wenn in Petersburg die Assimilirung weiter verfügt wird. Ein neuer Schritt ist ja eben mit der Verfügung gethan worden, daß für di« höheren Be amten Finnlands die Kenntniß des Russischen obligatorisch ist. Es ist indeß schwerlich anzunehmen, daß die tapferen Finnländer, die stets ihre Autonomie hochgehalten haben, auf «in Mal die Landesrechte preisgeben sollten. Man wird protestiren, aber den Widerspruch in milde und möglichst loyale Form einkleiden, um unmittelbare Zwangsmaßregeln zu vermeiden. Auf die Dauer wird dieses freilich auch nichts nützen. Ein Gutes hat di« ver schärfte Russificirung mit sich gebracht: d«r Gegensatz zwischen den Schweden und den eigentlichen Finnen ist völlig geschwunden. Man hört wenigstens nichts mehr vom Sprachenstreite, der lange Zeit die Bevölkerung in zwei erbitterte Heerlager theilte. Die Erkenntniß der Gefahr hat eine Einigung vollzogen, die nament lich in der Gegenwart der Selbstständigeit Finnlands eine wirk samere Schuhwchr gewähren kann, als Versprechungen einer Regierung ohne reale Grundlage. Der diesjährige Landtag bildet einen Wendepunkt in der Ge schichte Les Großfürstenthums Finnland, dessen Wirkungen sich noch nicht bestimmen lassen. Viel wird aber jedenfalls von der Umsicht, dem Geschick und der patriotischen Energie der Stände abhängen. Polnischer Unterricht für die Deutschen in der Ostmark? Eine beiläufige Bemerkung des Finanzministers vr. t> o n Miquel wird von der klerikalen „Kölnischen Volks zeitung" begierig aufgegriffen, um den Polen einen Dienst zu erweisen, dessen sogar Graf von Caprivi nicht fähig war. Am 24. Januar 1899 sagte der Minister im preußischen Abgeordnetenhause: „Die Zweisprachigkeit in den Grenzdistricten bietet so große wirth- schaftliche Vortherle, daß man beinahe wünschen möchte, auch die Deutschen in den polnischen Districten sprächen beide Sprachen." Diese Auslassung wird von der „Köln. Volks- ztg." als Vorwand benützt, für die Ertheilung polnischen Unter richts an deutsche Kinder in den Volks- und Mittelschulen Stimmung zu machen. „Sehr viele Deutsche in der Provinz Posen und in Westpreußen möchten sehr gern, daß ihre Kind«r polnisch lernten", versichert die „Köln. Volksztg."; aber die Re gierung erlaube es nicht; man sehe hieraus wieder, daß durch solche Verbote gerade die Deutschen geschädigt werden, da die Kenntniß des Polnischen heute gerade so nothwendig für deutsche Geschäftsleute sei, wie vor dreißig Jahren. Selbst wenn diese Behauptungen mehr wären, als krass« Uebertreibungen, könnte an die Einführung polnischen Unter richts für die deutschen Schüler der Volks- und Mittelschulen aus nationalen Gründen nicht gedacht werden. Schon jetzt wird angesichts der Thatsache, daß auch der polnische Unterricht als Mittel zu nationalpolnischer Agitation benützt wird, nur zu viel polnischer Unterricht ertheilt. Vergegenwärtigen wir uns in großen Zügen die Entwickelung, welch« die in Rede stehende Angelegenheit während der letzten Zeit gehabt hat. Seit 1887 ist in den Schulen der Provinz Posen der polnische Unterricht alS obligatorischer Lehrgegenstand beseitigt. Der Religions unterricht konnte nach wie vor in polnischer Sprache ertheilt werden, wo die Sprache überwiegend polnisch war. Als aber Beschwerden erhoben wurden, di« Kinder könnten dem polnisch rrtheilien Religionsunterricht nicht folgen, weil sie keinen Lese- und Schreibunterricht im Polnischen mehr erhielten, wurde unter dem Ministerpräsidenten Grafen v. Caprivi die bedauerliche Nach giebigkeit bewiesen, -daß man im Jahre 1891 gestattete, polnischen Privatunterricht unter Benutzung der Schulräume und Lehrkräfte für die po l ni s chen Kinder in der Provinz Posen einzuführen. Die Uebelstände, die dadurch herbeigeführt wurden, schilderte der Cultusminister vr- Bosse in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 1. März 1894. Er sagte u. A.: Der patriotische Sinn der polnischen Schüler hat unter dem polnischen Privatunterricht gelitten; letzterer werde zu polnischen Kundgebungen benutzt, indem die Polen am Schlüsse des Schulsemesters demonstrative Feste veranstalteten und polnische Prämien vertheilten. vr. Bosse hob deshalb den polnischen Privatunterricht auf und gestattete einen fakultativen polnischen Lese- und Schreibunterricht auf der Mittelschule für polnische Kinder dort, wo auch der Religionsunterricht in polnischer Sprache ertheilt wurde. Der Abgeordnete Graf Limburg-Stirum hat damals dieses Zugeständniß an die Polen vom Standpunkte des Deutschthums mit Recht bedauert. Und der Abgeordnete vr. Sattler konnte am 3. März 1894 darauf Hinweisen, wie zufrieden die Polen mit der neuen Maßregel sein müßten, da sie die Aus dehnung derselben auf Westpreußen und Oberschlesien verlangten. Sehr offenherzig erklärte um jene Zeit der „Kuryer Poz- nanski", das Zugeständniß für „nicht unbedeutend". Was besagt aber dieses Zugeständniß im Vergleich mit der Forderung, sogar deutsche Kinder am polnischen Unterricht theilnehmen zu lassen? Könnte den polnischen Agitatoren ein größerer Gefallen geschehen als wenn auf solche Weise ihnen eine neue Gelegenheit gegeben würde, die deutsche Jugend einzufangen? Wissen sie doch nur zu gut, wie leicht der Deutsche mit der deutschen Sprache auch die deutsche Gesinnung verlernt! Haben derartige Erwägungen sogar den Grafen von Caprivi abgehalkn, die Ein führung polnischen Unterrichts für deutsche Kinder zu gestatten, so verbietet sich dergleichen für die gegenwärtige Regierung von selbst. Daß aber ein führendes Centrumsblatt für eine Maß nahme Stimmung macht, die zum Mindesten einen großen moralischen Erfolg des Polenthums bedeutete, kennzeichnet das „nationale" Wesen des Ultramontanismus wied«r einmal aufs Schärfste. Wir sind gespannt darauf, ob d«r Artikel der „Köln. Volksztg." das Vorspiel einer im preußischen Abgeordnetenhause bevorstehenden Action ist. Uns sollte das recht sein! Deutsches Reich. /?. Berlin, 30. Januar. (Die Klerikalen und Goethe.) Wenn eS sich um die agrarische Frage oder um Forderungen für Heer und Marine handelt, gehen preußische und bayerische CentrumSlcute Wohl weit auseinander, im Kampfe gegen die Cultur aber fechten sie Schulter an Schulter. Wie der bayerische Centrumsabgeordnete Schädler sich gegen das Goethedenkmal in Straßburg ausgesprochen bat, so ergreift auch die „Köln. Volksztg." gegen den Plan Partei. Während man aber bei der Schädler'schen Rede anerkennen konnte, daß sie in der Form angemessen und ver gleichsweise sachlich war, ergebt sich das rheinische klerikale Blatt in einer „geistreichen" Verhöhnung des Planes. Es schlägt vor, daß der „dichtende Prinz" und die sonstiben Goetbeverehrer von „Bildung" und „Besitz" das Geld aus ihrer Tascke geben möchten, statt daS Reich mit der Forderung von 00 000 zu behelligen. Es würde gewiß nicht schwer fallen, aus privaten Mitteln die erforderliche Summe aufzubringen, aber das rheinische Blatt vergißt eben, daß die moralische Wirkung eine viel größere ist, wenn Deutschlands größter Dichter von Reichs wegen in den Reichslanden geehrt wird. Es wäre den Katholiken sicherlich auch möglich gewesen, aus privaten Mitteln die „Dormition" zu erwerben urd den Sultan durch den weitreichenden Einfluß des KlerikaliLmuS zur Ueberlassung des Grundstücks zu bewegen, aber die Schenkung durch den deutschen Kaiser erschien ihnen ehren voller und bedeutungsvoller. 0. kl. Berlin, 30. Januar. Der Streik der Weber in Cre selb wird das erwartete Ende finden; wegen Mangels an „Munition" werden die Streikenden in wenigen Tagen zur Arbeit zurückkehren. Etliche Gewerkschaftsagitalorcu zwar prophezeiten, daß die gesammte Socialdcmokratie die Streikenden unterstützen würde, aber es blieb bei Vcr spreckungen. Der Weber Rapp auS Creseld, der sich ans die Agitationsreise begeben hatte, um die Arbeitermassen für den Streik zu erwärmen, hat zwar überall in großen Volte versammlungen jubelnde Aufnahme gefunden, etliche Gewert- schaftscartelle haben auch einige Hundert Mark beigestenerr, aber die Gesammtsumme war doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Berliner Gewerkschaft» commission hat sich, wie zu erwarten war, „mir den streikenden Webern in Crefeld, welche eine weitere Verschlechterung ihrer Löhne abwebren, solidarisch erklärt", aber gleichzeitig beschlossen, Listen für die Streikenden ihrerseits nicht herauSzugeben und den einzelnen Gewerkschaften die Sorge für die Aufbringung von Geldern zu überlassen. Daß eine solche laue Uulerstützung der Streitenden diese in sehr üble Lage bringen würde, war vorauszusehen, denn eS ist eine alte Erfahrung, daß, sobald die Centrale mit ibrem Einflüsse nicht hinter den Sammlungen steht, diese ein sehr spärliches Ergebniß aufweisen. Die Berliner Arbeiter sind übrigens in Folge der fortgesetzten Schröpfungen sehr zugeknöpft geworden, worüber die Agitatoren schon oft bewegliche Klagelieder angeslimmt haben. Wenige Tage noch, und der Crefelder Streik findet dasselbe Ende, wie seiner Zeit die Ausstände in CottbuS und Mühlhausen; es ist den Agitatoren nickt einmal gelungen, die Weberbevölkernng in den märkischen Industriestädten für den Streik mobil zu machen. * Berlin, 31. Januar. (WaarenhauSumsatzsteuer.) Ein hiesiger „Bund der Handel- und Gewerbetreibenden" hat dem Finanzminister, sowie dem HandelSminist'-r eine Denkschrift über „die WaarenhauSumsatzsteuer zum Schutz deS Kleinhandels und des Kleingewerbes" über geben. Ueber ihren Inhalt wird Folgendes mitgetheilt: Sie enthält den Vorschlag sür eine Waarenhaussteuer, die der Ausbreitung des Detailhandels, wie sich solche früher gestaltet hat, keinen Zwang auferlegt und sich nur gegen die Großbaznr- Unternehmungen neuester Art wendet. Es wird vorgrschlagen, das Gemischtwaarengeschäst, das im Kleinen die Eigrnthümlich- leiten der Bazare in Bezug auf Vielseitigkeit der Maaren- brauchen zeigt und somit einem Bedürfnis für kleine Städte und die Peripherie großer Städte entspricht, in ersteren bis zu einem Umsatz von etwa 100 000 .4k, in letzteren von 150 000 ./4 von einer Condersteuer freizulassen. Zu dieser sollen vielmehr nur Detail- und Bersandgeschäfte herangezogen werden, die Artikel in mehr als drei großen Sammelbranchcn führen. Sämmtliche Waareu sind in etwa 25 Sammelbranchen einzn- theilen, deren jede einzelne so umfassend ist, daß es möglich ist, in drei Sammelbranchen Umsätze von vielen Millionen zu machen, ohne daß solche der Waarenhaussteuer unterliegen. Erst die Hinzunahme einer vierten Sammelbranche soll dem Unternehmen den Charakter eines Großbazars geben und soll dessen Umsatz mit einer Umsatzsteuer von 1 Proc. belegt werden, die sich mit jeder weiteren hinzugenommenen Branche um ' z Proc. auf den Gesammtumsatz steigert. Die Großbazare sollen durch diese, nach den Branchen progressive Umsatzsteuer gezwungen werden, nur Feuilleton. Zur Geschichte -es Carnevals. Bon E. Glaser. Daß -der Carneval im antiken römischen Leben wurzelt, wird allseitig zugestanden, jedoch ist man nicht einig, welches unter den römischen Festen man al« Vorläufer desselben be trachten soll. Von mancher Seite wird als solcher das Fest der sogenannten Luperkalien b^eichnet. Die Luperkalien feiert man am 15. Februar unter rigenthümlichen SUHngebräuchen, wodurch Hirten und H««rden gesühnt und Unsegen und Un fruchtbarkeit abgewendet werden sollte. Man opferte Ziegen und Böcke, führte dann zwei Jünglinge herbei und berührte ihnen die Stirn mit dem blutigen Opfermesser, wischte aber da« Blut sogleich mit in Milch getauchter Wolle wieder ab, worauf die Jünglinge laut auflachten. Nach dem Opfer und Opferschmause liefen die Priester, welche Luperci hießen, nur mit einem aus den Fellen der Opferthiere geschnittenen Schurze bekleidet, in den Straßen umher und schlugen die ihnen Be gegnenden mit aus denselben Fellen geschnittenen Riemen. Den Geschlagenen brachte das Segen. Mit diesen alten sinnbildlichen Gebräuchen war allerlei volksthümliche Lust und Kurzweil ver bunden, wie sie sich bei einem solchen Aufzuge der meist jungen Männer , wenn ste halb nackt und halb thierisch, von Salben triefend und aufgeregt von Wein und ausgelassener Festlust, durch die Stadt liefen und die Frauen ungestraft neckrn durften, natürlich von selbst einstellte. Unter allen Festen des heidnischen Rom hat sich keines so lange erhalten als die Luperkalien, das volkSthümlichste aller Feste, an dem Rom auch noch festhielt, als eS längst christianisirt war. Mr finden dasselbe noch unter dem Papst Gelaiius l49«z. E« kommen aber für den Ursprung deS Carneval« noch andere Feste in Betracht. Papst Benedict XIV. erlieg unicrm 1. Januar 1748 seine berühmte CarnevalSbullr, worin er sich darüber beklagt, daß man allgemein die letzte Nacht deS Carne val« in Bacchanalien zubringr. Dann fährt er fort: „Ein Jeder, der auch nur wenig mit der Kirchengeschichte vertraut ist weiß, daß e» einig« abergläubisch« Gebrauch« der Heiden gab, welche am 1. Januar zu Ehren des Janus und der Strena stattfanden. Einst nahmen auch die Christen an diesen Fest gebräuchen Theil, indem sie sich Glücksspielen und der Urppigkeit Hingaben, auch sich verkleideten, Männer als Frauen, Frauen als Männer. Nachdem jener heidnische Brauch beseitigt war, hat sich ein anderer eingeschlichen, nämlich der Carneval, welcher dem gemeinsamen Wahnsinn (lusania) geweiht wird, und wobei die Völker zu den Bräuchen und Sitten der Heiden herabgesunken sind." Alljährlich feierten die Römer das Fest der „Großen Mutter", deren vom Himmel gefallenes Bild sie von Kleinasien nach Rom gebracht hatten. Das Fest trug den Namen Megalesien, und wie es bei der Procession zu Ehren der gepriesenen Gottheit herging, erzählt Herodian, ein Geschichtsschreiber der späteren Kaiserzeit: „Alljährlich bei Frühlingsanfang an einem be stimmten Tage bringen die Römer der Göttermutter einen Festzug dar. Hier genießt alle Welt die unbeschränkte Freiheit zu jedem erdenklichen Scherze; J«der maskirt sich als was er will, und keine Würde ist so hoch und erhaben, die nicht Jeder, der Lust hat, in gehöriger Verkleidung spielen und mit solcher Vollendung darstellen dürfte, daß man nicht leicht die wirkliche von der nachgrahnrten Person zu unterscheiden vermag." Wir sehen also daß da« Fest der großen Mutter mit einem Carneval ver bunden war. Ovid schildert uns auch ein carnevalartiges Fest (Fasti VI, 652): „Weihalb ziehen umher in der Stadt jetzt schwärmende Pfeifer? Weshalb Marken? warum tragen sie langes Gewand?" Er meint das zu Ehren der Minerva gefeierte Feit der Quinquatrien. Dieses war ein volksthümliche« Fest der Hand werker, der Maler, der Bildhauer, der Redner, der Dichter, der Schüler und Lehrer, es herrschte «ine festliche und volks thümliche Bewegung durch alle Häuser und die verschieden artigsten Berufskreise. Man unterschied die großen und kleinen Quinquakricn, die letzteren waren speciell ein Fest der Pfeifer zunft, deren Angehörige in der Stadt in langen Kleidern und maSkirt umherzogen, häufig auch betrunken, denn die Musik liebte auch damals schon den Wein. Auch sie versammelten sich beim Tempel der Minerva, ihrer Schutzpatronin, hatten aber auch das I Recht auf einen festlichen ZunftschmauS im Tempel de« Tapito- linischen Jupiter an diesem Tage, und dieses gab gelegentlich zu einer nicht geringen Störung Anlaß, di« glücklicher Weise mit allgemeiner Heiterkeit endigte. Diese Zunft war nämlich seit alter Zeit eine sehr zahlreiche und wichtige, da bei den meisten Opfern, Spielen, auch hei Leichenbegängnissen die Musik und Begleitung der Flöt« nicht zu entbehren war, daher sie nicht allein gut bezahlt, sondern auch sonst ausgezeichnet und verzogen wurden. Als ihnen daher jenes alte Recht des Zunftschmauses im Tempel des Jupiter genommen wurde, waren sie sehr empört und beschlossen, di« Römer durch einen förmlichen Streik von ihrer Unentbehrlichkeit zu überzeugen. Sir rotteten sich zu sammen und zogen nach Tibur, worüber man in Rom wirklich in Verlegenheit kam. Also schickte der Senat nach Tibur, man möge eine Ausgleichung in Güte herbeisichren. Die Tiburtiner suchten ihre Gäste zu überreden, als sie nicht hören wollten, ge lang eine wohlberechnete List. An einem Festtage kalbet man sie ein, trinkt"chnen weidlich zu, bis sie berauscht und eingeschlummert sind, darauf packt man sie in große Wagen und zurück geht es nach Rom. Auch sollen sie nicht eher zum Bewußtsrin g«kommen sein, als nachdem sie auf dem Forum richtig angelangt waren und der junge Tag den Katzenjammer beleuchtete. Da lief alles Volk zusammen, und sie ki«ßen sich bereden, zu bleiben, und feierten seitdem diesen Tag jährlich mit lustigen Aufzügen durch die Stadt, auch wurde denen, die zu Opfern aufspielten, daS Recht drS Mahles auf dem Capitol wivder hergestellt (Preller, röm. Myth.). Ohne Zweifel besaß die römisch-'herdnische Welt viele Tage, an denen eine ähnliche Heiterkeit nicht fehlte. Bei einem der vielen römischen Feste wurden di« Frauen vor der Stadt be- wirthet, wobei man unter Feigenbäumen lagert«. Die Sclavinnen gingen dann umher, sammelten ein und trieben dabei allerhand Scherz. Di« Saturnalien der Römer mit ihrer Zügellosigkeit sind auch ein Vorbikd des Carnevals, da eine Verkleidung bei derselben Brauch war. Die Sklaven nämlich costümirten sich, als wären si« Freie und schmückten sich mit der Toga, sowie mit dem Hut. Der vorherrschende Charakter des Festes war die sinn bildliche Rückkehr in die glücklichen Z^trn, wo Saturnus wirklich unter den Menschen gelebt hatte. Laut« Freud« und Freiheit, ein ausgelassenes Jubeln, Schmausen und Schenken ging durch die ganz« Stadt. In diesen Tagen sollte nicht blos die Ungleichheit aller Siänve aufgehoben, sondern alle Feindschaft alle Strafe, alle Ahndung bürgerlicher Vergehen wenigsten» aus gesetzt werden, daher die Gerichre ruhten und Schuloige in dieser Zeit nicht bestraft wurden. Als Vorbilder des Carnevals kommen auch in Griechenland di« Frühlingsfcste, die großen oder die städtischen Dionysien in Betracht, welche etwa vom 9. bis 14. März gefeiert wuroen Das war in allen hellenischen Städten das Fest ver Feste, bei welchem das himmelhoch Jauchzen zur Wahrheit wurde, und di.- südliche Festfreude ebensowenig Grenzen kannte als Jahrhunderte später beim Carnrval. Man feierte dann den Dionysos Lysio», den sorgenbrechenden Weingott, den Dionysos Bromios, den Golt des lärmvollen Jubels. Es war das Fest des Befreiers von der Noch deS Winters und von allen Mühen und Sorgen, daher man selbst den Gefangenen die Theilnahme vergönnte. Staat uno Bürger vereinigten sich, um jeden erdenklichen Festglanz, jede erdenkliche Lustbarkeit herzustellen, von allen Seiten stromie man, wie später beim Carneval, in die Städte, um an solchen Genüssen Theil zu nehmen. Ein Hauptstück derselben waren die Aufzüge mit Masken, Vorbilder der Carnevalszüge. WieunsTred«, das Heiligthum in der römischen Kirche, erzählt, nahm der Papst Paul II. (1467) die Reste der antiken heidnischen Volksfeste unter seine väterliche Obhut. Er nahm den ver wilderten Baum, der von dem Wald der römisch-heidnischen Feste übrig geblieben war, pflanzte ihn in einen neuen Garten und pflegt« ihn sorgfältig. Dieser Baum wuchs bald zu einen, stattlichen Gewächs heran und aus demselben ward ein Wald genannt Carneval, dessen Serinen in allen Geaenden Italiens Bäume und Wälder hervorsprießen ließ. Alle wesentlichen Stücke, welche wir vom römisch-heidnischen Feftleben der kennen finden wir beim Carneval wieder. L>as 17. und 18. Jahr hundert bezeichnet den Höhepunkt der Entwickelung dieses Feste- Papst Paul H. sah die heiteren Frühlingsfeste, welche man vor der Fastenzeit außerhalb der Mauern Roms ain Monie Teftaccio feierte und ergötzte sich dort am Wettlauf und Wett rrnnen. Im Jahre 1467 ward vom Papst Paul II. angeordnet, die am Monte Testaccio stattfindenden Carnevalscherze in die Hauptstraße der Stadt, die damalige Via Lata, jetzt Corso, zu verlegen, und es war ein feierlicher Tag, als der Nachfolger Petri, vom heutigen Palazzo di Venezia aus, dem neuen, von ihm ge gründeten Larnevalfrstt zuschaute. Ein neues Schauspiel, hj-her
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