Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990206013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899020601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899020601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-06
- Monat1899-02
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugSPE tzkt tzW Hemptetzpedtlion ober de» Im Stetdk« bezirk mrd des Vororten errichteten Ao»- äabestrllea abgeholt: vüwteljährUch^lSchO, bet zweimaltaer Ütglicher Zaftelluag tu« L«Z LchO. D«ch die Post bezogen für Lealfchlaad »ad Oesterreich: vierteliübrlich ^g L—. Dtrrcte täglich« Kreuzbaudirnvung la» LablaaL: monatlich 7.V0. Dl» Morgru-«»»g°b. scheint um »/.? Uhr. dt» dldmd-Ausgabe Wochen tag« nm b Uhr. Ue-arttr« und Ekvedilio«: L-tzauue»gasse 8. LieLxvrditiou ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« «brud» 7 Uhr. Filialen: Vits Klemm'» Eortim. (Alfred Hahn), UuiversitLt»srrab« 3 (Paulinus), Laut» Lösche. Aatbarineustr. I», vart. und Kürig»platz 7. Morgen-Ausgabe. MpMcr TllgMM Anzeiger. Ämtsvlatt des Hömgkrchen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ärntes -er Ltadt Leipzig. Aureigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 g» spalten) öO/ij, vor den Familieniiachrichte» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem PreiS- ve-^richniß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. vrtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung -/t 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Armahmeschiuß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhu Morge n-Ausgabe: Nachmittag» »Uhu Lei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 86. Montag den 6. Februar 1899. 83. Jahrgang. Vas neunzehnte Jahrhundert. Don FrirdrichThieme. Wer Vang der Weltgeschichte im IS. Jahrhundert. Der Staatsstreich vom 2. Decemder 1851 erhob den einfachen Präsidenten der französischen Republik zum Diktator mit ausge dehnter Machtvollkommenheit, der sich bereits am 2. December 1852 in einen „erblichen Kaiser" verwandelte. Der neue Monarch hatte das Princip der Dolkssouveränität verkündet, mit Hilfe sogenannter Plebiscite (Volksabstimmungen) herrschte er fast unumschränkt und drückte lange Zeit den Parlamentarismus zu einer schattenhaften Institution herab. „Das Kaiserreich ist der Friede", hatte Napoleon HI. am 9. Oktober 1852 in Bor deaux gesagt — sehr bald aber stellte sich indessen heraus, daß das Kaiserreich der Krieg war. Polizei und Säbel, sowie die Köder, welche der Kaiser dem arbeitenden Bolle in Gestalt von Verdienstgelegenheiten aller Art hinwarf, schienen ihm nicht hin reichend, seine Dynastie zu befestigen. Nachdem er sich mit der Gräfin Gugrnie von Montijo vermählt (die ihm 1856 den ge wünschten Thronerben schenkte), suchte er nach Gelegenheiten, den Franzosen, sowie dem Ausland« zu zeigen, daß die Napoleoniden die alte „Moire" Frankreichs wiederherzustellen im Stande seien. Die orientalische Frage bot den ersehnten Anlaß. Kaiser Niko laus hatte, sich zum Schutzherren der Christenheit in Palästina und der Türkei aufwersend, der letzteren in brüsker Form For derungen weitgehender Art unterbreiten lassen, welche man in Konstantinopel abgelehnt hatte. Die Folge war der Krieg zwischen beiden Ländern, und Napoleon säumte nicht, mit England ein Büttdmß pum Schutz« der Türkei einzugehen. Am 27. März 1854 erfolgte 'die Kriegserklärung an Rußland; Franzosen und Eng länder landeten in der Krim und eroberten, nachdem auch Sar dinien dem Gunde beigetreten war, am 11. September 1855 die starke Festung Sebastopol. So war der „Krimkrieg" für Ruß land verloren. Zar Nikolaus erlag dem Groll über den Sieg seiner Feinde, und Napoleon, welcher die Bedingungen des Pariser Friedens dietirt«, spielte von da ab in der europäischen Politik die erste Rolle. Der Friede brachte nicht nur die Gleichberechtigung der Christen in der Türkei, sondern schuf auch das gemeinschaftliche Protektorat der Großmächte über die Donaufllrstenthümer und befreite letztere von der russischen Schutzherrschaft, worauf sie sich 1858 zu dem Staate Rumänien vereinigten, der aber erst am 21. Mai 1877 seine volle Unabhängigkeit von der Türkei er klärte. 1881 verwandelte sich das Fürstenthum in ein Königreich Rumänien; zum Regenten des Landes war bereits 1866 Prinz Carl von Hohenzollern-Siamaringen gewählt worden. Ru mänien war die erste Frucht^des von Napoleon zur Anerkennung gebrachten Nationalitätsprincips, die zweite sollte Italien sein. Offen verkündete Napoleon als Ziel seiner Politik die Be freiung der unterdrückten Bokker und schloß, vielleicht indirekt durch die von italienischen Fanatikern gegen ihn gerichteten Attentate bestimmt, mit Sardinien ein Bündniß. Nachdem Napoleon 1859 beim Neujahrsem-pfange die Beziehungen zwischen Oesterreich und Frankreich „nicht mehr so gut als früher" hingestellt und Victor Emanuel, der König von Sardinien, erklärt hatte, er müsse auf den Schmerzensschrei Italiens hören, verlangte Oesterreich die Abrüstung Sardiniens. Sardinien verweigerte diese, worauf Ende April 1859 der Krieg begann. Die Oesterreicher erlitten bei Montebello, Palestro, Magenta und Solferino schwere Niederlagen durch Franzosen und Sar dinier; vergeblich riefen sic die Hilfe des deutschen Bundes an. Preußen erachtete es nicht mit den Pflichten desselben für ver einbar, für Oesterreichs auswärtige Interessen einzutreten und erklärte sich nur unter der Bedingung für die Bereithaltung der BundeStruppen einverstanden, wenn ihm der Oberbefehl über sämmtliche BundeStruppen zu Theil werde. Die österreichische Regierung lehnte die Forderung Preußens erb und opferte lieber im Frieden von Zürich (10. November 1859) die Lombardei an Italien, als daß sie von ihren vermeintlichen Rechten um ein Haar breit gewichen wär«. Italien war zunächst enttäuscht, denn seine Einheit war noch nicht hergestellt, obwohl Napoleon für seinen Beistand bereits Nizza und Savoyen in die Tasche gesteckt hatte. Doch ließ sich der einmal entfesselte Nationalgeist nicht aufhaltrn. Modena, Parma und Toskana erklärten ihren Anschluß an Sardinien, das König reich Neapel-Sicilien eroberte der Patriot Garibaldi mit seinen Freiwilligen im Sturme, und König Victor Emanuel wurve von dem am 18. Februar 1861 zu Turin eröffneten ersten italieni schen Parlament zum König von Italien erhoben. Noch fehlten Venetien und der Kirchenstaat, weich' letzterer von Napoleon ge schützt wurde, dessen Soldaten bei Montana den gegen Rom vor rückenden Garibaldianern eine schwere Niederlage beibrachten. Um Venetien zu bekommen, ging Italien ein Bündniß mit Preu ßen ein, in dessen Erfüllung es 1866 zu den Waffen griff, aber von Oesterreich sowohl zu Lande als zu Wasser (Seeschlacht bei Lissa) geschlagen wurde. Trotzdem erhielt es beim Friedens schluß Venetien. Um in Besitz von Rom zu kommen, ersah sich nun Vas neu geeinigte Reich die Gelegenheit des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich (1870—71), wo Napoleon's Fall ihm den Weg in die natürliche Hauptstadt Italiens öffnete. Am 31. December 1870 hielt Victor Emanuel in der alten Cäsaren stadt seinen feierlichen Einzug. Inzwischen gelangte in Deutschland die alte Rivalität zwischen den beiden Großmächten Preußen und Oesterreich zum thätlichen 4lustrag. In Preußen bestieg am 2. Januar 1861 der Prinz von Preußen den Thron, nachdem er schon seit 1858 für seinen kranken Bruder Friedrich Wilhelm IV. die Regentschaft geführt hatte. Der neue Herrscher betont; mit Nachdruck die Preußen in Deutschland gebührende Stellung, gab auch auf dem Fürstentage zu Baden-Gaden die Erklärung ab, er werde offen für Deutsch lands unverletzte Erhaltung eintreten. Die von ihm geplante ganz bedeutende Heeresverstärkung führte zu einem erbitterten Conflict mit dem den militärischen Reformen abgeneigten Ab- geordnetenhause, den der an die Spitze des Ministeriums berufene Otto v. BiSmarck rücksichtslos durchkämpste. In Oesterreich hatte man nach den erlittenen Schlappen gegen Frankreich und Italien nicht nur die Bedeutung des Nationalitätsprincips, sondern auch die Nothwendigkeit durchgreifender innerer Reformen erkannt, weshalb 1860 den im Anschluß an die Ereignisse von 1849 ent rechteten Ungarn die Verfassung zurllckgegeben und auch sonst der Versuch, geordnete Versassungszustände in dem bunt zusammen gewürfelten Reiche herzustrllen, mit krankhaftem, aber wenig fruchtbarem Eifer immer von Neuem wiederholt wurde. Auch alle Versuche, di« deutsche Frage zu lösen, scheiterten an dem Di lemma der Bundesführung; alle möglichen Vorschläge wurden gemacht, stießen aber bald bei Oesterreich, bald bei Preußen auf Widerstand. Einen neuen Zankapfel trug die schleswig-holstei nische Frage in den Conflict, die durch einen 1863 erfolgten Gewaltstreich Dänemarks wieder acut wurde. Dänemark ver leibte nämlich durch eine neue Verfassung Schleswig der dänischen Monarchie förmlich ein, worauf der deutsche Bundestag die Exe kution in Hmstein und Lauenburg beschloß und mit dieser Sach sen und Hannover beauftragte. Da starb König Friedrich VII. von Dänemark, und sein Nachfolger Christian IX. konnte in Folge der für di« Herzogthümer nicht geltenden dänischen Erb folge — in Dänemark war mit König Friedrich der Mannes stamm der königlichen Linie des olidenburgischen Hauses erloschen — als rechtmäßiger Herrscher der letzteren nicht betrachtet werden. Vielmehr nahm der Prinz Friedrich von Augustenburg die Herzogswllrde in Anspruch, welchen die BundeStruppen unter stützten, oder mindestens nichts in den Weg legten. Der Antrag Oesterreichs und Preußens, auf Grund der Vereinbarungen von 1851 und 1852 Schleswig in Pfand zu nehmen, wurde vom Bundestag abgelehnt. Nunmehr erklärten die beiden Großmächte, die Angelegenheit in ihre eigene Hand zu nehmen; sie verlangten von Dänemark die Aufhebung der octroyirten Verfassung und überschritten, als Dänemark nicht auf die Forderung einging, die Eider. Die Dänen, von den Danewerken vertrieben und in mehreren Gefechten geschlagen, mußten im Frieden zu Wien Schleswig-Holstein nebst Lauenburg an die Sieger abtreten. Beide Mächte verwalteten die Herzogthümer zunächst gemein sam, konnten sich aber über die fernere Gestaltung nicht einigen. Auch die in Gastein (14. August 1865) getroffene Vereinbarung, wonach Oesterreich Holstein, Preußen Schleswig verwaltet«, brachte nur kurzen Frieden, die gegenseitigen Reibereien dauerten fort und führten schließlich zum blutigen Entscherdungskampf. Mit Oesterreich gingen Bayern, Baden, Württemberg, Hessen, Kurhessen, Nassau, Sachsen und Hannover, zu Preußen hielten die Hansastädte, die norddeutschen und einige thüringische Klein staaten. Während der Bundesgenosse Preußens, Italien, ge schlagen wurde, erfocht die preußische Armee Sieg auf Sieg. Schon am 3. Juli 1866 fiel bei Königgrätz die Entscheidung. Schon vorher waren die Hannoveraner bei Langensalza geschla gen, Sachsen und Kurhessen besetzt worden. Die Bayern wurden zum Rückzüge genöthigt. Oesterreich sah sich gezwungen, aus ocm deutschen Bunde auszufcheiden und seine Rechte aus Schles wig-Holstein aufzugeben; Hannover, Nassau, Kurhessen und Frankfurt kamen in Preußens Besitz. Alle nördlichen und mittel deutschen Staaten vereinigten sich unter Preußens Führung zum Norddeutschen Bunde, mit den Südstaaten schloß man «in vor läufig geheim gehaltenes Bündniß ab. Das war nicht, was Napoleon gewollt hatte. Die Franzosen hatten ihre Rechnung bei diesem Gang der Dinge nicht gefunden, der Kaiser war von Bismarck überlistet worden, feine Popularität fing an zu schwinden. Hierzu kam, daß auch der Versuch, Mexiko einen von ihm abhängigen Kaiser aufzuzwingen (1864), kläglich gescheitert war. Erzherzog Max, dem die mexikanische Dornen krone zufiel, wurde von seinem Gegner, dem Führer der republi kanischen Partei Juarez, besiegt und am 19. Juni 1867 erschössen. Napoleon hatte ihn allmählich im Stiche gelassen. Nach der Gründung des Norddeutschen Bundes forderte er für seine An erkennung des neuen Zustandes und sein« Zustimmung zur Aus nahme der Düdstvaten in den Bund Preußens Zustimmung zur käuflichen Erwerbung Luxemburgs und Besetzung Belgiens. Bismarck hielt ihn hin, um ihn schließlich abfallen zu lassen: Luxemburg wurde auf der Londoner Conferenz für neutral er klärt. Schon diese diplomatische Niederlage reizte Napoleon's Groll, aber noch mehr zwang ihn die ihm ungünstige Volks stimmung des eigenen Landes, nach einem Ablenkungsmittel zu suchen. Dieses A-blentungsmittel bestand im Krieg nnt Preußen. Der Grund war in der spanischen Thronfolgefrage bald gefunden, am 19. Juli 1870 traf die französische Kriegserkärung in Berlin ein. Sofort erhob sich ganz Deutschland in einmüthiger Be geisterung. In ununterbrochenem Siegeslauf drang die deutsche Armee in Frankreich ein; bei Weißenburg, Spichern, Wörth, Gravelotte, in jeder Schlacht mußten die Franzosen weichen, bis Napoleon selbst nach der mörderischen Schlacht bei Sedan sich den Deutschen überliefern mußte. Von seinem Volke abgcsetzt, lrbie er nach seiner Freilassung nur noch wenige Jahre in Eng land. Frankreich setzte erbittert den Krieg fort, doch vergeblich erschöpfte es seine Kräfte. Seine stolzen Festungen Metz, Straß burg mußten capituliren, sogar Paris fiel in die Hände der Deutschen. Mit fünf Milliarden Francs Kriegskosten und Elsaß- Lothringen erkaufte es den Frieden — die schönste Frucht jedoch, welche Deutschland aus Frankreich nach Hause brachte, war die deutsch« Einigkeit, ein deutsches Reich mit Wilhelm I. als Kaiser und einen deutschen Reichstag. Am 21. März 1871 wurde der erste deutsche Reichstag er öffnet, und wenn auch durch den infolge der Unfehlbarkeits erklärung Papst Pius' IX. ausgebrochenen Culturkampf dem neuen Reiche die Frühlingsstürme nicht erspart blieben, so festigte sich der Bau doch immer mehr und behauptete nach außen ein steigendes Ansehen. Der alte Traum war erfüllt, Deutsch land in die Reihe der Weltmächte eingetreten, und eine immer wachsende Heeres- und Flottenmacht setzte es in den Stand, nicht nur sein Ansehen zu behaupten, sondern auch (1884) in die Reihe der Colonialmächte einzutreten. Auf die innere Ent wickelung Deutschlands und der anderen Staaten gehen wir hier nicht ein, die äußere war mit seiner Einigung zunächst vollendet und auch der Tod Kaiser Wilhelm's I. (9. März 1888), Bis- marck's und Moltke's hat keine Erschütterung der einflußreichen Stellung des deutschen Reiches im Weltconcert herbeizuführen vermocht. Mit Deutschlands Einigung war die nationale Entwickelung in Europa noch nicht abgeschlossen. Durch einen Aufstand in der Herzegowina gerietst im Sommer 1875 wieder einmal die orientalische Lawine ins Rollen. Die Pforte bewies sich unfähig, die Bewegung, der sich bald auch Serbien und Bulgarien an schlossen, zu unterdrücken; für die von den Mächten geforderten Reformen bot die türkische Wirthschaft keine Garantien, und der Versuch, den Friesen durch die Einführung einer Constitution für das osmanische Gesammtreich herbeizuführen, mißlang bei der Verschiedenheit der im Osmanenstaate zusammengewürfelten Interessen und Nationalitäten auf das Kläglichste. Zwei Sultane, Abdul Aziz, der sich angeblich, des Thrones entsetz!, mit einer Scheere tödtete, und der bald für geisteskrank erklärte Murad V., mußten der Macht der ins Rollen gerathenen Lawine weichen, erst Abdul Hamid (von 1876 ab) vermochte sich trotz aller Schwierigkeiten zu behaupten. Rußland, angeblich wiederum nur um den unterdrückten Christen zu ihren Rechten zu verhelfen, griff 1877 aufs Neue zu den Waffen, bezwang nach langem, fast einjährigem Kampfe, in dem zuletzt sogar Konstantinopel be droht erschien, die gänzlich erschöpfte Türkei und willigte unter dem Drucke Englands in die Bedingungen des Berliner Friedens vom 13. Juli 1878, in welchem Rumänien, Serbien und Monte negro für unabhängig erklärt, Bulgarien in einen eigenen, aber der Türkei tributpflichtigen Staat verwandelt, Bosnien und die Herzegowina unter die österreichische „Verwaltung" gestellt und Rußland durch Gebietsabtretungen in Asien entschädigt wurde. Damit war die orientalische Frage noch keineswegs gelöst, sondern nur wieder einmal vertagt, aber die Ereignisse der nächsten Zeit sorgten dafür, daß der Brand auf der Balkanhalbinsel niemals gänzlich erlosch. Bereits im Jahre 1885 brach in Ostrumelien, der bei der Türkei verbliebenen Hälfte Bulgariens, die Revo lution von Neuem aus, der zum Fürsten -Bulgariens erwählte Prinz Alexander von Battenberg zog in Philippopel ein und übernahm die Negierung über das vereinigte Bulgarien. In folge dessen erklärte Serbien an Bulgarien den Krieg, wurde aber bei Slivnitza geschlagen. Der siegreiche Fürst unterlag jesock dem russischen Rubel, er dankte ab und Prinz Ferdinand von Cofturg nahm seine Stelle ein, der im Laufe der Zeit seinen thatkräftigen Minister Stambulosf fallen ließ und sich mehr und mehr dem russischen Einfluß unterwarf. Stambulosf fiel unter den Händen von Meuchelmördern (18. Juli 1895). Die Aus schreitungen der Türken gegen die Christen auf Kreta entfachten im Jähre 1897 den griechisch-türkischen Krieg, der mit der Niederlage Griechenlands endigte. Es ist unmöglich, im Nahmen dieses Artikels den sich drängenden Ereignissen der letzten Jahrzehnte zu folgen, nur die wichtigsten mögen hier noch Erwähnung finden. Die Ver - einigtenStaaten wuchsen im Laufe des Jahrhunderts zu einer ansehnlichen Macht empor, und ihre Entwickelung nahm einen nock rascheren Fortgang, als die Nordstaatcn in dem blutigen Bürgerkriege von 1861 bis 1865 die abtrünnigen Süd staaten bezwungen und die Schmach der Sclaverei von dem freien Amerika geivälzt hatten. Im Lause des Jahres 189^ nähmen sic die Unfähigkeit der Spanier, einen vor einigen Jahren in dem von Spanien arg mißhandelten Cuba -ausgebrochenen Aufstand zu unterdrücken, zum Vorwand, an Spanien den Krieg zu erklären, dieser kostete dem unglücklichen Lande seine letzten bäseutenden Colonien, es sank zur Macht dritten Ranges herab, während die Vereinigten Staaten Neigung zeigen, ihren Triump'b zum Auegangspunct einer Großmachtspolitik zu machen. Das Kaiserthum Brasilien erfuhr 1889 nach einer kurzen Revo lution uns der Abdankung des Kaisers Pedro II. die Um wandelung in eine bis zum heutigen Tage innerlich noch nicht ge festigte Republik. Durch den am 31. März 1854 zu Kanagawa mit Nordamerika geschlossenen Handelsvertrag wurde das bis dahin jedem Verkehr verschlossene Japan dem Handel er schlossen. Weitere Verträge mit England, Rußland, Holland und Frankreich folgten, mehrere Häsen öffneten sich den Nationen. Ein Bürgerkrieg im Jahre 1868 stürzte das eigenartige Doppel- herrscherthum des japanischen Reiches, wodurch der Kaiser Mutsühito seine -volle Macht zurückgewann. Japan trat nun in die Reihe der Vcrfassungsstaaten ein, resormirte seine Ein ricktungen nach dem Vorbild der europäischen Länder, gründete Bank- und Versicherungsinstitute, trat dem Weltpostvereine bei, führte Schulzwang, die neue Zeitrechnung, neue Gerichtsbarkeit, Feuilleton. Vas Lpukhaus. Novellette von H. Conti. Dentfch von A. Friedheim. Ne»»«« »er»»«n. I. Im Salon waren nach dem Mittagessen nur die Erwachsenen zusammen: dir Großeltern, die Tante, Vater und Mutter und die Herrin de« Hause», die Urgroßmutter. Die ganze Kind«r- schaar, di« Klein«» und die Halberwachsenen, waren zu einem Picknick auf ein Nachbargut gebeten worden. ES war gegen ßlO Uhr, und die Großmutter war bei ihrer Partie Besigu« mit dem Schwiegersohn, dem Onkel Alfred, dem Lffirier. Di« alt« Dame gewann und darum war sie guter Laune und neckte ihren Partner mit seinem schkchten Spiel. „1400 und 100 macht 1500 ... au»! Ich habe gewonnen, mein Bester. . . . Nun bitt« her mit den 50 Pfennigen!" fügte sie lächelnd hinzu und schob di« Brille auf die Stirn hinauf. Doch kaum hatte sie mit Sprechen aufgehört, da vernahm man ein Gepolter im Hau»flur, dann klang e» auf der Treppe wie sehr eiliae Schritte von vielen Menschen. Plötzlich wurde die Thür heftig aufgertffen und di« ganze Kinderschaar stürzte herein. „Ok Großmutter! Großmutter! E» ist wahr! E» ist wahr!" „O! Onkel Mfr«d! Er hat Gabriele und Jeanne beim Namen gerufen!" „Und Hunde bellen!" „Und Schlangen zischen!" „Ach, und der Finger! Der Finger!" „Der schrecklich« Finger an der Wand!" „Ja, aber wa» ist denn passirt? Wa» Sollt Ihr denn? Wa» soll denn da» heißen?" klang «» einstimmig von allen Erwachsenen. „Das SpukhauS!" riefen L tsmpo sämmtliche Kinder. „Ha, ha! kleine Bangbüchsen . . . Hasenfüße!" „Georg, Du auch? Ein großer Junge von 13 Jahren, Du hast Dich auch gefürchtet?" „Ach, Vater! Wenn Du wüßtest ... wir haben gehört ..." „Ta, ta, ta . . . wenn ich wa» wüßte? . . . Wenn ich was gehört hätte? . . . Dein Spuk . . . Dein Geist!" „Er hat uns alle bei Namen gerufen . . ." „Und der Finger! Der feurige Finger!" „Und da» Pfeifen! . . ." „Und ..." „Und . . . und . . . und . . . Dummheiten!" „Aber e» ist wahr, Onkel Alfred!" »Ja, wirklich, Großmama!" „Ich will heute Abend nicht allein in meinem Zimmer bleiben", sagte Jeanne, ein reizender kleiner Blondkopf, und kroch ängstlich in möglichste Nähe der Mutter. O! ich auch nicht", meinte Gabriele, ihre Cousine. „Nun! Nun! Aber wa» ist denn passirt?" sagte der Oberst plötzlich ernst, da er sah, wie blaß sein Jüngster, sein Georg, au»sah. „Nun", fuhr er fort, „und der Dummkopf, der Justin, wa» hat er denn gemacht?" „Der ist davongelaufen!" „Davongelaufen! ... der große Schlingel, davongelaufen! . . . Ei, da» ist stark, da wollen wir doch mal ein kleine» Verhör anstelle»! . . . Davosgelaufen! . . . Wirklich toll!" Und damit stand der Oberst auf, drückte auf den Knopf der elektrischen Klingel, und gleich darauf erschien der Diener. „Franz", befahl d«r Oberst, „Justin soll sofort herein kommen." Einige Minuten vergingen, während man die Liebkosungen der Mutter und Tanten horte, die die Kleinen und Kleinsten zu beruhigen suchten. „Aha, da ist er ja!" sagte der Oberst, al» ein Mann, dessen Gesicht so weiß wie Mehl war, in der Livree eine» Diener» in» Zimmer kam. „Zu »«fehl, Herr Oberst!" „Wie es scheint", fuhr ihn -der Oberst an, „bist Du wie eine Bangbüchse davongelaufen . . ." „Herr Oberst, weil . . ." „Ach was . . . weil . . ., weil Du ein Hasenfuß bist! Du sollst uns jetzt sagen, was passirt ist, und warum all die Kinder in solcher Angst und Aufregung sind. ... Wo bist Du mit ihnen gewesen?" „Ich kann nichts dafür, Herr Oberst, der junge Herr Georg haben gewollt, daß ich mit dem Break vorm SpukhauS anhalte." „Nun, und dann?" „Dann haben sie alle nachsehen wollen, ob man wirklich, wie behauptet wird, Zauberer darin hört«, und . . ." „Gut! writer . . . und dann? . . ." „Ja, Herr Oberst, «S sind Zauberer dort!" „SchafSkopf!" „Aber Herr Oberst . . .!" „Ach waS! Da ist nichts zu „aber» Herr Oberst!" . . . Nun, wird eS bald? Kommst Du bald weiter mit Deiner Erzählung?" „Ich weiß nicht recht, was dann geschehen ... ich habe Fräulein Jeanne und Gabriele schreien hören. Da bin ich von meinem Kutschbock heruntergeklettert, um naHusehen, wa» passirt sei . . . und bann ... hab« ich den Finger gesehen . . ." „Ja, den Finger!" fiel hier Georg ein. „In Flammen!" „Ja, in Flammen und voll Blut!" setzte Justin den Bericht erregt sort, und dann hat eine Stimm« gerufen: „Holla, Justin, da bist Du! Na, alter Junge, komm doch ein bischen näher!" Und die Stimm« war dicht an meinem Ohr." Der Oberst zuckte mit den Schultern. ,,E» ist wahr, Papa!" „Ja, Onkel Alfred, wirklich." „Schön, schön! . . . Nun weiter, Justin!" „Aber . . . Herr Oberst, weiter weiß ich Nicht» . .. nachher . . ." „List Du au»gerissen, wa»?" „Mit un» . . ." „Ihr! Ihr! Potz Kuckuck! Ihr seid Kinder! Aber der lange Schlingel da, rin früherer Soldat! Konntest Du nicht Deine Peitsche nehmen und d«n Stil auf dem Kopf drs ver dämmten Spaßvogels zerklopfen, der nun fast seit einem Jahre diese dummen Streiche ausführt? Mach', daß Du hinaus kommst, sonst gerathe ich in Zorn!" „Nun, Kinder", fuhr er dann zu diesen gewandt fort, „morgen will ich mit Euch hin und . . ." „O, Vater, ich kann nicht mit ..." „Ich auch niHt, Onkel!" „Nein, nein, ich auch nicht . . ." „So! Denn nicht! Dann werde ich allein hingehen und Euch den Spuk mitbringen, und zwar am Schlawittchen! Müßte ja doch mit dem Teufel zugehen, wenn's ander» sein sollte!" DaS Spukhau» war ein einzelnes Gebäude, das an der Landstraße zwischen zwei Dörfern lag. Im Jahre 1869 war dort ein Verbrech«» verübt worden, und seitdem hatte Niemand mehr das Haus bewohnen wollen. E» zerfiel und diente nur zum Unterschlupf, wenn mal Reisende oder Jäger vom Unwetter überrascht wurden. Das war so vielleicht während 10 Jahre gewesen, bi» Peter Ledru, der Schäfer deS Schlosses, dort ein Abenteuer erlebte, das die ganze Umgegend mehrere Meilen in der Runde tn die größte Aufregung versetzte. An einem Herbstabend hatte Peter LÄiru auch gegen den Regen in der alten Baracke Schutz gesucht. Er fand einige Bund Stroh auf den Dielen, streckte sich aus und schlief ein. Plötzlich aber erwachte er von einem Höllenspectakel. Von allen Seiten deS Zimmers, von der Decke, vom Fußboden, von den Wänden, dicht an seinen Ohren, über seinem Kopf, überall schreit es, pfeift und heult eS, Hunde bellen, Katzen miauen, und dazwischen hört er Beschwörungsformeln und ein Durcheinander menschlicher Stimmen. Peter Ledru sitzt aufrecht auf dem Stroh, vor Furcht wie gelähmt, die Augen schreckensstarr geöffnet, der Angstschweiß tritt ihm auf die Stirn, und einen Augenblick glaubt er zu träumen. Aber bald merkt er, daß er in dem Gchrrckenlhau» ist . . .. doch woher kommt der Lärm? Er ssarrt in» DLnm,«.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite