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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990210010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899021001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899021001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-10
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Reclamen unter dem Redactionsstrich l4ge» spalten) ö0-^, vor den Faiuilirnnachrichlr» (6 gespalten) 40/^. Erobere Schriften laut unserem Vre-r- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferuiaß nach höherem Tarif. Extra «Beilagen (gefalzt), nur mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuvg 60.—, uiit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen. Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uh«. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an d-« Expedition zu richten. Lkvck gvd Verlag von E. Polz in Leivzir S3. Jahrgang. Socialdemokratische Gewiffenlofigkett. AlSeineJrreführung sondergleichen muß die Agitation gebrandmarkt werden, die von der socialdemokratischen Fraction des Reichstags mit dem Unglück betrieben wird, in das neun Löbtauer Arbeiter durch schwere Ausschreitungen sich gestürzt haben. Wie war der Hergang'? Der Aufruf der socialdemokratischen Fraction schildert chn folgendermaßen: Die Verurtheilten feierten am 6. Juli v. I. auf einem Neubau der Unternehmer Hampel und Grahl in Löbtau das Richtfest. Die Unternehmer waren mit einer Bierspende freigebig gewesen, und di« Folge war, daß die betheiligten Arbeiter in ein« sehr angeregt« Stimmung geriethen. Gegen 8 Uhr Abends hörte der Rest der auf dem Bau noch anwesenden Arbeiter, daß auf dem nahe gelegenen Bau des Unternehmers Klemm noch gearbeitet werde, obgleich gemäß der erst nach schweren Kämpfen errungenen zehnstündigen Arbeits zeit der Dresdener Bauarbeiter bereits um sechs Uhr hätte Feierabend eintreten müssen. Das war die Veranlassung, daß die Verurtheilten sich nach dem Klemm'schen Bau begaben und die dort arbeitenden College» auf forderten, mit der Arbeit auszuhören. Es kam darüber zwischen Len beiden Parteien zu einem lebhaften Wortwechsel, der dadurch verschärft wurde, daß der hinzugekommene Bauunternehmer Klemm die fremden Arbeiter mit Schimpsworten wie „Spitzbuben" und „Einbrecher" belegte, und daß, als hierauf die Erbitterung der so Behandelten sich ebenfalls in heftigen Worten Lust machte, Klemm nach der Baubude lief, einen Revolver holte und mit ihm zwei Schüsse abgab. Obgleich diese Schüsse blind waren, glaubten bei dem herrschenden Lärm, der durch viele Neugierige verstärkt wurde, die Verurtheilten, Laß scharf geschossen und einer ihrer Kameraden, der am Halse blutete, durch einen Schuß verwundet worden sei. Cie fielen darauf über den Bauunternehmer Klemm her, den sie mit Holzstücken und einer Flasche niederschlugen und mit Füßen traten, wobei die Worte fielen: „Schlagt den Hund todt!" Durch zwei Poliere wurde Klemm diesen Mißhandlungen entrissen und vom Platze geführt. Nach einigen Wochen ärztlicher Behandlung war derselbe wieder hergestellt. Arbeiter Deutschlands! Dies ist in aller Kürze wahrheitsgemäß der Vorgang . . . Das heißt „in aller Kürze möglichst entstellt", und zwar ergiebt sich dies schon aus der Sonntagsnummer des „Vorwärts", die einen Bericht eines Gewährsmannes bringt, der sich sichtlich Mühe giebt, den Verurtheilten „ge recht" zu werben. Nach diesem Berichte, der auch der social demokratischen Reickstagsfraction bekannt sein mußte, ist die Sache folgendermaßen verlaufen. Die Verurtheilten waren nach dein fremden Neubau gegangen, um die dort be schäftigten Arbeiter zu „überreden", die Arbeit abzubrechen. Sie thaten es in der Weise, daß sie sich unter der Vor spiegelung, Arbeit zu suchen, eindrängten. Sie beschimpften nicht nur den dann herbeikommenden Bau unternehmer, sondern „rempelten" ihn auch, was man sonst „handgreiflich werden" nennt, an. Die Schüsse waren blind; er schoß, wie alle Leute sahen, auf einen Sand haufen. Als nun Drohworte sielen, führte der Polier den bedrohten Bauunternehmer in die Baubude und schloß ihn ein. Aber gerade der Arbeiter, der den Zug nach dem Neubau geführt, sich unter falscher Vorspiegelung beim Polier eingedrängt hatte, „der sich geschossen wähnte", und noch einige der Aufgeregtesten riefen: „Schlagt den Hund todt", sprengten die Thüre und mißhandelten Klemm in roher Weise, und zwar so, wie eS nun weiter „wahrheits gemäß" oben von der socialdemokratischen ReichStagSfraction geschildert wird. Zwei Poliere trugen ihn schließlich halbtodt vom Platze; nur einem Zufall war zu danke», daß der Miß handelte mit dem Leben davon gekommen ist. DaS ist an scheinend für die socialdemokratische ReichStagSfraction wenig erheblich; auch — denn der Aufruf' geht an die Arbeiter Deutschlands — daß die Excendenten, die die Fraction für sich reclamirt, außerdem noch sechs Arbeiter, darunter mehrere schwer, verletzt haben. — Des LandfriedenS- brnchS und schwerer Körperverletzung haben jene neun Ar beiter, die bis dahin unbescholten gewesen waren und nun inSgesammt zu 53 Jahren Zuchthaus und 8 Jahren Ge- fängniß verurtheilt worden sind, sich schuldig gemacht. Wie spricht aber nun daS Gesetz: „Die Rädelsführer, sowie diejenigen, welche (bei Zusammen rottungen und mit vereinten Kräften) Gewaltthätigkeiten gegen Personen begangen, oder Sachen geplündert, vernichtet oder zerstört haben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft." Der Rädelsführer, der die Arbeiter nach dem Bau herüberführte und 10 Jahre Zuchthaus erhielt, war vorher bereits wegen Körperverletzung bestraft, waS der socialdemo kratische Fractionsvorstand offenbar als nebensächlich auch nicht erwähnt. DieS Alles muß hervorgehoben werden, weil die Oeffentlichkeit — leider! — vorübergehend ausgeschlossen war und peil dies nun von der Führung der Socialdrmo- kratie ebenso mißbraucht wird wie die Ünkunde der gesetz lichen Bestimmungen; begreiflicherweise, weil sonst da» ganze Gebühren des socialdemokratischen Parteivorstandes als ein Ausdruck deS eigenen bösen Gewissen» erkannt würde. Auch wir beklagen, daß der Leichtsinn einer Minute zu Tbaten führte, die sieben Familien unglücklich gemacht haben. Wer aber ist eS, der in diesen schwachen, bisher brav ge wesenen Menschen den Hebel gelöst, so daß die menschliche Natur mit all' ihrer Brutalität durchbrach und jene Un glücklichen zwischen die Scheeren des Strafgesetzes fielen? Wir taffen sie mit Namen folgen: es sind dieselben Herren, die unter dem Aufruf stehen, die Auer, Bebel, Lieb knecht, Meister, Pfannkuch, Singer und Genossen, die nun für die Opfer ihrer politischen Arbeit die pecuniäre Hilfe der Arbeiterschaft Deutschlands in Anspruch nehmen. Wer ist es anders, als sie, die jede Gewaltthätigkeit, die von Arbeiter zu Arbeiter verübt wird und Anderen ge waltsam die Arbeitszeit vorschreiben will, auf die Mär tyrer- und Ehrentafel der Socialdemokratie setzest, die all monatlich im Centralorgan veröffentlicht wird? Wer war es ander», als der Abg. Bebel, der im Reichstag das RechtS- gefühl deS Arbeiters damit abstumpfte, daß er unter un mittelbarem Hinweis auf jenen Exceß erklärte: „Die Stellung der Socialdemokratie der heutigen Gesellschaft gegenüber ist genau dieselbe, welche die Christen der ersten Jahr hunderte der römischen Gesellschaft gegenüber eingenommen haben?" Eine furchtbare Anklage gegen die socialdemo- kratische Führung ist daher jener Proccß. An der Spitze der Partei stehen Leute, die daS Recht kennen und die Schärfen des Rechtes. Sie lassen „den Armen schuldig werden", und wenn er dann nach dem unerbittlichen Wort laute deS Gesetzes „der Pein überliefert" wird, dann wenden sie sich, die sich an die Brust schlagen und in den eigenen Beutel greifen sollten, an die deutschen Arbeiter, ob wohl auch Arbeiter dabei mißhandelt worden sind, und lassen sie die Kriegskosten dafür ausbringen. Sie sollten, wenn sie wie Christen dächten, in diese Kosten sich ebenso theilen, wie in die 53 Jahre Zuchthaus und acht Jahre Gefängniß. Denn daß die Geschworenen, unter denen sich infolge des gründlichst auSgeübten Ablehnungsrechtes der Anwälte der Angeklagten kein „Scharfmacher", kein „Socialisten- tödter" befand, ihr Votum, aus welches das Urtheil des Ge richtshofes sich gründet, mit strengster Gewissenhaftigkeit dem ermittelten Thatbestand angepaßt haben, das bezweifeln die socialdemokratischen Schwärmer für Volksjustiz gewiß nicht. Und wäre daS Urtheil über Arbeitnehmer gefällt worden, die nur halb so schwer sich vergangen hätten, wie die ver urtheilten Arbeiter, so würden dieselben Herren, die jetzl das Urtheil als ein parteiisches und unerhört strenges anfechten, den „weisen und gerechten Richtern" zujnbeln oder wohl Aar nachrueifern suchen, daß unzeitige Milde geübt worden Ware. Sie würden wohl auch den Versuch nicht wagen, die Arbeiterwelt in so gröblicher Weise irre zu führen, wenn nicht — leider! — die Oeffentlichkeit der Verhandlung vor übergehend ausgeschlossen worden wäre. ES verlautet, daS sei geschehen, weil die Gerichtsbehörde Beeinflussung der Zeugen durch Einschüchterung befürchtet habe und weil eS ihr im Hinblick auf das nach den Ergebnissen der Vor untersuchung zu gewärtigende Urtheil ganz besonder» darauf angekommen sei, ein getreue» Bild der der Anklage zu Grunde liegenden Vorgänge zu erhalten. DaS mag zutreffen. Aber eS ist fraglich, ob der Vortheil, den der Ausschluß der Oeffentlichkeit der Gründlichkeit der Beweis aufnahme gebracht hat, nicht überwogen wird durch den Vortheil, den dieser Ausschluß den socialdemokratischen Agitatoren bietet. E» war unseres Erachtens kein glücklicher Moment, in dem sich Regierung und Volksvertretung ent schlossen, die Möglichkeit der Ausschließung der Oeffentlich keit zu erweitern. Im Interesse der öffentlichen Ordnung liegt gerade bei Verstößen gegen die öffentliche Ordnung durch aus ein öffentliches Verfahren, durch das die weitesten Kreise von der Schwere des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung Kenntniß erhalten. Selbst nach der Darstellung der socialdemo kratischen Presse war, wie wir oben gezeigt haben, in dem Dresdner Falle die Verfehlung der angeklagten Arbeiter eine sehr schwere, und eS würde den Socialdemokraten jetzt weniger gelingen, ihre Anhänger gegen daS Erkenntniß aufzuhetzen, wenn die Zeugenvernehmungen vor der breiten Oeffentlichkeit dargethan hätten, wie brutal sich die bestraften Arbeiter benommen haben. Man möge die Ausschließung der Oeffent lichkeit lediglich auf Sittlichkcitsverbrechen, Hochverrath und Landesverrath beschränken. Daß in diesen Fällen die Aus schließung geboten erscheint, leuchtet auch dem Laien sofort ein. In anderen Fällen aber verzichte man auf die Aus schließung der Oeffentlichkeit, damit jede Verdächtigung un möglich gemacht wjjd, denn schon der Verdacht gegen die unparteiische Handhabung der Justiz ist eine schwere Gefahr für den Staat. ES heißt jetzt, die Veröffentlichung der UrtheilS- gründe stehe bevor. Hoffentlich bewahrheitet sich daS schon in den nächsten Tagen. Es wäre daö beste Mittel, die durch den Ausschluß der Oeffentlichkeit berbeigeführten Folgen ab zuschwächen und aller Welt vor Augen zu führen, wie ge wissenlos die Ausbeutung des Falles durch seine moralischen Urheber ist. - Deutsches Reich. L. Berlin, 9. Februar. Eine RecrutirungS- und Garnisonsfrage von nationaler Bedeutung ist soeben in der Budget-Commission de- Reichstags in einer Weise erörtert worden, welche die allgemeine Beachtung ver dient. Bekanntlich nahm während der Neichskanzlerschaft deS Grafen von Caprivi die Bildung polnischer Regimenter ihren Anfang, weil verfügt wurde, daß die Recruten PosenS und Westpreußens nicht mehr nach den deutschen Provinzen verschickt werden, sondern in einheimischen Garnisonen der militärischen Dienstpflicht genügen sollten. Nicht lange nach dem Rücktritt Caprivi's wurde diese den nationalpolnischen Bestrebungen Vorschub leistende Anordnung aufgehoben. Wenn jetzt der polnische Abgeordnete v.DziembowSki in der Budget commission den Wunsch aussprach, die Recruten der Provinz Posen möchten möglichst im Corpsbezirk behalten werden, so durfte er auf die Versagung seines Wunsches gefaßt sein. Ob er aber die energische Abfertigung erwartet hat, die Kriegsminister von Goßler ihm zu Tbeil werden ließ, bleibe dahingestellt. Der Kriegsminister begnügte sich nicht damit, die Verschickung als im Interesse der Spracheinheit und der einheitlichen Ausbildung nothwendig zu bezeichnen, sondern ließ eS auch a» einem sehr deutlichen Hinweis auf die nationalpolnischen Bestrebungen nicht fehlen, indenr er sagte: Polnische Regimenter könne man nicht bilden; wenn die deutsche Sprache in Posen durchweg und allgemein gesprochen werde, könne man vielleicht anders verfahren. — So lebhaft dieser Bescheid de» Kriegsministers vom deutschen Standpuncte auS zu begrüßen ist: seine Ausführungen über die Belegung kleiner Städte mit Garni sonen vermögen gerade im Hinblick auf die Provinz Posen au» nationalen Gründen, — auf die wirthschaftliche Seite der Angelegenheit gehen wir jetzt nicht «in — nicht zu befriedigen. Nur 13 kleine Garnisonen sind nach den Er klärungen des Herrn von Goßler in neuester Zeit alles in allem neu eingerichtet worden, 4 weitere sind in Aussicht genommen. Wie wenig daS ist, erhellt aus der Thatsache, daß in den Jahren 1850—1870 die Provinz Posen etwa dreimal so viel Garnisonen zählte wie jetzt. Noch im Jahre 1870 lagen in mehr als 20 Orten der Provinz Garnisonen. Inzwischen haben, wie heute eine Zuschrift der „Nat.-Ztg." feststellt, u. A. Bojanowo, Gostyn. Karge, Koschmin, Kosten, Nakel, Neustadt a. W., Neutomischel, Pleschen, Rogasen, Samter, Schrimm, Schroda, Schubin, Unruhsladt und Jdung ihre Garnisonen verloren. Den kleinen Städten die Garnisonen nehmen, bedeutet abjer in der Provinz Posen den aufs Aeußerste gefährdeten Mittelstand einer starken Stütze berauben. Je weniger eine deutsche Massen- einwanderung in die posenschen Städte sich erzwingen läßt, um so wichtiger ist für sie die Garnison. Verlangte das militärische Interesse der nahen Grenze wegen die Cou- centration der in Posen liegenden Truppen in ca. 10 größere Städte, so müssen die Nachbarprovinzen Truppen abgeben, freilich hat der Kriegsminister ganz allgemein den Einwand erhoben, manche kleine Städte könnten die Kosten für die Belegung mit einer Garnison nicht aufbringen. Hierauf ist, wa» die Provinz Posen angeht, zu erwidern: wenn 1850 bis 1870 die oben angeführten kleinen Städte Garnisonen aus nehmen konnten, so sind sie auch jetzt dazu im Stande. Al'o möge die Heeresverwaltung nicht säumen, durch die Einrich tung von Garnisonen in den kleinen Städten der Provinz Posen der Erhaltung des Deutschthum» einen großen Dienst zu erweisen. ö. 6. Berlin, 9. Februar. (DieErwerbsverhält- nisse in Preußen.) In Anbetracht dessen, daß sich die Zahl der Sparcassenbücher im letzten Jahre bedeutend ver mehrt bat, so daß gegen da« Jahr 1883 die Verdoppelung der damaligen Zahl zu verzeichnen ist, kann eine nicbk unerhebliche Besserung der Erwerbsverhältnisse bei den unteren und mittleren Bevölkerungsclassen angenommen werden. Die „Soz. Prax." giebt da» gesammte Einlage- capital mit ca. 5 Milliarden Mark an. Auf die kleinen Guthaben (bis 300 ^2) entfallen ungefähr 58Proc.; auf die mittleren (bi« zu 3000 ^k) 38Proc., während auf die großen Guthaben nur 3,89 Proc. kommen. An Zinsen sind den Sparern gutgeschrieben worden 127 i/i Millionen Mark, was nicht viel weniger ausmacht, al» die gesammte in Preußen gezahlte Einkommensteuer für 1897/98, mit Ausnahme von Hohenzollern und Helgoland. Die Einkommensteuer betrug nämlich rund 135 Millionen Mark. ^Berlin, 9. Februar. (O rd e n s m o ra l.) Ein Mit arbeiter der „Köln. Voltsztg.", der nach seiner eigenen Angabe selbst einem Orden augehön, hält an der Hand der „Gerarchia Cattolica" Umschau über die Stärke, in welcher der Orvens- klcrus in der Hierarchie der katholischen Kirche vertreten ist. Das Ergebniß dieser Umschau ist uns gleichgiltig, wohl aber interessirt unS der Schluß des in Rebe stehenden Artikel». Er lautet: „ES würde sich übrigens lohnen, eine Statistik der Ordensbischöfe früherer Jahrhunderte auszuarbeiten, um endlich einmal genaue Daten feststellen zu können. Denn die einzelnen Orden haben in älterer Zeit ihre B i s ch o f s l i st e n offenbar stark zu ihren Gunsten vergrößert. Wenigstens hat Schreiber dieser Zeilen, selbst einem der bischofs reichsten Orden angehörenb, nach vieljährigen Nachforschungen die Bischofskiste seines Ordens um fast die Hälfte re- duciren müssen. Zu einem ähnlichen Resultate dürften auch die Historiker anderer Orden gelangen, wenn sie sich ernstlich und vorurtheilslos (!) mit dieser ebenso schwierigen als inter essanten Frage beschäftigen wollten." — Naiver kann nicht ein gestanden werden, daß die Orden aus Eitelkeit uckü Prahksucht gelogen und betrogen haben. * Berlin, 9. Februar. Zur Abrüstungsconferenz wird dem „Hamb. Corr." von hier geschrieben: „Obgleich eine officielle Mittheilung von der russischen Regierung nocb nicht bekannt ist, gilt es sür wahrscheinlich, daß die Berufung der Abrüstungsconferenz nacb dem Haag erfolgt. Auch in diesem Falle werden sich die Mächte durcb die am Taguugs orte accreditirten diplomatischen Agenten vertreten lassen, Deutschland also durch Frhru. von den Blincken. Im Interesse der Beschleunigung deS Zusammentritts der Con fereuz ist, wie eS scheint, die Absicht, das endgiltige Pro gramm für die Arbeiten der Conferenz vorher aus diplo matischem Wege feststellen zu lassen, aufgegeben worden. Ob die Conferenz bereits Anfang März zusammentreten kann, steht noch nicht fest." D Berlin, 9. Februar. (Telegramm.) Der Kaiser kehrte gestern Nachmittag bald nach 4 Uhr von der Jagd Der Krieg in -en Äugen von Dichtern und Staatsmännern. Da augenblicklich Frau von Suttner's echt weiblich weich- müthige Forderung: „Die Waffen nieder", so üppige Blüthen gezeitigt hat, lohnt es sich wohl, die Meinung von Dichtern und Denkern früherer Jahrzehnte über dasselbe Thema zu vernehmen, von Dichtern und Denkern früherer Jahrzehnte, in denen die Kriegsfrage noch von einem anderen Standpuncte aus, als dem der Empfindsamkeit behandelt wurde. Wr geben den Dichtern und unter ihnen unserem Schiller das erste Wort. In seiner „Braut vonMessina" finden wir: „Nicht wo di« golden« CereS lacht Und der friedlich« Pan, d«r Flarenbchüter, Wo da- vis«n wächst in Ler Berg« Schacht, Da entspringen der Erd« Gebieter.« Im „Wallenstein": „Und setzet ihr nicht das Leben ein, "Nie Wied Euch das Leben gtwonnen sein.» Shakespeare sagt im „Othello" : „Noch immer bester ist ein schartig' Schwert, Al» «ine völlig waff«nlos« Hand.« . Im „He inrich V.': „Gar wohl geziemt die Rüstung gegen Feind«, Denn selbst der Friede darf rin Reich Niemal» so schläfrig machen, daß nicht Wehr Und Waffenstbnng stets und Musterung Aufrrcht erhalten und betrieben würde, Al» ob der Krieg bereit» in Aussicht stände.« Und als letztes Dichterwort führen wir aus Geibel's herrlichen „I u n iu s li ed e r n" an: „Und wenn uns nichts mehr übrig «blieb, 'So blieb uns doch ein Schwert. DaS zorngemuth mit scharfem Hieb Dem Trotz d«s Fremdlings wehrt; 'Lo bli«b die Schlacht als letzt' Gericht Auf Leben und ans Lod, Und wenn die Noth nicht Eis«n bricht, Da» Eisen bricht die Noth.« Ein treffende» Wort auch ist's, da» I e a n P a u l in seiner „Fa st e n pr e di g t" spricht: „Der Krieg ist die stärkende Eisencur der Menschheit." Gehen wir nun zu den Staatsmännern und Philosophen über. Da kommt uns Wilhelm von Humboldt in den Sinn mit seinem Ausspruch«: Alle Situationen, in welchen sich die Extreme gleichsam aneinander knüpfen, sind die inter essantesten und bildendsten. Wo ist dies aber mehr der Fall, al» im Kriege, wo Neigung und Pflicht, und Pflicht de» Menschen und de» Bürger» in unaufhörlichem Streite zu fein scheinen? (Au» „Sicherheit gegen auswärtige Feinde.") Heine sagt in seinen „R e i s e b i l d e r n": So furchtbar auch der Krieg ist, so bekunde er doch die geistige Größe de» Menschen, der seinem mächtigsten Erbfeinde, dem Tode, zu trotzen vermag. Von dem großen englischen StaatSmanne Fox rühren folgende Bemerkungen über den Krieg her: „Derjenige räth für die Erhaltung des Friedens schlecht, der sich selbst der Kriegs waffen beraubt. Die wahre Politik räth an, wir sollen trotz unserer eigenen freundschaftlichen Stimmung gegen die Wirkung der entgegengefietzten Stimmung gewasfnet sein." Seiner Ansicht entsprechend, daß „das Kriegführen leider eine der menschlichen Natur anhaftende Leidenschaft sei", sagt er in den „Political Speeches": „Die Jnconsequenz, die Schwäche und die Leiden schaften der menschlichen Regierungen werden zu jeder Zeit die Bande bürgerlicher Eintracht zu zerreißen fortfahren, und keine Enkschuldigung, kein Länderzuwachs, keine Zerstückelung des Reiches, kein Glücksfall wird die Könige je bestimmen, sich mit dem, was sie erworben, zu beruhigen oder ihren Verlust geduldig zu ertragen. Nach kurzem Athemschöpfen erheben sie sich aber mals zu Angriffen, Gdwaltthiikigkciten und Kriegen." So Fox, doch er hat allerdings Bertha von Suttner nicht gekannt und ihren Ruf „Die Waffen nieder!" nicht vernommen. Fox' Gegner, aber auch Mitkämpfer um die Wohlfahrt de» Vaterlande», WilliamPitt, sagt über den Krieg, daß dieser in zweifelhaften Fällen unbedingt oorzuziehen fti, weil man durch ihn am schnellsten und sichersten das stets zu wünschend« Ziel erreicht — einen gesicherten und andauernden Frieden. Der englische geistvolle Staatsmann und Schriftsteller Edmund Burke schrieb in seinen „Letter»" die Aeußerung nieder: „Ist der Krieg ein Gegenstand für Experimente? Ist die schreckliche Göttin, die mit dem mörderischen Speer in der Hand und dem Gorgonenhaupt an der Brust über ihm schwebt, eine Kokette, mit der man tändeln darf? Wir sollten uns dieser furchtbaren Gottheit, die den Muth liebt, aber Besonnenheit gebietet, mit Verehrung nahen." Dem „Maltravers" des großen Bul wer entnehmen wir den Ausspruch: „Er giebt Fälle, wo die tief beleidigte menschliche Natur stärker ist, al» die Welt und ihre Philosophie. Zweikämpfe und Kriege beruhen auf demselben Prinzip; beide sind bei armseligen Veranlassungen sündhaft. Aber es ist keine Sünde für einen Soldaten, sein Vaterland zu vertheidigen." Besonders überzeugt von der Nothwendigkeit des Krieges, ja von feiner Selbstverständlichkeit, ist der französische Socialist Proudhon. Ihm ist „der Krieg, sowie die Zeit und der Raum, sowie da» Schöne und Gerechte eine Form unserer Ver nunft, ein Gesetz unserer Seel«, eine Bedingung unseres Daseins". Seiner Auffassung nach „besteht der Krieg unter den Völkern, wir er in der ganzen Natur und in den Herzen der Menschen besteht". In seiner berühmten Abhandlung .,l^a gnsrre et Iu psix" spricht er begeistert auS: „Kraft, Heldenmuth, Auf opferung der Guter, der Freiheit Les Lebens und dessen, was selbst kostbarer ist als das Leben, der Freuden der Liebe und der Familie, die durch Arbeit erworbene Ruhe, all das enthüllt der Krieg in uns, und zu solcher Größe erhebt er unsere Tugend." Mac chravel li nennt in „Dvprin eip«" „jenen Krieg ge recht, der nothwendig ist, und jenen Kampf fromm, in dem allein noch Hoffnung liegt." Der griechische Geschichtsschreiber T Huk y di des .sagt in „Der Peloponnesische Krieg': „Wenn Einer, der sonst im Glück ist, die freie Wahl hat, so ist es eine groß« Thorhöt, den Krieg zu wählen. Wenn aber keine andere Wahl da fft, als durch Nachgeben sich dem Fremden zu unterwerfen, oder mit der Gefahr des Kampfes den Sieg zu suchen, so ist der, der die Gefahr meidet, schlechter al» wer sich ihr stellt." Da» letzte Wort in dieser Sache wollen wir unserem Mommsen lassen. In seiner „Römischen Geschichte" steht zu lesen: „Wenn einem Staate ein gewisser, aber der Zeit nach noch unbestimmter Krieg bevorsteht, werden die entschlosseneren und hingehenderen Männer, die zu dem Kriege sich sogleich fertig machen, überall sich gehemmt sehen durch die träge und feige Masse der GeldeSknechte, der Altersschwachen, der Gedankenlosen, dir nur Zeit zu gewinnen, nur im Frieden zu leben und zu sterben bedacht sind." M. Uhfr.
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